- Sieder versteckt sich erst mal unter dem Bett, um von dort aus vorsichtig sein neues Revier zu erkunden. Er lernt Teppiche zu schätzen und wählt ziemlich schnell seinen Lieblingsplatz, korrekterweise auf einem Deutschland- Kissen. Erweiterung seines Reviers um das Doppelte und der neue männliche Dosenöffner sind auch ganz nett. Dass bei uns zu Hause ständig was los ist, findet er auch klasse und verwickelt die uns besuchenden Zweibeiner gerne in ausgiebige Gespräche. Dass er nicht auf den Balkon darf, findet er allerdings mäßig geil. Anfängliche Schwierigkeiten mit der Fütterung , aber dafür jede Menge interessantes neues Spielzeug. Und zum Glück ist ja noch das Weibchen da, an das man sich bei Bedarf kuscheln kann.
- Hochzeit meines Lieblingscousins in Berlin, freue mich, dass ich meine Familie wiedersehe und auf einer Hochzeit tanzen kann. Die letzten paar Jahre waren ja für Familientreffen eher unerfreuliche Anlässe. Wetter ist bombig. Deutschland rockt.
- Wir besuchen das Bauhaus in Dessau. Bin aufgeregt, schließlich ist das hier die Wiege der zeitgenössischen Architektur und des modernen Designs. Wir bummeln andächtig durch die Gebäude und ich versuche mir vorzustellen, wie das hier in den 30er Jahren brummte und ambitionierte junge Leute die Flure bevölkerten, die das Glück hatten, von Lehrern wie Mies van der Rohe oder Walter Gropius unterrichtet zu werden. Beeindruckend.
- Abhängen mit Freunden, Samstags laufe ich auf dem Markt zufällig Herrn Burland, der mit der in Mainz gestrandeten, ebenfalls bloggenden Australierin Helen einen Kaffee genießt an der Blechdose auf Rädern in die Arme. Mainz ist ein Dorf.
- Interessantes Erlebnis: Ich nehme zum ersten Mal in meinem Leben an der Sitzung einer Bürgerinitiative teil. Interessiert mich als Professionelle. Auf der Ludwigsstrasse will ein messfremder Investor durch Um- und Ausbau ein Mega- Einkaufszentrum etablieren. Mache mich kundig und studiere die Pläne. Zu diesem Thema gab es schon mehrere Wettbewerbe, an denen ich für verschiedene Büros beteiligt war. Denke, dass der Investor keine Ahnung hat und der Entwurf eine städtebauliche Katastrophe ist. Diese Meinung scheinen viele Mainzer zu teilen, allerdings entweder aus handfesten wirtschaftlichen (isch bin en ordentlischer Einzelhandelkaufmann der vierten Generation und sehe misch gefährdet) oder eher diffusen (unser Meenz werd verschandelt) Gründen. Auf jeden Fall aufschlussreich. Nach allem, was ich so höre und sehe denke ich, dass Mainz und Shanghai gar nicht so unterschiedlich sind.
- Verfolge im Netz die Eingänge auf mein chinesisches Konto. Als ich sehe, dass ich meinen Lohn für August anstandsgemäß erhalten habe, kündige ich formvollendet per mail. Natürlich habe ich schon einen neuen Job. Keine Reaktion von meinem Boss, aber die chinesischen Kollegen sind anscheinend echt traurig. Mein deutscher Kollege war natürlich eingeweiht. Ist eigentlich nicht mein Stil, so linke Nummern zu schieben, aber da bis jetzt fast alle Leute von denen unfair behandelt wurden mache ich das jetzt halt auch so. Den Septemer habe ich sowieso komplett abgeschrieben.
- Sieder und Ali kommen gut miteinander aus, bin beruhigt. Und obwohl ich Mainz über alles liebe und meine Leute schrecklich vermissen werde, habe ich Heimweh nach dem dreckverpesteten Shanghai mit seinem chaotischem Verkehr, seinen verpeilten aber liebenswerten Einwohnern und seinen Wolkenkratzern. Und bald kommt ja auch Lilo und Weihnachten hoffentlich Ali. Bis denne, Deutschland.