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Samstag, Juli 17, 2010

足球世界杯赛第二 – WM #2

Bin beim Bürotippspiel doch tatsächlich Zweite geworden und jetzt auch noch das: Obwohl mir Smartshanghai mittlerweile versichert hat, ich würde dann doch was besseres kriegen als eine angesoffene Flasche Teqiula und eine Umarmung vom Chefredakteur.
Witzigerweise ist hier nicht nur unsere Nationalmannschaft durch ihr erfrischendes Spiel sehr populär geworden, der in China zur Zeit beliebteste Bewohner Deutschlands ist Tintenfisch Paul. Der heisst hier zhangyu baoluo (章鱼保罗) und bringt die Chinesen voll zum Ausflippen. Meine eine Kollegin war derartig begeistert, dass sie sich bei dem Entwurf einer Rampe von Krakenarmen inspirieren liess und über die Haltung eines Tintenfisches nachdenkt. Auf der Expo verteilte neulich ein Pavillon Stempel mit Tintenfischen, was zu einem Massenansturm führte. Viele hofften, die Weisheit des Celaphopoden werde auf sie abfärben, wie man den Medien entnehmen konnte. Und auch der Präsident von Shanghai Shenhua soll angeblich schon in Oberhausen gesichtet worden sein um zu erkunden, ob Shenhua die chinesische Meisterschaft gewinnt. (Shenhua wird leider nicht Meister).
Sogar Xiao Lu sprach mich heute auf Paul an, er fand es allerdings sehr witzig, dass die Spanier das Tier unbedingt haben wollen und die Deutschen ihn auch für teuer Geld nicht rausrücken. Als ich erklärte, die meisten Deutschen hätten das Mistvieh sowieso nach der Vorhersage des Spanienspieles am liebsten in Knoblauchbutter schwimmend auf einem Teller gesehen, lachte er, machte mit der Hand schnelle Hackbewegungen (zazazazaza), führte pantomimisch Stäbchen an den Mund und rieb sich den Magen.

Sonntag, Juni 27, 2010

四比一 - 4:1

... schaue denn schon mal nach Heimflügen....

梅雨 – Pflaumenregen

26.06.2010, Samstag

Vormittags:

Bin nach Hongkong und einer anstrengenden Arbeitswoche Freitag Abend derartig ermattet, dass ich mich schon früh ins Bett schleppe (auf die Party eines befreundeten Büros habe ich keinen Bock) und beim Videoschauen ganz farblos einschlafe.
Samstag früh bin ich immer noch total bematscht, mache mich aber fertig und betrachte sorgenvoll den Himmel. Es nieselt leicht, da ist Xiao Lu sowieso nicht im Park, lohnt sich also nicht, früh hinzufahren. So gegen viertel nach Acht schreibe ich eine SMS an dem Meister, ob denn Training stattfände und wenn ja, wo? Park oder Stadion? Als ich eine Stunde später noch keine Antwort habe, lege ich mich wieder hin und schlafe noch drei Stunden.
Bin zwar nicht mehr ganz so bematscht, hab aber wirres Zeug geträumt und bin leicht desorientiert, geht nach Kaffee und Dusche dann aber wieder. SMS vom Meister, er sei gerade vom Park heimgekommen, er habe sein Phon daheim vergessen und deswegen meine SMS nicht mehr rechtzeitig gesehen. Ja ja, bestimmt auch bei Regen keinen Bock gehabt und gerade erst aufgewacht. Entschuldige per SMS mein Fernbleiben, morgen käme ich ganz bestimmt. Meister hat Gesicht bewahrt, ich habe Gesicht bewahrt, alles gut. Er schreibt, wenn es morgen nicht regnen würde, käme auch Rose. Das finde ich klasse, bei der Gelegenheit frage ich mal vorsichtig, ob denn Xiao Lu was gesagt hätte ob er nachmittags käme? Ja, wenn es nicht regnet, kommt er. Bestens. Schaue mir noch mal das Video von Ying Quan an, die habe ich ja jetzt länger nicht mehr geübt.

Nachmittags:

Das Wetter scheint zu halten, warte auf einer Bank lesend auf Xiao Lu. Der pirscht sich von hinten an mich heran und schreit mir „Autsch“ ins Ohr. Kreische vor Schreck und verpasse ihm erstmal eine.
Das Trainingsgelände ist mit Blättern und Ästen bedeckt, wir schnappen uns jeder einen Besen und fegen es sauber. Kann nirgendwo frische Kippen oder die für unseren Stil typischen Fußspuren entdecken, ganz sicher war der Meister heute früh nicht im Park. Der alte Fuchs.
Wir haben uns ja jetzt länger nicht mehr gesehen und uns natürlich viel zu erzählen. Ja, Xiao Lu hat auch den Eindruck, dass die Bewohner Hong Kongs eher kommerziell orientiert sind. Ich meine, Geld wäre ziemlich egal, Hauptsache gesund. Diese Einstellung scheint ihm zu gefallen. Da wir gerade beim Thema verreisen sind, zeigt er mir Bilder, die er während seines Korea- Aufenthaltes aufgenommen hat und erklärt mir, wer und was darauf zu sehen ist. Interessant. Und weil das so interessant ist, schauen uns auch gleich noch zwei andere Typen über die Schulter.
Unter den Bäumen unseres Übungsplatzes ist es schummerig, wenig Leute sind im Park und in der Luft liegt ein süßer Duft. Erfreue mich beim Üben der Einzelbewegungen an dem üppigen Grün und bin zufrieden und entspannt. Sogar der auf dem Hügel nebenan sein Instrument quälende Saxophonspieler geht mir mal nicht auf die Nerven. Anscheinend empfindet Xiao Lu das nicht so oder erinnert sich daran, dass ich bei anderen dieser Gelegenheiten äußerst ungut abgegangen bin, deswegen brüllt er irgendwann mal zu dem Typen, er solle gefälligst mal leiser spielen. Der Typ entschuldigt sich, dreht sich um, quäkt noch ein wenig weiter und trollt sich schließlich.
Wir üben schweigend und sehr sorgfältig, ich bin sehr, sehr glücklich. Bei Tui Shou haben wir wahnsinnigen Spaß, versuche, mich an alle die Manöver zu erinnern, die Xiao Lu mir bis jetzt beigebracht hat und diese anzuwenden. Klappt natürlich nicht, er ist halt einfach zu gut. Aber er freut sich, dass ich es wenigstens versuche.
Bei Frauen gegen Männer sei Tui Shou immer etwas grenzwertig, meint er. Im Gerangel könne man Damen da schon mal unbeabsichtigt an intimen Körperteilen berühren, das sei ihm unangenehm. Mit mir ginge das, wir wären ja schließlich so was wie Geschwister. Freue mich, dass er das so sieht und mich unterrichtet. Rose hatte da durchaus schon andere Erfahrungen. Manche Typen haben der beim Tui Shou schon gezielt an die Hupen gegriffen und sich anschließend feixend entschuldigt, was sie sehr sauer gemacht hat. Kann ich verstehen, wäre ich auch. In der Tat gibt es sogar einen umgangssprachlichen Ausdruck für solche erschlichenen intimen Kontakte, nämlich 吃豆腐, Tofu essen. Kann in einer abgeschwächten Form aber auch „flirten“ oder „anbaggern“ heißen.
Da wir gerade beim Thema Umgangssprache und Kampfkünste sind: Der Stil, den der Oster so gerne kreisend übt, 八卦, Bagua bezeichnet in der Umgangssprache auch „lästern, tratschen.“ Tja, Oster, da musst du in deinem blog beim nächsten Wudang- Aufenthalt schon etwas konkreter werden, ob du jetzt gerade zirkulierst oder tratscht.
Der Park schließt und wir quatschen noch ein wenig. Wenn es morgen früh nicht regnet, kommt Xiao Lu auf jeden Fall. Dann würde es richtig voll, sagt er. Neun Leute: Meister Wu, er, ich, Rose und ihr Kumpel Wang Ming Bo, die Zappelmaid und Hackfresse und die anderen Namen kriege ich nicht mit. Wang Ming Bo kommt auch? Warum das denn, der übt doch Yang Stil? Das weiß Xiao Lu jetzt auch nicht. Aber angesichts dieser Tatsache ist nach dem Training mal wieder ein üppiges Festmahl zu erwarten, weswegen das Nachmittagstraining wahrscheinlich ausfällt.
Auch gut, Wang Ming Bo ist echt lustig und den habe ich seit April nicht mehr gesehen und lecker Essen ist immer gut. Auch wenn ich lieber trainiert hätte.

Abends:

Kaufe mir bei Carrefour vegetarische Jiaozi, bereite diese zu und lerne anschließend chinesisch. Chat mit Ali, in Mainz ist Johannisfest. Da wäre ich jetzt gerne auch, es gibt halt Dinge, die man fern der Heimat schmerzlich vermisst. Morgen kickt Deutschland gegen die Engländer, hoffentlich kommt es zum Elfmeterschießen, denn dann gewinnen wir bestimmt. Beginne, ernstlich über einen Heimaturlaub nachzudenken, sollten wir ins Finale kommen.

27.06.2010, Sonntag

Vormittags:

Es scheint nicht zu regnen, also mache ich mich fertig. Rette meine Abendbrot- Lieferung, als ich das Haus verlasse, beginnt es zu nieseln. Als ich am Park ankomme, gießt es in Strömen. Mache mir gar nicht erst die Mühe, den Park zu betreten sondern drehe gleich um zur nächsten Bushaltestelle. SMS vom Meister, es regne, heute kein Training. Ja, das habe ich mir fast gedacht.
Zu Hause schaue ich mir Ip Man 2 auf chinesisch mit grotesken englischen Untertiteln an. Eher laue Handlung, aber sehr gut choreographierte Kampfszenen.
Draußen gießt es in Strömen und es gewittert, so sieht also die berüchtigte Pflaumenregen- Saison aus. Offiziell hat diese hier in Shanghai am 17. Juni begonnen und soll etwa drei Wochen dauern. Danach sind dann Temperaturen um die 36- 40° zu erwarten. Im Süden chinas gibt es bereits schwere Überflutungen. Ying hat mir geraten, wegen der dann hohen Luftfeuchtigkeit Entfeuchter zu besorgen, die im Kleider- und Lebensmittelschrank aufgestellt werden, damit die Klamotten und Nahrungsmittel nicht vergammeln. Habe ich natürlich sofort gekauft, schließlich habe ich keine Lust auf muffige Klamotten. Momentan aber sehe ich noch nicht die Notwendigkeit, die Entfeuchter zu installieren.
Sieht so aus, als ob es sich einregnet, brühe mir einen Kaffee und mache meine Chinesisch- Hausaufgaben fertig.

Nachmittags:

Überraschenderweise klart es Mittags ein wenig auf, vielleicht geht ja was mit Training? Mache mich also in den Park auf, leider selber Effekt wie heute morgen. Warte trotzdem zehn Minuten auf Xiao Lu, vielleicht war der ja schon unterwegs? Dann könnten wir wenigstens Tee trinken gehen. Xiao Lu kommt natürlich nicht, kann ich ihm auch nicht verübeln. Macht nichts, muss sowieso noch einkaufen gehen.
Im E- Mart ist ein für China bei Regen typisches Phänomen zu beobachten: Am Eingang des Supermarkts steht ein Scherge mit länglichen Plastiktüten, in die die nassen Regenschirme der Käufer eingetütet werden. Bin immer wieder erstaunt, für was dieses Riesen- Land alles Arbeitskraft an den Start werfen kann.
Gönne mir Olivenöl und Balsamico- Essig, da kann ich mir heute zum Abendessen einen leckeren Salat machen. Basilikum oder Limetten gibt es keine, wird aber auch so gehen. Kartoffeln und Eier habe ich ja noch, also Tortilla mit Tomatensalat und dazu einen Chardonnay, da lässt sich gut gestärkt Fußball schauen.

Donnerstag, Juni 24, 2010

香港 – Hong Kong

18.06.2010, Freitag
Unsere Reise beginnt schon mal mit einer halben Stunde Verspätung. Prächtig. Macht aber nichts, denn Peter fliegt ja auch erst eine Stunde später mit einer anderen Gesellschaft. Guy und ich müssen also in Hong Kong dann nicht so lange warten. Von unserer Fluggesellschaft bin ich recht angetan, freundliche und hübsche Stewardessen, vernünftige Sitzabstände und das Essen mundet auch. Erster Vorgeschmack auf das Reiseziel: Das Bordpersonal spricht fließend Englisch und außer auf Hochchinesisch werden die Ansagen auch auf Kantonesisch gemacht. Kantonesisch finde ich ziemlich sexy, mag vielleicht auch mit meiner Vorliebe für den heiligen Stephen Chow zusammenhängen. Habe aber Schwierigkeiten, die Schriftzeichen zu lesen, denn hier ist alles mit Langzeichen beschriftet und die kann ich nicht. Außerdem ist es merkwürdig, von einem Land, dessen Sprache ich zumindestens ansatzweise beherrsche in ein Land überzuwechseln, dessen Sprache ich überhaupt nicht verstehe. Gut, geht einem ja öfter so, aber hier bewege ich mich innerhalb Chinas, sollte also nicht so fremd sein. Merkwürdiges Gefühl.
Peters Maschine hat dann auch Verspätung und wir stellen fest, dass es total Scheiße ist, dass unsere Mobilfone hier alle nicht funktionieren.
Bei meinem letzten Besuch hier bin ich noch auf Kai Tak gelandet, jetzt gibt es einen neuen Flughafen auf Lantau. Und der ist bombig über einen Expresszug angebunden. Bin beeindruckt, obwohl Kai Tak entschieden mehr Charme hatte.
Seit meinem letzten Besuch scheint sich nicht viel verändert zu haben. Klar, ein paar neue Wolkenkratzer und andere Baumaßnahmen, aber damals habe ich die Stadt anders wahrgenommen. Na gut, das ist jetzt auch fast 18 Jahre her.
Hong Kong vs. Shanghai #1: Noch lauter, noch schneller, noch dichter und noch schwül- wärmer als Shanghai. Stand: 0:1.
Wir beziehen unsere Herberge und mich trifft fast der Schlag, als ich die Tür zu meinem Einzelzimmer öffne. Eine Knastzelle ist bestimmt gemütlicher und komfortabler. Wenigstens gibt es eine Klimaanlage. Bin definitiv zu alt für so einen Scheiß, auch wenn ich während meiner Backpacker- Zeit schon in wesentlich schlimmeren Absteigen genächtigt habe. Aber im Laufe der Jahre wird man halt verwöhnt, nächstes Mal suche ich mir gleich ein anständiges Hotel.
Da heute unsere Nationalmannschaft endlich mal zu einer für uns günstigen Zeit spielt, müssen wir eine Kneipe suchen, die das Spiel überträgt. Angeblich kennt ein in Hong Kong lebender Kommilitone von Peter und Guy eine, allein gestaltet sich die Kommunikation ohne Mobiltelefon ziemlich schwierig. Immerhin hat Guy seinen Rechner dabei, so dass wir wenigstens per Chat einen Treffpunkt ausmachen können. Vincent, ein Franzose mit chinesisch- kambodschanischen Wurzeln ist jedoch dermaßen verpeilt, dass wir die erste Halbzeit komplett verpassen. Ich bin mittlerweile genervt und will nur noch bei einen alkoholischen Getränk unser Team spielen sehen, wir stolpern in eine Spielhölle und meine Laune steigt: Es gibt einen Automaten mit Maschinengewehren, das Ziel des Spieles scheint zu sein, möglichst viele Gegner abzuknallen. Deswegen steht auf dem Automaten auch reißerisch „Shoot like crazy!! Smash and destroy!!“. Geiles Konzept. Bräuchten wir definitiv zum Dampf ablassen im Büro. Der kleine Chinese, der sich gerade an dem Automaten austobt, schafft allerdings nur farblose 44 Kills per Minute. Das ist ganz sicher noch zu toppen.
Schließlich finden wir eine Kneipe und schauen unserem Team beim Verlieren zu. In der Beize sind fast nur Chinesen, ich weiß das Gekreische bei dem verschossenen Elfmeter nicht recht zu deuten. Sind die jetzt eher für oder gegen uns? Wahrscheinlich eher ambivalent.
Peter muss seine aus Deutschland kommende Schwester vom Flughafen abholen, derweil zerrt Vincent uns durch diverse Kneipen.
Hong Kong vs. Shanghai #2: Sauteuer! Und in den Gesprächen scheint es nur um eines zu gehen: Geld. Mann, gegen Shanghai verhält sich Hong Kong wie Mainz zu Shanghai. Fange jetzt schon an, Shanghai zu vermissen. Stand: 0:2.
Als Anne dann da ist, besorgen wir uns Getränke und suchen ein nettes Plätzchen am Ufer. Gar nicht so einfach, denn auf Hong Kong Island gibt es keine richtig gemütliche Uferpromenade. Hier ist der Baugrund wohl zu teuer, um ihn mit sinnlosen Prachtstraßen zu verschleudern. Wir finden dann doch was in der Nähe des Star Ferry Pier und unterhalten uns prächtig. Ich saufe mir meine Zelle schön und sinke in tiefen Schlummer.

19.06.2010, Samstag

Wir fahren mit der antiken Bahn auf den Peak und genießen das Panorama. Nahrhaftes Mittagessen im Burger King, wo wir über einen Sikh mit den wohl beeindruckensten Tränensäcken der Welt lästern. Außerdem über ein hässliches britisches Ehepaar, dessen dreiköpfige Brut noch rothaariger und noch hässlicher ist als ihre Erzeuger. Ich hätte diese grässlichen Blagen an der nächsten Autobahnraststätte ausgesetzt.
Hong Kong vs. Shanghai #3: Internationaler als Shanghai. Stand: 1:2.
Fahrlässigerweise beschließen wir, vom Peak in die Stadt zu laufen. Grandiose Idee mit einer gebrochenen Zehe und bei geschätzten 36° und 90% Luftfeuchte. Hatte voll vergessen, wie steil der Abstieg ist, aber man wird mit toller Natur und schönen Ausblicken beloht. Mir geht auf, dass ich dieses Programm damals auch mit Ali gefahren habe und vermisse ihn.
Die Rolltreppen vom oberen in den unteren Teil der Stadt gab es damals noch nicht und um diese Uhrzeit fahren die aufwärts. (Die Rolltreppen werden ab ca. 11.30 von abwärts zu aufwärts umgestellt). Klasse, Treppensteigen und noch mehr Klettern. Auf halber Strecke sind wir dermaßen verschwitzt und ermattet, das wir unbedingt einkehren müssen. Wir landen in einem Bio- Öko- Organischem Cafe. Der Eistee mag zwar organisch und Öko sein, die Plastik- Trinkhalme und die auf voller Dünung laufende Klimaanlage aber sind es definitiv nicht.
Hong Kong vs. Shanghai #4: : Die Temperaturdifferenz zwischen innen und außen beträgt hier grundsätzlich mindestens 20°. Nicht gut. Und Öko ist auch hier wahnsinnig angesagt. Unentschieden. Stand: 2:3.
Nach unserer kleinen Stärkung fahren wir mit der Star Ferry nach Kowloon und besuchen die „Avenue of Stars“, die dem „Walk of Fame“ in Hollywood nachempfunden ist, nur halt mit den Berühmtheiten des Hong Kong Kinos. Gab es bei meinem letzten Besuch auch noch nicht. Am Beginn dieser Promenade gleich mal wieder ganz viele Schilder mit Verboten: Nicht rauchen, nicht pinkeln, nicht fischen und so weiter. Mein Lieblingsverbot: Nicht mit Modellautos rumfahren. Überhaupt ist Hong Kong eine Stadt mit sehr vielen Ge- und Verboten, an die ständig erinnert wird. In der Metro zum Beispiel wird man ermahnt, sich auf der Rolltreppe immer am Handlauf festzuhalten und geeignetes Schuhwerk zu tragen. An neuralgischen Punkten steht auch immer ein Scherge, der die sich lemminghaft fügenden Volksmassen dirigiert. Man scheint die hiesige Bevölkerung für komplett unmündig zu halten, vielleicht ein Erbe der britischen Besatzungszeit? Oder vielleicht wurde das nach dem Abzug der Briten erst nötig? Bei uns auf dem Festland ist man der Meinung, dass Regeln grundsätzlich dazu da sind, ignoriert und gebrochen zu werden, wir brauchen keine Anleitungen, um klar zu kommen. Und wir rauchen, wo es uns passt, drängeln rücksichtslos und rotzen auf die Straße, auf der wir gerne im Pyjama flanieren.
Hong Kong vs. Shanghai #5: : Anscheinend total verpeilte Einwohner. Stand: 2:4.
Natürlich kenne ich viele der hiesigen Filmstars, lasse mich dabei fotografieren, wie ich meine Hände in die Handabdrücke von Andy Lau presse und suche unruhig nach dem Stern des Heiligen Stephen. Der befindet sich dann auch gleich neben dem Höhepunkt des Boulevards, der eher nicht beachtet und auf ihm rumgetrampelt wird. Hat mein Schutzheiliger echt nicht verdient,Bruce Lee Statue. Zwar eine recht große Ehre, aber auch eine recht schlechte Wahl, denn vor dieser Statue posieren natürlich Unmengen von Leuten, so dass der Stern aber ich dränge rüde die Poser beiseite, um den Stern angemessen fotografieren zu können. Da machen sich das halbe Jahr in Shanghai gepaart mit Kampfkunstkenntnissen deutlich bezahlt.
Da wir ja schon mal in Kowloon sind, bummeln wir in Richtung Nachtmarkt die Nathan Road entlang. Indische und pakistanische Schlepper versuchen, uns an maßgefertigten Klamotten oder Goldschmuck zu interessieren. Bei uns zu Hause auf der Nanjing Lu werden von den Schleppern entweder gefälschte Markenprodukte oder Nutten angeboten.
Hong Kong vs. Shanghai #6: Wesentlich hochklassigere Schlepper in Hong Kong. Stand: 3:4.
Der Nachtmarkt stinkt voll ab, habe selten derartig schrottige und geschmacklose Produkte gesehen. Jesus, Hitler, Mao und Che gemeinsam auf einem T- Shirt, das geht echt gar nicht. Auch der Rest der Angebote sind voll die Netzhautpeitschen, als wir mit dem Nachtmarkt durch sind, sind wir fast blind.
Hong Kong vs. Shanghai #7: Wir haben die cooleren Fakes. Stand: 3:5.
Wir haben mittlerweile Hunger und versuchen, von einer öffentlichen Telefonzelle aus ein Treffen mit Vincent dem Verpeilten auszumachen. Das wir das durch ausgerechnet Guy erledigen lassen, ist wenig klug. Wir gurken knapp eine Stunde mit der Metro hin und her und treffen Vincent den Verpeilten natürlich nicht, weil sein deutscher Gegenpart genauso dämlich ist. Dafür schauen wir uns dann von Kowloon aus die prahlerisch „Symphony of Lights“ genannte Wolkenkratzererleuchtung an. Im Klartext bedeutet dies, dass zu schlimmer sino- westlicher Musik die Hochhäuser auf Hong Kong Island grob im Takt blinken und ab und zu mal ein Laser in den Himmel schießt. Bin trotzdem beeindruckt, Hong Kong hat klar die bessere Skyline, sogar bei Tag schön anzusehen. Da stinken wir mit unserem Pudong voll ab.
Hong Kong vs. Shanghai #8: Geilere Skyline. Stand: 4:5, Hong Kong holt auf.
Vincent gabelt uns schließlich doch noch auf und wir gehen essen. Eigentlich wollten wir ja was typisch Kantonesisches, landen jedoch beim Thai. Wir begleiten Guy zwecks Fahrscheinerwerbes zum Macao- Fährenterminal, er will morgen da hin und zocken. Mittlerweile ist es schon recht spät, aber Vincent will uns noch unbedingt was Supercooles zeigen. Wir zwängen uns also in ein Taxi und landen schließlich an den Midlevel- Rolltreppen. Und zwar nicht etwa unten, sondern ganz oben. Da die Rolltreppen immer noch aufwärts fahren, bedeutet dies, dass wir die ganze Strecke wieder nach unten laufen müssen. Dabei hatten wir Vincent beim Essen in epischer Breite unser heutiges Tourismusprogramm geschildert. Anne und ich meutern, heute genug gelaufen! Wir fahren mit der Taxe in Richtung Hostel und trinken dort noch einen Absacker.

20.06.2010, Sonntag

Guy ist schon früh nach Macao aufgebrochen, Peter, Anne und ich frühstücken erstmal in Ruhe. Ich fliege heute Abend ja schon wieder und würde gerne was sehen, wo ich damals noch nicht war. Aber die beiden haben Lust auf den Buddha auf Lantau, auch gut. Wird dann halt die Damals- mit- Ali- in- Hong- Kong- Gedächtnis- Tour. Mein Gepäck kann ich schon in der Innenstadt aufgeben, sehr komfortabel. Auf dem Weg nach Lantau fällt mir mal wieder auf, wie viele Einheimische trotz unserer beschämenden Niederlage ein Trikot der deutschen Nationalmannschaft tragen. Die Shanghaier sind da weniger von unserem Team überzeugt.
Hong Kong vs. Shanghai #9: Lässigere Fußballfans. Stand: 5:5.
Zu den Buddha kommt man mittlerweile mit der Metro und einer Seilbahn, Ali und ich haben damals noch eine Fähre und den öffentlichen Bus genommen. Die Seilbahn ist wirklich klasse, man hat einen phantastischen Ausblick auf den Flughafen und die startenden und landenden Flugzeuge. Wir teilen unsere Kabine mit einem älteren kantonesischen Ehepaar und einem Pärchen unklarer Beziehungsstruktur. Ein alter Knülch, dem die Hälfte seiner Zähne fehlt und ein blutjunges, billig zurechtgemachtes Ding. Der alte Lustmolch schraubt auf der Fahrt nach oben kräftig an der kleinen Schlampe rum und fotografiert sie ständig. Die beiden unterhalten sich auf Indonesisch, die Kantonesen lästern genau wie wir kräftig über dieses seltsame Gespann ab. Ich habe den Eindruck, dass sich Kantonesisch noch viel besser zum Hetzten eignet als Putong Hua.
Der Erleuchtete hüllt sich in dramatische Wolkenfetzen, was ihm etwas sehr Erhabenes und Mysteriöses verleiht. Am Fuße der Statue treffen wir den Shanghaier Büroleiter von AS & P nebst Gemahlin und Tochter, was ist die Welt doch klein! Der meint auch gleich, das vegetarische Restaurant des angrenzenden Klosters sei nicht zu empfehlen. Schade, damals war das Essen dort ziemlich lecker. Dann doch halt wieder Fastfood. Das Po Lin Kloster hatte ich auch größer und netter in Erinnerung. Man erweitert sich offensichtlich, hinter dem alten Tempel steht schon das Stahlgerüst für den Anbau, der durch die Spenden der Gläubigen finanziert wird. Damals haben fast nur die Verehrer Buddhas das Kloster aufgesucht, jetzt wird hier auf dem Berg kräftig am Tourismus verdient. An der Bergstation hat man ein kleines Dorf mit Restaurants und billigen Nippesläden errichtet. Wir rasten im Schatten und bestaunen auf einer Bank die Touristen, die sich in den albernsten Posen vor dem Tempel gegenseitig ablichten. Was können Chinesen da phantasievoll sein!
Eigentlich hatte ich ja gehofft, dem Tipp meines ebenfalls die Kampfkünste übenden Lesers Felix zu folgen und es noch in den Kowloon- Park zu schaffen. Dort treffen sich Sonntags um 14.00 die hiesigen Kampfkünstler und führen vor, ich bin zu spät dran. Nächstes Mal dann halt.
Direkt an der Talstation der Seilbahn befindet sich ein riesiges Einkaufszentrum mit Fresstempel, in dem wir18.06.2010, Freitag uns erstmal stärken. Anschließend klappern wir die Läden ab und ich erwerbe ein sehr hübsches Kapuzensweatshirt.
Da ich ja sowieso in der Nähe bin, fahre ich gar nicht erst mit Peter und Anne in die Stadt zurück sondern nehme gleich den Bus zum Flughafen. Vertriebe mir die Zeit mit Bummeln, Kaffeetrinken und Lesen, die restlichen Hong Kong Dollar werden in Kippen, Tigerbalsam und eine Wundersalbe gegen Verstauchungen investiert. Von dem Zeug kann man nie genug haben, als Kampfkünstler hat man ja ständig irgendwo blaue Flecken.
Sitze dann endlich am Gate, unser Flug hat fast zwei Stunden Verspätung. Mir gegenüber lässt sich eine Gruppe nieder, die sich auf Shanghainesisch unterhält. Obwohl ich das genau so wenig verstehe wie Kantonesisch und Shanghainesisch deutlich unsexier ist, freue ich mich: Vertraute Klänge!
Im Flieger sitzt neben mir eine Frau etwa meines Alters, wir lächeln uns an und sind uns gleich sympathisch. Der Kampf um die mittlere Armlehne wird wortlos dadurch gelöst, dass wir einfach typisch chinesisch kuscheln. Was für ein geiles Land!
Der letzte Flughafenbus ist natürlich schon weg, muss mit dem Taxi nach Hause fahren, auf dem Weg geht mir auf, wie gut ich es hier habe. Dieser Eindruck bestätigt sich, als ich nach zwei Nächten Knastzelle meine kleine Wohnung betrete und den Ausblick genieße. Na gut, meinen Gatten und meine Freunde vermisse ich natürlich. Und die Möbel könnten auch hübscher sein. Aber ich lebe in der geilsten Stadt der Welt, in Deutschland könnte ich bei einer Fußverletzung nicht jeden Tag mit der Taxe zur Arbeit fahren oder für nen Klicker und nen Knopp phantastisches Essen genießen. Und Meister vom Kaliber Wu Laoshis gibt es in Deutschland sowieso nicht.
Shanghai rockt.

Mittwoch, Juni 16, 2010

放假第三次 – Ferien #3

14. 06. 2010, Montag

Vormittags:

Stürme an meinen Rechner und nehme hoch erfreut zur Kenntnis, dass unsere Jungs die Australier 4:0 geschlagen haben. Gut, dass ich mir schon am Hongkou- Stadium für 90,- RMB ein gefälschtes Deutschland- Trikot nebst Hosen gekauft habe, die Preise dürften jetzt in die Höhe schnellen. Fahre gut gelaunt in den Park, wo Xiao Lu schon fröhlich übt. Ob ich gestern Nacht Fußball geschaut hätte? Nee, aber ich teile ihm das Ergebnis mit. Wahnsinn, 4:0, wirklich? Lihai. Meister Wu ist ebenfalls gut drauf, wir üben intensiv, obwohl das Wetter sehr schwül ist. Mir läuft die Brühe aus allen Poren, wie soll das hier erst im Sommer werden? Für Xiao Lu und mich gibt es Fortgeschrittenenprogramm und viele Korrekturen, für die kleine Zappelmaid eher langweilig. Da unterhält sie sich doch lieber mit Hackfresse, der seinen albernen Strohhut wedelnd das Geschehen vom Rande aus beobachtet. Die Weiber von der Wu- Stil Gang sind auch mal wieder da, stehen aber nur rum, quatschen und verteilen Kekse. Meister Wu greift einen für mich ab, die Zappelmaid kriegt keinen. Auf dem oberen Teil unseres Geländes üben immer zwei Typen Xing Yi, Ba Gua und diverse Waffenformen, heute wollen sie das Gelände mal ein wenig verschönern und buddeln deswegen einen Felsbrocken aus, der scheinbar beim Üben stört. Typisch chinesisches Phänomen: Zwei Leute verrichten eine Arbeit, die nicht wirklich sinnvoll erscheint, während acht Leute drum herum stehen, gute Ratschläge erteilen und zuschauen. Das hatte ich heute morgen schon bei der Dauerbaustelle unseres Aufzuges beobachten können.
Auch Meister Wu nimmt erstmal auf einem Stein Platz, zündet sich eine Zigarette an und erteilt Anweisungen. Xiao Lu muss mit anpacken, schließlich rollt der Felsen in die gewünschte Position und alle sind zufrieden.
Morgen unterrichtet Meister Wu im Volkspark, da habe ich nur mäßig Lust drauf, obwohl ich die anderen Ausländer ja schon gerne mal wieder sehen würde. Die Zappelmaid wird wohl hingehen, noch ein Grund, lieber im Heping- Park mit Xiao Lu zu üben.
Auf dem Weg zum Ausgang laufen Xiao Lu und ich hinter Hackfresse, der den Meister vollsabbelt. Xiao Lu zeigt auf den bescheuerten Strohhut und tippt sich anschließend an die Stirn. Ich muss so sehr lachen, dass ich fast umfalle.
Besorge mir bei Carrefour Obst und Yoghurt, in der Fernsehabteilung läuft eine Wiederholung des Deutschlandspieles. Bleibe stehen und schaue ein wenig zu. Vuvuzelas gehen mittlerweile sogar Chinesen auf die Nerven. Ein Verkäufer zeigt auf mich und brüllt: „Deguoren“!!! Nachdem ich nickend bejahe, wirft er die Arme in die Luft und brüllt „Balake!!“ Ich weise höflich darauf hin, dass Herr Ballack leider an dieser WM verletzungsbedingt nicht teilnehmen könne, das weiß der Verkäufer natürlich, das alte Beinproblem. Aber wir haben ja noch Keluosi und Shiweiyinsitaige, die werden das Ding schon schaukeln. Der Verkäufer reckt mir den nach oben zeigenden Daumen entgegen, Deguo shi zui hao de, die Deutschen sind die Besten! Logo.

Nachmittag:

Mache es mir zu Hause auf dem Sofa bequem und schaue die Zusammenfassung des Spiels, als um eins meine Ayi kommt. So was blödes, wollte eigentlich zwischen den Trainingseinheiten ein Nickerchen halten. Aber so lernen wir uns wenigstens mal kennen.
Shen Ayi ist eine sehr resolute typische Shanghaierin in den Fünfzigern, die gleich kernig ans Werk geht. Dass sie heute auch Fenster putzen und bügeln soll, findet sie scheinbar mäßig geil, lässt sich aber die dafür nötigen Gerätschaften zeigen. Ich flüchte eingeschüchtert in Richtung Park, mittlerweile nieselt es leicht. Mist, hoffentlich kommt Xiao Lu. Setze mich in ein nettes Cafe, bestelle einen Cappucino und kann der Versuchung nicht widerstehen, auch noch einen fetten Schoko- Caramelkuchen zu ordern. Lese ein wenig, schließlich ist es Zeit zum Training. Und mit einem 3.000 Kalorien Kuchen im Pansen trainiert es sich natürlich besonders gut.
Xiao Lu möchte am liebsten gleich mit Tui Shou loslegen, aber erstmal sind Einzelbewegungen, Schrittfolgen und Formkorrektur angesagt. Da ich neue Schuhe habe (Geschenk von Xiao Lu) und der Boden leicht feucht ist, klappen die Drehungen und das Gleiten in tiefe Positionen so gar nicht. Bin richtig sauer auf mich, aber mein großer Bruder findet das nicht schlimm. Ist halt so.
Was ich an dem Einzeltraining mit ihm außer Korrekturen noch außerordentlich zu schätzen gelernt habe, ist die Chance, Chinesisch zu sprechen und von ihm einiges über die chinesische Kultur zu lernen. Heute zum Beispiel erklärt er mir seinen Namen. Chinesische Vornamen setzen sich meistens aus zwei Zeichen zusammen, wobei eines der Generationsname ist. Bei Xiao Lu ist das „Ying, 应, sollen“. Alle seine Brüder haben dieses Zeichen im Namen. Das zweite Zeichen ist dann der individuelle Name, in seinen Fall „Liang, 梁, Stützbalken“. Finde ich als Architektin natürlich interessant. Aber es geht noch weiter: Der untere Teil seines Zeichens bedeutet „Holz“. Deswegen mag Xiao Lu kein Wasser und kein Feuer. Wie ein Baum muss er mit der Erde verbunden sein. Er kann nicht schwimmen und wird schnell seekrank. Ist jetzt natürlich blöd, also keine Grillpartys am Strand mit ihm. Über Hackfresse ist er nicht glücklich, der kommt wohl jeden Abend vorbei, wenn er trainiert und textet ihn zu. Noch schlimmer, Hackfresse befummelt dann Xiao Lus Übungsgerät und versucht ihm was über die richtige Anwendung diverser Einzelbewegungen zu erzählen. Würde mir nie einfallen. Xiao Lu stöhnt und als ich Hackfresses Benehmen als sehr unhöflich bezeichne, stimmt er eifrig zu. Hackfresse ist zwar ein großer Kerl und erwachsen, aber im Geist ein ungezogenes Kind und nicht sonderlich helle. Na, warum er ihm denn nicht sagen würde, dass er sich verpissen soll? Geht nicht, Hackfresse würde dann Gesicht verlieren. Mann, China ist kompliziert. In wie viele Fettnäpfe bin ich wohl schon gelatscht?
Über chinesische Frauen wird auch noch mal gesprochen, ich klimpere mit den Augen und meine, die Deutschen wären alle sehr brav und würden auf ihre Männer hören. Xiao Lu guckt verwirrt, letzte Woche war doch da eine andere Ansage? In dem Moment, wo ich dies sage, weiss ich, dass mein Gatte sich jetzt bestimmt vor Lachen schreiend auf dem Boden wälzt.
Tui Shou wird langsam immer interessanter, vor allem, was die Lockerheit angeht. Xiao Lu macht es vor, sieht aus, als ob er vollgesoffen wäre. Aber genau diese Entspanntheit und Nachgiebigkeit muß man sich zu eigen machen, ohne die Kontrolle über den Gegner zu verlieren. Und das ist echt schwierig, locker, aber nicht schlaff zu sein. Schaffe es, seine Schwachstelle zu entdecken und ihn ein paar Mal aussteigen zu lassen, aber natürlich ziehe ich meist die Kürzere.

Abend:

Knalle kurz vor dem Schlafengehen mit meinem linken kleinen Zeh volles Rohr an die Tür. Krümme mich vor Schmerzen und flippe fast aus. Na ja, wird hoffentlich schon gehen.

15.06.2010, Dienstag

Vormittag:

Mein kleiner Zeh ist eine fette blaue Wurst und mein Kreislauf im Keller. Meine Kontaktlinsen habe ich auch noch ruiniert, indem ich sie gestern mit Chili an den Fingern aus den Augen gepult habe. Egal, zwänge meinen Fuß in den Schuh und humpele rotäugig zum Bus. Wegen meiner Behinderung bin ich superlangsam und fast zu spät im Park, wo Xiao Lu schon übt. Meister Wu kommt heute nicht, da er im Volkspark die anderen Ausländer bespielt. Mein Plan war eigentlich, da auch noch hinzufahren, kann ich mir aber wohl abschminken. Wir üben Einzelbewegungen und auf einmal zischt Xiao Lu verärgert. Denke schon, ich hätte was falsch gemacht, aber er hat von Ferne Hackfresse erspäht. Wir hatten eigentlich beide gehofft, dass der heute nicht käme, da ja die kleine Zappelmaid auch im Volkspark ist. Zu früh gefreut. Gestern ist Hackfresse Xiao Lu wohl ganz besonders auf den Zeiger gegangen, weswegen dieser maximal angenervt ist. „烦死了“ knurrt Xiao Lu, ein Ausdruck höchsten Missfallens. Hackfresse hatte wohl gehofft, heute alleine mit Xiao Lu zu sein und übt grummelnd Einzelbewegungen.
Meine Schrittfolgen und Mian Zhang klappen natürlich überhaupt nicht, ich schwitze nicht nur wegen der Hitze, sondern auch vor Schmerzen. Zeige Xiao Lu den Zeh, er ist beeindruckt. Dabei lernt er auch gleich noch das Wort „Autsch“, was ihm außerordentlich zu gefallen scheint. Hackfresse trollt sich und wir üben Tui Shou.
Ob es denn nachmittags gehen würde, fragt Xiao Lu. Klar, Tui Shou geht immer.

Nachmittag:

Wir treffen uns, werde mit „Autsch“ begrüßt und wir üben Tui Shou. Ich bin total unglücklich über meine Behinderung. Hatte so gehofft, über die Feiertage heftig trainieren zu können. Morgen Nachmittag kein Training, sagt Xiao Lu, ich soll den Fuß schonen. Aber bevor ich noch enttäuschter bin, meint er, er käme dafür bei mir zum Teetrinken vorbei. Na, das sind doch gute Aussichten!

Als ich auf meinem Rückweg aus dem Bus aussteige, entdecke ich eine ziemlich große Apotheke, die auch eine Abteilung für traditionelle chinesische Medizin hat. Schildere der stark kurzsichtigen PTA mit Hilfe des Wörterbuches und eindrucksvollen Gesten mein Problem, die daraufhin sehr sorgfältig ein Buch konsultiert. Schließlich gibt sie mir ein paar Kräuterpflaster, weist jedoch darauf hin, dass die bei einem Knochenbruch auch nicht wirklich hilfreich wären. Egal, schaden kann das ja nichts. Nachdem ich mich überzeugt habe, dass diese Pflaster keine Tigerbestandteile enthalten, kaufe ich sie.
Zu Hause kühle ich den Zeh mit einer eigentlich für die Augenpartie vorgesehenen Eismaske, während ich mir die Begegnung Neuseeland- Slowakei anschaue. Appliziere das Pflaster und schleppe mich noch vor dem neuseeländischen Ausgleichstreffer krank, erschöpft und traurig ins Bett. Morgen ist ja auch noch ein Tag.

16.06.2010, Mittwoch

Vormittag:

Um 6:00 reißt mich eine SMS von Marc aus unruhigem Schlaf: Mein Tipp für Südafrika gegen Uruguay? Aber die spielen doch erst morgen? Ja, morgen um 2:30. Na gut, ich tippe 2:2. Da ich schon mal wach bin, kann ich auch gleich aufstehen. Der Zeh scheint wieder schlimmer, reiße das Pflaster ab und hinke unter die Dusche. Gemütliches Frühstück, beim Schuheanziehen merke ich, dass der Zeh doch anscheinend weniger dick ist. Ob das jetzt an der Kühlung oder der Chinesischen Medizin liegt, weiss ich nicht.
Bin sogar einige Minuten vor Xiao Lu im Park und genieße unser gemeinsames Aufwärmen. Eine Stunde später zappelt die Maid an und begrüßt uns, wird jedoch ignoriert. Daraufhin traut sie sich nicht, mit uns mitzumachen.
Meister Wu kommt wenig später und fragt Xiao Lu erstmal, welche Bewegungen wir denn schon geübt hätten? Na, wir beide so einige, die Maid soweit nichts. Wir fangen an und dann gesellt sich auch noch Andy zu uns. Da seine Frau die ganze Nacht von dem Neugeborenen wach gehalten wurde und jetzt total erschöpft ist, hat er seine ältere Tochter mitgebracht, ein süßer und sehr temperamentvoller Fratz. Die Chinesen sind außer sich vor Entzücken und Sarah steht voll im Mittelpunkt. Sie entdeckt einen Typen, der seine zahmen Tauben spazieren führt und saust auf ihren Rollschuhen zu ihm hin. Der Typ schenkt ihr eine Taubenfeder, Sarah ist beglückt. Ich weiß, dass Meister Wu Andy sehr gut leiden kann. Moralisch integer und ein freundlicher, glücklicher Mensch, der sich um seine Familie kümmert. Nicht so wie Judd.
Heute ist im Park die Hölle los. Ein Typ stellt seinen Klappstuhl auf unserem Trainingsgelände auf und fotografiert uns am laufenden Band. Hackfresse filmt uns, etliche andere Typen schießen auch Fotos wie verrückt. Ich füge mich zähneknirschend. Andy lernt gerade Mian Zhang, deswegen wird das heute vertieft. Jetzt filmt auch die Zappelmaid mit ihrem Mobilfon, schieße ihr den bösesten Blick zu, den ich auf Lager habe. Bin mit Mian Zhang schon unbehindert nicht sehr gut, deswegen stören mich heute die Fotografen ganz besonders. Aber ich denke, dass die in erster Linie Meister Wu ablichten, wenn nicht, ist auch egal.
Ying Quan läuft er mit mir noch mal durch, natürlich klappen die Drehungen auf den Zehenballen nicht besonders. Bin aber trotzdem zufrieden. Nach dem Training zeige ich ihm meinen Zeh. Wow, und mit so was habe ich durchgehalten? Tapfer. Kündige an, dass ich am Wochenende in Hongkong sei, Meister Wu wünscht mir viel Spaß. Sarah springt kreischend den Meister an und täuscht einen hohen Tritt vor, der Meister lacht schallend. Andy schüttelt entnervt den Kopf über seine temperamentvolle Tochter. In zwölf Jahren sähe er sie auf dem Rücksitz eines schnellen Motorrades, den Fahrer anfeuernd. Blödsinn, sage ich, dann würde sie bestimmt selber das Motorrad fahren. Andy lacht und verdreht die Augen. Draufgängerin.
Als wir gemeinsam den Park verlassen, schmiegt sich die Zappelmaid an Xiao Lu: Ob wir denn heute Nachmittag wieder üben würden? Nee, heute Nachmittag ist Entspannung angesagt. Dieses Luder! Wir stehen an der Ampel, da stellt mir Hackfresse die selbe Frage und kriegt die selbe Antwort.
Bin fast auf Hundertachzig: Sollte einer der beiden es wagen, dieses kostbare Nachmittagstraining zu stören, werde ich alle Höflichkeit vergessen!

Nachmittag:

Xiao Lu bringt echt guten Oolong Tee mit, den ich wahrscheinlich bei der Zubereitung ruiniere. Wir surfen gemeinsam im Netz und schauen uns Kampfkunst- Videos an. Was ich schön finde: Xiao Lu lehnt sich dabei an mich und haut mich, wenn er irgendwas besonders aufregend findet. Derartig kuschelig werden Chinesen nur mit sehr intimen Freunden. Ich betrachte Xiao Lu als meinen besten Kumpel, dass er anscheinend genauso empfindet, macht mich sehr glücklich. Wichtige Informationen über die Shanghaier Kampfkunstszene, Meister Wu, Hackfresse und über die Zappelmaid. Die hat wohl Xiao Lu beim Üben im Park gesehen, sich ein bisschen in ihn verknallt und gibt seitdem ihr Bestes. Vergebens, hehe.
Wir diskutieren über Weltpolitik und er zeigt mir seine Hauptinformationsquelle. (Nicht so schlimm, wie die URL vermuten lässt. Bin zunächst leicht entsetzt, dann aber doch etwas beruhigt, als ich diese Seite über einen Übersetzer jage, nachdem Xiao Lu weg ist). Ich weiss nicht, wie chinesische Verhältnisse im Ausland rüberkommen. Viele Leute scheinen zu denken, dies hier sei der totale Überwachungsstaat. Ist nicht. England ist viel schlimmer. Und die Net- Nanny hier kann man austricksen, wenn man will.
Wie immer bin ich sehr dankbar, Einblicke in die gegenwärtige Stimmung der Chinesen zu erhalten. Sehr interessant, einerseits ein Minderwertigkeitskomplex, andererseits ein irrer Stolz auf dieses Land und Wut und Frustration darüber, dass dies international nicht anerkannt wird. Echt seltsam, obwohl mein Chinesisch so schlecht ist, verstehen wir uns doch irgendwie. Wir quatschen über alles mögliche. An einem Punkt der Unterhaltung fragt Xiao Lu mich, ob ich denn alles verstünde, was er sage? Nee, aber ich würde es kapieren. Diesen Effekt kennt er aus seiner Zeit in Korea. Wir schauen uns an und grinsen. Beste Freunde, Yin und Yang. Wobei wir uns schon wieder darüber streiten, wer von uns beiden das Yin und das Yang ist. Freue mich fast auf die Regenzeit und weitere Diskussionen.

Montag, Juni 14, 2010

足球世界杯赛 – WM

Wir machen unsere chinesischen Kollegen schon seit Wochen total heiß auf die WM, am heutigen Freitag ist es endlich soweit. Leider müssen wir die kommenden drei Drachenbootfest- Feiertage Samstag und Sonntag vorarbeiten, aber das hält uns natürlich nicht davon ab, das Eröffnungsspiel im Kreise Gleichgesinnter zu schauen. Nur wo? Umfangreiche Recherche im Netz, Marc organisiert unterdessen das Büro- Tippspiel. Wir einigen uns schließlich auf O´Malleys in der French Concession, wegen der Zeitverschiebung geht es für uns hier erst um 22.00 los.
Im O´Malleys brennt schon die Luft, das Verhältnis von Chinesen zu Ausländern ist etwa gleich. Es sind sogar einige Mexikaner anwesend und hinter uns sitzen ein paar chinesische Mädels, die glühende Mexico- Fans zu sein scheinen. Jedenfalls kreischen sie immer mit ihren dünnen Stimmchen „jiayou Mexico, Mexico, go!“ Aus rein sentimentalen Gründen bin ich auch für Mexico, habe da mal einen meiner schönsten Urlaube verbracht. Endlich Anpfiff, endlich wieder Fußball! Mit den grässlichen südafrikanischen Tröten machen wir auch Bekanntschaft, aber zum Glück ist die Tonanlage ziemlich mies, so dass wir sowohl den dämlichen englischen Kommentar als auch das Getröte nicht so mitbekommen. Ich freue mich, dass ich mich endlich wieder öffentlich hemmungslos aufregen und rumschreien kann. Nicht, dass das hier irgendwie ungewöhnlich wäre. Zhen will von mir das Abseits erklärt haben, ist ja schon auf deutsch schwierig. Zum Glück ist Xianqi in der Lage, das auf chinesisch befriedigend zu erörtern. Die fußballerisch eher laue Partie endet unentschieden.
Am nächsten Tag sind alle ganz gespannt auf die Ergebnisse des Tippspieles, die Mark sorgfältig auf einer Tafel notiert. Noch liegen wir alle ziemlich dicht beieinander, aber das wird sich wohl bald ändern.
Meine Glotze läuft nach der Arbeit schön im Hintergrund, Fußball und chinesische Kommentare und Spielanalysen. Auch eine Art, eine Fremdsprache zu vertiefen. Am zweiten Tag unseres Tippspiels stehe ich mit 14 Punkten an erster Stelle, habe England- USA und Griechenland- Süd Korea richtig getippt. Aber da kommen ja noch einige Partien, bei denen ich einfach nur blind geraten habe, weil ich von den Teams absolut keine Ahnung habe. Sonntag ist unser letzter Arbeitstag vor den Ferien, heute kickt auch endlich Deutschland. Aber meine Liebe zum Fußball ist denn doch nicht so groß, dass ich um halb drei nachts aufstehen werde, um mir das Spiel anzusehen. Unsere Jungs werden das schon so hinkriegen, da bin ich mir ganz sicher.