Dienstag, Oktober 23, 2007

Muss haben ! #3

Bizarr

Dass das Netz ein Hort von Spinnern ist, war mir ja klar. Aber dass es tatsächlich Leute gibt, die nach der Phrase "ich durfte meine cousine rasieren" suchen und mein blog dann an 12. Stelle erscheint, berührt mich dann doch etwas unangenehm.

Mittwoch, Oktober 17, 2007

Blauer Dunst


Was andere EU- Länder schon seit längerem praktizieren, ereilt nun auch Deutschland: Das Rauchverbot, ein hitzig diskutiertes Thema. In Hessen darf seit diesem Monat nicht mehr in Kneipen geraucht werden und die Kneipenwirte jammern schon über angebliche Umsatzeinbußen. In Rheinland- Pfalz tritt das Verbot erst im Februar in Kraft, denn was wäre eine Fastnacht ohne Kneipen, aus denen einem beim Öffnen der Tür keine Wolke aus Schweiß, Alkohol und Tabakqualm entgegenwaberte. Ich als alte Kettenraucherin sehe das Thema relativ gelassen. Geschätzte 70% der von mir in Kneipen angezündeten Zigaretten werden sowieso nur aus Langeweile, Hunger oder Zwanghaftigkeit konsumiert, wenn ich es nicht mehr aushalte, gehe ich halt vor die Tür, basta. Schließlich habe ich auch schon etliche Langstreckenflüge ohne Kippen überlebt und da hatte ich diese Option nicht. Was mich an diesem Thema als Kneipenanwohnerin und Raucherin wirklich interessiert: In fast allen Kneipen oder Biergärten werden einem im Sommer spätestens um 23.00 die Stühle unter dem Arsch weggerissen, da die Anwohner sich sonst beschweren. Nun steht ja zu erwarten, dass sich alle Raucher sowohl im Sommer als auch im Winter vor die Kneipe begeben, rumlärmen und ihre Kippen überall rumschmeißen. Und das mutmaßlich auch nach 23.00. Wird am Ende gar ein doppeltes Verbot auf uns zukommen? Rauchen in der Kneipe generell verboten und nach 23.00 auch nicht mehr draußen? Dann, denke ich, werden die Kneipenwirte wirklich Grund zum Jammern haben.

Montag, Oktober 15, 2007

Muss haben! #2

Obwohl ich vor mehr als zwanzig Jahren den Führschein gemacht habe, habe ich nie ein eigenes Auto besessen. Wozu auch, hier in der Altstadt brauche ich ja auch keines, da ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln überall hinkommen kann. Und ansonsten ist ja auch der Herr Gemahl mit dem schicken Firmenwagen zur Stelle. Seit dem Erwerb des Führerscheins habe ich exakt zweimal ein Kraftfahrzeug selber gelenkt (wenn man Alis Versuch, mich auf dem Massa- Parkplatz zu schulen nicht mitzählt).
Umso mehr verblüfft es meine Freunde und meinen Gatten, dass ich mit großer Begeisterung fast alle Fernsehsendungen verfolge, in denen schrottreife Karren zu glitzernden Hochleistungsbestien aufgemotzt werden. Das hat dazu geführt, dass ich die einzelnen Teile eines Autos mittlerweile fast besser auf englisch als auf deutsch benennen kann und genau weiß, wo ich im Bedarfsfall diamantbesetzte Felgen herbekäme. Und am meisten haben es mir dabei amerikanische Muscle- Cars der 60er- 70er Jahre angetan.
Oben abgebildetes Schmuckstück zeigt einen 65er Chevy Impala. Und das geilste an der Karre ist, dass sie mit einem 800 PS Biodieselmotor ausgestattet ist. Ganz recht, das Teil fährt absolut umweltfreundlich. Und beschleunigt vom 0 auf 100 in 3,5 Sekunden. Mann, ich würde töten für dieses Baby. Allerdings ist Rot nicht ganz so meine Farbe. Deswegen hätte ich dann als Zweitwagen doch ganz gerne diesen 69er Pontiac LeMans, dessen Wandlung ich heute wie elektisiert vor dem Fernseher verfolgt habe. Und vielleicht steht eines Tages Xzibit vor unserer Tür und wedelt mit dem Schlüssel zu so einer Karosse. Wenn ich den mit Sicherheit dann erfolgenden Herzanfall überleben sollte, lerne ich auch wieder Autofahren. Ganz bestimmt.

Anglizismushölle

Der stets aufmerksame Herr Burland hat mir freundlicherweise ein besonders schauerliches Beispiel sprachlicher Entgleisung zugesandt. Es handelt sich um die Online- Werbung des größten deutschen Luftfahrtunternehmens in den USA. Meiner geheimen Befürchtung, Werbetexter arbeiteten unter dem massiven Einfluß psychotroper Drogen, wird beim Lesen des pseudodeutschen Begriffs "Der Schnöozenseat, noun (schnoo’-zen-seat)" eindrucksvoll Vorschub geleistet.
Ich kann mir richtig vorstellen, wie das in der Agentur gelaufen ist:
Werbetexter 1: "Scheiße, morgen müssen wir die Scheiß- Lufthansa- Kampagne vorstellen! Und mir fällt echt nix ein!" Werbetexter 2: "Hey, komm, lass uns ´ne Line durchziehen und ein paar Psylos mit Rotwein runterspülen, dann wird es schon gehen." (Beide Werbetexter ballern sich die Birne zu.) Werbetexter 1: "Hey, jetzt habe ich ´ne echt geile Idee: Wir verstümmeln einfach ein paar englische Begriffe so lange, bis es sich drollig anhört, hauen ordentlich Umlaute auf die Vokale und alle werden denken, das wäre Deutsch. Rafft eh keiner, wer zum Teufel spricht schon deutsch!" Werbetexter 2: "Geeeiiiillll!!!"
Leider gibt es keine Institution, bei der man eine derartige Vergewaltigung der englischen oder der deutschen Sprache anzeigen kann. Da wünscht man sich doch, die Gesellschaft für deutsche Spache wäre mit einer Abteilung furchtloser Rächer ausgestattet, die nach Ruchbarwerden solcher verabscheuungswürdigen Fehltritte sofort in die weite Welt hinauszögen, um an den Übeltätern grausame Rache zu üben. Vielleicht sollte ich den Damen und Herren mal die Dienste unserer WuShu- Abteilung anbieten, für entsprechende Spesen würden wir solche Dienste doch gerne übernehmen.

Montag, Oktober 08, 2007

Heimzus

Samstag, 06.10.2007

Morgens beladen wir Stefanies Karre bis zum Achsbruch mit Gepäck, Wein, Spezereien und Töpferwaren, verabschieden uns herzlich von allen unseren Lieben und klauen noch vom Granatapfelbaum im Vorgarten einige Früchte. Pünktlich um 9.00 starten wir zu unserer 1.000 km Frankreichdurchquerung in Richtung Heimat und brauchen mit Pinkel- und Zigarettenpausen elf Stunden. Ich finde es ziemlich interessant, die Veränderung der Landschaft zu beobachten. Außerdem eine Lehrstunde in Geographie, denn ich hatte seit meiner Schulzeit da wohl doch so einiges vergessen.
Zu Hause freut sich Ali über Happen und Rotwein und findet sogar die von mir erworbenen Töpfereiprodukte schön.
Fazit:
Nette Leute kennen gelernt, gute Zeit gehabt, erfolgreich Geld verballert und zu der Erkenntins gekommen, dass ich mich trotz der Nettigkeit der Bewohner der südlichen Landesteile Frankreichs nie mit ihrer Sprache werde anfreunden können.
Nachtrag:
Um das Wochenende perfekt zu machen, gewinnt Sonntags Mainz 05 nach verdientem 0:1 Rückstand zur Pause zu Hause gegen Erzgebirge Aue. Natürlich 4:1.

Traue nie einer Distel

Freitag, 05.10.2007

Mit leicht brummendem Schädel besichtigen wir noch einen ganz netten
Ort namens Pezenas und fahren anschließend weiter an den Lac du Salagou.
Aus unserer Wandertour wird allerdings nichts, da ein heftiges Gewitter über der Region tobt. Noch nicht einmal die Schönheit der Landschaft können wir bewundern, weil man die Hand vor Augen nicht mehr sieht. So viel zum Thema Disteln und Wettervorhersagen. Bleibt den Einheimischen zu wünschen, dass sie wenigstens zur Abwehr von Schwarzer Magie taugen. Wir trösten uns mit dem Gedanken, dass unsere in Wudang Shan an ihrem Gongfu arbeitenden Schätzchen bestimmt noch viel beschissenere klimatische Unwidrigkeiten erdulden müssen.
Immerhin schlagen wir uns wacker über Landstraßen zu einer Weinkooperative, wo ich eine Kiste des gestern bei Harald ausgiebig konsumierten vorzüglichen Rotweins erwebe. Unterwegs erhalten wir einen schauerlichen Eindruck vom Zustand französischer Landstrassen nach Starkregenereignissen, aber Stefanies Karre ist zum Glück wasserdicht.
In einem Supermarkt räumen wir noch staubsaugerartig die Regale mit regionalen Produkten leer, fahren nach Hause und wandern noch ein wenig. Die Potterien haben wegen des miesen Wetters erst gar nicht aufgemacht, gut also, dass wir schon gestern unsere Kauflust befriedigt haben.
Abends dann wieder Pizzeria, deren Bedienung anscheinend zügig die gesamte männliche Bevölkerung des Dorfes darüber informiert hat, dass die beiden deutschen Schnallen wieder da sind. Jedenfalls scharen sich in der benachbarten Bar, in der wir mit der mittlerweile zu uns gestoßenen Heike noch einen Absacker nehmen, unauffällig Männer um uns. Da wir offensichtlich die Trinklaune der Kerle fördern, gibt uns der Wirt fleißig einen Pastis nach dem anderen aus und wir parlieren fröhlich mit den einsamen Herzen. Das heißt, Heike und Stefanie parlieren und ich beschränke mich in Unkenntnis der französischen Sprache darauf, lieblich zu lächeln, meine blonde Mähne zu schütteln und schlau zu gucken. Für mich klingt es, als seien die beiden Mädels voll die Französisch- Fackeln, aber anscheinend gibt es immer wieder drollige Missverständnisse. Heike versucht dem Wirt zu erklären, dass es in dem Mainzer Dialekt etliche französische Lehnwörter gibt, was ungläubig zur Kenntnis genommen wird. Na ja, vielleicht war ihre Abhandlung zur Entstehung des Begriffes „Fisimatenten“ etwas schwer nachvollziehbar. (Scheiße, dass ich da die Geschichte vom Mainzer Schinken noch nicht kannte, die erschien während meiner Abwesendheit in der Zeitung. Was für großartige interkulturelle Brücken hätte man schlagen können, wenn wir mit französischem Liedgut über unsere Heimatstadt hätten aufwarten können!) Der Wirt meint, die deutsche Sprache klinge zu hart. Das denken sowieso ja fast alle (nicht nur) aus dem romanischen Sprachraum, aber ich hätte ihm doch gerne gesagt, dass für deutsche Ohren Französisch ziemlich schwul klingt. Vielleicht doch ganz gut, dass ich dieser Sprache nicht mächtig bin. Da wir am nächsten Tag die Heimreise antreten und fit sein wollen, lehnen wir dankend die Angebote der Junggesellen, uns noch einen Pastis auszugeben, ab. Außerdem sind wir mittlerweile aus dem Alter raus, in dem man uns mit Gratis- Alkohol noch ködern konnte. Unsere Verehrer sind ganz traurig, aber wir bleiben hart.

Zwei Schnallen und ein prall gefülltes Portemonai

Donnerstag, 04.10.2007

Das Kaff heißt St. Jean de Fos, hat beachtliche 1.400 Einwohner und nennt sich „Village de Potiers“. Aha. Ein Töpferdorf also. Wie immer, wenn mindestens zwei Schnallen im Ausland unterwegs sind, wird das Tagesprogramm schnell weniger vom Abklappern touristischer Höhepunkte als vielmehr von der Jagd auf schöne Dinge bestimmt. In unserem Appartement liegt ein farbiger Prospekt mit einem Lageplan aller Potieren (durch die unheilige Allianz von Stefanies Huddeligkeit gepaart mit meiner hartnäckigen Verweigerung der französischen Sprache wird daraus „Potterie“) und den Bildern ihrer Produkte aus und natürlich haben wir gleich unsere Favoriten. Alle Töpfer stellen ihr Zeugs auch im „La maison des potiers“ aus, das aber erst nachmittags öffnet. Aber wir verschaffen uns durch einen Blick durch die Fensterscheiben schon mal einen Eindruck.

So widmen wir uns erst dem Besichtigen der uns vom belesenen Harald ans Herz gelegten Sensationen und entdecken schon im nächsten Ort eine sehr hübsche Potterie und einen Schmuckladen, deren Produkte wir ausgiebig begutachten, bevor wir den Ort St Guilhem- le- Desert erkunden. Dort fallen uns vertrocknete Disteln auf, die an fast jede zweite Tür genagelt sind und auf die wir uns keinen Reim machen können. Der Ästhetik wegen offensichtlich nicht. Später entdecke ich in einem Laden eine Erklärung dieses Phänomens und reime mir zusammen, dass die vertrockneten Dinger sowohl zur Abwehr von Hexen und Zauberern als auch als Hygrometer dienen: Ist das Herz geöffnet, wird das Wetter gut, ist es geschlossen, wird es regnen. (Ein dummer Aberglaube, wie sich am nächsten Tag eindrucksvoll herausstellen sollte.)
Wir klappern noch ein paar Orte ab, besichtigen spektakuläre Tropfsteinhöhlen und erfinden ganz nebenbei auch noch (Achtung, Anglizismus!) das drive- by- Sightseeing. (Karre an schönem Punkt zur Not mitten auf der Straße stoppen, Fenster runter, Foto, Fenster hoch, weiter.)
Da wir beide an den Produkten einer ganz bestimmten Töpferin brennend interessiert sind (sie macht geile knallgrüne Gefäße in der sogenannten „Raku“ Technik, was immer das ist), beschließen wir, der Dame einen Spontanbesuch abzustatten und düsen in das ebenfalls sehr hübsche Dorf Puechabon. (Für uns Pokemon.)
Nachdem wir auf der Suche nach dem Atelier mindestens dreimal über einen holperigen Feldweg an einer Gruppe von Spaziergängern vorbeigeblasen sind, fragt Stefanie dann doch mal nach dem Weg. Ein freundlicher älterer Herr mit Spazierstock rennt daraufhin erstaunlich behende vor unserem Auto her zu dem Atelier, weist uns eine günstige Stelle zum Parken an, erinnert uns daran, die Karre abzuschließen und hämmert anschließend mit dem Stock an die Scheiben des geschlossenen Ateliers. Ein genauerer Blick in den Prospekt offenbart, dass die Potterie leider erst Samstag wieder öffnet. Mist. Wir bedanken uns höflich bei den netten Franzosen und fahren zurück nach St Jean de Fos, wo wir enttäuscht feststellen müssen, dass die Pottermaison auch leider erst Samstag wieder öffnet, da Nebensaison ist. Daraufhin klappern wir sämtliche zehn Potterien in St Jean ab, von denen die meisten jedoch entweder geschlossen sind, oder geöffnet aber verlassen sind und trotz lauter Rufe keiner kommt, oder nur kitschigen Tand anbieten. Frustriert über die Tatsache, dass wir unserer Kauflust nicht frönen konnten, fahren wir wie von Furien gehetzt wieder nach St Guilhem-le-Desert, wo Stefanie in der Potterie einen Krug und ich eine Teeschale erstehen. Der Schmuckladen hat leider schon geschlossen. Und auf dem Rückweg nach St Jean nehme ich auch noch in einer ziemlich geilen Potterie eine Jakobsmuschel mit, da ich mir die anderen Produkte von denen leider nicht leisten kann.
Befriedigt durch das erfolgreiche Geldausgeben gehen wir in der einzigen Pizzeria des Ortes essen und kriegen vom netten Wirt auch einen ausgegeben. Als wir nach Hause kommen, sitzt Harald mit seinen Damen auf der Terrasse und genießt hervorragenden Rotwein, zu dem er uns einlädt. Die Mallehrerin Heike kommt dann auch noch mit leckerem Rotwein rüber und wir verbringen einen sehr lustigen Abend. Als Haralds Mädels schwächeln, saufen wir bei uns noch weiter und es wird spät.

Terra incognita

Mittwoch, 03.10.2007

Gähnende Langeweile! Alle meine Taiji-, Chat-, Mail- oder sonstige Gespielen halten sich entweder in China, Südfrankreich oder sonst wo auf oder sind beruflich unterwegs.
Wie gut, dass ich heute nach Montpellier fliege, wo Stefanie sich zu einem Malkurs in einem kleinen Kaff aufhält. Das Ticket hatte ich für lächerliche 0,10 Euro bei Ryanair geschossen. Also ab mit dem Pendelbus nach Hahn, einchecken nach den deutlich alkoholisierten Mitgliedern des Rugby- Clubs Mainz, die sich wohl ein Spiel anschauen wollen, und dann erst mal warten. Der Flieger hat eine Stunde Verspätung, ärgerlich. Die Jungs vom Rugby- Club saufen an der Bar weiter. Dann werden auch noch aus nicht nachvollziehbaren Gründen die Gates getauscht, was wegen der absolut unverständlichen Lautsprecherdurchsagen keiner rafft. Die vor mir in der Schlange stehenden Engländer verpassen deswegen fast ihren Flieger nach Rom. Saftladen. Flug ist in Ordnung, ich versuche, einen Sitz möglichst weit weg von den vollgesoffenen Rugby- Typen zu ergattern, da ich keine Lust habe, vollgekotzt zu werden.
In Montpellier holt mich ein fideler älterer Herr namens Harald ab, der auch an dem Malkurs teilgenommen hatte. Harald musste sowieso an den Flughafen, da seine Gattin und deren Freundin mit dem selben Flieger gekommen waren. Und da Harald voll der Durchblicker ist, gibt es auf dem Weg in das Kaff auch gleich noch sehr lehrreiche Erklärungen zu allen Attraktionen längs der Strecke. Leider ist es stockdunkel, weswegen nicht viel zu sehen ist, aber die Gegend scheint doch recht interessant zu sein. Ich war noch nie in Südfrankreich und bin gespannt.
Als wir nach knapp einer Stunde Fahrt in dem Kaff ankommen, empfängt mich eine stark erkältete Stefanie mit hervorragendem Käse, Oliven und Wein. Es ist noch so warm, dass wir ewig auf der Terrasse unseres Bungalows sitzen und die Neuigkeiten der vergangenen Wochen austauschen.

Montag, Oktober 01, 2007

Fußball ist ein Spiel mit 22 Spielerinnen und am Ende gewinnt immer Deutschland

Als ich am Montag, dem 10. September um 14.15 zum ersten Mal „Tooor“ brülle, schauen mich meine Kollegen an, als hätte ich den Verstand verloren. Grund des Jubels: Auftaktspiel der Frauen- Fußball WM in Shanghai, Deutschland gegen Argentinien und die argentinische Torhüterin hatte uns gerade eines von zwei Eigentoren zum Geschenk gemacht. Und noch weitere 10 Male sollte ich an diesem Tag Jubelgeheul erschallen lassen. Der unerwartet hohe Sieg war Öl auf den Mühlen meiner Kollegen, die argumentierten, Frauenfußball sei deswegen so langweilig, weil es so wenig gute Teams gäbe. Na ja, zugegeben: Ist schon etwas seltsam, wenn man nach drei Vorrundenspielen gleich im Viertelfinale steht, aber was solls.

Ich persönlich habe mein Interesse für den Frauenfußball vor ca. vier Jahren entdeckt, als ich mir das Testspiel der damaligen Elf (und späteren Weltmeisterinnen) gegen China anschaute, da in der Glotze absolut nichts anderes lief. Ich war angenehm überrascht über den Spielwitz und den erfrischenden Offensivfußball, den die Damen im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen da boten. (Zur Erinnerung: Die waren ein Jahr zuvor bei der WM in Japan/ Südkorea mit mehr Glück als Verstand ins Endspiel gekommen und dann an Brasilien gescheitert.)

Wegen der Zeitverschiebung konnte ich mir leider keines der Spiele der Damenelf bis auf das gegen Nordkorea anschauen, das ich aber sehr spannend fand und das mich durch eine sehr ordentliche Leistung unserer Mannschaft beeindruckte. (Fast noch beeindruckender fand ich die mit Einheitshaarschnitt auflaufenden Nordkoreanerinnen, die wirklich alle gleich aussahen. Eine Armee von Klonen.)

Sonntag dann das Endspiel gegen Brasilien.

Ein Blick auf die Mannschaftsaufstellung der Gegnerinnen lässt mich ahnen, dass ich dieses Team ähnlich unsympathisch wie die Herrenmannschaft finden werde. Die feinen Damen spielen nämlich bis auf eine Spielerin ausschließlich mit Künstlernamen. Dieser Eindruck bestätigt sich, als die Bilder aus dem Spielertunnel gezeigt werden: Während unser Team ruhig und konzentriert auf den Einmarsch ins Stadion wartet, tanzen diese blöden Schlampen, als hätten sie den Pokal schon gewonnen. Mit vor Hass brennendem Herzen wünsche ich unserer Mannschaft nicht nur den Sieg, sondern die Vernichtung und Demütigung unserer Gegnerinnen.
Das Spiel ist gleich von Beginn an sehr temporeich. Die Brasilianerinnen spielen ziemlich unsportlich und stören mit vielen kleinen Fouls, Schwalben im Strafraum und ähnlichen Nettigkeiten. Beide Teams vergeben Torchancen, in der 24. Minute knallt Daniela einen Ball an den Pfosten, war das knapp! In der zweiten Hälfte der ersten Halbzeit ist Brasilien leider klar die bessere Mannschaft, schaffen es aber nicht, zu verwandeln. Also, 0:0 zur Halbzeit. Nach der Pause lassen sich die Deutschen dann aber nicht mehr die Butter vom Brot nehmen: Sie gehen aggressiv in die Zweikämpfe und spielen entschlossener. In der 52. Minute die Erlösung: Birgit Prinz zieht durch und schießt das 1:0. Die Brasilianerinnen geben jetzt natürlich alles, spielen wütender, verbissener. In einem Anflug von Sachverstand sage ich zu meinem Gatten: „Mensch, jetzt müssen unsere aber echt aufpassen, dass die im Strafraum keinen Scheiß bauen und den blöden Schnallen noch einen Elfer schenken“, da passiert es auch schon: 62. Minute, Foul von Annike Krahn an Marta, den Brasilianerinnen wird völlig berechtigt ein Strafstoß zugesprochen. Als Nadine Angerer den von Marta zugegebenermaßen beschissen ausgeführten (aber wen interessiert das schon) Elfmeter fast mühelos hält, liege ich vor der Glotze auf den Knien und brülle „GÖTTIN!“ Noch knapp 25 nervenzerfetzende Minuten. In der 86. Minute nickt Simone Laudehr grandios zum 2:0 ein und macht den Sack zu. Vier Minuten Nachspielzeit, jetzt bloß keinen reinkriegen, um den Titel noch dadurch zu veredeln, als einziges Team in der Geschichte der WM ohne Gegentreffer Weltmeister geworden zu sein. Fingernägel abgekaut, Schlusspfiff, Deutschland ist zum zweiten Mal hintereinander Weltmeister. Nadine Angerer schreibt Fußballgeschichte, indem sie mit 540 Spielminuten ohne Gegentor den WM-Rekord des Italieners Walter Zenga aus dem Jahr 1990 bricht.
Dass Mainz 05 auswärts 1:0 verliert und den Anschluss an die Tabellenspitze verpasst, ist fast nebensächlich.