Donnerstag, Juni 24, 2010

香港 – Hong Kong

18.06.2010, Freitag
Unsere Reise beginnt schon mal mit einer halben Stunde Verspätung. Prächtig. Macht aber nichts, denn Peter fliegt ja auch erst eine Stunde später mit einer anderen Gesellschaft. Guy und ich müssen also in Hong Kong dann nicht so lange warten. Von unserer Fluggesellschaft bin ich recht angetan, freundliche und hübsche Stewardessen, vernünftige Sitzabstände und das Essen mundet auch. Erster Vorgeschmack auf das Reiseziel: Das Bordpersonal spricht fließend Englisch und außer auf Hochchinesisch werden die Ansagen auch auf Kantonesisch gemacht. Kantonesisch finde ich ziemlich sexy, mag vielleicht auch mit meiner Vorliebe für den heiligen Stephen Chow zusammenhängen. Habe aber Schwierigkeiten, die Schriftzeichen zu lesen, denn hier ist alles mit Langzeichen beschriftet und die kann ich nicht. Außerdem ist es merkwürdig, von einem Land, dessen Sprache ich zumindestens ansatzweise beherrsche in ein Land überzuwechseln, dessen Sprache ich überhaupt nicht verstehe. Gut, geht einem ja öfter so, aber hier bewege ich mich innerhalb Chinas, sollte also nicht so fremd sein. Merkwürdiges Gefühl.
Peters Maschine hat dann auch Verspätung und wir stellen fest, dass es total Scheiße ist, dass unsere Mobilfone hier alle nicht funktionieren.
Bei meinem letzten Besuch hier bin ich noch auf Kai Tak gelandet, jetzt gibt es einen neuen Flughafen auf Lantau. Und der ist bombig über einen Expresszug angebunden. Bin beeindruckt, obwohl Kai Tak entschieden mehr Charme hatte.
Seit meinem letzten Besuch scheint sich nicht viel verändert zu haben. Klar, ein paar neue Wolkenkratzer und andere Baumaßnahmen, aber damals habe ich die Stadt anders wahrgenommen. Na gut, das ist jetzt auch fast 18 Jahre her.
Hong Kong vs. Shanghai #1: Noch lauter, noch schneller, noch dichter und noch schwül- wärmer als Shanghai. Stand: 0:1.
Wir beziehen unsere Herberge und mich trifft fast der Schlag, als ich die Tür zu meinem Einzelzimmer öffne. Eine Knastzelle ist bestimmt gemütlicher und komfortabler. Wenigstens gibt es eine Klimaanlage. Bin definitiv zu alt für so einen Scheiß, auch wenn ich während meiner Backpacker- Zeit schon in wesentlich schlimmeren Absteigen genächtigt habe. Aber im Laufe der Jahre wird man halt verwöhnt, nächstes Mal suche ich mir gleich ein anständiges Hotel.
Da heute unsere Nationalmannschaft endlich mal zu einer für uns günstigen Zeit spielt, müssen wir eine Kneipe suchen, die das Spiel überträgt. Angeblich kennt ein in Hong Kong lebender Kommilitone von Peter und Guy eine, allein gestaltet sich die Kommunikation ohne Mobiltelefon ziemlich schwierig. Immerhin hat Guy seinen Rechner dabei, so dass wir wenigstens per Chat einen Treffpunkt ausmachen können. Vincent, ein Franzose mit chinesisch- kambodschanischen Wurzeln ist jedoch dermaßen verpeilt, dass wir die erste Halbzeit komplett verpassen. Ich bin mittlerweile genervt und will nur noch bei einen alkoholischen Getränk unser Team spielen sehen, wir stolpern in eine Spielhölle und meine Laune steigt: Es gibt einen Automaten mit Maschinengewehren, das Ziel des Spieles scheint zu sein, möglichst viele Gegner abzuknallen. Deswegen steht auf dem Automaten auch reißerisch „Shoot like crazy!! Smash and destroy!!“. Geiles Konzept. Bräuchten wir definitiv zum Dampf ablassen im Büro. Der kleine Chinese, der sich gerade an dem Automaten austobt, schafft allerdings nur farblose 44 Kills per Minute. Das ist ganz sicher noch zu toppen.
Schließlich finden wir eine Kneipe und schauen unserem Team beim Verlieren zu. In der Beize sind fast nur Chinesen, ich weiß das Gekreische bei dem verschossenen Elfmeter nicht recht zu deuten. Sind die jetzt eher für oder gegen uns? Wahrscheinlich eher ambivalent.
Peter muss seine aus Deutschland kommende Schwester vom Flughafen abholen, derweil zerrt Vincent uns durch diverse Kneipen.
Hong Kong vs. Shanghai #2: Sauteuer! Und in den Gesprächen scheint es nur um eines zu gehen: Geld. Mann, gegen Shanghai verhält sich Hong Kong wie Mainz zu Shanghai. Fange jetzt schon an, Shanghai zu vermissen. Stand: 0:2.
Als Anne dann da ist, besorgen wir uns Getränke und suchen ein nettes Plätzchen am Ufer. Gar nicht so einfach, denn auf Hong Kong Island gibt es keine richtig gemütliche Uferpromenade. Hier ist der Baugrund wohl zu teuer, um ihn mit sinnlosen Prachtstraßen zu verschleudern. Wir finden dann doch was in der Nähe des Star Ferry Pier und unterhalten uns prächtig. Ich saufe mir meine Zelle schön und sinke in tiefen Schlummer.

19.06.2010, Samstag

Wir fahren mit der antiken Bahn auf den Peak und genießen das Panorama. Nahrhaftes Mittagessen im Burger King, wo wir über einen Sikh mit den wohl beeindruckensten Tränensäcken der Welt lästern. Außerdem über ein hässliches britisches Ehepaar, dessen dreiköpfige Brut noch rothaariger und noch hässlicher ist als ihre Erzeuger. Ich hätte diese grässlichen Blagen an der nächsten Autobahnraststätte ausgesetzt.
Hong Kong vs. Shanghai #3: Internationaler als Shanghai. Stand: 1:2.
Fahrlässigerweise beschließen wir, vom Peak in die Stadt zu laufen. Grandiose Idee mit einer gebrochenen Zehe und bei geschätzten 36° und 90% Luftfeuchte. Hatte voll vergessen, wie steil der Abstieg ist, aber man wird mit toller Natur und schönen Ausblicken beloht. Mir geht auf, dass ich dieses Programm damals auch mit Ali gefahren habe und vermisse ihn.
Die Rolltreppen vom oberen in den unteren Teil der Stadt gab es damals noch nicht und um diese Uhrzeit fahren die aufwärts. (Die Rolltreppen werden ab ca. 11.30 von abwärts zu aufwärts umgestellt). Klasse, Treppensteigen und noch mehr Klettern. Auf halber Strecke sind wir dermaßen verschwitzt und ermattet, das wir unbedingt einkehren müssen. Wir landen in einem Bio- Öko- Organischem Cafe. Der Eistee mag zwar organisch und Öko sein, die Plastik- Trinkhalme und die auf voller Dünung laufende Klimaanlage aber sind es definitiv nicht.
Hong Kong vs. Shanghai #4: : Die Temperaturdifferenz zwischen innen und außen beträgt hier grundsätzlich mindestens 20°. Nicht gut. Und Öko ist auch hier wahnsinnig angesagt. Unentschieden. Stand: 2:3.
Nach unserer kleinen Stärkung fahren wir mit der Star Ferry nach Kowloon und besuchen die „Avenue of Stars“, die dem „Walk of Fame“ in Hollywood nachempfunden ist, nur halt mit den Berühmtheiten des Hong Kong Kinos. Gab es bei meinem letzten Besuch auch noch nicht. Am Beginn dieser Promenade gleich mal wieder ganz viele Schilder mit Verboten: Nicht rauchen, nicht pinkeln, nicht fischen und so weiter. Mein Lieblingsverbot: Nicht mit Modellautos rumfahren. Überhaupt ist Hong Kong eine Stadt mit sehr vielen Ge- und Verboten, an die ständig erinnert wird. In der Metro zum Beispiel wird man ermahnt, sich auf der Rolltreppe immer am Handlauf festzuhalten und geeignetes Schuhwerk zu tragen. An neuralgischen Punkten steht auch immer ein Scherge, der die sich lemminghaft fügenden Volksmassen dirigiert. Man scheint die hiesige Bevölkerung für komplett unmündig zu halten, vielleicht ein Erbe der britischen Besatzungszeit? Oder vielleicht wurde das nach dem Abzug der Briten erst nötig? Bei uns auf dem Festland ist man der Meinung, dass Regeln grundsätzlich dazu da sind, ignoriert und gebrochen zu werden, wir brauchen keine Anleitungen, um klar zu kommen. Und wir rauchen, wo es uns passt, drängeln rücksichtslos und rotzen auf die Straße, auf der wir gerne im Pyjama flanieren.
Hong Kong vs. Shanghai #5: : Anscheinend total verpeilte Einwohner. Stand: 2:4.
Natürlich kenne ich viele der hiesigen Filmstars, lasse mich dabei fotografieren, wie ich meine Hände in die Handabdrücke von Andy Lau presse und suche unruhig nach dem Stern des Heiligen Stephen. Der befindet sich dann auch gleich neben dem Höhepunkt des Boulevards, der eher nicht beachtet und auf ihm rumgetrampelt wird. Hat mein Schutzheiliger echt nicht verdient,Bruce Lee Statue. Zwar eine recht große Ehre, aber auch eine recht schlechte Wahl, denn vor dieser Statue posieren natürlich Unmengen von Leuten, so dass der Stern aber ich dränge rüde die Poser beiseite, um den Stern angemessen fotografieren zu können. Da machen sich das halbe Jahr in Shanghai gepaart mit Kampfkunstkenntnissen deutlich bezahlt.
Da wir ja schon mal in Kowloon sind, bummeln wir in Richtung Nachtmarkt die Nathan Road entlang. Indische und pakistanische Schlepper versuchen, uns an maßgefertigten Klamotten oder Goldschmuck zu interessieren. Bei uns zu Hause auf der Nanjing Lu werden von den Schleppern entweder gefälschte Markenprodukte oder Nutten angeboten.
Hong Kong vs. Shanghai #6: Wesentlich hochklassigere Schlepper in Hong Kong. Stand: 3:4.
Der Nachtmarkt stinkt voll ab, habe selten derartig schrottige und geschmacklose Produkte gesehen. Jesus, Hitler, Mao und Che gemeinsam auf einem T- Shirt, das geht echt gar nicht. Auch der Rest der Angebote sind voll die Netzhautpeitschen, als wir mit dem Nachtmarkt durch sind, sind wir fast blind.
Hong Kong vs. Shanghai #7: Wir haben die cooleren Fakes. Stand: 3:5.
Wir haben mittlerweile Hunger und versuchen, von einer öffentlichen Telefonzelle aus ein Treffen mit Vincent dem Verpeilten auszumachen. Das wir das durch ausgerechnet Guy erledigen lassen, ist wenig klug. Wir gurken knapp eine Stunde mit der Metro hin und her und treffen Vincent den Verpeilten natürlich nicht, weil sein deutscher Gegenpart genauso dämlich ist. Dafür schauen wir uns dann von Kowloon aus die prahlerisch „Symphony of Lights“ genannte Wolkenkratzererleuchtung an. Im Klartext bedeutet dies, dass zu schlimmer sino- westlicher Musik die Hochhäuser auf Hong Kong Island grob im Takt blinken und ab und zu mal ein Laser in den Himmel schießt. Bin trotzdem beeindruckt, Hong Kong hat klar die bessere Skyline, sogar bei Tag schön anzusehen. Da stinken wir mit unserem Pudong voll ab.
Hong Kong vs. Shanghai #8: Geilere Skyline. Stand: 4:5, Hong Kong holt auf.
Vincent gabelt uns schließlich doch noch auf und wir gehen essen. Eigentlich wollten wir ja was typisch Kantonesisches, landen jedoch beim Thai. Wir begleiten Guy zwecks Fahrscheinerwerbes zum Macao- Fährenterminal, er will morgen da hin und zocken. Mittlerweile ist es schon recht spät, aber Vincent will uns noch unbedingt was Supercooles zeigen. Wir zwängen uns also in ein Taxi und landen schließlich an den Midlevel- Rolltreppen. Und zwar nicht etwa unten, sondern ganz oben. Da die Rolltreppen immer noch aufwärts fahren, bedeutet dies, dass wir die ganze Strecke wieder nach unten laufen müssen. Dabei hatten wir Vincent beim Essen in epischer Breite unser heutiges Tourismusprogramm geschildert. Anne und ich meutern, heute genug gelaufen! Wir fahren mit der Taxe in Richtung Hostel und trinken dort noch einen Absacker.

20.06.2010, Sonntag

Guy ist schon früh nach Macao aufgebrochen, Peter, Anne und ich frühstücken erstmal in Ruhe. Ich fliege heute Abend ja schon wieder und würde gerne was sehen, wo ich damals noch nicht war. Aber die beiden haben Lust auf den Buddha auf Lantau, auch gut. Wird dann halt die Damals- mit- Ali- in- Hong- Kong- Gedächtnis- Tour. Mein Gepäck kann ich schon in der Innenstadt aufgeben, sehr komfortabel. Auf dem Weg nach Lantau fällt mir mal wieder auf, wie viele Einheimische trotz unserer beschämenden Niederlage ein Trikot der deutschen Nationalmannschaft tragen. Die Shanghaier sind da weniger von unserem Team überzeugt.
Hong Kong vs. Shanghai #9: Lässigere Fußballfans. Stand: 5:5.
Zu den Buddha kommt man mittlerweile mit der Metro und einer Seilbahn, Ali und ich haben damals noch eine Fähre und den öffentlichen Bus genommen. Die Seilbahn ist wirklich klasse, man hat einen phantastischen Ausblick auf den Flughafen und die startenden und landenden Flugzeuge. Wir teilen unsere Kabine mit einem älteren kantonesischen Ehepaar und einem Pärchen unklarer Beziehungsstruktur. Ein alter Knülch, dem die Hälfte seiner Zähne fehlt und ein blutjunges, billig zurechtgemachtes Ding. Der alte Lustmolch schraubt auf der Fahrt nach oben kräftig an der kleinen Schlampe rum und fotografiert sie ständig. Die beiden unterhalten sich auf Indonesisch, die Kantonesen lästern genau wie wir kräftig über dieses seltsame Gespann ab. Ich habe den Eindruck, dass sich Kantonesisch noch viel besser zum Hetzten eignet als Putong Hua.
Der Erleuchtete hüllt sich in dramatische Wolkenfetzen, was ihm etwas sehr Erhabenes und Mysteriöses verleiht. Am Fuße der Statue treffen wir den Shanghaier Büroleiter von AS & P nebst Gemahlin und Tochter, was ist die Welt doch klein! Der meint auch gleich, das vegetarische Restaurant des angrenzenden Klosters sei nicht zu empfehlen. Schade, damals war das Essen dort ziemlich lecker. Dann doch halt wieder Fastfood. Das Po Lin Kloster hatte ich auch größer und netter in Erinnerung. Man erweitert sich offensichtlich, hinter dem alten Tempel steht schon das Stahlgerüst für den Anbau, der durch die Spenden der Gläubigen finanziert wird. Damals haben fast nur die Verehrer Buddhas das Kloster aufgesucht, jetzt wird hier auf dem Berg kräftig am Tourismus verdient. An der Bergstation hat man ein kleines Dorf mit Restaurants und billigen Nippesläden errichtet. Wir rasten im Schatten und bestaunen auf einer Bank die Touristen, die sich in den albernsten Posen vor dem Tempel gegenseitig ablichten. Was können Chinesen da phantasievoll sein!
Eigentlich hatte ich ja gehofft, dem Tipp meines ebenfalls die Kampfkünste übenden Lesers Felix zu folgen und es noch in den Kowloon- Park zu schaffen. Dort treffen sich Sonntags um 14.00 die hiesigen Kampfkünstler und führen vor, ich bin zu spät dran. Nächstes Mal dann halt.
Direkt an der Talstation der Seilbahn befindet sich ein riesiges Einkaufszentrum mit Fresstempel, in dem wir18.06.2010, Freitag uns erstmal stärken. Anschließend klappern wir die Läden ab und ich erwerbe ein sehr hübsches Kapuzensweatshirt.
Da ich ja sowieso in der Nähe bin, fahre ich gar nicht erst mit Peter und Anne in die Stadt zurück sondern nehme gleich den Bus zum Flughafen. Vertriebe mir die Zeit mit Bummeln, Kaffeetrinken und Lesen, die restlichen Hong Kong Dollar werden in Kippen, Tigerbalsam und eine Wundersalbe gegen Verstauchungen investiert. Von dem Zeug kann man nie genug haben, als Kampfkünstler hat man ja ständig irgendwo blaue Flecken.
Sitze dann endlich am Gate, unser Flug hat fast zwei Stunden Verspätung. Mir gegenüber lässt sich eine Gruppe nieder, die sich auf Shanghainesisch unterhält. Obwohl ich das genau so wenig verstehe wie Kantonesisch und Shanghainesisch deutlich unsexier ist, freue ich mich: Vertraute Klänge!
Im Flieger sitzt neben mir eine Frau etwa meines Alters, wir lächeln uns an und sind uns gleich sympathisch. Der Kampf um die mittlere Armlehne wird wortlos dadurch gelöst, dass wir einfach typisch chinesisch kuscheln. Was für ein geiles Land!
Der letzte Flughafenbus ist natürlich schon weg, muss mit dem Taxi nach Hause fahren, auf dem Weg geht mir auf, wie gut ich es hier habe. Dieser Eindruck bestätigt sich, als ich nach zwei Nächten Knastzelle meine kleine Wohnung betrete und den Ausblick genieße. Na gut, meinen Gatten und meine Freunde vermisse ich natürlich. Und die Möbel könnten auch hübscher sein. Aber ich lebe in der geilsten Stadt der Welt, in Deutschland könnte ich bei einer Fußverletzung nicht jeden Tag mit der Taxe zur Arbeit fahren oder für nen Klicker und nen Knopp phantastisches Essen genießen. Und Meister vom Kaliber Wu Laoshis gibt es in Deutschland sowieso nicht.
Shanghai rockt.

1 Kommentar:

Xiaomo hat gesagt…

Na, da hoffe ich doch, dass unsere Jungs morgen ein eindeutigeres Ergebnis erzielen. Und zwar möglichst zu unseren Gunsten...