Samstag, Juli 26, 2008

London #5

04.05.2008, Sonntag

Stefanie und ich verbringen den Vormittag damit, über die London Bridge in das Geschäftsviertel zu schlendern und uns ein wenig Architektur anzuschauen. Das Lloyds Building von Richard Rogers gab es zu meiner Zeit noch nicht und ich finde es interessant, diese mittlerweile leicht angegammelte Ikone moderner Architektur aus der Nähe zu betrachten. Gleich daneben steht die Salatgurke (The Gherkin, für die weniger architektonisch versierten das Swiss Re Building) von Sir Norman Foster, ein die Silhouette des Geschäftsviertels dominierendes, glitzendes, phallisches Gebäude. Meine erste Begegnung mit einem Bauwerk von Sir Norman hatte ich 1993 in Hongkong, als Ali und ich die Bank of Hongkong and Shanghai besichtigten. Geiles Teil. Nachdem wir von den nach Fengshui- Prinzipien in Form des Schriftzeichens für Acht (glückbringend) angeordneten Rolltreppen wie in den Bauch eines Mutterschiffs in die Schalterhalle der Bank gesaugt worden waren, gelang es uns auch noch irgendwie, in die oberen Etagen dieses Gebäudes vorzudringen. Doch bevor ich den Hubschrauberlandeplatz besichtigen konnte, wurden wir von einem chinesichen Wachmann gestoppt, der sofort seine Hand an den Gummiknüppel legte, als ich ihn mit einem Schwall von Worten , wir seien deutsche Architekturstudenten etc. überschüttete und dann auch noch Ali sich unheilverkündend hinter mir aufbaute. Naja, in die Gurke kommen wir dann auch nicht ein, überhaupt ist das Bankenviertel Samstags nicht gerade der Bringer. Außer uns sind da nur Penner, Drogensüchtige und verirrte Architekten unterwegs. Und Boots hat natürlich auch nicht offen. Wenigstens schnappen wir geile Sandwiches als Tagesverpflegung und fahren diesmal ordnungsgemäß mit der Bahn nach North Dulwich. Rose hat von dem restlichen Geld des gestrigen Abends Kekse und Kuchen besorgt, der Meister besteht darauf, uns diesmal ordnungsgemäß mit kochendem Wasser zubereiteten Tee zu kredenzen, den wir alle sehr loben. Nach dem wirklich kostbaren Tee gibt es dann noch ziemlich guten grünen Tee, dessen Zubereitung der Meister Rose überlässt. In einer Zigartettenpause erwähne ich beiläufig, dass ich die Formen immer noch üben würde. Und die muß ich dann natürlich auch sofort vorturnen und es gibt zügig Gebrüll. Naja, aber ich glaube auch nicht, dass der Erfinder des Tongbei daran gedacht hat, seine Jünger könnten das mit ner Kippe in der einen und ner Schachtel Zigraretten in der anderen Hand ausüben, also schleudere ich diese Assecoirs von mir und der Meister ist wohl ganz zufrieden. Und so kündige ich mich grob für Oktober an und deute zart an, dass ich für nachmittägliche Nachhilfe durch Xiao Lu nicht undankbar wäre. Der Meister nickt und sagt „Keyi“. (Geht in Ordnung) Als wir uns umziehen und ich im Rucksack nach frischen Klamotten wühle, knufft Meister Wu mich in die Seite, sagt „Hey, hey“ und in meinen Rucksack fliegen erstmal zwei Schachteln der grauenhaften (aber teuren) chinesischen Kippen, gefolgt von einer Ladung Portionsbeuteln des echt guten chinesischen Tees. Da ich weiß, dass der Meister den ursprünglich zu seinem persönlichen Konsum mitgebracht hatte, damit er in der Fremde was vertrautes hat und mir nun einen großen Teil davon gibt, bin ich gerührt und versuche erst gar nicht das alte Spiel mit der Zurückweisung, sondern bedanke mich herzlich. Daraufhin fliegt noch eine Handvoll in meinen Rucksack. (Um noch mal hervorzuheben, wie wertvoll diese Geschenke waren: Auf den Päckchen steht nicht etwa so was wie „Dies ist Grüner oder Woolong Tee, bitte bereiten sie ihn auf folgende Weise zu… sondern einfach nur z.B. Drei himmlische Weise Tee. Teekenner wissen dann Bescheid.) Zeit des Abschieds, ich erzähle dem Meister noch, was für Artikel ich über ihn im chinesischen Netz gelesen habe, Rose wird nervös, Abschiedsfoto und das war es dann. Komisch, in Shanghai ist er immer ganz cool, wenn es ans Verabschieden geht, als ob wir uns am nächsten Tag wiedersähen. Hier ist er sichtlich traurig. Ungewöhnlich.

Samstag, Juli 12, 2008

London #4

03.05.2008, Samstag

Nachdem wir uns mit lecker Sandwiches und Getränken für das Seminar eingedeckt haben, treffen wir uns mit English- John, besichtigen die Tower Bridge und bummeln noch ein wenig.

Zum Glück erwischen wir frühzeitig den Bus, denn ich hatte keine Lust, völlig abgehetzt zu dem Seminar aufzuschlagen. Nach einer längeren Fahrt stehen wir auf einmal mitten im Nirgendwo, jedenfalls die Richtung hat grob gestimmt. John hat etwas ausführlicheres Kartenmaterial, welches Stefanie ihm sofort entreißt. Nach etlichen Debatten, Diskussionen mit freundlichen Einheimischen und Gekeife marschieren wir los, meine zaghafte Einwendung, wir hätten doch eigentlich hier abbiegen müssen, wird roh abgebügelt. Weitere Debatten und Einheimischenbefragungen. Wir marschieren zurück und biegen ein. John und ich sind enorm ungehalten, Taxi ist auch keines in Sicht. Stefanie versucht, durch belangloses Geplauder die Stimmung zu heben.

Nach schier endlosem Laufen (1,5 Km) durch eine wunderschön gepflegte Siedlung erreichen wir endlich North Dulwich. Zerknirscht stimmt Stefanie zu, künftig die Bahn zu benutzen und English- John verliert seinen Glauben an deutsche Effizienz. Das Seminar findet im Gemeindesaal einer Kirche statt, da wir noch gut Zeit haben, setzen wir uns in den Park gegenüber, verzehren unseren Proviant und beobachten den Eingang. Und schon bald bemerken wir eine ältere, grauhaarige, resolut aussehende Dame in Sportklamotten, die die Lokalität umkreist. Also begeben wir uns dann auch mal zu dem Veranstaltungsort und stellen uns der Dame vor, die auch gleich fragt: „Are you ready to get killed?“ Aha, offensichtlich kennt sie den Meister. Dann stellt sich eine etwa gleichaltrige grauhaarige Dame in Hippiefummel mit wilder Haarpracht ein, der wir uns ebenfalls vorstellen. Die beiden Damen heißen Jane und Jeane, ich kann mir natürlich nicht merken, welche von beiden Jane und welche Jeane ist. Nach und nach tröpfeln noch ein paar Leute ein, als letztes kommt ein absolut farblos aussehender Typ mit seiner hässlichen, fetten, geschmacklos gekleideten Gemahlin. Die liefert er nur hier ab, er selber nimmt nicht an dem Seminar teil. In letzter Sekunde verkneife ich mir noch, mit Stefanie über die hässliche Schnalle zu lästern, für mich das, was ich mir unter einer typischen Engländerin vorstelle. Dummerweise entpuppt sie sich als schon seit 25 Jahren in England lebende Deutsche. Mittlerweile hat uns eine in grauenhaften Spitzenfummel und hochhackige Schuhe gepresste, dem Akzent nach französische Bedienstete der Gemeinde den Saal aufgesperrt, so dass wir uns schon mal umziehen können. Und dann warten wir erstmal draußen im Sonnenschein auf Rose und den Meister.

Als nach einer halben Stunde Verspätung endlich das Auto auf den Hof einbiegt, schlägt mein Herz ein paar Takte schneller. Und Meister Wu schießt wie eine Kanonenkugel aus der Karre, um uns (für seine Verhältnisse) herzlich zu begrüßen. Ich habe sofort eine seiner grässlichen chinesischen Kippen zwischen den Lippen und wir machen zunächst ein wenig Konversation, danach geht das Seminar los. Mir ist, als wäre ich nie aus China fort gewesen und habe fast Tränen der Rührung in den Augen, als ich den Meister mal wieder in voller Aktion sehe. Auch die gesetzteren Damen (Jane, Jeane und die Deutsche) haben offensichtlich großen Spaß daran, den Meister durch die Gegend zu schubsen und ihm in die Plauze zu boxen. In einer Pause händige ich Meister Wu dann auch die CDs mit den Bildern und Videos vom letzten Jahr aus, die ich für ihn und Xiao Lu gebrannt habe.

Nach dem Seminar gehen wir alle gemeinsam essen, da North Dulwich nicht gerade mit gehobener chinesischer Küche aufwarten kann, fahren wir in die Stadt nach Chinatown. Erstmal ewige Warterei am Leinster Square auf den Meister und Rose, Jane und Jeane vertreiben sich die Zeit mit dem gewissenhaften Üben von Schlagkombinationen, die Menschenmassen ignorierend. Nachdem wir endlich alle wieder versammelt sind, begeben wir uns in ein nettes Restaurant und es folgt mal wieder eine der Aktionen, für die ich den Meister so sehr liebe. Natürlich wollen die Speisen sehr umsichtig ausgewählt sein, nach etlichen Diskussionen mit dem Chef des Hauses wird das dann auch schließlich klargemacht. Dann öffnet Meister Wu seinen Rucksack, zerrt ein komplettes Teeservice daraus hervor und verlangt nach kochendem (nicht nur heißem) Wasser. Dann bereitet er sehr sorgfältig einen absoluten Spitzentee (sozusagen der Chateau Lafite Rothschild unter den Tees) zu, den er uns anschließend kredenzt und den wir dann mit hoffentlich angemessener Würde zu uns nehmen. Das Essen ist echt lecker und findet auch Gnade vor dem strengen Gaumen des Meisters, er ist sogar der Meinung, die Ente und die Auberginen seien besser als in Shanghai. Und das will was heißen! Und da ich meinen kettenrauchenden Meister sehr gut kenne, weiß ich auch ganz genau, in welchen Abständen ich ihn vor die Tür zerren muß, wofür er wohl ganz dankbar ist. Wir verbringen jedenfalls einen sehr lustigen Abend und freuen uns auf das Seminar am nächsten Tag.

Freitag, Juli 04, 2008

London #3

02.05.2008, Freitag

Mit English- John sind wir um 9.30 am Trafalgar Square verabredet, da Stefanie sich immer noch hartnäckig weigert, die Tube zu benutzen, nehmen wir einen Bus, der uns grob in diese Richtung spült. Natürlich sind wir wegen unserer Frühaufsteher- Phase wieder echt gut in der Zeit. In Covent Garden steigen wir aus, leider hat der Markt noch nicht geöffnet. Was sind denn das hier für Schnarchnasen? In Mainz würde um diese Uhrzeit schon die Luft brennen. Wir nähern uns zickzackförmig unserem Ziel und da wir mal wieder zu früh sind, stärken wir uns noch mit einem Kaffee.

Dann endlich Wiedersehen mit dem guten, alten John. Der freut sich natürlich auch, seine „Warrior Ladies“ wieder zu treffen und wir bummeln erstmal in Richtung Buckingham Palace, machen Fotos mit den Jungs mit den albernen schwarzen Mützen, ich erstehe im Fanshop einen güldenen Schlüsselanhänger in Form einer Krone. Danach Harrods, wo wir in den Food Halls unser Mittagessen erstehen, das wir dann im Hyde- Park zu uns nehmen. Wir beratschlagen über das weitere Tagesprogramm und stellen fest, dass wir eigentlich doch alle ganz gerne mal das London Eye benutzen wollen. Dummerweise beginnt es zu regnen, also flüchten wir in einen Bus. Da Stefanie nicht herausbekommt, welche Linie genau zum London Eye fährt, treibt John uns entschlossen in die Tube. Nach einigem Schlangestehen betreten wir dann auch endlich eine der Gondeln und –Freunde- das lohnt sich wirklich! Mittlerweile hat auch der Regen aufgehört und wir genießen einen grandiosen Ausblick.

Danach bummeln wir an der Themse und über den Bourough- Market (Jamie Oliver entdecken wir leider nicht) entlang zurück zu unserem Hotel, trinken ein Tässchen Tee zu Stärkung und fallen dann in unserem Lieblingslokal zum Essen ein. Stefanie hat festgestellt, dass unsere Oyster- Card leider nicht auf den Vorortzügen nach North Dulwich gilt, ein Umstand, der sie außerordentlich verdrießlich stimmt. Dummerweise findet sie im Busfahrplan eine Linie, die nach Dulwich fährt. Da mein Stadtplan kurz vor Dulwich endet und ich mir im Netz auch nur eine Karte mit dem Weg von der Bahnstation zu dem Seminarort ausgedruckt habe, äußere ich leise Zweifel, die English- John bekräftigt. Aber Stefanie ist nicht von ihrem Vorhaben, den Bus zu nehmen abzubringen und entgegnet zickig, wir könnten dann ja mit dem Zug fahren. Gutmütigerweise geben wir nach und verabreden uns für den nächsten Morgen.