Posts mit dem Label weltschmerz werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label weltschmerz werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Mittwoch, März 13, 2013

Kleiner Erfolg

HONORABLE MENTIONS

Blue in Shanghai, China by batbluegirl




 Kommentar der Jury:

Jill: “The colors and composition of this photo is fantastic and it really makes me stop and look to try to figure out what is going on in this image. It looks like a bunch of highway overpasses, but why are they glowing? And why are the overpasses lined with little planter boxes? Where was this taken and what is going on here?”


Yey! Endlich mal was positives!

Dienstag, Juli 10, 2012

事势第七 – Stand der Dinge #7



Anmerkung: Habe gehofft, die Entwicklungen bis jetzt in einem Post abfrühstücken zu können. Dank meines Hanges zur Geschwätzigkeit ist das jedoch eher schwierig, will meinen Leser ja nicht zu Tode langweilen. Vielleicht kriege ich den Rest noch hin, bevor ich bald wieder aus dem Goldischen Meenz hinter die GFoC verschwinde.


Job:

wird immer chaotischer, irgendwie kriegt es unser sogenanntes Projektmanagement nicht auf die Reihe. Streckenweise sitze ich völlig unterbeschäftigt dumm in Büro rum, während meine chinesischen Kollegen in Arbeit schier ertrinken. Mache einige Wettbewerbe, dann ist mal wieder Stress angesagt. Und auf Präsentationen darf ich natürlich auch gerne mitfahren, Vorzeige- Langnase. Geilste Präse überhaupt: Stelle in Suzhou ein Projekt bei einer Veranstaltung vor, die potentielle Käufer anlocken soll. Habe das Ding noch nie gesehen, Kurzeinweisung Freitagabend. Samstagmorgen, fast verpennt, Haare ungewaschen, aber wenigstens coole Klamotten. Am Veranstaltungsort Sponsoren wie Harley Davidson, Nobelschampus und dergleichen. Und die Presse, das Fernsehen und der Bürgermeister sind auch da. Schäme mich. Von der perfekt gestylten Moderatorin werde ich als „Bettina, DIE deutsche Architektin“ angekündigt. Als ich die Bühne betrete, explodieren Feuerwerke um das riesige Modell unseres Projektes und es erklingt rockige Musik. Spule meinen Text ab, donnernder Applaus. Fühle mich wie ein Rockstar. Hätte ich das gewusst, hätte ich darauf bestanden, mit einer der Harleys durch einen brennenden Reifen auf die Bühne zu springen


Fahre über die Ferien zum Chinesischen Neuen Jahr kurz entschlossen nach Hongkong, meinen kleinen Bruder Felix besuchen. (Dass Elli zur selben Zeit da ist, erfahre ich erst später. Mist. ) Kann mir die Generalprobe zu der traditionellen Festparade auf der Ehrentribüne ansehen, Felix´Kungfu Schule macht da mit. Wir treten in das Jahr des Wasserdrachen ein, das verheißt viele Veränderungen. Hergeflogen bin ich mit Dragon Air, auf den Flieger war ein hübscher Drache gemalt. Sozusagen auf dem Rücken eines Drachens geflogen. Und das mit den
schönsten Stewardessen, die ich je gesehen habe. Beobachte die Drachentänzer und den sich auf der Anzeigentafel munter windenden Drachen und komme zu dem Schluß, dass sich bei mir jetzt auch was bewegen muss. Gehe nach der Generalprobe mit Felix, seinen Gungfu- Brüdern und –Schwestern und seinem Meister lecker essen und feiere mit denen Neujahr. Supernette Leute, es gibt Whiskey- Soda aus Pitchern. Merkwürdig, völlig anders als auf dem Festland. Da explodiert jetzt alles und jeder feiert mit seiner Familie. Denke mir, dass das vielleicht für längere Zeit mein letztes CNY in Asien sein wird. Mein erstes habe ich mit meiner Gongfu- Familie verbracht, mein letztes jetzt mit der von Felix. Fühlt sich komisch an.
Fahre mit dem Bus kreuz und quer über die Insel, verbrate einen Teil meines üppigen Neujahrs- Bonus bei Armani (muss ja anständige Klamotten für die nächsten Präsentationen haben), harre bei strömendem Regen im Hafen von Kowloon dem prächtigen Feuerwerk und mache in den Bars und Garküchen um mein schickes Boutique- Hotel herum interessante und nette einheimische Bekanntschaften. Speise göttlich und löse mein Konto bei der HSBC auf. OK, kein Grund mehr, demnächst mal wieder nach Hongkong zu kommen. Und erster Schritt in Richtung Heimat.
In Shanghai komme ich dann pünktlich zur Rückkehr des guten, alten Küchengottes an. Schweres Bombardement, ich komme endlich auf meine Kosten. Wir Festländer mögen es zwar manchmal etwas an guten Manieren gebrechen lassrn, aber dafür können wir ordentlich feiern und haben Eier in der Hose.
Denke lange, lange darüber nach, was ich denn mittelfristig so mit meinem Leben abfangen will und schaue mir die Dinge im Büro noch eine Weile an. Anfang März kündige ich fristgerecht zum Monatsende. Zu meiner Überraschung ist Evil Ji (der Projektmanger) anscheinend ehrlich betroffen, ebenso die meisten meiner Kollegen und vor allem meine Sekretärin. 

Best team ever
Letzter Arbeitstag, Präsentation eines Projektes, an dem ich auch tatsächlich teilgenommen habe. Schmeiße mich voll in Schale und gebe alles. Ehre des Büros hochhalten bis zuletzt. Die waren ja nicht böse, nur nicht so gut für Ausländer. Dem Kollegen, der verantwortlich ist, fällt die Kinnlade runter. Auf der Rückfahrt kuschelt sich Jenny, meine Sekretärin an mich und meint, sie müsse jeden verbleibenden Augenblick mit mir genießen. Hält mich anscheinend für eine coole Schnalle, fühle mich zugleich geschmeichelt und irgendwie gerührt. Während man sonst an irgendeiner Metro- Station rausgeschmissen wurde, bringt unser Fahrer mich heute bis an die Haustür und schüttelt mir beim Abschied heftig die Hand. Auch ein ganz lieber und freundlicher Kerl, was war der immer nett zu mir. Und wir haben uns auch immer prächtig unterhalten, sofern das meine miesen Chinesisch- Kenntnisse zuließen. Bin jedenfalls voll durch den Wind, dass ich anscheinend doch derartig geschätzt wurde und wohl nicht nur die Alibi- Ausländerin war.
(Anmerkung: Einen Monat nach meinem Ausscheiden kündigen nach und nach alle meine Teammitglieder. Haben keinen Bock mehr ohne mich. Bin von den Klötzen.)

Montag, August 08, 2011

想家第二- Heimweh #2

War jetzt fast ein Jahr nicht mehr zu Hause und so langsam überkommt mich wieder der China- Blues. Arbeit ist Scheiße und ich habe seit fast zwei Monaten nicht mehr anständig trainiert. Xiao Lu ist spurlos verschwunden, noch nicht mal Meister Wu weiss, was mit dem los ist.
Und obwohl ich gelernt habe, die kleinen Widrigkeiten des Alltags zu meistern und krötige Typen in Unterhosen, die im Sommer die Straßen bevölkern oder modische Entgleisungen für mich einfach zum normalen Stadtbild gehören, freue ich mich einfach nur auf Deutschland. Denke, das wird jedem so gehen, der in einem fremden Land lebt.
Und obwohl ich von einem Mopedfahrer über den Haufen gefahren wurde, ich unter rätselhaften Hautausschlägen oder anderen gesundheitlichen Phänomenen leide, Taifune um
meine Fenster peitschen und ich beim Frisör neulich derbe abgerippt wurde, weiss ich, dass Shanghai für mich immer meine zweite Heimat seien wird. Mache mir allerdings langsam Sorgen, ob ich mich an das geordnete Leben in Deutschland überhaupt wieder werde anpassen können. Immerhin habe ich keine Probleme mehr damit, beim morgendlichen Metro- Kungfu meinen Mitreisenden brutal meine Handtasche in die Kniekehlen zu schwingen, um einen guten Platz zu ergattern oder die Kassiererin beim Einkauf lautstark auf das Angebot „Kaufe eines, kriege eines geschenkt“ hinzuweisen. Musste feststellen, dass ich mir das zustimmende Shanghainesische „Eeeeeeeeeh“ auch schon angewöhnt habe. Und über Rechnungen wird grundsätzlich diskutiert, ebenso wird im Restaurant für die Auswahl von Speisen mindestens eine halbe Stunde benötigt, um anschließend die Hälfte wieder zurückgehen zu lassen („Das hatten wir so nicht bestellt! Hatten Sie nicht gesagt, das sei Vegetarisch?! Da ist aber Fleisch/ Wurst/ Fisch/ Krabbe dran, das wollen und zahlen wir nicht!“).Verkehrssünder tituliere ich aber noch auf deutsch und auf die Straße rotze ich auch noch nicht. Auch nutze ich die langweiligen Metrofahrten/ Bürostunden noch nicht dazu, meine Nägel ausgiebig mit einem Klipser zu bearbeiten und bin noch nicht mit meinem Mobilfon verwachsen. Und ich kann immer noch nicht während der Arbeitszeit oder in der Metro in komatösen Schlaf verfallen. Oder habe mindestens einen superlangen Fingernagel, mit dem sich allerlei Interessantes aus diversen Körperöffnungen zu Tage fördern lässt, nur um es nach ausgiebiger Begutachtung achtlos in Richtung der Mitmenschen zu schnipsen. Mit so einem Fingernagel lassen sich im Übrigen auch Mobilfone oder andere Elektrogeräte mit Touchscreen hervorragend bedienen, diesen albernen Stift braucht man gar nicht mehr.
Ich weiß. Leute, die dieses wundersame Land nur für jeweils ein paar Wochen im Jahr aufsuchen, mögen diese Angewohnheiten als liebenswert schrullig empfinden. Wenn man aber hier lebt, ist das etwas ganz anderes.
Nur noch knapp ein Monat, dann fliegen der Kater und ich nach Hause. Freue mich schon auf Bundesligaübertragungen in meiner Muttersprache, bei denen ich nicht den Namen der Spieler oder gar der Vereine grob erraten muss. Freue mich vor allem auf meinen verständnisvollen Gatten, auf meine Freunde, auf anständige Brötchen. Auf Essen. Auf Wein. Auf Meenz.
Alla fott, bis zum 9. September.

Sonntag, Mai 15, 2011

斯蒂芬妮第二 – Stefanie #2

21.04.2011, Donnerstag

Verfolge gespannt im Netz Stefanies Flugstatus. Sie landet pünktlich und informiert mich zügig per SMS über ihre Ankunft. Als ich völlig aufgeregt nach der Arbeit die Tür aufschließe, freundet sie sich gerade mit Sieder an und bespielt ihn mit einem neuen, von Ali geschickten Fellmausi. Der Kater ist natürlich begeistert. Geschenke meiner Lieben werden übergeben, geiles T- Shirt und eine raffinierte Kette von Ali, Ferrero Küsschen von der guten Elli. Und meine Schwiegermutter hat einen Brief geschrieben. Bin gerührt.
Wir speisen beim Uiguren um die Ecke, besorgen im E- Mart das Nötigste und quatschen in meiner Küche bis spät in die Nacht. Schließlich haben wir uns jetzt acht Monate nicht gesehen und Skype ist hier in China wegen oft wegbrechender Verbindungen einfach nervig. Scheiß- GFW. Aber Stefanie will ja morgen trainieren und ich muss arbeiten, deswegen gehen wir dann irgendwann doch ins Bett.

22.04.2011, Freitag

Schleppe mich hundemüde, aber glücklich auf die Arbeit, Stefanie hat für heute früh schon einen Massagetermin klar gemacht. Und anschließend trifft sie den Meister im Volkspark. Ihren Trainingsfummel hat sie in Deutschland vergessen, macht ja nichts, dann kriegt s
ie halt einen von mir. Hauptsache, sie hat die mir zugedachten Geschenke alle in ihren Koffer gekriegt.
Abends gehen wir in einem schlichten, aber guten Restaurant an der Tongji- Universität essen und dann in einer netten Kneipe nebenan noch einen trinken. Fieser Temperaturabfall, Stefanie muss mir leider eine meiner dickeren Jacken mitbringen. Felix und zwei Freunde von ihm stoßen später dazu, netter Abend. In der Kneipe gibt es ein Aquarium, in dem träge Quallen ihre leuchtenden Bahnen ziehen. Geil! Das muss ich Ali unbedingt zeigen, wenn er mich das nächste Mal besuchen kommt. Sehr spacig und die Musik passt auch dazu. Wieder lange Küchengespräche, während Stefanie wegen der Zeitverschiebung richtig aufdreht, baue ich nach einer superstressigen Arbeitswoche voll ab. Egal, meine beste Freundin kommt ja nur einmal im Jahr, da will die gemeinsame Zeit gut genutzt sein. Dass irgendwie gerade Ostern ist, geht voll an uns vorüber.

23.04.2011, Samstag

Vormittag

Stefanie begibt sich zum Training in den Park, während ich komatös im Bett bleibe. Sieder erweckt mich zwar schon früh mit kernigen Pfotenhieben, aber nach der Raubtierfütterung kuschelt er sich friedlich ein und sieht sich die letzten Folgen von „Desperate Housewives“ mit mir an. Xiao Lu ist mit ein paar Freunden bis Dienstag nach Tian Mu Shan gefahren, also haben wir den Nachmittag frei. Die Temperaturen haben wieder angezogen und die Sonne scheint, was will man mehr.

Nachmittag:

Wir besuchen den Konfuzius- Tempel und bummeln durch die Altstadt. (Die richtige Altstadt, nicht die Drosselgasse- Version am Yu Garten). Buntes Treiben auf der Straße, gackernde Hühner und interessante Dinge, die zum Verzehr feilgeboten werden. Viecher wie Frösche, Tauben und Schildkröten sowie alle Arten von Fischen sind ja eindeutig zu bestimmen, aber bei man
chem Obst und Gemüse muss ich passen.
Anschließend Tianzifang, Alis Schuhe sind fertig und selbstverständlich finden sich wieder nette Sachen, die unbedingt käuflich erworben werden müssen. Da denkt man immer, man habe schon alle coolen Taschen/ Jacken/ T- Shirts/ Schals etc. dieser Welt, aber natürlich stolpert man doch wieder über das eine oder andere. Nachdem wir uns mit Grüntee- Eis, Pizza und Alkoholika gestärkt haben, bemerken wir auf dem Weg nach draußen einen Taschen- Laden, der gerade bestückt und wohl morgen eröffnet wird. Erstehe eine Wahnsinns- Tasche, die auf den ersten Blick mit floralen Mustern bedruckt zu seien scheint, die sich aber bei näherem Hinsehen als Totenschädel entpuppen. Und was für Farben! Bin die erste Käuferin, die Besitzer sind glücklich und verpacken meine Beute sehr liebevoll. Stefanie liebäugelt mit einer Tasche in Lila mit einer knallgrünen Libelle, ist aber denn doch kaufunlustig.

24.04.2011, Sonntag

Vormittag:

Wunderschönes Wetter, Training mit Meister Wu, bin glücklich. Wegen Stefanies Hüftproblemen hatte der Meister ihr eine Massage angeboten, da Rose auch da ist, wird dieses Thema vertieft. Nach einigem Hin und Her Verabredung zur Massage am Mittwoch. Eigentlich war erst meine Behausung anvisiert, schließlich einigen wir uns doch auf Rose´s Wohnung, da sie eine anständige Massageliege besitzt und für uns kochen möchte. Auch wenn ich meinen Meister sehr gerne zu mir eingeladen, bewirtet und ihm meine Katze vorgeführt hätte, fällt mir ein richtiger Berg vom Herzen. Denn erstens ist meine Wohnung nicht sonderlich groß, zweitens kann ich keinen angemessenen Platz zum Massieren bieten und drittens nicht gut chinesisch kochen.

Nachmittag:

Wir fahren nach Zhoujiajiang, einem kleinen Wasserdorf in der Nähe. Gut mit dem Bus zu erreichen und jetzt im Frühling besonders nett. Mit Ali war ich im Winter da, mit Stefanie zusammen das letzte Mal im Rahmen des China- Camps im Dezember 2007.
Damals hatte sie hier die Erhu erworben, die auf dem Rest der Reise als „Arschgeige“ verunglimpft wurde. Heute ein ganz anderes Bild, alles blüht und ist grün. Interessante Erfahrung. Wir lassen uns mit einem Boot durch die Kanäle rudern, erstehen Haarpfeile, Armreifen, niedliche Notizbücher und coole Becher aus Bambus. Essen in einem kleinen Restaurant an einem der Kanäle, ich schaffe es, meine Sonnenbrille dort zu vergessen. Gut, die war jetzt nicht teuer, aber da mir Brillen generell nicht stehen und ich diese eigentlich ganz gerne mochte, ärgerlich.

25.04.2011, Montag

Stefanie hat sich bereit erklärt, mit Sieder zum Tierarzt zu fahren. Um deutscher Staatsbürger zu werden, braucht der Kater eine Tollwutspritze vom chinesischen Amtstierarzt sowie einen EU- tauglichen Mikrochip. Nach einem Monat Wartezeit kann dann sein Blut entnommen werden, dass dann zwecks Titerbestimmung an ein Labor in Deutschland geschickt werden muss. Sind die Werte in Ordnung, muss das Tier drei Monate warten, bevor es in die EU einreisen kann. Schritt eins und zwei hatte ich im Februar schon hinter uns gebracht, ich muss sagen, dass die Mitarbeiter der Shenpu- Klinik (Amtstierarzt) sehr behutsam und sensibel mit meinem kleinen Kater umgegangen sind. Soll nochmal einer sagen, Chinesen hätten kein Herz für Tiere! Also wird heute ein Termin bei einer deutschen Tierärztin ausgemacht, die dann Freitag die Blutentnahme durchführen wird. Nicht ganz einfach, denn die Tierärztin erfreut sich unter den Shanghaier haustierbesitzenden Expats großer Beliebtheit.
Wir treffen uns abends im Barbarossa, die Zeit ist knapp und wir müssen alle unsere Stammkneipen abfrühstücken. Mittlerweile steht Stefanie dem Taxifahren auch nicht mehr so skeptisch gegenüber, nachdem sie erkannt hat, dass die meisten Taxiborgs meine Adresse zügig erkennen. Und die alte Hüfte will ja auch nicht mehr so, da ist es natürlich nett, wenn man direkt vor die Haustür chauffiert wird und nicht von der Metrostation noch nach Hause laufen muss.

26.04.2011, Dienstag

Super warm und schwül in Shanghai, heute Abend ist dann Sashas dran, nicht wirklich weit von meiner Arbeitsstelle entfernt. Grandiose Steinofenpizza, Stefanie und ich lechzen beide schon danach. Unabhängig voneinander verlaufen wir uns aber beide absolut blöd in der French Concession, nachdem ich zum zweiten Mal an der schwer bewachten amerikanischen Botschaft vorbeitigere und von einem Typen, der mit einem Hochdruckreiniger die Straße säubert, fast in den Rinnstein getrieben werde, bin ich kurz vorm Aufgeben. Stefanies Telefon ist abgeschaltet, habe nicht übel Lust, in das nächste Taxi heimwärts zu springen. Wie durch ein Wunder stehe ich plötzlich vor dem Sashas, ergattere einen hübschen Tisch im Garten und ordere mein Lieblingsgetränk. Kurze Zeit später hetzt auch schon Stefanie heran, der Abend ist gerettet. Lecker Pizza, Happy Hour auch noch ausgenutzt: Erfolg auf ganzer Linie.

27.04.2011, Mittwoch

Xiao Lu ist wieder da und so kommt Stefanie in den Genuss von zwei Trainingseinheiten pro Tag. Abends kocht Rose für uns, vorher wird Stefanie von Meister Wu massiert. Bestimmt keine angenehme Angelegenheit, aber eine große Ehre. Zhen Rui ist auch noch eingeladen, als ich nach langem Suchen endlich Roses Wohnung finde, ergötzen sich die Herren an einem Western mit Clint Eastwood und Rose rotiert in der Küche. Blöderweise ist ihr das Salz ausgegangen, so dass sie improvisieren muss. Finde ihre Speisen trotzdem sehr gelungen, auch wenn die beiden chinesischen Feinschmecker anscheinend anderer Meinung sind. Ich jedenfalls hätte das nicht so hinbekommen.

28.04.2011, Donnerstag

Heute abend kocht Meister Wu, freue mich schon den ganzen Tag auf diesen Festschmaus. Gestern
bei einer Zigarette im Treppenhaus bei Rose hatte er mir verschwörerisch zugeraunt, er habe auch mehrere Flaschen guten Schnapses am Start. Da ich die Neigung der Chinesen zu schamlosen Übertreibungen und Ausschmückungen kenne, hatte ich das allerdings nicht so ernst genommen.
Xiao Lu holt mich mit seinem schicken neuen Motorroller an der Metrostation ab, genieße diese kurze Fahrt.
Da Wujie geladen ist, darf Rose von dieser Einladung nichts wissen, muss doch echt mal erheben, was diese beiden eigentlich für Probleme miteinander haben.
Da gibt es nämlich wilde Gerüchte. Lederhut, der den Start ins Tigerjahr mitgefeiert hatte ist auch mit dabei, heute allerdings eher lässig gedresst. Im Laufe des Abends und mit steigendem Alkoholpegel scheint er immer mehr Gefallen an mir zu finden, was ich umgekehrt nicht behaupten kann. Richtig heißt er Gu Yuanfu oder so und übt im Volkspark Chen- Stil. Und geschieden ist er auch.
Außer uns nehmen noch natürlich Xiao Lu, Jeremy, Zhen Rui und zu meiner Überraschung auch die Zappelmaid an dem Schmaus teil. Der Schnaps fließt dann tatsächlich in Strömen und die Zappelmaid entpuppt sich als kernige Säuferin. Zwar kichert sie immer mädchenhaft und behauptet, angeschickert zu sein, aber ich ha
be bis jetzt noch keine chinesische Frau derartig kippen sehen. Das kleine Luder toppt ja fast Stefanie und mich und das will schon was heißen. Unfassbar. Aufgetischt wird wieder, bis die Schwarte kracht, zu meiner Freude auch das Doufu nach des Meisters Art. Mmmmh, lecker! Im Gegensatz zu sonst wird nach dem Essen nicht gesittet zum Teetrinken übergegangen, sondern fröhlich weiter gesoffen. Und zwar alles, was das Haus zu bieten hat. Jeremy und Zhen Rui geraten in eine heftige Diskussion, die Stefanie noch ein wenig anstachelt. Ich kriege davon eher wenig mit, weil ich mich mit Xiao Lu über Snooker unterhalte, ein Spiel, dass er sehr zu schätzen scheint und das gerade im Fernsehen übertragen wird. Ein dicklicher Shanghaier besiegt gerade einen hässlichen Engländer. Stefanie und ich sind noch voll Herrinen der Lage und auch die Zappelmaid kann noch aufrecht stehen und sich klar artikulieren, was man von Lederhut nicht gerade behaupten kann. Tatsächlich bringt er es fertig, sich beim Anstoßen mit Meister Wu ein Glas Rotwein über das blütenweiße Sweatshirt zu kippen und kramt alle seine Englischkenntnisse hervor, um lallend mit Stefanie und mir Konversation zu machen. Für mich ist das noch schwerer zu verstehen, als wenn er gleich chinesisch gesprochen hätte. Aber auch ich erlebe meinen Moment der Schande: Stoße fröhlich mit Zhen Rui an und äußere enthusiastisch auf chinesisch, wir seien nicht nur Tongbei- Geschwister, sondern auch gute Freunde. Verständnisloser Blick, der neben mir sitzende Xiao Lu wiederholt mich wortwörtlich, nur anscheinend in den richtigen Tonhöhen. Wie demütigend. Aber Zhen Rui freut sich. Mann, wahrscheinlich kommt mein Chinesisch für die so rüber wie das Säuferenglisch von Lederhut. Wenn meine Grammatik auch besser ist.
Wir brechen zu später Stunde auf, blöderweise wohnt Lederhut in der Linping Lu nicht weit von uns entfernt und so wir teilen uns ein Taxi. Natürlich kriegt er es weder auf die Reihe, eines einzufangen beziehungsweise dem Fahrer korrekt über unser Ziel anzuweisen, so dass ich das tun muss. Unterwegs muss ich mir sein Gebrabbel anhören und so oft seinen Namen wiederholen, bis er zufrieden mit der Aussprache ist. Lasse den Fahrer dann in der Chifeng Lu halten, Lederhut muss ja nicht wissen, wo genau ich wohne. Will ihm die Kohle für unsere Strecke geben, was er ritterlich und lautstark ablehnt. Bewerfe ihn anschließend mit einen 20,- Yuan Schein und wir springen Höflichkeitsfloskeln artikulierend aus dem Taxi. Stefanie und ich trinken in der Küche noch einen Absacker, lassen den Abend Revue passieren, schauen Fotos und lachen uns scheckig.

29.04.2011, Freitag

Vormittags fährt Stefanie mit Sieder zur Tierärztin. Bin auf der Arbeit total nervös, hoffentlich geht alles glatt und das Vieh lässt sich anstandslos einfangen. Vor meinem inneren Auge sehe ich meine Wohnu
ng total lädiert und meine Freundin mit tiefen, heftig blutenden Fleischwunden vor mir. Die beiden haben um 10.00 ihren Termin, um 12.00 die erlösende SMS: Alles OK. Rufe Stefanie gleich an lasse mir alles schildern. Bin ein wenig stolz, dass die Tierärztin meinen Kater wohl auch außergewöhnlich schön fand. Ja, bei Männern bin ich wählerisch.
Nach all den Strapazen der letzten Woche und vor allem des heutigen Tages sinken wir ermattet bei Wein und Knabbereien vor dem Fernseher nieder und gönnen uns einen ruhigen Abend.

30.04.2011, Samstag

Schlafe aus, während Stefanie trainiert. Nachmittags treffen wir Xiao Lu, der mich dann auch gleich fragt, ob ich denn schon mit Meister Wu über den weiteren Verlauf unseres Nachmittagstrainings gesprochen habe, wenn Stefanie wieder weg ist? Tatsächlich hatte ich dem Meister eine mail geschrieben und der daraufhin irgendwas zu Xiao Lu gesagt, aber das war anscheinend nicht eindeutig genug. Breche frustriert in Tränen aus und erkläre Xiao Lu, dass ich keinen Bock mehr hätte, mich zum Deppen zu machen. Noch drei Monate, dann kann der Kater einwandern und dann werden wir China verlassen. Für immer. Ende der Durchsage.
Für einen Moment scheint die Zeit still zu stehen und dunkle Gewitterwolken heran
zuziehen. Stefanie blickt interessiert von einem zum anderen. Aber nahtlos müssen wir dann Mian Zhang üben, ich werde mit der Säbelform korrigiert, die Xiao Lu auf einmal „piaoliang“ findet, Stefanie wird zum alleine Üben verdonnert und Xiao Lu und ich üben Tui Shou. Natürlich sind alle meine Angriffe raffiniert, subtil und superklasse, besser als Rose und ich bin die beste Tui Shou Ausländerin in ganz China, ach was, auf der ganzen Welt. Ja, klar. Mann, Chinesen!
Abends Captain´s Bar, frustrierend. Mein Entschluß ist gefasst, ich werde bald nach Hause zurückkehren. Aber auf der Terrasse der Bar sitzend realisiere ich, dass ich das eigentlich noch gar nicht will. Shanghai ist einfach die geilste Stadt der Welt, die Wolkenkratzer in Pudong glitzern verführerisch. Natürlich will ich hier nicht den Rest meines Lebens zubringen, aber in drei Monaten schon abhauen? Keine Ahnung, was ich machen soll und wie ich den Rest vom Jahr hier plane. Alles so schwierig, betäube mich mit Long Island Ice Tea.

01.05.2011, Sonntag

Vormittag:
Entspanntes Training, wegen der Maiferien brennt die Luft im Park. Auf dem oberen Teil ( Xingyi- Territorium) des Geländes macht sich eine Großfamilie breit, die den Tag mit einem ausgedehnten Picknick zu verbringen gedenkt. Zelte werden konzentrisch aufgebaut, üppige Speisen herbeigeschleppt. Aber auch unsere Seite kann punkten: Rose hat echt guten grünen Tee sowie mehrere Kannen heißen Wassers und Zubereitungsutensilien mitgebracht. Und auch noch ihre Säbel mitgeschleppt. Die Großfamilie bietet uns ihre Speisen an, nachdem der neugierige Meister Wu die Deckel der Töpfe angehoben und an jedem Gericht kritisch geschnüffelt hat. Ach nee, so gierig sind wir ja denn doch nicht. Höfliche Ablehnung, obwohl der Meister und ich auch doch schon gerne mal gekostet hätten. Zhen Rui, unser Teemeister kommt heute nicht, aber außer mir können alle anderen aus unsrer Trainingsgruppe Tee halbwegs anständig zubereiten und verkosten. Mist, vielleicht kriege ich irgendwann mal die Gelegenheit, zu einer Weinprobe einzuladen. Wobei da dann die chinesische Seite wahrscheinlich nach Eiswürfeln und Cola oder gleichwertigem zum mixen verlangen wird.
Am Ende kommen Rose und ich auch noch dazu, unsere Form vorzuturnen, wobei ich eigentlich kaum korrigiert werde. Und natürlich macht der Meister auch viele Dinge ganz anders.

Nachmittags:

Die Großfamilie kampiert immer noch auf dem Gelände, reiße mich zusammen, obwohl ich immer noch Trübsal blase. Mian Zhang und Dongbao Quan werden korrigiert, letztere hatte ich schon lange nicht mehr geübt. Weise vorwurfsvoll auf die unterschiedliche Ausführung der Säbelform hin, macht nichts, sagt Xiao Lu. Solange man kapiert, wie die Anwendungen gehen, ist das OK. Morgen haben wir auch noch einen Tag, denn wegen der Maiferien muss ich nicht arbeiten. Wie das hier allerdings weitergehen soll, wenn Stefanie weg ist, weiss ich nicht.

Abends:

Stefanie und ich beschließen, was für die Schönheit zu tun und fahren in die Dagu Lu, um unsere Hufe bearbeiten und aufhübschen zu lassen. Geht doch nichts über eine kleine Beauty- Anwendung. Da der Nagellack dann doch ziemlich lange zum Trocknen braucht und wir ihn nicht ruinieren wollen, erwerben wir schicke Gummilatschen und schlurfen in das israelische Restaurant ge
genüber, wo wir uns mit orientalischen kleinen Happen stärken. Die Dagu Lu ist eine ziemlich kleine aber feine Straße, Luxuscompounds, dementsprechend groß ist auch das Angebot an seriösen Spas, Massagesalons und Restaurants. Und fliegende DVD- Händler mit den neuesten englischen Filmen, da wird natürlich auch gleich mal zugeschlagen. In der Straße lungern auch zwei Bettler herum, die aber ganz friedliche Gesellen zu seien scheinen. Leute, als Obdachloser hat man hier echt keine guten Karten, mir tun diese Leute immer leid. Auf der Terrasse des Restaurants können wir dann folgendes beobachten: Einer der Bettler erscheint mit einer Torte in Form eines fröhlichen Tigerkopfes, anscheinend ein Überbleibsel aus einer Bäckerei, den er stolz erst uns und dann seinem Kumpel präsentiert. Andächtig wird der Kuchen bewundert und die Schokoladenaugen des Tigers verzehrt. Mittlerweile schaut auch die Oberkellnerin zu. Kurze Konversation mit den Bettlern, dann geht sie in das Restaurant und kommt mit zwei Kuchengabeln, Tellerchen und Servietten wieder, die sie den Bettlern gibt. Die beiden verziehen sich auf die andere Straßenseite, wo sie auf einer kleinen Mauer Platz nehmen und bedächtig die Torte verspeisen. Dabei sehen sie aus wie zwei feine alte Herren, die einen netten Abend mit einem Freund verbringen. Ich bin von dieser Szene absolut gerührt. Diese beiden alten Knaben haben echt Würde im Leib. Während wir hier sitzen, exotische Köstlichkeiten in uns reinstopfen und die frisch lackierten Fußnägel wedeln, stellt für diese beiden ein abgestandener Kuchen den Höhepunkt des Tages dar, der vornehm und andächtig genossen wird. Lerne mein Leben richtig schätzen. Wir geben den Bettlern dann auch unser gesamtes Kleingeld, für die sind 5 RMB wahrscheinlich das Sahnehäubchen des Tages, jedenfalls bedanken sie sich überschwänglich.

02.05.2011, Montag

Vormittags:

Meister Wu lässt die Bombe platzen und verkündet, dass er ab jetzt nur noch Sonntags unterrichten werde. Für mich jetzt nicht so schlimm, aber für diejenigen, die bei ihm im Volkspark trainiert haben, natürlich ziemlich schlimm. Na, dann wollen wir doch mal sehen, wer sich denn ab jetzt so hier einfinden wird. Die Zappelmaid kommt wie immer zu spät, anscheinend gilt für sie das mit nur Sonntags nicht, denn der Meister wiederholt die Ansage nicht noch mal. Nach dem Training gehen Rose, Judd, Stefanie und ich gemeinsam essen, lange Gesichter. Aber was will man machen.

Nachmittags:

Wir erzählen Xiao Lu von des Meisters Ansage, der daraufhin echt geschockt zu sein scheint. Erst mein Gezicke und jetzt auch noch das! OK, dann ab jetzt Sonntags nachmittags heimlich Training bei mir in der Wohnanlage.

Abends:

Wir schauen die gestern erworbenen DVD, schlagen uns mit Knabbereien den Pansen voll und hängen ab. Wird wieder stressig morgen und Stefanie reist ja auch schon bald ab, wie schade!

03.05.2011, Dienstag

Treffen uns abends mit Judd und einem Kumpel von ihm im Lifestyle und schlemmen hervorragend. Judds andere Leidenschaft neben Tongbei ist Ultimate Frisbee, sein Kumpel Andy spielt das auch und so lernen Stefanie und ich einiges über diese Sportart. Demnächst Riesen- Turnier hier in Shanghai, obwohl ich nicht denke, dass ich Gefallen an diesem Sport finden könnte, ziehe ich in Erwägung, mir das Turnier mal anzuschauen.
Gehen noch einen trinken, Judd ist frustriert, dass Meister Wu ihn nicht ernst zu nehmen scheint und erwägt, sich um die förmliche Aufnahme als Meisterschüler zu bemühen. Wir denken, dass das keine so gute Idee ist. Als Judd rausbekommt, dass wir schon desöfteren bei Meister Wu zu Hause waren und ich sogar Neujahr dort verbracht habe, ist er noch frustrierter. Kann mir mittlerweile auch nicht mehr erklären, warum der Meister Judd so ablehnt, vor allem, da er so eine kleine Ratte wie Jeremy zu sich nach Hause eingeladen hat. China ist kompliziert.

04.05.2011, Mittwoch
Stefanies letzter Tag, ich bin traurig und hoffe insgeheim auf einen Vulkanausbruch oder eine sonstige Naturkatastrophe. Passiert natürlich nichts, wir lassen uns abends massieren und gehen noch mal in Vegetarian Lifestyle essen. Absacker in meiner Küche, irgendwie sind wir beide matt. Stefanie freut sich auf zu Hause, kann sie verstehen. Wie genau ich hier meinen Abgang plane, weiss ich immer noch nicht.

05.05.2011, Donnerstag

Immer noch kein Vulkanausbruch, Scheiß- Arbeitstag. Hetzte nach Hause, wo Stefanie schon auf gepackten Koffern hockt. Taxi zum Lu Xun Park an die Flughafenbushaltestelle, wenigstens haben wir noch 20 Minuten zum Plaudern. Winke ihr nach, als der Bus abfährt und trotte zu Fuß nach Hause, unterwegs erledige ich Einkäufe und bezahle Rechnungen. War wie immer eine geile Zeit, diesmal wartet aber zum Glück jemand auf mich. Diesmal geht Mike Sieder nicht auf Wanderschaft, um nach dem netten Gast zu suchen, wie er es nach Alis Abreise getan hat. Der Kater und ich kuscheln uns vor der Glotze ein, er tatzt sanft auf mein Gesicht, als mir dann doch ein paar Tränen aus den Augen kullern. Als sich mein kleines Tier schnurrend auf meinem Hintern einrollt, bin ich dann doch wieder einigermaßen in der Reihe. Stefanies Flug hebt pünktlich kurz vor Mitternacht ab, wünsche ihr im Gedanken eine gute Reise