Freitag, Februar 19, 2010

放假第二次 – Ferien #2

14.02.2010, Sonntag:

Abendessen beim Meister wird sehr spaßig. Xiao Lu wird überraschend als Abholer geschickt (bin ja zu blöd, mit dem Taxi zu fahren) und bringt mir einen monströsen Obstkorb mit geschätzten 4 Kilo Früchten mit. Um Gottes Willen, wer soll denn das alles essen? Na, ich. Weniger rauchen, weniger Kaffee, gesünder leben! Nach der Fingernagelinspektion neulich wollte er ja eigentlich auch irgendwelche Pillen der traditionellen chinesischen Medizin mitbringen, hat die aber so schnell nicht bekommen. Bin gerührt und verspreche, weniger zu rauchen und mehr Obst z
u essen.
Bei den Wu`s hocken schon das lustige Männlein und ein anderer Schüler des Meisters und spielen Karten. Das Männlein freut sich, mich wieder zu sehen und sagt, ich sei seine kleine Tongbei- Schwester. Süß. Wir warten ewig auf Wujie, der ja vom ganz anderen Ende Shanghais anreist. Währenddessen wird schon mal die Festtagstafel unter viel Gekreische klargemacht, Wujie wird alle fünf Minuten angerufen, wo er denn gerade aktuell sei. Letztes Telefonat: Wujie steht vor der alten Hütte des Meisters und wundert sich, dass diese offensichtlich unbewohnt ist. Monkey Zhou (das Männlein) wird losgeschickt, um ihn einzusammeln. Schließlich trifft Wujie in Begleitung eines total kuriosen Typen ein: Der Typ hat auf dem Kopf einen schwarzen Lederhut, trägt einen Pulli mit grauenhaftem Muster und dazu eine schlecht gefälschte Louis Vuitton Krawatte. Sieht aus wie ein Gangster. Mann, genau wegen solcher schrägen Vögel muss man China einfach lieben! (Leider ergibt sich keine Gelegenheit zum Fotographieren). Es wird aufgetischt, dass sich die Balken biegen, des Meisters frisch ondulierte Gattin kümmert sich rührend um mich. (Meister Wu natürlich auch). Erstmal für alle ein Wasserglas voll Schnaps, das ich schlecht ausschlagen kann. Eigentlich hätte ich ja lieber Cola. Dann wird geschmaust, Trinksprüche herausgebracht und natürlich gibt es auch wieder lustigen Sprachunterricht. „Cheers“ kennen die auf internationalem Parkett gewandten Herren natürlich, aber was hieße denn „Gan bei“ auf englisch? Das sei im Westen nicht so verbreitet, erkläre ich. Jedenfalls nicht bei den Engländern, deswegen gäbe es da keinen Begriff für.(Tatsächlich kenne ich keinen). Die Deutschen seien da nicht so warmgeduscht, wir täten das sehr wohl. Und bei uns hieße das „Auf Ex“! („Ex oder Arschloch“ oder „Hau weg die Scheiße“ schien mir dann doch etwas zu krass). Lederhut fragt, ob in Deutschland denn viele mit einer derartigen Kopfbedeckung herumliefen? Ähem, nein, eher nicht. Leider wird der meiste Teil der Konversation in Shanghainesisch geführt, so dass ich nichts verstehe. Trotzdem ein sehr lustiger Abend.
Bin noch total aufgekratzt und chatte mit Lilo und Stefanie, kann nicht schlafen und drapiere schließlich den Rechner neben meinem Bett. Schaue ein paar Serien und schlafe schließlich ein. Hilft doch immer.

15.02.2010, Montag:

Ich schlafe erstmal bis in die Puppen, putze meine Bude und wiederhole meine Formen, vor allem Ying Quan. Der Meister legt da beim Unterricht ein Höllen- Tempo vor, jedes Mal einen neuen Teil, wiederholt wird nichts. Zum Glück habe ich das Video. Fange an, den Obstkorb abzuarbeiten. Echt leckeres und exotisches Zeug da drin, hat bestimmt einiges gekostet.
Schreibe Abends eine vorsichtige SMS an Meister Wu, wann denn wieder trainiert würde? Zu beschäftigt mit feiern die nächsten Tage, ist doch Neujahr. Beschämt entschuldige ich mich und fange an, mein Programm für die Feiertage zu planen. Chatte mit Stefan, meinem chinesischen Fußball- Kumpel und frage nach der Super Brand Mall in Pudong, ob die was wäre? Klar, lauter tolle, ausländische Marken (wie der Name ja unschwer vermuten lässt) und das Beste: Im Basement ein Supermarkt, der ebenfalls ausländische Produkte führt. Auch Haribo. Mein Interesse ist geweckt.

16.02.2010, Dienstag:

Komme wieder spät aus den Federn, vielleicht ganz gut, dass nicht trainiert wird. Ich habe mir hier aber auch seit meiner Ankunft nichts geschenkt.
In Pudong brennt natürlich die Luft. Die Mall ist ja ganz nett, aber das ganze Zeug kenne ich ja schon von zu Hause, also nicht wirklich spannend. Außerdem eher auf den chinesischen Geschmack getrimmt. Als ich mir die Preisschilder im Esprit- Laden anschaue, schnappe ich nach Luft- Teurer als bei uns! Oha, da müssen unbedingt Alternativen her! Muss doch auch Läden mit schicken einheimischen Klamotten geben.
Im Tiefgeschoss der Mall stolpere ich erstmal über einen Laden der Marke
Emoi mit sehr schicken und witzigen Öko- Produkten. Letztes Jahr hatte einer meiner Kollegen mir den Katalog dieser Marke gezeigt und da war ich schon ziemlich angetan. Damals allerdings wohnte ich hier ja noch nicht und hätte für die Dinge keine Verwendung gehabt. Kaufe eine Klappbox aus Stoff für mein Bad- Geraffel, hatte so was schon länger gesucht, geschmackvolle doppelwandige Trinkgläser und ein schönes schlichtes Notizbuch.
Der Supermarkt ist das Paradies schlechthin. Vor dem Kühlregal möchte ich am liebsten auf die Knie sinken und vor Dankbarkeit laut schluchzen. Käse! Es gibt Käse! Alle möglichen Sorten! Und ungesalzene Butter! Schaufele diverse Käseschätze in meinen Korb und finde in der nächsten Abteilung italienische Nudeln und Fertigsoßen. Auch davon wandert eine Auswahl in den Korb. Kurz vor der Kasse auch die ersehnten Haribo. Bin im Himmel. An der Kasse ledere ich dann ohne mit der Wimper zu zucken für diesen Spaß knapp 50,- Euro aus meiner Geldbörse. Und ich habe noch nicht mal Wein gekauft. Schei
ßegal, das ist es mir wert. Lebe ja hier sonst sehr bescheiden und gehe ja auch nicht weg abends. Meine Schätze werden liebevoll ausgebreitet und mit Tränen der Rührung in den Augen begutachtet. Jetzt brauche ich natürlich noch einen Topf, einen Dosenöffner und ein Sieb, um die Nudeln abgießen zu können. Gott sei Dank gibt es Carrefour. Auf dem Weg dorthin zerre ich ein Dokument aus meinem Briefkasten, dass ich achtlos in die Tasche stopfe. Ich entscheide mich für den Kauf eines Woks, schließlich kann man in dem auch Soßen zubereiten und chinesisch kochen wollte ich ja sowieso lernen. Dosenöffner von Fackelmann, heute ist Tag des ausländischen Produktes. Auf dem Weg zur Kasse bemerke ich ein Regal mit chinesischen Fertigsoßen. Auch sehr chililastigen. Sieht alles sehr viel versprechend aus, das wird demnächst näher studiert werden müssen. Bereite mir Spaghetti Napoli mit ordentlich Parmesan zu und setzte mich vor die Glotze. Köstlich! Die Reste werden eingedost, endlich ist mein Kühlschrank mal gut gefüllt. Ein schöner Anblick. Wenn ich jetzt nur noch gutes Brot hätte! Tatsächlich finde ich im Netz eine deutsche Bäckerei mit dem sinnigen Namen „Abendbrot“. Allerdings sind die ganz weit draußen in Puxi, in der Nähe der deutschen Schule. Aber die liefern auch. Wenn es sein muss, bis an die Haustür, bis spätestens 7.00 Uhr. Nach Hongkou immer Sonntags, man kann sich im Netz anmelden. Was ich sofort tue. (Als nach dem Namen der „Compound“ gefragt wird, muss ich grinsen). Mit zitternden Fingern ordere ich zwei Mohnbrötchen, zwei normale Brötchen und ein Mehrkornbrot. Die Bestellung wird bestätigt. Hoffentlich klappt das, bin völlig außer mir bei dem Gedanken, vor der Arbeit ein anständiges Käsebrötchen frühstücken zu können.
Siedend heiß fällt mir der Brief wieder ein. Eine Rechnung von China Telecom über 33,50 RMB, Internetgebühr von Januar. Leider kein Hinweis darauf, wie und wo die zu begleichen ist. Bei einer Filiale direkt? Aber wo ist die nächste? Kann ich ja am Samstag Matthew fragen. Aber von Zahlungszielen steht leider auch nichts drauf. Ich werde nervös: Was, wenn die mir hier das Netz abschalten, weil ich nicht rechtzeitig bezahle? Das wäre eine Katastrophe! Werde nervös. Recherchiere hektisch im Netz, gibt wohl einen Dienst der Shanghaier Stadtverwaltung, über den man so was per Internet- Banking machen kann. Melde mich an. Seiten teilweise nur in Chinesisch. Log- in bei der BOC über den Dienst klappt irgendwie nicht, fliege aus dem Netz. Werde immer panischer. Noch mehr Recherchen: Ist wohl so, dass man seine Strom-/ Gas-/ Wasser-/ etc. Rechnungen grundsätzlich bei der Post, bei seiner Bank oder in Convenience Stores begleichen kann. Was aber vielen Leuten zu umständlich ist, deswegen ja dieser Dienst. Convenience Stores? Häh? Etwa diese 24- Stunden Minimärkte wie Kedi, Lawsons, Family Mart und so? Unvorstellbar! Kann vor Nervosität kaum schlafen.

17.02.2010, Mittwoch:

Spät vormittags wache ich nach unruhigem Schlaf wie gerädert auf. Meine Augen sind verquollen, sehe aus wie eine Säuferin. Und das trotz Abstinenz und Obst- und Teekonsums die letzten Tage! Meine Bude ist mir noch entschieden zu lilalastig, deswegen möchte ich bei Ikea für das Sofa Kissen in gebrochenem Weiß erweben. (Habe die Produkte gestern vor dem Rechnungschaos schon recherchiert, sollte also schnell gehen). Sieht bestimmt schick aus und Kissen brauche ich sowieso, um mein müdes Haupt vor der Glotze zu betten, außerdem eine kuschelige Decke. Decken, die was aussehen, sind hier maximal 1,70 m x 1,30 m groß. China halt. Aber egal, meine Lieblingsdecke einfliegen zu lassen, wäre leicht übertrieben. Haste zum nächsten mir bekannten Mini- Markt auf dem Weg zu Metro 3 und präsentiere der Verkäuferin die Rechnung. Könne ich das hier bezahlen? Kurzer Blick auf das Dokument: Klar. Strichcode wird eingelesen, ich zahle, rote Stempel und ein Kassenzettel wird an die Fapiao (Quittung) getackert: Das war es. Und wegen so was kann ich die halbe Nacht nicht schlafen!
Mit der Metro 3 fahre ich sehr gerne, weil diese Linie überirdisch verläuft und man ständig wechselnde Perspektiven der Stadt hat. Obwohl die Fahrt zu Ikea fast 40 Minuten dauert, vergeht die Zeit wie im Flug. Ist halt was anderes, als mit der S8 von Mainz nach Frankfurt zu fahren. Bei Ikea ist natürlich der Teufel los. Seit Neuestem müssen die meisten privaten Taschen in einer soliden roten Tasche verstaut werden, die dann anschließen versiegelt wird. Das soll Ladendiebstähle verhindern, die wohl in letzter Zeit Überhand genommen haben. Und zwar nicht von Einzelpersonen, sondern von organisierten Banden. (Ein weiterer organisierter Berufszweig: Illegale Taxifahrer, die die schwer beladenen Konsumenten zu ködern versuchen). Was mir auffällt: Als westliche Ausländerin habe ich quasi Narrenfreiheit. Keiner hält mich auf, als ich entschlossen das Taschenversiegelungsteam ignoriere und die Rolltreppe hinaufstürme. Das sollte bei uns mal ein Asiate wagen!
Zickzacke mich an den Massen vorbei und schnappe mir die Kissen, die Bezüge und eine Vliesdecke. Wähle bei der Decke das billigere als zunächst anvisierte Produkt, dafür dann ein Kissen mehr. Denke, ein pinkfarbener Bezug könne meine „Couch“ rocken.
Eine Metrostation weiter, die an der von mir und Stefanie 2006 besuchten Sprachschule liegt, soll es angeblich einen Pflanzenladen geben. Seit meinem letzen Ikea- Besuch ist das einzige andere annähernd lebende Objekt in meiner Wohnung ein Efeu namens Wilson. (Nach Tom Hanks Basketball- Kameraden in „Castaway“). Möchte Wilson gerne zu angenehmer Gesellschaft verhelfen, als ich an der Hongqiuao Lu aussteige, werden alte Erinnerungen wach und ich muss fett grinsen. Ganz altes Territorium, fand die Gegend damals hier richtig Scheiße.
Biege von der Hongqiau Lu in die Huaihai Lu ein und stehe nach 200m z
war nicht vor dem ersehnten Pflanzencenter, aber in einem klasse Skulpturengarten. Mit jeder Menge Galerien und Cafes, die jetzt natürlich alle geschlossen sind. Trabe in der Abenddämmerung durch das Gelände und versuche, möglichst gute Fotos zu machen. Mann, warum haben Stefanie und ich das damals nicht entdeckt! Wo wir doch genau um die Ecke wohnten! Wie entspannt hätte man hier abhängen und lernen können! Muss ihr das unbedingt zeigen, wenn sie mich besucht. Und wenn alles aufhat, ist das bestimmt super hier.
Erwärme den Rest der Spaghetti und dekoriere: Die lila Puff- Bettwäsche wird gegen eine farbenfrohere ausgetauscht und gewaschen. Bin beglückt. Das pinkfarbene Kissen hingegen sieht richtig Scheiße aus! Da ich mich eigentlich für ziemlich geschmackssicher halte, bin ich erschüttert. Wie konnte ich mich derartig irren! Morgen will ich eigentlich in den Longhua Tempel, aber der liegt quasi auf der Strecke. Noch mal Ikea- Hölle an den Feiertagen? Egal, mal sehen.
Als ich mich um 23:00 schlafen lege, explodiert Shanghai mal wieder, diesmal aber richtig. Muss feststellen, dass Feuerwerke genau vor meinem Fenster explodieren, wenn sie unten im Hof entzündet werden. Ist ja hübsch anzusehen, aber nicht unbedingt toll, wenn man schlafen möchte.
Die trägeren meiner Nachbarn entflammen die Böller in der Wohnung und schmeißen es aus dem Fenster. Was ist jetzt wieder? Ah, der Wohlstands- oder Küchengott kehrt zur Erde zurück. Sieben Tage vor Neujahr ist er gen Himmel aufgestiegen, um dem Jadekaiser zu berichten, was in den Familien auf Erden so abgegangen ist. Deswegen wurden ihm auch Süßigkeiten geopfert, damit er milde gestimmt bzw. sein Mund verklebt ist. Heute kommt er zurück. Und er steht nicht so auf schön, Hauptsache, laut. Schönen Dank. Tue in der Nacht kein Auge zu.

18.02.2010, Donnerstag:

Schäle mich um viertel nach sechs aus dem Bett und mache mich gemütlich fertig. Über Shanghai hängt Rauch und noch immer wird geballert. So muss sich Krieg anf
ühlen. Der Presse entnehme ich, dass wir Shanghaier in der Neujahrsnacht 1.000 Tonnen Feuerwerk abgefackelt haben. Das sind 200 Tonnen mehr als die Beijinger. Diese Luschen!
Mit der Metro fahre einmal fast rund um die Stadt zum Longhua Tempel. Von der Metrostation aus muss man noch eine Ecke laufen, habe Mühe, den Böllern auszuweichen. Shanghai steht noch immer unter schwerem Atilleriefeuer. Mittlerweile scheint die Sonne und es ist schön warm. Im Tempel ist natürlich die Hölle los (man möge mir diesen Ausdruck verzei
hen), aber ein schöner Ort, um die Bevölkerung zu beobachten. Tatsächlich stellen sich die Chinesen ordentlich an, um den Göttern zu huldigen, ordentlich Räucherwerk wird verbrannt. Aber wenigstens nicht geballert. Zu meiner Freude stelle ich fest, dass es der Stadtverwaltung immer noch nicht gelungen ist, die Schilder mit den drolligen Übersetzungen völlig zu beseitigen. Eigentlich hat man Heerscharen von Stundenten auf die Suche nach diesen Schildern geschickt, um sich vor den ausländischen Expo- Gästen nicht mit schlechtem Englisch zu blamieren, aber zum Glück haben die wohl noch nicht alle gefunden.
Ikea erreiche ich, als der Laden gerade öffnet. Angenehm leer, kaufe die K
issenhülle und fahre in die Stadt. Ds mit den Klamotten lässt mir keine Ruhe, kann ja nicht zweimal im Jahr nach Deutschland fahren und mich neu einkleiden. In einem ansonsten scheiß- teuren Laden schieße ich das T- Shirtkleid, mit dem ich schon letztes Jahr geliebäugelt hatte, zum reduzierten Preis. Vor dem Laden werden Löwentänze aufgeführt und der Wohlstandsgott verteilt rote Umschläge. Finde auch noch ein Einkaufszentrum mit viel versprechendem Klamottenangebot, auch ein japanischer Laden mit sehr schönen und schlichten Haushaltsartikeln und auch Kleidung. Leider alles aus Leinen, das knittert so unhübsch. Ein Bügeleisen wollte ich mir eigentlich nicht zulegen. Eine Emoi- Filiale gibt es auch, kaufe eine Einkaufstasche, die sich sehr klein zusammenfalten lässt. Aus sehr stabilem Material. Meine letzte habe ich auch in China gekauft, die gibt jetzt langsam den Geist auf. Hat mir aber zwei Jahre lang treu gedient.
In der Fuzhou Lu besorge ich noch neue Stadtpläne in englisch und natürlich chinesisch, man muss ja auf dem Laufenden bleiben. Bemerke auf dem Weg dorthin, dass di
e Stadt mit zweifarbigem Blumenkohl dekoriert ist. Sehr hübsch. Hinweise auf das berühmte Shanghaier Blumenkohl- Festival Ende März. Was immer da gefeiert wird.
Die Couch wird dekoriert und jetzt bin ich mit dem Gesamtergebnis zufrieden. Meine Bude wird langsam richtig gemütlich.
SMS von Meister Wu: Morgen Training. Freue mich und schreibe zurück, ich sei hocherfreut. Zu Hause will ich eigentlich Ying Quan wiederholen, bin aber nach der schlaflosen Nacht zu platt. Surfe noch ein wenig im Netz und falle ins Bett.

19.02.2010, Freitag:

Vormittags:
Herrlicher Sonnenschein, treffe mich mit dem Meister im Park. Der schmeißt mir erstmal eine Tüte mit Süßigkeiten und Knabbereien in die Tasche, wie nett! Schönes und entspanntes Üben, wir wiederholen Mian Zhang (unschön), machen mit Ying Quan weiter (superschöne Form!), zum Schluss Taizu Quan. Meister Wu lobt mich und sagt, diese Form würde schon ziemlich gut bei mir aussehen. Wiegele bescheiden ab, aber innerlich bin ich doch sehr stolz. Die Säbelform wird noch mal thematisiert, der Meister gibt mir mit einem Stock schon mal einen Vorgeschmack. Cool. Rose und Oskar lernen die wohl auch gerade, Meister Wu sagt, bei Rose sehe das sehr schön aus, bei Oskar fürchterlich, weil er Kraft benutze und nicht entspannt sei. Glaube ich gerne. Hatte eigentlich nicht damit gerechnet, schon eine Waffenform zu lernen, ohne die Handformen perfekt drauf zu haben. Aber wenn der Meister denkt, dass ich das kann, soll es mir recht sein. Bin dann also die dritte Ausländerin, die diese Form lernt, früher hat er die noch nicht mal Chinesen (außer Xiao Lu natürlich) beigebracht. Bin mal gespannt, wann ich mein neues Sportgerät erhalte.
Bemerke aus den Augenwinkeln einen Knülch, der uns in respektvollen Abstand beobachtet. Scheint vom Fach zu sein. Merkwürdig, das merkt man den Leuten gleich an, ob das einfach nur Gaffer oder Sachkundige sind. Die haben eine ganz andere Körperhaltung. Als wir fertig sind, grüßt der Knülch den Meister respektvoll und erkundigt sich nach unserem Stil. Meister Wu gibt gerne Auskunft.
Wann ich denn wieder arbeiten müsse? Was, morgen schon? Na, so was blödes! Ja, finde ich auch, aber was will man machen! Also dann, nächstes Wochenende wieder.

Nachmittags:
Würde mich am liebsten aufs Ohr legen und die Ferien gemütlich ausklingen lassen, aber das Wetter ist einfach zu gut. Habe im Netz einen Vorschlag zu einem Spaziergang durch die Altstadt gefun
den, der recht interessant klang. Da ich hier keinen Drucker habe, versuche ich mir das so einzuprägen und markiere die Route im chinesischen Stadtplan. Schult das Gedächtnis. Außerdem mag ich Spaziergänge und finde es wichtig, meine neue Heimat kennen zu lernen.
Die Tour beginnt am Konfuzius- Tempel in der Wenmiao Lu. Ei
n beschaulicher Ort der Ruhe, sehr hübsch. Außer einigen westlichen Touristen sind hier kaum Besucher, Konfuzius ist über die Feiertage wohl nicht sehr populär. In einer Seitenhalle eine Ausstellung über Tiger in der chinesischen Kultur. Es gibt wunderschöne Rollbilder, die aber leider nicht zum Verkauf stehen. Sehr schade, denn besonders eines finde ich ausgesprochen schön.
Durch Altstadtgassen weiter zu einem Relikt der alten Stadtmauer, mit dem chinesischen Stadtplan gleicht das einer Schnitzeljagt. In allen Reiseführer
n wird das Altstadtleben immer so romantisch verklärt dargestellt. Aber mal ehrlich: Wer von uns würde ohne Toilette eingepfercht auf winzigstem Raum wohnen wollen? Keine Touristen bei der Stadtmauer, zahle 5,- RMB Eintritt und schaue mir das Gebäude an. Es gibt eine Halle, die daoistischen Heiligen gewidmet ist. Interessant. Rings um die Stadtmauer Hochhäuser, man kann die Wolkenkratzer in Pudong sehen. Genau neben der Stadtmauer befindet sich der Tempel der Weissen Wolke (Baiyunguan). Das ist der wichtigste daoistische Sakralbau Shanghais. Wird auch durch ein Schild der Stadtverwaltung als „Model religious site“ ausgewiesen. Gestern Buddha, heute Dao. Der Daoismus steht mir sowieso näher als der Buddhismus, kann damit einfach mehr anfangen. Außerdem sind die Mönche viel cooler und der Fummel auch hübscher.
Der Gründer dieses Tempels, Xu Zhicheng, wurde im gleichnamigen Beijinger Tem
pel getauft, daher der Name. Angeblich besitzen die Shanghaier die Originale wichtiger Schriften, von denen die Beijinger nur Kopien haben. Der Tempel ist sehr klein, besteht eigentlich nur aus einem Hof. Aber es ist gerade ein Ritual im Gang, das von Musik und ab und an ordentlich Gongrasseln und Trommelwirbeln begleitet wird. Beobachte interessiert den in prächtig bestickte Roben gehüllten Priester, der sehr komplizierte Armbewegungen vollführt. An einem Teil der Zeremonie kommen ein Schwert und ein kleiner Becher mit einem Zweig drin zum Einsatz, der Priester durchmisst würdig den Raum, schwenkt das Schwert über dem Becher und singt dazu. Machnchmal pustet er den Becherinhalt auch über den Altar. Sehr interessant! Was mich wundert: Er steht dabei mit dem Rücken zum Jadekaiser, nicht mit dem Gesicht. Vielleicht hat ja der Oster eine Erklärung dafür.
Vom Tempel aus spaziere ich in Richtung Yu- Garten. Kenne ich zwar schon, aber über die Feiertage ist hier alles mit bunten Laternen geschmückt, was bestimmt nett anzuschaue
n ist. Außerdem will ich als Neu- Shanghaierin den Stadtgöttern meine Ehrerbietung erweisen. Das sind natürlich auch daoistische Götter. Auf die grandiose Idee, sich die Laternen anzuschauen, ist natürlich halb Shanghai gekommen. Gedrängel ohne Ende, ich lasse mich zum Tempel trieben. Dort wird natürlich auch fleißig geopfert, beobachte interessiert, was so alles feilgeboten wird. Man kann Glücksbänder kaufen, sich für ein langes Leben von einem Mönch rote Urkunden bemalen lassen oder ein Stück Stoff bestempeln lassen. Je nach Wunsch sind diese Stempel unterschiedlich teuer, der teuerste Wunsch kostet 38,- RMB. Kann leider nicht lesen, was das ist, schade.
Die Laternen sind in der Tat recht hübsch, aber auch teilweise unglaublich kitschig. Klar, China halt. Ist bei Einbruch der Dunkelheit bestimmt noch hübscher, aber so lange möchte ich nicht warten.
Studiere vor dem Gebäudekomplex meinen Stadtplan und werde von Fake- Verkäufern genervt. Einer ist besonders penetrant und lässt einfach nicht locker. Schließlich brülle ich ihn an „Wo bu yao!“ und hole mit dem Stadtplan aus, als ob ich im eine verpassen wollte. Das beobachtet ein Opa, der sich schlapp lacht und mit dem Daumen
nach oben zeigt. Der Fake- Verkäufer trollt sich.
Nach soviel Opferei stinke ich nach Räucherwerk ohne Ende. Zu Hause werden erstmal die Klamotten gelüftet. Bereite mir in meinem Wok Bratkartoffeln mit Spiegelei zu, klappt hervorragend und ist lecker.
Schade, dass morgen wieder gearbeitet wird, hätte gerne noch ausgeruht und trainiert. Aber egal, diese paar Tage haben schon was gebracht.

Samstag, Februar 13, 2010

虎年快乐! - Frohes neues Tigerjahr!

Obwohl ich gestern früh ins Bett gegangen bin, verpenne ich fast das Training, bin von letzter Woche noch sehr geschlaucht. Mittlerweile sind die Temperaturen stark abgefallen, aber die Sonne scheint. Meine kleinen Tiger wackeln fröhlich mit ihren Köpfen.
Der Park ist wie ausgestorben, fast alle kleineren Geschäfte sind geschlossen. So habe ich Shanghai noch nie erlebt.
Meister Wu ist schon da, Planänderung für Neujahr: Morgen lecker essen, und Wujie kommt dann auch. Spitze! Da der immer sehr beschäftigt ist, hat der Meister ihn auch schon lange nicht mehr gesehen. Auf dieses Wiedersehen freue ich mich total. Und des Meisters Sohn hat endlich eine Freundin, die werde ich dann auch kennen lernen. Das freut mich sehr für den jungen Wu, denn mittlerweile ist der auch schon 26 und nicht gerade mit Schönheit gesegnet. Meister Wu war wohl schon ziemlich besorgt, sein Sohn könne keine Frau abkriegen und Nachkommen zeugen, hier in China eine Katastrophe. Und auch Wujies Sohn hat eine Freundin gefunden, da können die Väter sich ja jetzt beruhigt zurücklehnen.
Ich wünsche dem Meister auftragsgemäß in Stefanies Namen ein Frohes Neues Jahr und kündige sie für April an, Meister Wu wirkt erfreut. Und meinen roten Umschlag mit der Unterrichtsgebühr versenke ich auch in des Meisters Rucksack. Bin heute die einzige Schülerin, klasse. Deswegen üben wir sehr komplizierte Schrittfolgen, die ich mir unmöglich merken kann. Friere mir den Arsch ab, auf den Gräsern hängt Raureif. Ich bewege ich mich wegen der Kälte auch nicht wirklich geschmeidig. Neben uns üben eine Dame und ein Herr, die Dame fragt den Meister, ob ich Chinesisch verstünde? Und wo ich herkäme? Aus Deutschland und ja, ich verstünde ein wenig Chinesisch. Daraufhin erklärt mir die Dame wortreich die Bedeutung des heutigen Tages und fragt Meister Wu leicht vorwurfsvoll, ob er mich denn eingeladen habe? Ja? Für morgen? Na dann ist gut. Mir erklärt sie dann, dass man als ordentliche Schülerin an Neujahr seinem Meister aufzuwarten habe. Dieser Tradition werde ich mich gerne fügen.
Der Perückenmann schaut vorbei und verteilt Kippen, der Meister fragt mich, ob mir kalt wäre? Na ja, an den Füßen schon. Habe ja nur die dünnen Leinenschuhe. Ausziehen, fordert der Meister und schaut nach der Schuhgröße. Das geht ja nicht, da müssen Winterschuhe her. Der gute Mann! Ying Quan wird auch vertieft. Eine sehr schöne Form,vielleicht die schönste unseres Systems. Zum Glück habe ich ja das Video, so dass ich zu Hause gut nacharbeiten kann. Jetzt habe ich ja ein wenig Zeit. Irgendwie kommen wir nach dem Training auf die Säbel- Form, die es in unserem System gibt. Ob ich die auch lernen wollte? Klar will ich! Prima, dann besorgt er mir auch einen Säbel. Geil! Also dann, morgen um 16:00 bei ihm. Erst Teetrinken, dann Essen. Freue mich.
Im Bus nach Hause kotzt der Typ vor mir erstmal hemmungslos auf den Boden. Das ist selbst den Chinesen zu krass und der Typ wird mit giftigen Blicken bedacht. Stört den allerdings wenig.
Ich ziehe mich um und eile zu dem DVD- Laden an der SISU. Der hatte meiner Erinnerung nach ein sehr gutes Angebot, zugeschnitten auf die westlichen Studenten. Auf dem Weg dahin kollidiere ich mit einer Schnalle auf einem Fahrrad, die ich auf deutsch beschimpfe. Habe mich bis jetzt als Fußgängerin darauf verlassen, dass keiner eine große Ausländerin anfährt, weil das massiven Ärger mit den Bullen geben könnte. Anscheinend war ich da im wahrsten Sinne des Wortes blauäugig.
Der Laden hat natürlich zu, aber auf dem Rückweg finde ich zufällig einen chinesischen DVD- Shop. Die fünfte Staffel von Dr. House, ein Werk des Heiligen Steven und „John Rabe“ von Florian Gallenberger werden erworben. Diesen Film wollte ich mir eigentlich im Kino ansehen, habe das aber nicht geschafft. Das Buch allerdings habe ich schon vor langer Zeit gelesen, bin sehr gespannt auf die Umsetzung. (Über die Feiertage wollte ich vielleicht auch mal nach Nanjing fahren, mal schauen).
Kaufe bei Carrefour Nahrungsmittel, denn mittlerweile habe ich Hunger. Und das gute hier ist, dass das frische Gemüse und das Obst aus biologischem Anbau kommen. Ich beschließe, den Kartoffeln noch eine Chance zu geben. Stehe ewig vor dem Schnapsregal. Geschenkpackungen gibt es hier nur mit dem grauenhaften einheimischen Rotwein, den will ich morgen nicht mitbringen. Schließlich zerre ich irgendeinen Fusel mit 52 Umdrehungen aus dem Regal. Für 128,- RMB sollte der was taugen. Und mir gönne ich den französischen Landwein. Und Croissants fürs Frühstück morgen. Vorsichtshalber kaufe ich aber noch eine Stange mit des Meisters Lieblingskippen.
Vor der Bude mit den Feuerwerksartikeln stehen die Leute Schlange, ich verzichte allerdings auf Böller.
In den Aufzug steigt im 11. Stock eine winzig kleine Omi ein. Die Omi stutzt kurz bei meinem Anblick, strahlt dann aber über das ganze Gesicht und fragt mich in astreinem Englisch „How do you do?“ Ich antworte auf englisch, mir ginge es blendend, beim Aussteigen auf meiner Etage wünsche ich der Omi auf Chinesisch ein Frohes Neues Jahr. Die Omi lacht und winkt.
Schneide die rohen Kartoffeln klein und bereite sie in der Pfanne zu. Klappt gut und schmeckt. Chinesische Kartoffeln schmecken ganz anders als die deutschen, wesentlich süßer. Und haben ein komplett anderes Garverhalten. Das wird für Ali eine Herausforderung, wenn er mich mal besucht. Gut, dann werde ich mich demnächst mal an eines meiner Lieblingsgerichte wagen: Tudou Si. Kartoffelstreifen. Ordentlich Essig und Chillies. Lecker!
Mache es mir auf dem improvisierten „Sofa“ bequem und schaue Dr. House. Die Tonqualität ist leider nicht berauschend, aber was solls. Finde die deutsche Stimme von Hugh Laurie eigentlich fast besser als das Original. Und der spricht gar kein britisches Englisch. China beeinflusst mich wohl, wenn ich jetzt schon auf Fakes stehe.
Als ich gerade wegdämmere, geht mein Ehegatte online und ermahnt mich, nicht so viel dummes Zeug zu kaufen. Nein Ali, mache ich nicht mehr, ab jetzt nur noch geschmackvolles Zeug, wenn ich zufällig was sehe. Aber die Wackeltiger sind doch sooooo süß! Gestern Nacht ist die Decke unserer Küche runtergekracht. Verrückt. Ali schickt mir Bilder. Und er gibt mir noch einen Tip, wo ich mir Filme und Serien runtersaugen kann. Der Abend ist gerettet.
Mit Einsetzen der Dunkelheit ist an Schlaf und Videoschauen nicht mehr zu denken: Das Bombardement setzt ein. Und ich habe hier den absoluten Logenplatz. Festbeleuchtung über Shanghai, und es wird stündlich farbenfroher. Wunderbar!
Mache mich schnell auf Wikipedia kundig, was hier an Neujahr so angesagt ist. Aha, Bude putzen, damit das Glück Platz findet? Kehre schnell durch. Und Lichter anmachen und Fenster aufreißen? Auch kein Problem. Kriege Mails und SMS von chinesischen Kollegen und Ex- Kollegen, bin gerührt! Mittlerweile ist es hier halb Elf nachts, in einer halben Stunde sollte hier richtig die Show abgehen. Bin mal gespannt. Mache die Glotze an und schalte auf die Neujahrsshow von CCTV 1. Das schauen heute Abend fast alle Chinesen. Muss mich ja den hiesigen Sitten und Gebräuchen anpassen.
Kurz vor Mitternacht reiße ich alle Fenster auf und schalte alle Lichter ein, damit das Glück auch seinen Weg hierher findet und begebe mich vor die Hütte. Um mich herum explodiert Shanghai. Wahnsinn. Bin jetzt genau einen Monat hier. Und auf einmal habe ich Heimweh.

放假 – Ferien

Alles ist in Ferienstimmung und so beschließe ich, es heute mal gemütlich angehen zu lassen und erst um 10.00 im Büro zu erscheinen. (Ist hier normal. Die vergangenen Wochen habe ich schon um 8.00 angefangen und erstaunte Blicke geerntet). Scheinbar sind wir der einzige Betrieb auf unserer Etage, der überhaupt arbeitet. Draußen werden schon die ersten Böller gezündet, Vorgeschmack auf die Feierlichkeiten morgen. Saulaut. Sollte mir Ohrstöpsel besorgen.
Das Gebäude, in dem sich unser Büro befindet, hat übrigens eine interessante Geschichte: Ursprünglich mal von den Engländern knapp außerhalb ihrer Konzession erbaut, wurde hier im zweiten Weltkrieg von tapferen chinesischen Truppen erbitterter Widerstand gegen die japanischen Invasoren geleistet. (Die volle Geschichte gibt es hier. Als ich gestern Xiao Lu meine Visitenkarte zeigte, war der schwer beeindruckt. Sein Vater wäre damals fast von Japanern abgeknallt worden).
Verbringe den Tag damit, meine Projektordner und Dateien aufzuräumen. Meine Aufenthaltserlaubnis wird geliefert, jetzt bin ich offiziell Shanghaier Bürgerin und Expat.
Da die Hausverwaltung uns heute um 14.00 den Strom abdreht, tigere ich in die Stadt. Prima Wetter, zwar kalt, aber die Sonne scheint.
Erst mal in den Volkspark, heute ist ja Freitag und der Meister unterrichtet da. Dann kann ich ihm auch gleich ein schönes neues Jahr wünschen. Tatsächlich treffe ich Oskar, Andy und noch einen anderen ausländischen Typen an, der sich mir als J.D. oder so vorstellt. Scheint ganz nett zu sein, er hat schon von mir gehört, der Meister redet wohl öfter von mir. Oha, hoffentlich nur Gutes! Oskar fragt interessiert, wann Stefanie denn käme? (Tatsächlich fragt er nach Bettina, er verwechselt uns immer. Klar, wir sehen uns ja auch so wahnsinnig ähnlich). Im April? Prima, dann brennt er die ver-sprochene CD mit Übungsvideos für sie. Hat letztes Jahr nicht geklappt. Oskar ist ja schon ein netter Kerl, auch wenn er viel schwätzt.
Meister Wu ist sehr gut drauf und bringt den Jungs ein schönes Detail in unserer Form bei, ich beo-bachte aufmerksam. Anschließend schlendern Meister Wu und ich in Richtung Metro, ich möchte noch in die Fuzhou Lu. Scheinheilig frage ich, wie er denn Neujahr verbrächte? Und werde prompt eingeladen. Geil! Und außerdem noch Training morgen Vormittag im Heping Park. Ich bin der glücklichste Mensch auf der Welt. Ob er denn morgen nicht zu beschäftigt sei, schließlich sei Frühlingsfest? Nee, ist schon OK. Insgeheim rechne ich aber mit einer nächtlichen SMS. Das soll mir aber egal sein. Dass ich das wichtigste chinesische Fest überhaupt mit Familienanschluss und dann auch noch bei meinem Meister verbringen darf, ist eine sehr hohe Ehre. Und wenn Meister Wu kocht, kann man sicher sein, dass da richtig leckeres Zeug auf den Tisch kommt.
Immer noch Vegetarierin? Ja, leider. Findet er nicht gut. Schlecht für den Körper. Aber was soll ich machen.
Nur, was für ein Geschenk soll ich mitbringen?! Bei Carrefour gibt es Geschenkpackungen mit typiaschen Süßigkeiten. Die schienen mir aber nicht sonderlich lecker. Tees gibt es auch, aber da kenne ich mich nicht aus. Also an besten Schnaps und Kippen. Mit Schnaps kenne ich mich zwar auch nicht aus, aber da werde ich meinem Instinkt folgen. Hübsche Geschenkpackungen gibt es bestimmt auch.
In der Stadt ist ordentlich was los, Fuzhou Lu geht aber. Hier gibt es einen Laden mit hübschem Schickschnack, in dem ich 2008 auch schon eine richtig geile Laptop- Tasche gefunden habe. (Ja, Lilo: Auch „Hello Kitty“ Zeugs). Meine Ausbeute: Eine kitschige, kleine, goldene Skulptur (obwohl ich das kaum so nennen möchte) mit drei Tigern. Im Sockel befindet sich eine Solarzelle, die die Tiger mit dem Kopf wackeln lässt. Als Mitarbeiterin eines auf ökologischen Bauens spezialisierten Büros muss ich das natürlich haben. (Oh China, Land des genialen Kitsches! Aber Japan soll noch schlimmer sein).
Bei Book City finde ich die von mir gesuchten DVD´s leider nicht, egal. Habe ja immer noch die ver-zweifelten Hausfrauen abzuarbeiten. Und Ferien. Dann werde ich halt in die French Concession zu meinem Lieblingsladen fahren.
Bummel durch die Einkaufskatakomben am Volkspark, entdecke noch einen coolen T- Shirt Laden. Kaufe ein rotes (eigentlich nicht so meine Farbe) Langarmshirt mit Tiger. Die Verkäuferin ist begeis-tert, dass ich meine Wünsche grob auf Chinesisch äußern kann und schenkt mir eine Tragetasche passend zum Shirt.
Zu Hause mache ich es mir vor der Glotze bequem und schaue „Desperate Housewives“. Kein Stress heute, keine Rennerei- Das Leben ist schön.

Freitag, Februar 12, 2010

第一客人 - Erster Gast

Schock auf dem Weg zur Metro: Da hockt ein Typ und hat auf einer Decke etwas ausgebreitet, was eindeutig illegal aussieht. Nämlich die Unterarme einer Großkatze, komplett mit Knochen, Sehnen, Krallen. Für Tiger fast zu schmächtig, aber irgendeine vom Aussterben bedrohte Großkatze hat dafür ihr Leben gelassen. Zunächst nehme ich das nur aus den Augenwinkeln war, die volle Erkenntnis bricht erst im Zug auf mich ein. Scheiße, ich Depp!
Normalerweise mische ich mich ja hier als Ausländerin nicht ein, aber diesen Typen hätte ich ver-prügeln sollen! Oder hätte die Bullen rufen sollen, habe durchaus schon gesehen, wie die illegale Straßenhändler haben hochgehen lassen. Aber was kann ich schon machen mit meinem bescheidenen Chinesisch. Trotzdem oder gerade deshalb verfolgt mich der Anblick bis tief in die Nacht.
In Mainz ist Fastnacht, stehe rauchend im Gang mit meinem Konstanzer Kollegen und wir erzählen uns gegenseitig Fastnachtsgeschichten. Stefanie geht heute mit meiner Nuttenperücke auf die Rolle, hoffentlich macht sie Fotos. Gutenberg steht wieder auf seinem Sockel. Alles so weit weg!
Die Abgabe heute schaffen wir locker, obwohl mein einer Teamkollege früher als erwartet aufbrechen muss. Er hat eine Fahrgemeinschaft in seine Heimatstadt Qufu (auch die Heimatstadt Kongzis, den wir als Konfuzius kennen) gefunden. Da es in Nordchina aber gerade heftig schneit, will der Fahrer sofort aufbrechen, um bei Tageslicht zu fahren. Die Entscheidung, ob er früher gehen darf wird mir überlassen: Selbstverständlich kein Problem.
Das Fotostudio nebenan wird gerade renoviert, letzte Woche waren wir alle völlig bedröhnt von den Farbdämpfen. Heute wird der Fußboden versiegelt. Das schlägt alles, was für ein grauenhafter Ge-stank! Zunächst versuchen wir, bei weit aufgerissenen Fenstern zu arbeiten. Alles hockt dick einge-packt da, schließlich schickt man uns nach Hause. Prima, mit der Abgabe machen wir eine Punkt-landung.
Ist mir auch ganz recht, denn ich habe fahrlässigerweise meinen besten chinesischen Kumpel Xiao Lu heute Abend eingeladen, sich meine Hütte anzuschauen. Und der hat auch noch zugesagt. (Chinesen sind halt neugierig). Will ja nicht als schlechte Gastgeberin dastehen und kaufe hektisch bei Carre-four noch Knabbereien, echt guten grünen Tee und Ingwer. (Zusammen mit Tee aufgegossen schmeckt das echt lecker). Und ein paar Schälchen, um die Knabbereien hübsch anzurichten. Bei dieser Gelegenheit fällt mir zufällig die gute alte Nivea- Creme in die Hände, ohne Hautaufheller. Wie das Leben manchmal so spielt...
Xiao Lu meckert erstmal, dass ich keine Gast- Schluffen habe. Habe ich doch, die flotten von Ikea. Muss mich erst noch an chinesische Gebräuche gewöhnen, das nächste Mal stelle ich die sofort be-reit. Falls mehr Gäste kommen sollten, habe ich noch eine Auswahl an vorsorglich eingesackten Hotel- Puschen.
Ihm wird sein Geburtstagsgeschenk überreicht (Ahoi- Brause Shirt von P& C) und er flippt fast aus. Dachte ich mir. In dieser Hinsicht schwingen wir auf einer Länge. Muss bei meinem nächsten Deutschland- Besuch unbedingt dieses Zeug mitbringen.
Die Bude findet er ganz OK, allerdings überteuert für diese Gegend angesichts der Sperrmüllmöbel und der Tatsache, dass die Nebenkosten nicht inbegriffen sind. Na ja, mit uns Ausländern kann man es ja machen. Aber die Ausrichtung der Wohnung findet Anerkennung. Gutes Feng Shui. Das Bett mit dem Kopf nach Norden, den Füßen nach Süden- so soll das sein.
Den Knabberkram rührt er nicht an, der Tee geht anscheinend gerade so durch. Und Ingwer schnibbelt man da nur rein, wenn man erkältet ist. Dann aber besser roten.
Um mich vollends als beschissene Gastgeberin darzustellen, zeige ich ihm mein Kochbuch und versu-che zu erklären, dass ich ja ganz gut westlich kochen könne, nicht aber chinesisch. Das Kochbuch wird durchgeblättert. 110,- Kuai dafür bezahlt? Taugt nix. Das ist Restaurantküche, keine Shanghai-er Hausmannskost. Ob er denn kochen könne? Xiao Lu verdreht die Augen: Natürlich könne er das! (In dieser Hinsicht rocken Shanghaier Männer). Na, dann kann er mir das ja beibringen. Da wird wohl morgen oder übermorgen noch ein kleiner Besuch bei Carrefour zwecks Erwerb der Kochgeräte und Zutaten nötig sein.
Da mein Netz hier ziemlich schnell ist, verbringen wir unsere Zeit damit, auf Baidu Tongbei Videos zu schauen und heftig abzulästern. Michaels Seite lädt leider im Schneckentempo, schade. Dabei hätten wir doch so gerne unseren kleinen Tongbei- Bruder bei der Arbeit gesehen.
Ying Quan üben wir auch, für mich werden da einige Dinge klarer. Zum Glück fotografiert das keiner, wir beide üben in Zivilklamotten und mit roten Tigerpuschen an den Füßen- ein Bild für die Götter! Meine Güte, was macht das für einen Spaß! Und da man als ordentliche Schülerin chinesischer Kampfkünste das Gesamtbild beherrschen muss, lerne ich, den ersten der vier Pulse zu fühlen. Mei-ne Fingernägel werden begutachtet: Keine rosa Halbmonde an der Nagelbasis vom Zeige- bis zum kleinen Finger? Schlecht, da stimmt was ab dem Magen abwärts nicht. Bin überrascht. Stimmt genau, zu wenig gegessen, zu wenig geschlafen.
Lerne noch einen fiesen Schlag aus der Hüfte. Kann man gut beim Fernsehen üben, meint Xiao Lu. Sehr nützlich im Freikampf, kurz und schnell. Wenn man diesen Schlag konventionell ausführt, ver-liert man zu viel Zeit. Mein großer Bruder hat es echt drauf.
Nach drei Stunden des Quatschens und Übens verabschiedet er sich. Muss noch viel lernen. Bin glücklich.

Dienstag, Februar 09, 2010

准备 - Vorbereitungen

Nach drei Tagen, an denen ich bis zu 16 Stunden gearbeitet habe, bin ich heute mal wieder zu einer zivilen Uhrzeit gegangen. Ein derartig hartes Tempo ist hier nicht immer die Regel, aber ist ja bei uns auch so, wenn wichtige Abgaben bevorstehen. Für mich nur ein Wochenende, für das Expo- Team geht das seit zwei Monaten so. Als ich heute ging, liebkoste die Projektleiterin heulend eines der Katzenbabys. Tat mir echt leid, denn obwohl sie sehr jung ist, macht sie ihren Job sehr gut.
Training hat leider nicht geklappt, da es vormittags regnete. War mir auch nicht unrecht, da ich so wenigstens nach den Nachtschichten etwas schlafen konnte. Durfte außerdem feststellen, dass des Meisters präferierte Ze
it zum Senden von SMS halb vier Uhr nachts ist. Wüstling.
Mittlerweile befinde ich mich in einem anderen Raum-/ Zeit Kontinuum, weiss noch nicht mal, was für ein Wochentag heute ist. Ich glaube, Dienstag. Das heißt dann, dass mein Tea
m übermorgen Abgabe hat. Aber wir werden das gut hinbekommen. Und dann endlich fünf Tage am Stück frei! Wie werde ich die nutzen? Erstmal schlafen, Wohnungs- Aufhübschungsgegenstände jenseits von Ikea suchen und schließlich auch ein wenig für mich alleine üben. Und vielleicht endlich mal chinesisch kochen. Und endlich mal wieder meine sozialen Kontakte hier und in Deutschland pflegen. ( jb: Ich werde auch just call... to say..., Tausend Dank dafür!)
Wegen der anstehenden Feiertage ist die Metro relativ leer. Sind wohl schon viele Leute unterwegs nach Hause. Einer meiner Kollegen, der am Hauptbahnhof wohnt, berichtet mir, dort sehe es aus wie in einem Flüchtlingslager. Seit gestern steht vor Carrefour eine Bude, in der Böller verkauft werden. Lasse es ja gerne krachen, aber bei dem hiesigen Material habe ich Angst um meine Gesundheit. Habe mittlerweile die Aufschrift auf der Einbalsamierungs- Lotion übersetzt: Hautaufheller. Einer für trockene, der andere für normale Haut. Will ich aussehen wie Michael Jackson? Klasse, das Zeug wandert in die Mülle.
Heute nach der Arbeit Einkauf von Grundnahrungsmitteln, mittlerweile ist auch ein erhöhtes Interesse an Dekorationsmaterialien bei der Bevölkerung festzustellen. Bloß gut, dass ich mich schon eingedeckt habe. Chat mit Ali auf Skype, dann wird die Bude geputzt. Mei
n Gott, wie viel Dreck sich doch innerhalb von zwei Wochen ansammeln kann! Und erst recht auf den Sperrmüll-Möbeln. Aber das kleine Kabinett sieht nach der Bearbeitung mit ordentlich Glasreiniger sogar fast hübsch aus. Müsste man mal anschleifen und lasieren, dann würde da was draus. Ich schwinge den Feudel, als käme morgen Hu Jintao persönlich zu einem Besuch vorbei und nach zweieinhalb Stunden intensiver Säuberung schließlich der große Moment: Anbringen der Deko.
Der fette Tiger rockt die Bude, astreine Harmonie mit den Platzdeckchen. Der Kleine ist eher niedlich, passt farblich aber perfekt zum giftgrünen Küchenfronten.
Muss unbedingt noch mehr Deko kaufen. Aber der Staatspräsident kann gerne schon mal vorbeischauen.

Freitag, Februar 05, 2010

家常 - Alltag

Mittlerweile habe ich mich hier in meiner Bude ganz gut eingelebt. Ich nicke morgens im Aufzug meinen Nachbarn freundlich zu, quetsche mich mit den werktätigen Massen in die Metro, kenne im Carrefour jedes Sonderangebot und kann Taxifahrern mein Ziel ohne Zuhilfenahme von Zetteln beschreiben. Zu diesem Thema muss man mal eines sagen: In jedem Reiseführer steht, man solle immer eine chinesische Visitenkarte seines Hotels oder Zielortes mit sich führen, da die Taxifahrer kein Englisch können. Dies ist nur teilweise richtig. Man sollte zusätzlich auch alternativ einige Straßen oder Sehenswürdigkeiten in der Nähe parat haben, denn manchmal kennen die Taxifahrer gerade kleinere Straßen nicht. Und man sollte Chinesisch können, das ist kein Fehler.
China fiebert inzwischen dem neuen Jahr entgegen. Die Atmosphäre lässt sich ganz gut mit der bei uns kurz vor Weihnachten vergleichen. (Nur dass hier keine Lichterorgien in den Fenstern gefeiert werden). Man geht mit dem Büro Neujahrsessen, es gibt Gratifikationen und Gesprächsthema Nummer eins ist der anstehende Besuch bei der Familie in der Heimat und wie schwer es war, Zugtickets zu ergattern. Erstaunlich, fast alle Leute, mit denen ich beruflich zu tun habe, kommen aus irgendwelchen anderen Teilen Chinas. Wird hier in Shanghai wahrscheinlich ganz schön leer über die Feiertage. Und vor Neujahr muss natürlich noch ganz schnell irgendwas fertig gemacht werden, so dass ich zur Zeit wie verrückt arbeite. Dass wir alle eine ganze Arbeitswoche frei haben, hat natürlich auch einen Haken: Dafür dürfen wir dann den folgenden Samstag und Sonntag nacharbeiten. Also sind das im Grunde nur drei freie Tage, die wir genießen dürfen. Und wir müssen morgen und übermorgen auch schon ran, um das Expo- Team zu unterstützen. Die haben Dienstag Abgabe, was willste machen, man kann die Kollegen/ das Projekt ja nicht absaufen lassen.
Meine Arbeitserlaubnis ist da, ein rotes Heftchen mit goldenem Siegel. Und einen offiziellen chinesischen Namen habe ich jetzt auch: 沈贝亚。 Finde 贝蒂娜 zwar schicker, aber der Zug ist jetzt abgefahren. Na gut, im Zivilleben werde ich den halt weiter benutzen, steht ja auch auf meinen Visitenkarten.
Heute dann nach Pudong zur Ausländerbehörde, der letzte Schritt zur Legalisierung meines Status hier. Diese Behörde kenne ich ja schon, was hatte ich letztes Jahr bei meiner Visumsverlängerung diese wichtigtuerische deutsche Schnalle neben mir beneidet, die wegen ihrer Aufenthaltsgenehmigung dort wartete und ständig mächtig cool telefonierte! Jetzt mache ich mich selber mit einen Stapel wichtiger Dokumente auf den Weg.
Hatte fast vergessen, wie grässlich Pudong ist, hier würde ich niemals wohnen wollten! Außer vielleicht in einer Suite des Marriot Hotels im Jinmao Tower mit Blick auf den Bund.
Lange warten muss ich nicht, Papiere sind in Ordnung, Aufenthaltgenehmigung und der ganze Kram werden mir dann noch vor Neujahr per Post zugeschickt.
Zurück ins Büro gönne ich mir ein Taxi, der Fahrer hat natürlich keine Ahnung, wo die Guangfu Lu ist. Aber da wir sowieso im Stau stehen, lässt sich das unter Zuhilfenahme sämtlicher Stadtpläne, näherer Erläuterungen meinerseits und einiger Telefonate mit Kumpeln des Fahrers zügig klären.
Nach der Arbeit Einkauf im Carrefour, aus den Lautsprechern dudeln fröhliche Neujahrslieder. (Also tatsächlich ganz wie bei uns zu Weihnachten). Diesmal lasse ich mich von der ausgelassenen Stimmung anstecken und decke mich mit Deko ein. Wer weiss, wann ich wieder zum Einkaufen komme, am Ende ist nächste Woche alles ausverkauft. Meine Ausbeute: Eine „Glücksdose“ aus Plastik in Form eines Apfels in Pink und Grün. Geil! Passt zu den Vorhängen und man kann Schmuck und Geraffel drin aufbewahren. Ein kitschiger kleiner rosa Tiger- Aufhänger mit Gebamsel. (Das Zeichen auf der Stirn des Tigers bedeutet „Wang“, König. Das haben die Chinesen aus dem typischen Fellmuster von Tigern abgeleitet. Deswegen gilt hier auch der Tiger als der König der Tiere, nicht der Löwe. Der Tiger ist das ranghöchste irdische Tier, der Drache das höchste himmlische). Das Prunkstück meiner Sammlung jedoch ist ein fetter goldener Tiger mit ordentlich Geglitzer und ordentlich Gebamsel. Den hatte ich schon lange auf meinem Radar, der wird meine Küche rocken. Denn dies ist der einzige Ort, wo ich wenigstens mit Saugnapfhaken irgendwas an den Wänden befestigen kann, Nägel darf ich ja leider nicht in die Wände hauen. Auf die Glück bringenden Spruchbänder, die üblicherweise außen neben und über der Tür angekleistert werden, verzichte ich lieber. Nachher gehen die nicht mehr ab und ich darf den Flur neu streichen lassen. Aber ich kaufe alle Hongbaos mit Tigermotiven, die es gibt und noch zwei Packungen mit neutralen. „Hongbao“ (红包) bedeutet „Roter Umschlag“. Sie sind so formatiert, dass Geldscheine exakt reinpassen, üblicherweise werden an Neujahr vor allem Kinder damit beglückt. Mit prall gefüllten natürlich. Der Typ an der Kasse muss denken, ich hätte echt was gutzumachen. Und noch ein gewagtes Experiment: Durch das gechlorte Wasser und die Beföhnung aus dem Klimagerät ist meine Haut recht trocken. Körperlotion sollte es bei Carrefour ja wohl geben. Nur wo? Eigentlich sind die Abteilungen recht klar gegliedert und Zeugs fürs Gesicht finde ich auch, aber für den Rest? Schnappe mir schließlich von einem sorgfältig aufgetürmten Sonderangebotsstapel eine Packung mit zwei verschiedenen Plastikflaschen. Ich entziffere auf der einen das Zeichen für „trocken“, hoffentlich Haut. Auf beiden Flaschen steht auf englisch „Body“. Nehme das mal als gutes Zeichen, aber vielleicht habe ich gerade Einbalsamierungsflüssigkeit erworben.
Zu Hause wird das Zeug eingepflegt: Riecht zwar etwas intensiv, bringt aber den gewünschten Effekt. Und vielleicht werde ich ab jetzt konserviert.
Auf die Anbringung meines Neujahrs- Schmuckes verzichte ich zunächst, irgendwie machen meine Nachbarn auch noch keine Anstalten dazu. Vorher muss wohl auch die Bude rituell gereinigt werden, das ist sowieso dringend fällig.
SMS an den Meister: Morgen Training, falls es nicht regnet? Umgehende Antwort: OK. (Bemerkung dazu am Rande: Letzte Woche Sonntag warf ich nach dem Aufstehen einen Blick auf die Wunderwaffe. SMS von Meister Wu: „To day rain. No practise“. Tatsächlich zeigte ein Blick aus dem Fenster Regen. Allerdings war die SMS schon um halb vier nachts bei mir eingegangen. Der alte Fuchs. War wohl am Saufen und Zocken und hat auch wegen des Wetters gepokert. Und gewonnen. War mir auch recht, kurz danach Magenkrämpfe, intensiver Kontakt mit dem Klo und den Tag im Bett/ auf dem Sofa mit den verzweifelten Hausfrauen verbracht. Man sollte halt kein angegammeltes Brot fressen).
Ying Quan wird mit Videounterstützung wiederholt, morgen also Training und dann bis zum Abwinken schaffen. Wenn es regnet, gleich bis zum Abwinken schaffen. Fürchte ja, es wird die letztere Option, denn der Wetterbericht verheißt nichts gutes. Aber vorsichtshalber stopfe ich die Kohle für den Meister in einen der hübschen roten Umschläge. Selbstverständlich in den mit dem fettesten goldenen Tiger.