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Mittwoch, Juli 06, 2011

问题 – Problem

Arbeite entspannt vor mich hin und ahne nichts Böses, als sich auf einmal fünf uniformierte Bullen und drei Herren von der Immigration in unserem kleinen Büro drängen.
Bin im Moment die einzige anwesende Ausländerin, der Rest ist krank oder auf Dienstreise und der indonesische Kollege geht zur Not noch als ziemlich dunkelhäutiger Chinese durch. Wähne meine Papiere in bester Ordnung und überreiche den uniformierten Herren strahlend meine Arbeitserlaubnis. Die ist aber auf meinen vorherigen Arbeitgeber ausgestellt. Und? Naja, Arbeitserlaubnis und somit auch Aufenthaltserlaubnis sind aber an den Arbeitgeber gebunden. Oha. Und jetzt? Sofortige Deportation? Was mache ich mit meinem Kater, der darf doch erst frühestens im August das Land verlassen? Der Schergentrupp zieht mit meiner Arbeitserlaubnis ab, die Sekreteusen sind durch den Wind und ich bin ratlos. Jedenfalls sind wir für den nächsten Tag zu den Bullen einbestellt, hastig wird ein Arbeitsvertrag gefälscht, laut dem ich hier erst seit zwei Wochen tätig bin.
Freitags begeben wir uns also auf die Bullenstation, Annie hat zur Feier des Tages ein neckisches kleines Matrosenkostümchen an und sich die Haare zu keuschen Zöpfchen geflochten. Könnte glatt einem bizarren Manga entsprungen sein. Jackie, das Shanghaier Äquivalent zu einem Meenzer Schlappmaul ist eher lässig, wenn auch in sehr knappen Jeans gedresst. Überhaupt ein interessantes Phänomen: Während die Shanghaierin gerne Beinkleider anlegt, die bei uns eher von Damen des horizontalen Gewerbes bevorzugt werden, ist doch die obere Körperhälfte stets züchtig bedeckt. Kann man mal sehen, chinesische Typen scheinen echt nicht auf Beine oder Hintern zu stehen, wenn man die denen hier so schamlos präsentieren darf.
Ich selber habe, um meine tiefe Verbundenheit zu China und seiner mindestens 5.000 Jahre alten Kultur zu demonstrieren das T- Shirt an, auf dem ein Comic- Pandabär in Schuluniform Augengymnastik betreibt und sich dabei die schwarzen Flecken von den Augen rubbelt. Immer ein echter Ankommer. Über den Pandabildern steht in Chinesisch „Für die Revolution lasst uns täglich unsere Augen üben“. Dass nach diesem enthusiasmierenden Satz dummerweise groß das Schriftzeichen für „Fuck“ prangt, ist mir leider irgendwie entgangen.
Dann folgt eine Stunde lang intensives Gekreische auf Shanghainese, von dem ich natürlich kein Wort verstehe. Jackie kullern Tränen aus den Augen. Hat man uns jetzt zum Latrinenputzen in die Innere Mongolei verbannt? Nee, übersetzt Annie mir, aber eine Geldstrafe wird auf jeden Fall fällig. Im schlimmsten Fall 50.000 RMB für den Arbeitgeber und 10.000 RMB für mich. Dicker Brocken. Jackie handelt die Mindeststrafe von 5.000/ 100 RMB aus und weint vor Erleichterung. Kann nämlich gut sein, dass die Mädels diese Summe aus eigener Tasche löhnen müssen, weil die mich nicht rechtzeitig umgemeldet haben. Bitter. Ungerecht.
Die Erledigung der Formalitäten dauert dann noch einmal eine Stunde. Die Mädels schäkern intensiv mit den beiden Bullen, wobei Jackie die Kernige und Annie die kleine Unschuldige mimt. Sie nennt den Oberbullen „Sexy Wang“ (ein Wortspiel mit seinem Vornamen) und haucht an ihren Schulmädchenzöpfen spielend an einem Punkt der Vernehmung/ des Geständnisses „Danke für ihre Mühen, Sexy Wang“, was Herr Kriminaloberinspektor Wang natürlich unglaublich niedlich findet. Was für ausgebuffte Luder! Mädels, lernt von den Shanghaierinnen.
Meine Aussage wird mir von Annie ins Englische übersetzt („Wussten Sie, dass Sie in China eine gültige Arbeitserlaubnis besitzen müssen?“ „Nein“.) und dann dürfen wir noch ganz viele Ausfertigungen der Dokumente unterschreiben. Das war es, jetzt bin ich hier aktenkundig. Na klasse.

Sonntag, Mai 15, 2011

斯蒂芬妮第二 – Stefanie #2

21.04.2011, Donnerstag

Verfolge gespannt im Netz Stefanies Flugstatus. Sie landet pünktlich und informiert mich zügig per SMS über ihre Ankunft. Als ich völlig aufgeregt nach der Arbeit die Tür aufschließe, freundet sie sich gerade mit Sieder an und bespielt ihn mit einem neuen, von Ali geschickten Fellmausi. Der Kater ist natürlich begeistert. Geschenke meiner Lieben werden übergeben, geiles T- Shirt und eine raffinierte Kette von Ali, Ferrero Küsschen von der guten Elli. Und meine Schwiegermutter hat einen Brief geschrieben. Bin gerührt.
Wir speisen beim Uiguren um die Ecke, besorgen im E- Mart das Nötigste und quatschen in meiner Küche bis spät in die Nacht. Schließlich haben wir uns jetzt acht Monate nicht gesehen und Skype ist hier in China wegen oft wegbrechender Verbindungen einfach nervig. Scheiß- GFW. Aber Stefanie will ja morgen trainieren und ich muss arbeiten, deswegen gehen wir dann irgendwann doch ins Bett.

22.04.2011, Freitag

Schleppe mich hundemüde, aber glücklich auf die Arbeit, Stefanie hat für heute früh schon einen Massagetermin klar gemacht. Und anschließend trifft sie den Meister im Volkspark. Ihren Trainingsfummel hat sie in Deutschland vergessen, macht ja nichts, dann kriegt s
ie halt einen von mir. Hauptsache, sie hat die mir zugedachten Geschenke alle in ihren Koffer gekriegt.
Abends gehen wir in einem schlichten, aber guten Restaurant an der Tongji- Universität essen und dann in einer netten Kneipe nebenan noch einen trinken. Fieser Temperaturabfall, Stefanie muss mir leider eine meiner dickeren Jacken mitbringen. Felix und zwei Freunde von ihm stoßen später dazu, netter Abend. In der Kneipe gibt es ein Aquarium, in dem träge Quallen ihre leuchtenden Bahnen ziehen. Geil! Das muss ich Ali unbedingt zeigen, wenn er mich das nächste Mal besuchen kommt. Sehr spacig und die Musik passt auch dazu. Wieder lange Küchengespräche, während Stefanie wegen der Zeitverschiebung richtig aufdreht, baue ich nach einer superstressigen Arbeitswoche voll ab. Egal, meine beste Freundin kommt ja nur einmal im Jahr, da will die gemeinsame Zeit gut genutzt sein. Dass irgendwie gerade Ostern ist, geht voll an uns vorüber.

23.04.2011, Samstag

Vormittag

Stefanie begibt sich zum Training in den Park, während ich komatös im Bett bleibe. Sieder erweckt mich zwar schon früh mit kernigen Pfotenhieben, aber nach der Raubtierfütterung kuschelt er sich friedlich ein und sieht sich die letzten Folgen von „Desperate Housewives“ mit mir an. Xiao Lu ist mit ein paar Freunden bis Dienstag nach Tian Mu Shan gefahren, also haben wir den Nachmittag frei. Die Temperaturen haben wieder angezogen und die Sonne scheint, was will man mehr.

Nachmittag:

Wir besuchen den Konfuzius- Tempel und bummeln durch die Altstadt. (Die richtige Altstadt, nicht die Drosselgasse- Version am Yu Garten). Buntes Treiben auf der Straße, gackernde Hühner und interessante Dinge, die zum Verzehr feilgeboten werden. Viecher wie Frösche, Tauben und Schildkröten sowie alle Arten von Fischen sind ja eindeutig zu bestimmen, aber bei man
chem Obst und Gemüse muss ich passen.
Anschließend Tianzifang, Alis Schuhe sind fertig und selbstverständlich finden sich wieder nette Sachen, die unbedingt käuflich erworben werden müssen. Da denkt man immer, man habe schon alle coolen Taschen/ Jacken/ T- Shirts/ Schals etc. dieser Welt, aber natürlich stolpert man doch wieder über das eine oder andere. Nachdem wir uns mit Grüntee- Eis, Pizza und Alkoholika gestärkt haben, bemerken wir auf dem Weg nach draußen einen Taschen- Laden, der gerade bestückt und wohl morgen eröffnet wird. Erstehe eine Wahnsinns- Tasche, die auf den ersten Blick mit floralen Mustern bedruckt zu seien scheint, die sich aber bei näherem Hinsehen als Totenschädel entpuppen. Und was für Farben! Bin die erste Käuferin, die Besitzer sind glücklich und verpacken meine Beute sehr liebevoll. Stefanie liebäugelt mit einer Tasche in Lila mit einer knallgrünen Libelle, ist aber denn doch kaufunlustig.

24.04.2011, Sonntag

Vormittag:

Wunderschönes Wetter, Training mit Meister Wu, bin glücklich. Wegen Stefanies Hüftproblemen hatte der Meister ihr eine Massage angeboten, da Rose auch da ist, wird dieses Thema vertieft. Nach einigem Hin und Her Verabredung zur Massage am Mittwoch. Eigentlich war erst meine Behausung anvisiert, schließlich einigen wir uns doch auf Rose´s Wohnung, da sie eine anständige Massageliege besitzt und für uns kochen möchte. Auch wenn ich meinen Meister sehr gerne zu mir eingeladen, bewirtet und ihm meine Katze vorgeführt hätte, fällt mir ein richtiger Berg vom Herzen. Denn erstens ist meine Wohnung nicht sonderlich groß, zweitens kann ich keinen angemessenen Platz zum Massieren bieten und drittens nicht gut chinesisch kochen.

Nachmittag:

Wir fahren nach Zhoujiajiang, einem kleinen Wasserdorf in der Nähe. Gut mit dem Bus zu erreichen und jetzt im Frühling besonders nett. Mit Ali war ich im Winter da, mit Stefanie zusammen das letzte Mal im Rahmen des China- Camps im Dezember 2007.
Damals hatte sie hier die Erhu erworben, die auf dem Rest der Reise als „Arschgeige“ verunglimpft wurde. Heute ein ganz anderes Bild, alles blüht und ist grün. Interessante Erfahrung. Wir lassen uns mit einem Boot durch die Kanäle rudern, erstehen Haarpfeile, Armreifen, niedliche Notizbücher und coole Becher aus Bambus. Essen in einem kleinen Restaurant an einem der Kanäle, ich schaffe es, meine Sonnenbrille dort zu vergessen. Gut, die war jetzt nicht teuer, aber da mir Brillen generell nicht stehen und ich diese eigentlich ganz gerne mochte, ärgerlich.

25.04.2011, Montag

Stefanie hat sich bereit erklärt, mit Sieder zum Tierarzt zu fahren. Um deutscher Staatsbürger zu werden, braucht der Kater eine Tollwutspritze vom chinesischen Amtstierarzt sowie einen EU- tauglichen Mikrochip. Nach einem Monat Wartezeit kann dann sein Blut entnommen werden, dass dann zwecks Titerbestimmung an ein Labor in Deutschland geschickt werden muss. Sind die Werte in Ordnung, muss das Tier drei Monate warten, bevor es in die EU einreisen kann. Schritt eins und zwei hatte ich im Februar schon hinter uns gebracht, ich muss sagen, dass die Mitarbeiter der Shenpu- Klinik (Amtstierarzt) sehr behutsam und sensibel mit meinem kleinen Kater umgegangen sind. Soll nochmal einer sagen, Chinesen hätten kein Herz für Tiere! Also wird heute ein Termin bei einer deutschen Tierärztin ausgemacht, die dann Freitag die Blutentnahme durchführen wird. Nicht ganz einfach, denn die Tierärztin erfreut sich unter den Shanghaier haustierbesitzenden Expats großer Beliebtheit.
Wir treffen uns abends im Barbarossa, die Zeit ist knapp und wir müssen alle unsere Stammkneipen abfrühstücken. Mittlerweile steht Stefanie dem Taxifahren auch nicht mehr so skeptisch gegenüber, nachdem sie erkannt hat, dass die meisten Taxiborgs meine Adresse zügig erkennen. Und die alte Hüfte will ja auch nicht mehr so, da ist es natürlich nett, wenn man direkt vor die Haustür chauffiert wird und nicht von der Metrostation noch nach Hause laufen muss.

26.04.2011, Dienstag

Super warm und schwül in Shanghai, heute Abend ist dann Sashas dran, nicht wirklich weit von meiner Arbeitsstelle entfernt. Grandiose Steinofenpizza, Stefanie und ich lechzen beide schon danach. Unabhängig voneinander verlaufen wir uns aber beide absolut blöd in der French Concession, nachdem ich zum zweiten Mal an der schwer bewachten amerikanischen Botschaft vorbeitigere und von einem Typen, der mit einem Hochdruckreiniger die Straße säubert, fast in den Rinnstein getrieben werde, bin ich kurz vorm Aufgeben. Stefanies Telefon ist abgeschaltet, habe nicht übel Lust, in das nächste Taxi heimwärts zu springen. Wie durch ein Wunder stehe ich plötzlich vor dem Sashas, ergattere einen hübschen Tisch im Garten und ordere mein Lieblingsgetränk. Kurze Zeit später hetzt auch schon Stefanie heran, der Abend ist gerettet. Lecker Pizza, Happy Hour auch noch ausgenutzt: Erfolg auf ganzer Linie.

27.04.2011, Mittwoch

Xiao Lu ist wieder da und so kommt Stefanie in den Genuss von zwei Trainingseinheiten pro Tag. Abends kocht Rose für uns, vorher wird Stefanie von Meister Wu massiert. Bestimmt keine angenehme Angelegenheit, aber eine große Ehre. Zhen Rui ist auch noch eingeladen, als ich nach langem Suchen endlich Roses Wohnung finde, ergötzen sich die Herren an einem Western mit Clint Eastwood und Rose rotiert in der Küche. Blöderweise ist ihr das Salz ausgegangen, so dass sie improvisieren muss. Finde ihre Speisen trotzdem sehr gelungen, auch wenn die beiden chinesischen Feinschmecker anscheinend anderer Meinung sind. Ich jedenfalls hätte das nicht so hinbekommen.

28.04.2011, Donnerstag

Heute abend kocht Meister Wu, freue mich schon den ganzen Tag auf diesen Festschmaus. Gestern
bei einer Zigarette im Treppenhaus bei Rose hatte er mir verschwörerisch zugeraunt, er habe auch mehrere Flaschen guten Schnapses am Start. Da ich die Neigung der Chinesen zu schamlosen Übertreibungen und Ausschmückungen kenne, hatte ich das allerdings nicht so ernst genommen.
Xiao Lu holt mich mit seinem schicken neuen Motorroller an der Metrostation ab, genieße diese kurze Fahrt.
Da Wujie geladen ist, darf Rose von dieser Einladung nichts wissen, muss doch echt mal erheben, was diese beiden eigentlich für Probleme miteinander haben.
Da gibt es nämlich wilde Gerüchte. Lederhut, der den Start ins Tigerjahr mitgefeiert hatte ist auch mit dabei, heute allerdings eher lässig gedresst. Im Laufe des Abends und mit steigendem Alkoholpegel scheint er immer mehr Gefallen an mir zu finden, was ich umgekehrt nicht behaupten kann. Richtig heißt er Gu Yuanfu oder so und übt im Volkspark Chen- Stil. Und geschieden ist er auch.
Außer uns nehmen noch natürlich Xiao Lu, Jeremy, Zhen Rui und zu meiner Überraschung auch die Zappelmaid an dem Schmaus teil. Der Schnaps fließt dann tatsächlich in Strömen und die Zappelmaid entpuppt sich als kernige Säuferin. Zwar kichert sie immer mädchenhaft und behauptet, angeschickert zu sein, aber ich ha
be bis jetzt noch keine chinesische Frau derartig kippen sehen. Das kleine Luder toppt ja fast Stefanie und mich und das will schon was heißen. Unfassbar. Aufgetischt wird wieder, bis die Schwarte kracht, zu meiner Freude auch das Doufu nach des Meisters Art. Mmmmh, lecker! Im Gegensatz zu sonst wird nach dem Essen nicht gesittet zum Teetrinken übergegangen, sondern fröhlich weiter gesoffen. Und zwar alles, was das Haus zu bieten hat. Jeremy und Zhen Rui geraten in eine heftige Diskussion, die Stefanie noch ein wenig anstachelt. Ich kriege davon eher wenig mit, weil ich mich mit Xiao Lu über Snooker unterhalte, ein Spiel, dass er sehr zu schätzen scheint und das gerade im Fernsehen übertragen wird. Ein dicklicher Shanghaier besiegt gerade einen hässlichen Engländer. Stefanie und ich sind noch voll Herrinen der Lage und auch die Zappelmaid kann noch aufrecht stehen und sich klar artikulieren, was man von Lederhut nicht gerade behaupten kann. Tatsächlich bringt er es fertig, sich beim Anstoßen mit Meister Wu ein Glas Rotwein über das blütenweiße Sweatshirt zu kippen und kramt alle seine Englischkenntnisse hervor, um lallend mit Stefanie und mir Konversation zu machen. Für mich ist das noch schwerer zu verstehen, als wenn er gleich chinesisch gesprochen hätte. Aber auch ich erlebe meinen Moment der Schande: Stoße fröhlich mit Zhen Rui an und äußere enthusiastisch auf chinesisch, wir seien nicht nur Tongbei- Geschwister, sondern auch gute Freunde. Verständnisloser Blick, der neben mir sitzende Xiao Lu wiederholt mich wortwörtlich, nur anscheinend in den richtigen Tonhöhen. Wie demütigend. Aber Zhen Rui freut sich. Mann, wahrscheinlich kommt mein Chinesisch für die so rüber wie das Säuferenglisch von Lederhut. Wenn meine Grammatik auch besser ist.
Wir brechen zu später Stunde auf, blöderweise wohnt Lederhut in der Linping Lu nicht weit von uns entfernt und so wir teilen uns ein Taxi. Natürlich kriegt er es weder auf die Reihe, eines einzufangen beziehungsweise dem Fahrer korrekt über unser Ziel anzuweisen, so dass ich das tun muss. Unterwegs muss ich mir sein Gebrabbel anhören und so oft seinen Namen wiederholen, bis er zufrieden mit der Aussprache ist. Lasse den Fahrer dann in der Chifeng Lu halten, Lederhut muss ja nicht wissen, wo genau ich wohne. Will ihm die Kohle für unsere Strecke geben, was er ritterlich und lautstark ablehnt. Bewerfe ihn anschließend mit einen 20,- Yuan Schein und wir springen Höflichkeitsfloskeln artikulierend aus dem Taxi. Stefanie und ich trinken in der Küche noch einen Absacker, lassen den Abend Revue passieren, schauen Fotos und lachen uns scheckig.

29.04.2011, Freitag

Vormittags fährt Stefanie mit Sieder zur Tierärztin. Bin auf der Arbeit total nervös, hoffentlich geht alles glatt und das Vieh lässt sich anstandslos einfangen. Vor meinem inneren Auge sehe ich meine Wohnu
ng total lädiert und meine Freundin mit tiefen, heftig blutenden Fleischwunden vor mir. Die beiden haben um 10.00 ihren Termin, um 12.00 die erlösende SMS: Alles OK. Rufe Stefanie gleich an lasse mir alles schildern. Bin ein wenig stolz, dass die Tierärztin meinen Kater wohl auch außergewöhnlich schön fand. Ja, bei Männern bin ich wählerisch.
Nach all den Strapazen der letzten Woche und vor allem des heutigen Tages sinken wir ermattet bei Wein und Knabbereien vor dem Fernseher nieder und gönnen uns einen ruhigen Abend.

30.04.2011, Samstag

Schlafe aus, während Stefanie trainiert. Nachmittags treffen wir Xiao Lu, der mich dann auch gleich fragt, ob ich denn schon mit Meister Wu über den weiteren Verlauf unseres Nachmittagstrainings gesprochen habe, wenn Stefanie wieder weg ist? Tatsächlich hatte ich dem Meister eine mail geschrieben und der daraufhin irgendwas zu Xiao Lu gesagt, aber das war anscheinend nicht eindeutig genug. Breche frustriert in Tränen aus und erkläre Xiao Lu, dass ich keinen Bock mehr hätte, mich zum Deppen zu machen. Noch drei Monate, dann kann der Kater einwandern und dann werden wir China verlassen. Für immer. Ende der Durchsage.
Für einen Moment scheint die Zeit still zu stehen und dunkle Gewitterwolken heran
zuziehen. Stefanie blickt interessiert von einem zum anderen. Aber nahtlos müssen wir dann Mian Zhang üben, ich werde mit der Säbelform korrigiert, die Xiao Lu auf einmal „piaoliang“ findet, Stefanie wird zum alleine Üben verdonnert und Xiao Lu und ich üben Tui Shou. Natürlich sind alle meine Angriffe raffiniert, subtil und superklasse, besser als Rose und ich bin die beste Tui Shou Ausländerin in ganz China, ach was, auf der ganzen Welt. Ja, klar. Mann, Chinesen!
Abends Captain´s Bar, frustrierend. Mein Entschluß ist gefasst, ich werde bald nach Hause zurückkehren. Aber auf der Terrasse der Bar sitzend realisiere ich, dass ich das eigentlich noch gar nicht will. Shanghai ist einfach die geilste Stadt der Welt, die Wolkenkratzer in Pudong glitzern verführerisch. Natürlich will ich hier nicht den Rest meines Lebens zubringen, aber in drei Monaten schon abhauen? Keine Ahnung, was ich machen soll und wie ich den Rest vom Jahr hier plane. Alles so schwierig, betäube mich mit Long Island Ice Tea.

01.05.2011, Sonntag

Vormittag:
Entspanntes Training, wegen der Maiferien brennt die Luft im Park. Auf dem oberen Teil ( Xingyi- Territorium) des Geländes macht sich eine Großfamilie breit, die den Tag mit einem ausgedehnten Picknick zu verbringen gedenkt. Zelte werden konzentrisch aufgebaut, üppige Speisen herbeigeschleppt. Aber auch unsere Seite kann punkten: Rose hat echt guten grünen Tee sowie mehrere Kannen heißen Wassers und Zubereitungsutensilien mitgebracht. Und auch noch ihre Säbel mitgeschleppt. Die Großfamilie bietet uns ihre Speisen an, nachdem der neugierige Meister Wu die Deckel der Töpfe angehoben und an jedem Gericht kritisch geschnüffelt hat. Ach nee, so gierig sind wir ja denn doch nicht. Höfliche Ablehnung, obwohl der Meister und ich auch doch schon gerne mal gekostet hätten. Zhen Rui, unser Teemeister kommt heute nicht, aber außer mir können alle anderen aus unsrer Trainingsgruppe Tee halbwegs anständig zubereiten und verkosten. Mist, vielleicht kriege ich irgendwann mal die Gelegenheit, zu einer Weinprobe einzuladen. Wobei da dann die chinesische Seite wahrscheinlich nach Eiswürfeln und Cola oder gleichwertigem zum mixen verlangen wird.
Am Ende kommen Rose und ich auch noch dazu, unsere Form vorzuturnen, wobei ich eigentlich kaum korrigiert werde. Und natürlich macht der Meister auch viele Dinge ganz anders.

Nachmittags:

Die Großfamilie kampiert immer noch auf dem Gelände, reiße mich zusammen, obwohl ich immer noch Trübsal blase. Mian Zhang und Dongbao Quan werden korrigiert, letztere hatte ich schon lange nicht mehr geübt. Weise vorwurfsvoll auf die unterschiedliche Ausführung der Säbelform hin, macht nichts, sagt Xiao Lu. Solange man kapiert, wie die Anwendungen gehen, ist das OK. Morgen haben wir auch noch einen Tag, denn wegen der Maiferien muss ich nicht arbeiten. Wie das hier allerdings weitergehen soll, wenn Stefanie weg ist, weiss ich nicht.

Abends:

Stefanie und ich beschließen, was für die Schönheit zu tun und fahren in die Dagu Lu, um unsere Hufe bearbeiten und aufhübschen zu lassen. Geht doch nichts über eine kleine Beauty- Anwendung. Da der Nagellack dann doch ziemlich lange zum Trocknen braucht und wir ihn nicht ruinieren wollen, erwerben wir schicke Gummilatschen und schlurfen in das israelische Restaurant ge
genüber, wo wir uns mit orientalischen kleinen Happen stärken. Die Dagu Lu ist eine ziemlich kleine aber feine Straße, Luxuscompounds, dementsprechend groß ist auch das Angebot an seriösen Spas, Massagesalons und Restaurants. Und fliegende DVD- Händler mit den neuesten englischen Filmen, da wird natürlich auch gleich mal zugeschlagen. In der Straße lungern auch zwei Bettler herum, die aber ganz friedliche Gesellen zu seien scheinen. Leute, als Obdachloser hat man hier echt keine guten Karten, mir tun diese Leute immer leid. Auf der Terrasse des Restaurants können wir dann folgendes beobachten: Einer der Bettler erscheint mit einer Torte in Form eines fröhlichen Tigerkopfes, anscheinend ein Überbleibsel aus einer Bäckerei, den er stolz erst uns und dann seinem Kumpel präsentiert. Andächtig wird der Kuchen bewundert und die Schokoladenaugen des Tigers verzehrt. Mittlerweile schaut auch die Oberkellnerin zu. Kurze Konversation mit den Bettlern, dann geht sie in das Restaurant und kommt mit zwei Kuchengabeln, Tellerchen und Servietten wieder, die sie den Bettlern gibt. Die beiden verziehen sich auf die andere Straßenseite, wo sie auf einer kleinen Mauer Platz nehmen und bedächtig die Torte verspeisen. Dabei sehen sie aus wie zwei feine alte Herren, die einen netten Abend mit einem Freund verbringen. Ich bin von dieser Szene absolut gerührt. Diese beiden alten Knaben haben echt Würde im Leib. Während wir hier sitzen, exotische Köstlichkeiten in uns reinstopfen und die frisch lackierten Fußnägel wedeln, stellt für diese beiden ein abgestandener Kuchen den Höhepunkt des Tages dar, der vornehm und andächtig genossen wird. Lerne mein Leben richtig schätzen. Wir geben den Bettlern dann auch unser gesamtes Kleingeld, für die sind 5 RMB wahrscheinlich das Sahnehäubchen des Tages, jedenfalls bedanken sie sich überschwänglich.

02.05.2011, Montag

Vormittags:

Meister Wu lässt die Bombe platzen und verkündet, dass er ab jetzt nur noch Sonntags unterrichten werde. Für mich jetzt nicht so schlimm, aber für diejenigen, die bei ihm im Volkspark trainiert haben, natürlich ziemlich schlimm. Na, dann wollen wir doch mal sehen, wer sich denn ab jetzt so hier einfinden wird. Die Zappelmaid kommt wie immer zu spät, anscheinend gilt für sie das mit nur Sonntags nicht, denn der Meister wiederholt die Ansage nicht noch mal. Nach dem Training gehen Rose, Judd, Stefanie und ich gemeinsam essen, lange Gesichter. Aber was will man machen.

Nachmittags:

Wir erzählen Xiao Lu von des Meisters Ansage, der daraufhin echt geschockt zu sein scheint. Erst mein Gezicke und jetzt auch noch das! OK, dann ab jetzt Sonntags nachmittags heimlich Training bei mir in der Wohnanlage.

Abends:

Wir schauen die gestern erworbenen DVD, schlagen uns mit Knabbereien den Pansen voll und hängen ab. Wird wieder stressig morgen und Stefanie reist ja auch schon bald ab, wie schade!

03.05.2011, Dienstag

Treffen uns abends mit Judd und einem Kumpel von ihm im Lifestyle und schlemmen hervorragend. Judds andere Leidenschaft neben Tongbei ist Ultimate Frisbee, sein Kumpel Andy spielt das auch und so lernen Stefanie und ich einiges über diese Sportart. Demnächst Riesen- Turnier hier in Shanghai, obwohl ich nicht denke, dass ich Gefallen an diesem Sport finden könnte, ziehe ich in Erwägung, mir das Turnier mal anzuschauen.
Gehen noch einen trinken, Judd ist frustriert, dass Meister Wu ihn nicht ernst zu nehmen scheint und erwägt, sich um die förmliche Aufnahme als Meisterschüler zu bemühen. Wir denken, dass das keine so gute Idee ist. Als Judd rausbekommt, dass wir schon desöfteren bei Meister Wu zu Hause waren und ich sogar Neujahr dort verbracht habe, ist er noch frustrierter. Kann mir mittlerweile auch nicht mehr erklären, warum der Meister Judd so ablehnt, vor allem, da er so eine kleine Ratte wie Jeremy zu sich nach Hause eingeladen hat. China ist kompliziert.

04.05.2011, Mittwoch
Stefanies letzter Tag, ich bin traurig und hoffe insgeheim auf einen Vulkanausbruch oder eine sonstige Naturkatastrophe. Passiert natürlich nichts, wir lassen uns abends massieren und gehen noch mal in Vegetarian Lifestyle essen. Absacker in meiner Küche, irgendwie sind wir beide matt. Stefanie freut sich auf zu Hause, kann sie verstehen. Wie genau ich hier meinen Abgang plane, weiss ich immer noch nicht.

05.05.2011, Donnerstag

Immer noch kein Vulkanausbruch, Scheiß- Arbeitstag. Hetzte nach Hause, wo Stefanie schon auf gepackten Koffern hockt. Taxi zum Lu Xun Park an die Flughafenbushaltestelle, wenigstens haben wir noch 20 Minuten zum Plaudern. Winke ihr nach, als der Bus abfährt und trotte zu Fuß nach Hause, unterwegs erledige ich Einkäufe und bezahle Rechnungen. War wie immer eine geile Zeit, diesmal wartet aber zum Glück jemand auf mich. Diesmal geht Mike Sieder nicht auf Wanderschaft, um nach dem netten Gast zu suchen, wie er es nach Alis Abreise getan hat. Der Kater und ich kuscheln uns vor der Glotze ein, er tatzt sanft auf mein Gesicht, als mir dann doch ein paar Tränen aus den Augen kullern. Als sich mein kleines Tier schnurrend auf meinem Hintern einrollt, bin ich dann doch wieder einigermaßen in der Reihe. Stefanies Flug hebt pünktlich kurz vor Mitternacht ab, wünsche ihr im Gedanken eine gute Reise



Donnerstag, November 25, 2010

漫无目的小姑娘第二 – Zappelmaid #2

14.11.2010, Sonntag

Vormittag:

Rose fragt mich diskret, ob denn da neulich im Training irgendwas mit dem Mädel losgewesen wäre? Sie etwa geweint habe? Nee, sage ich, wieso? Naja, der Meister habe da so was gesagt und sich bei Rose erkundigt, ob sie wisse, was da vorgefallen sei. Da fällt es mir wieder ein, dachte die ganze Sache sei ausgestanden. Erkläre Rose die Sache und erwähne, die kleine Zappelmaid sei keineswegs heulend von dannen gezogen, sondern habe sich vielmehr recht schnippisch betragen.
Rose hört sich das in Ruhe an und meint dann, sie habe sich schon gedacht, dass es mit dieser Göre noch Ärger geben würde. Jetzt bin ich aber neugierig. Wieso das denn? Als Englischdozentin an der Uni hat Rose natürlich einen ganz guten Einblick in das Seelenleben chinesischer Jugendlicher. Dadurch, dass die meisten von denen Einzelkinder seien, seien sie gewohnt, zu bekommen, was sie wollen. Auch wenn man ihnen klipp und klar sage, dass sie etwas nicht bekämen oder dürften, würden sie es versuchen. Außerdem haben viele einfach keine Ahnung von Etikette, da sie von Kindesbeinen an verwöhnt seien. Diesen Eindruck hatte ich bis jetzt nicht, vielmehr erschienen mir chinesische junge Menschen bis jetzt eher höflicher und wohlerzogener als die deutschen zum Beispiel. Ja, sagt Rose, oberflächlich sei das auch so. Aber hinter der Fassade sieht es wohl ganz anders aus. Interessant. Und in dem Ring, in den sich die kleine Maid jetzt begeben hat, herrschen natürlich auch noch ganz andere, traditionelle Sitten. Eigentlich schuldet sie mir und ihr als „Große Lehrschwestern“ Gehorsam und Respekt, Xiao Lu natürlich erst recht. Und dem Meister sowieso.
Wie sich herausstellt, hat die Maid wohl unmittelbar, nachdem sie von uns nach Hause geschickt worden war, völlig aufgelöst Meister Wu angerufen und heftig geheult. Ich sei gemein und unhöflich zu ihr gewesen, wie gemein und unhöflich genau, konnte oder wollte sie ihm in ihrer Aufgewühltheit wohl nicht schildern. Deswegen hatte er sich ja auch besorgt bei Rose erkundigt. Dieses kleine Miststück!
Bin jetzt doch leicht beunruhigt. Immerhin steht hier die Aussage einer Einheimischen gegen die einer Ausländerin mit miesen Sprachkenntnissen. Nee, sagt Rose, ich solle mir mal keine Gedanken machen. Da vor allem Xiao Lu der Zappelmaid schon mehrere Male gesagt habe, sie könne nicht mit uns trainieren und der Meister schon wisse, dass die Maid eher schlichten Gemütes sei, ginge das schon klar. Sie führt als Beispiel genau die Sache mit dem uneingeladenen Auftauchen auf einer Party auf, die ich der Maid schon um die Ohren gehauen hatte. Bin trotzdem noch besorgt, auf keinen Fall will ich, dass Meister Wu eine schlechte Meinung von mir hat. Rose steckt mir dann auch noch ganz diskret, dass mein Nachmittagstraining mit Xiao Lu sowieso quasi unerhört sei. Eine Schülerin lernt vom Meister UND von seinem Meisterschüler, dass Meister Wu sowas zulässt, ist schon eine ganz große Sache und wird anscheinend in Shanghaier Kampfkunstkreisen heiß diskutiert. Versuche Rose zu erklären, dass unser Nachmittagstraining eher so eine gemeinsame Toberei zwischen uns beiden und kein richtiger Unterricht ist und sich das über die Jahre irgendwie mal so ergeben hat. Rose versteht das schon, aber mach das mal den anderen klar. Verstehe allmählich, was für hohe Privilegien ich hier genieße und was das andersherum für mich heißt.
Wir sind gerade mit unserem Gespräch fertig, als die Maid wie immer verspätet anzappelt. Kann nur schwer widerstehen, ihr die Augen auszukratzen. Heute gibt es einen Teil der bestellten Klamotten, die Maid hastet gleich aufs Klo, um sich umzuziehen. Man kann ihr richtig ansehen, wie glücklich sie ist, jetzt gehört sie zumindestens optisch voll dazu. Bei den Einzelbewegungen hofft sie, auch endlich ihre Ärmel flappen zu lassen. Klappt natürlich nicht, im Gegenteil. Jetzt sieht man erst mal richtig, wie schlecht sie sich bewegt.

Nachmittag:

Erzähle Xiao Lu völlig empört von der Aktion der Zappelmaid, der darüber nur den Kopf schütteln kann. Was sind Frauen kompliziert! Nee, ich doch nicht, nur die chinesischen. Meine Bedenken, der Meister könne schlecht von mir denken, zerstreut er. War schon in Ordnung, der Maid den Marsch zu blasen, auch wenn das vielleicht nicht gerade die feine chinesische Art war.
Rocky gesellt sich zu uns und versucht mit zu üben, allerdings erkläre ich ihm mit einem entwaffnenden Lächeln, dass dies Xiao Lus und meine private Trainingszeit sei. Da merkt man doch gleich den Unterschied: Er zieht sich sofort zurück und packt allerlei interessante Waffen aus seinem Rucksack. Unter anderem stählerne Armreifen, muss gleich an den Film „Gong Fu“ mit dem Heiligen Stephen denken. Aus irgendwelchen Gründen kann Xiao Lu Rocky nicht leiden. Trotzdem ist er nett zu ihm, sehr chinesisch. Ich weiß schon, dass es durchaus Unterschiede zwischen Nett und richtig ehrlichem Nett gibt, kann die aber noch nicht unterscheiden. Schwierig, mysteriöses China.
Der Meister hat Rocky auch gesagt, dass er ihn nicht unterrichten wird, liegt wohl daran, dass er schon zu sehr auf die harten Stile eingenordet ist und sich nicht entspannt bewegen kann. Mir tut er ja irgendwie leid, denn ich finde ihn freundlich und höflich, wenn auch manchmal etwas anstrengend, da er sehr leise redet.
Wir plaudern ein wenig und dann übt Rocky seinen Kram und wir unseren. Nach etwa eineinhalb Stunden verabschiedet er sich kernig und zieht von dannen. Jetzt darf ich den Säbel auspacken.
Die Säbelform habe ich zu Hause geübt, soweit das ohne Schäden am Mobiliar möglich war. (Sieder war davon auch entzückt und stelle sich mit angriffslustig erhobenen Vorderpfoten auf die Hinterbeine. Er sah dabei exakt so aus wie der Gestiefele Kater aus Shrek. Musste so lachen, dass mir fast mein Übungsgerät aus der Hand gefallen wäre).
Xiao Lu ist einigermaßen zufrieden und biegt in jeder Stellung meine Hand um Millimeter in die richtige Stellung. Und damit ich auch ja kapiere, was ich da mache, werden natürlich auch Anwendungen geübt.
Eine dicke schwarze Katze hat einen kleinen Vogel gefangen. Da muss man ja mal nach dem Rech
ten sehen, Xiao Lu verfolgt die Katze und kommt mit dem Vögelchen in seiner großen Pranke wieder. Das Tier wird eingehend untersucht, ob das Rote auf seiner Brust wohl Blut ist? Nee, nur Federn. Äußerlich hat der Vogel keinen größeren Schaden genommen, die Flügel sind von der Katze aber schon arg zerzaust. Der kleine Patient wird in Xiao Lu´s Jackentasche geborgen, er stellt sicher, dass das Tier auch ordentlich atmen kann. Danach wird in regelmäßigen Abständen nach dem Vogel geschaut, ich wundere mich, dass er den Nachmittag überhaupt übersteht.
Diese Aktion finde ich jedoch sehr rührend, ich sage Xiao Lu, er sei ein guter Mensch und käme bestimmt in den Himmel. Da muss er lachen.

Donnerstag, Juni 24, 2010

香港 – Hong Kong

18.06.2010, Freitag
Unsere Reise beginnt schon mal mit einer halben Stunde Verspätung. Prächtig. Macht aber nichts, denn Peter fliegt ja auch erst eine Stunde später mit einer anderen Gesellschaft. Guy und ich müssen also in Hong Kong dann nicht so lange warten. Von unserer Fluggesellschaft bin ich recht angetan, freundliche und hübsche Stewardessen, vernünftige Sitzabstände und das Essen mundet auch. Erster Vorgeschmack auf das Reiseziel: Das Bordpersonal spricht fließend Englisch und außer auf Hochchinesisch werden die Ansagen auch auf Kantonesisch gemacht. Kantonesisch finde ich ziemlich sexy, mag vielleicht auch mit meiner Vorliebe für den heiligen Stephen Chow zusammenhängen. Habe aber Schwierigkeiten, die Schriftzeichen zu lesen, denn hier ist alles mit Langzeichen beschriftet und die kann ich nicht. Außerdem ist es merkwürdig, von einem Land, dessen Sprache ich zumindestens ansatzweise beherrsche in ein Land überzuwechseln, dessen Sprache ich überhaupt nicht verstehe. Gut, geht einem ja öfter so, aber hier bewege ich mich innerhalb Chinas, sollte also nicht so fremd sein. Merkwürdiges Gefühl.
Peters Maschine hat dann auch Verspätung und wir stellen fest, dass es total Scheiße ist, dass unsere Mobilfone hier alle nicht funktionieren.
Bei meinem letzten Besuch hier bin ich noch auf Kai Tak gelandet, jetzt gibt es einen neuen Flughafen auf Lantau. Und der ist bombig über einen Expresszug angebunden. Bin beeindruckt, obwohl Kai Tak entschieden mehr Charme hatte.
Seit meinem letzten Besuch scheint sich nicht viel verändert zu haben. Klar, ein paar neue Wolkenkratzer und andere Baumaßnahmen, aber damals habe ich die Stadt anders wahrgenommen. Na gut, das ist jetzt auch fast 18 Jahre her.
Hong Kong vs. Shanghai #1: Noch lauter, noch schneller, noch dichter und noch schwül- wärmer als Shanghai. Stand: 0:1.
Wir beziehen unsere Herberge und mich trifft fast der Schlag, als ich die Tür zu meinem Einzelzimmer öffne. Eine Knastzelle ist bestimmt gemütlicher und komfortabler. Wenigstens gibt es eine Klimaanlage. Bin definitiv zu alt für so einen Scheiß, auch wenn ich während meiner Backpacker- Zeit schon in wesentlich schlimmeren Absteigen genächtigt habe. Aber im Laufe der Jahre wird man halt verwöhnt, nächstes Mal suche ich mir gleich ein anständiges Hotel.
Da heute unsere Nationalmannschaft endlich mal zu einer für uns günstigen Zeit spielt, müssen wir eine Kneipe suchen, die das Spiel überträgt. Angeblich kennt ein in Hong Kong lebender Kommilitone von Peter und Guy eine, allein gestaltet sich die Kommunikation ohne Mobiltelefon ziemlich schwierig. Immerhin hat Guy seinen Rechner dabei, so dass wir wenigstens per Chat einen Treffpunkt ausmachen können. Vincent, ein Franzose mit chinesisch- kambodschanischen Wurzeln ist jedoch dermaßen verpeilt, dass wir die erste Halbzeit komplett verpassen. Ich bin mittlerweile genervt und will nur noch bei einen alkoholischen Getränk unser Team spielen sehen, wir stolpern in eine Spielhölle und meine Laune steigt: Es gibt einen Automaten mit Maschinengewehren, das Ziel des Spieles scheint zu sein, möglichst viele Gegner abzuknallen. Deswegen steht auf dem Automaten auch reißerisch „Shoot like crazy!! Smash and destroy!!“. Geiles Konzept. Bräuchten wir definitiv zum Dampf ablassen im Büro. Der kleine Chinese, der sich gerade an dem Automaten austobt, schafft allerdings nur farblose 44 Kills per Minute. Das ist ganz sicher noch zu toppen.
Schließlich finden wir eine Kneipe und schauen unserem Team beim Verlieren zu. In der Beize sind fast nur Chinesen, ich weiß das Gekreische bei dem verschossenen Elfmeter nicht recht zu deuten. Sind die jetzt eher für oder gegen uns? Wahrscheinlich eher ambivalent.
Peter muss seine aus Deutschland kommende Schwester vom Flughafen abholen, derweil zerrt Vincent uns durch diverse Kneipen.
Hong Kong vs. Shanghai #2: Sauteuer! Und in den Gesprächen scheint es nur um eines zu gehen: Geld. Mann, gegen Shanghai verhält sich Hong Kong wie Mainz zu Shanghai. Fange jetzt schon an, Shanghai zu vermissen. Stand: 0:2.
Als Anne dann da ist, besorgen wir uns Getränke und suchen ein nettes Plätzchen am Ufer. Gar nicht so einfach, denn auf Hong Kong Island gibt es keine richtig gemütliche Uferpromenade. Hier ist der Baugrund wohl zu teuer, um ihn mit sinnlosen Prachtstraßen zu verschleudern. Wir finden dann doch was in der Nähe des Star Ferry Pier und unterhalten uns prächtig. Ich saufe mir meine Zelle schön und sinke in tiefen Schlummer.

19.06.2010, Samstag

Wir fahren mit der antiken Bahn auf den Peak und genießen das Panorama. Nahrhaftes Mittagessen im Burger King, wo wir über einen Sikh mit den wohl beeindruckensten Tränensäcken der Welt lästern. Außerdem über ein hässliches britisches Ehepaar, dessen dreiköpfige Brut noch rothaariger und noch hässlicher ist als ihre Erzeuger. Ich hätte diese grässlichen Blagen an der nächsten Autobahnraststätte ausgesetzt.
Hong Kong vs. Shanghai #3: Internationaler als Shanghai. Stand: 1:2.
Fahrlässigerweise beschließen wir, vom Peak in die Stadt zu laufen. Grandiose Idee mit einer gebrochenen Zehe und bei geschätzten 36° und 90% Luftfeuchte. Hatte voll vergessen, wie steil der Abstieg ist, aber man wird mit toller Natur und schönen Ausblicken beloht. Mir geht auf, dass ich dieses Programm damals auch mit Ali gefahren habe und vermisse ihn.
Die Rolltreppen vom oberen in den unteren Teil der Stadt gab es damals noch nicht und um diese Uhrzeit fahren die aufwärts. (Die Rolltreppen werden ab ca. 11.30 von abwärts zu aufwärts umgestellt). Klasse, Treppensteigen und noch mehr Klettern. Auf halber Strecke sind wir dermaßen verschwitzt und ermattet, das wir unbedingt einkehren müssen. Wir landen in einem Bio- Öko- Organischem Cafe. Der Eistee mag zwar organisch und Öko sein, die Plastik- Trinkhalme und die auf voller Dünung laufende Klimaanlage aber sind es definitiv nicht.
Hong Kong vs. Shanghai #4: : Die Temperaturdifferenz zwischen innen und außen beträgt hier grundsätzlich mindestens 20°. Nicht gut. Und Öko ist auch hier wahnsinnig angesagt. Unentschieden. Stand: 2:3.
Nach unserer kleinen Stärkung fahren wir mit der Star Ferry nach Kowloon und besuchen die „Avenue of Stars“, die dem „Walk of Fame“ in Hollywood nachempfunden ist, nur halt mit den Berühmtheiten des Hong Kong Kinos. Gab es bei meinem letzten Besuch auch noch nicht. Am Beginn dieser Promenade gleich mal wieder ganz viele Schilder mit Verboten: Nicht rauchen, nicht pinkeln, nicht fischen und so weiter. Mein Lieblingsverbot: Nicht mit Modellautos rumfahren. Überhaupt ist Hong Kong eine Stadt mit sehr vielen Ge- und Verboten, an die ständig erinnert wird. In der Metro zum Beispiel wird man ermahnt, sich auf der Rolltreppe immer am Handlauf festzuhalten und geeignetes Schuhwerk zu tragen. An neuralgischen Punkten steht auch immer ein Scherge, der die sich lemminghaft fügenden Volksmassen dirigiert. Man scheint die hiesige Bevölkerung für komplett unmündig zu halten, vielleicht ein Erbe der britischen Besatzungszeit? Oder vielleicht wurde das nach dem Abzug der Briten erst nötig? Bei uns auf dem Festland ist man der Meinung, dass Regeln grundsätzlich dazu da sind, ignoriert und gebrochen zu werden, wir brauchen keine Anleitungen, um klar zu kommen. Und wir rauchen, wo es uns passt, drängeln rücksichtslos und rotzen auf die Straße, auf der wir gerne im Pyjama flanieren.
Hong Kong vs. Shanghai #5: : Anscheinend total verpeilte Einwohner. Stand: 2:4.
Natürlich kenne ich viele der hiesigen Filmstars, lasse mich dabei fotografieren, wie ich meine Hände in die Handabdrücke von Andy Lau presse und suche unruhig nach dem Stern des Heiligen Stephen. Der befindet sich dann auch gleich neben dem Höhepunkt des Boulevards, der eher nicht beachtet und auf ihm rumgetrampelt wird. Hat mein Schutzheiliger echt nicht verdient,Bruce Lee Statue. Zwar eine recht große Ehre, aber auch eine recht schlechte Wahl, denn vor dieser Statue posieren natürlich Unmengen von Leuten, so dass der Stern aber ich dränge rüde die Poser beiseite, um den Stern angemessen fotografieren zu können. Da machen sich das halbe Jahr in Shanghai gepaart mit Kampfkunstkenntnissen deutlich bezahlt.
Da wir ja schon mal in Kowloon sind, bummeln wir in Richtung Nachtmarkt die Nathan Road entlang. Indische und pakistanische Schlepper versuchen, uns an maßgefertigten Klamotten oder Goldschmuck zu interessieren. Bei uns zu Hause auf der Nanjing Lu werden von den Schleppern entweder gefälschte Markenprodukte oder Nutten angeboten.
Hong Kong vs. Shanghai #6: Wesentlich hochklassigere Schlepper in Hong Kong. Stand: 3:4.
Der Nachtmarkt stinkt voll ab, habe selten derartig schrottige und geschmacklose Produkte gesehen. Jesus, Hitler, Mao und Che gemeinsam auf einem T- Shirt, das geht echt gar nicht. Auch der Rest der Angebote sind voll die Netzhautpeitschen, als wir mit dem Nachtmarkt durch sind, sind wir fast blind.
Hong Kong vs. Shanghai #7: Wir haben die cooleren Fakes. Stand: 3:5.
Wir haben mittlerweile Hunger und versuchen, von einer öffentlichen Telefonzelle aus ein Treffen mit Vincent dem Verpeilten auszumachen. Das wir das durch ausgerechnet Guy erledigen lassen, ist wenig klug. Wir gurken knapp eine Stunde mit der Metro hin und her und treffen Vincent den Verpeilten natürlich nicht, weil sein deutscher Gegenpart genauso dämlich ist. Dafür schauen wir uns dann von Kowloon aus die prahlerisch „Symphony of Lights“ genannte Wolkenkratzererleuchtung an. Im Klartext bedeutet dies, dass zu schlimmer sino- westlicher Musik die Hochhäuser auf Hong Kong Island grob im Takt blinken und ab und zu mal ein Laser in den Himmel schießt. Bin trotzdem beeindruckt, Hong Kong hat klar die bessere Skyline, sogar bei Tag schön anzusehen. Da stinken wir mit unserem Pudong voll ab.
Hong Kong vs. Shanghai #8: Geilere Skyline. Stand: 4:5, Hong Kong holt auf.
Vincent gabelt uns schließlich doch noch auf und wir gehen essen. Eigentlich wollten wir ja was typisch Kantonesisches, landen jedoch beim Thai. Wir begleiten Guy zwecks Fahrscheinerwerbes zum Macao- Fährenterminal, er will morgen da hin und zocken. Mittlerweile ist es schon recht spät, aber Vincent will uns noch unbedingt was Supercooles zeigen. Wir zwängen uns also in ein Taxi und landen schließlich an den Midlevel- Rolltreppen. Und zwar nicht etwa unten, sondern ganz oben. Da die Rolltreppen immer noch aufwärts fahren, bedeutet dies, dass wir die ganze Strecke wieder nach unten laufen müssen. Dabei hatten wir Vincent beim Essen in epischer Breite unser heutiges Tourismusprogramm geschildert. Anne und ich meutern, heute genug gelaufen! Wir fahren mit der Taxe in Richtung Hostel und trinken dort noch einen Absacker.

20.06.2010, Sonntag

Guy ist schon früh nach Macao aufgebrochen, Peter, Anne und ich frühstücken erstmal in Ruhe. Ich fliege heute Abend ja schon wieder und würde gerne was sehen, wo ich damals noch nicht war. Aber die beiden haben Lust auf den Buddha auf Lantau, auch gut. Wird dann halt die Damals- mit- Ali- in- Hong- Kong- Gedächtnis- Tour. Mein Gepäck kann ich schon in der Innenstadt aufgeben, sehr komfortabel. Auf dem Weg nach Lantau fällt mir mal wieder auf, wie viele Einheimische trotz unserer beschämenden Niederlage ein Trikot der deutschen Nationalmannschaft tragen. Die Shanghaier sind da weniger von unserem Team überzeugt.
Hong Kong vs. Shanghai #9: Lässigere Fußballfans. Stand: 5:5.
Zu den Buddha kommt man mittlerweile mit der Metro und einer Seilbahn, Ali und ich haben damals noch eine Fähre und den öffentlichen Bus genommen. Die Seilbahn ist wirklich klasse, man hat einen phantastischen Ausblick auf den Flughafen und die startenden und landenden Flugzeuge. Wir teilen unsere Kabine mit einem älteren kantonesischen Ehepaar und einem Pärchen unklarer Beziehungsstruktur. Ein alter Knülch, dem die Hälfte seiner Zähne fehlt und ein blutjunges, billig zurechtgemachtes Ding. Der alte Lustmolch schraubt auf der Fahrt nach oben kräftig an der kleinen Schlampe rum und fotografiert sie ständig. Die beiden unterhalten sich auf Indonesisch, die Kantonesen lästern genau wie wir kräftig über dieses seltsame Gespann ab. Ich habe den Eindruck, dass sich Kantonesisch noch viel besser zum Hetzten eignet als Putong Hua.
Der Erleuchtete hüllt sich in dramatische Wolkenfetzen, was ihm etwas sehr Erhabenes und Mysteriöses verleiht. Am Fuße der Statue treffen wir den Shanghaier Büroleiter von AS & P nebst Gemahlin und Tochter, was ist die Welt doch klein! Der meint auch gleich, das vegetarische Restaurant des angrenzenden Klosters sei nicht zu empfehlen. Schade, damals war das Essen dort ziemlich lecker. Dann doch halt wieder Fastfood. Das Po Lin Kloster hatte ich auch größer und netter in Erinnerung. Man erweitert sich offensichtlich, hinter dem alten Tempel steht schon das Stahlgerüst für den Anbau, der durch die Spenden der Gläubigen finanziert wird. Damals haben fast nur die Verehrer Buddhas das Kloster aufgesucht, jetzt wird hier auf dem Berg kräftig am Tourismus verdient. An der Bergstation hat man ein kleines Dorf mit Restaurants und billigen Nippesläden errichtet. Wir rasten im Schatten und bestaunen auf einer Bank die Touristen, die sich in den albernsten Posen vor dem Tempel gegenseitig ablichten. Was können Chinesen da phantasievoll sein!
Eigentlich hatte ich ja gehofft, dem Tipp meines ebenfalls die Kampfkünste übenden Lesers Felix zu folgen und es noch in den Kowloon- Park zu schaffen. Dort treffen sich Sonntags um 14.00 die hiesigen Kampfkünstler und führen vor, ich bin zu spät dran. Nächstes Mal dann halt.
Direkt an der Talstation der Seilbahn befindet sich ein riesiges Einkaufszentrum mit Fresstempel, in dem wir18.06.2010, Freitag uns erstmal stärken. Anschließend klappern wir die Läden ab und ich erwerbe ein sehr hübsches Kapuzensweatshirt.
Da ich ja sowieso in der Nähe bin, fahre ich gar nicht erst mit Peter und Anne in die Stadt zurück sondern nehme gleich den Bus zum Flughafen. Vertriebe mir die Zeit mit Bummeln, Kaffeetrinken und Lesen, die restlichen Hong Kong Dollar werden in Kippen, Tigerbalsam und eine Wundersalbe gegen Verstauchungen investiert. Von dem Zeug kann man nie genug haben, als Kampfkünstler hat man ja ständig irgendwo blaue Flecken.
Sitze dann endlich am Gate, unser Flug hat fast zwei Stunden Verspätung. Mir gegenüber lässt sich eine Gruppe nieder, die sich auf Shanghainesisch unterhält. Obwohl ich das genau so wenig verstehe wie Kantonesisch und Shanghainesisch deutlich unsexier ist, freue ich mich: Vertraute Klänge!
Im Flieger sitzt neben mir eine Frau etwa meines Alters, wir lächeln uns an und sind uns gleich sympathisch. Der Kampf um die mittlere Armlehne wird wortlos dadurch gelöst, dass wir einfach typisch chinesisch kuscheln. Was für ein geiles Land!
Der letzte Flughafenbus ist natürlich schon weg, muss mit dem Taxi nach Hause fahren, auf dem Weg geht mir auf, wie gut ich es hier habe. Dieser Eindruck bestätigt sich, als ich nach zwei Nächten Knastzelle meine kleine Wohnung betrete und den Ausblick genieße. Na gut, meinen Gatten und meine Freunde vermisse ich natürlich. Und die Möbel könnten auch hübscher sein. Aber ich lebe in der geilsten Stadt der Welt, in Deutschland könnte ich bei einer Fußverletzung nicht jeden Tag mit der Taxe zur Arbeit fahren oder für nen Klicker und nen Knopp phantastisches Essen genießen. Und Meister vom Kaliber Wu Laoshis gibt es in Deutschland sowieso nicht.
Shanghai rockt.

Dienstag, Juni 08, 2010

练功第二 – Training #2

05.06.2010, Samstag

Verpenne prompt Lilos Abreise und bin dann zu deprimiert zum Vormittagstraining. Kaufe statt dessen ein, vielleicht kann ich ja das leckere Doufu- Gericht irgendwie nachbasteln. Gut Essen ist bei Frust immer sehr hilfreich.
Schleppe mich nachmittags in den Park, über meinem Haupt hängen dunkle Wolken. Weil ich so schlecht drauf bin, will nichts so recht klappen und meine Stände sind ziemlich wackelig. Irgendwann kullern mir doch ein paar Tränen aus den Augen, Xiao Lu denkt, das sei wegen meines Versagens. Ich erkläre ihm, dass ich gestern so einen Klasse- Abend mit Lilo und Tori hatte und es jetzt mindestens vier Monate dauern würde, bis ich meine Freunde oder meine Heimat wieder sähe. Und ich sehr traurig sei, das Lilo jetzt weg wäre. Mein großer Bruder nickt verständnisvoll. Na ja, aus diesem Grunde habe er halt keine engen Freunde. Außer mir natürlich. Dann täte es auch nicht so weh, wenn man Abschied nehmen müsse. Auch eine Art, die Dinge zu betrachten. Ob er denn nicht oft einsam wäre? Doch, schon, aber da gewöhne man sich dran. Die meisten Leute hielten ihn sowieso für nicht ganz richtig im Kopf, weil er so intensiv übe. Es folgt ein sehr langes Gespräch über Einsamkeit, Freundschaft und mal wieder den Unterschied zwischen Deutschland und China.
Danach geht es mir dann besser und mit Tuishou klappt es auch halbwegs.

Skype mit Ali, der mir von Spargelorgien berichtet. Mehrere Ausgaben des „Spiegel“ hat er mir per Post geschickt, freue mich auf ein Päckchen aus der Heimat. Schade, dass man Spargel nicht auch verschiffen kann. Aber jetzt bin ich wieder einigermassen gut drauf.

06.06.2010, Sonntag

Vormittags:

Xiao Lu ist nicht im Park, also setzte ich mich auf ein sonniges Bänkchen, schaue den Schwertdamen zu und lese ein wenig. Meister Wu schlendert gut gelaunt herbei, als wir mit den Einzelbewegungen beginnen, keucht auch atemlos die kleine Zappelmaid heran. Kaum dass wir begonnen haben, kommt ein alter Bekannter des Meisters vorbei, mit dem er dann auch ausgiebig quatscht. Wir sollten dann mal schön weitermachen, weist er uns an. Kein Problem für mich, denn ich kann ja schon die meisten Einzelbewegungen, aber die Zappelmaid ist ganz schön überfordert. Sie fingert an ihren Schuhen rum, rennt dauernd zu ihrer Tasche und schaut auf ihr Phon und macht ihrem Namen alle Ehre. Die Blöße, mir die Bewegungen einfach nachzumachen, will sie sich ja auch nicht geben. Als absehbar wird, dass Meister Wu heute in Plauderstimmung ist, fügt sie sich zähneknirschend in ihr Schicksal. Korrigieren tue ich sie natürlich nicht, fühle mich dazu nicht befugt. Aus den Augenwinkeln nehme ich den hässlichen jungen Typen wahr, der mit dem wohl albernsten Strohhut, den ich je gesehen habe, anschlurft. Hackfresse plaudert erstmal mit der Maid, die über diese willkommene Ablenkung ganz froh ist. Wir laufen eine Schrittfolge, dann tritt ein eigentlich ganz sympathischer junger Mann schüchtern an den Meister heran. Er übt Pigua und hätte gerne mal des Meisters Meinung zu diversen Übungsmethoden gewusst. Natürlich darf er mal eine Probe seines Könnens geben und jetzt ist Meister Wu in seinem Element. Die nächsten eineinhalb Stunden wird nur doziert, zwischendurch wird mein Yingquan unter den kritischen Blicken etlicher fachkundiger Zuschauer korrigiert. Und da ist der Meister natürlich jetzt besonders penibel, kann ihm nichts recht machen. Ein Übergang in einen Stand auf einen Bein ist ihm nicht schwungvoll und hoch genug, so werde ich zur Demonstration erstmal farblos von den Beinen geholt. Aua. Ist aber ganz in Ordnung so, ich lerne was und der Meister steht gut da. Damit er noch besser dasteht, übe ich weiter, während Meister Wu den jungen Mann belehrt. Hackfresse hat seinen Strohhut an einen Baum gehängt und übt für sich Einzelbewegungen. Trotzdem für mich eher langweilig und unbefriedigend, denn einen großen Teil der Geschichten kenne ich schon und wegen meines miesen Chinesisch entgehen mir wichtige Details, die ich mir aber trotzdem aufschreiben lasse. Kann mir Ying ja dann übersetzen.
Zum Vorführen der Form schickt der Meister sein zur Zeit bestes anwesendes Pferd im Stall, nämlich mich, an den Start. (Warum ist der blöde Xiao Lu auch nicht hier!) Wieder heftige Kritik, aber als der Meister, ich und die Zappelmaid anschließend einen Teil der Form gemeinsam vorturnen, stehe ich wohl nicht mehr ganz so schlecht da.
Da er noch unbedingt Anwendungen demonstrieren will, muss Hackfresse ran. Frauen werden eher ungern verdroschen, obwohl auch ich schon einige üble Tritte und Hiebe kassiert habe. Klatsch, Peng, Bums, kann gar nicht so schnell gucken, der Meister sagt „Buhaoyisi“ (Entschuldigung), die Umstehenden machen „Oooooh“ und Hackfresse blutet aus der Nase. Die Maid zirpt leise Laute des Bedauerns und zappelt zu ihrer Tasche, aus der sie Papiertaschentücher kramt, während Hackfresse cool und kerlig abwinkt. Jungs, nichts wirkt auf eine Frau abtörnender als ein Verehrer, dem blutige Papiertaschentücher aus dem Rüssel hängen, während seine Rübe von einem albernen Strohhut gekrönt wird.
Nach dem Training meint der Meister, für mich sei das ja heute eher unbefriedigend gewesen und er und der eifrige Fragesteller entschuldigen sich. Macht doch nichts, mei guanxi.
Anscheinend sind für Chinesinnen nasenblutende Verehrer doch nicht so ganz unsexy, den die Maid und Hackfresse verschwinden ziemlich schnell gemeinsam, warum, kriege ich so schnell nicht mit. Vielleicht will sie seine Wunden pflegen.
Auf dem Weg zum Ausgang meint der Meister, jetzt müsse ich aber sehr dringend an der Ausführung und der richtigen Haltung der einzelnen Positionen von Ying Quan arbeiten, das Grundgerüst stehe ja jetzt. Lilo wird noch mal lobend erwähnt, auf den Fotos von der Kranich- Aufführung habe sie eine sehr gute Haltung. (Für die Sinologen: Der Begriff ist
架子, Jiazi, ziemlich komplex). Ja, bin wild entschlossen.

Nachmittags:

Xiao Lu wird erstmal schadenfroh berichtet, dass Hackfresse sich heute morgen eine blutige Nase geholt hat. Der lacht schallend und ist ganz offensichtlich hoch erfreut. Hackfresse pflegt wohl regelmäßig in der Spielhölle von Mrs. Xiao Lu abzuhängen und ihm dummes Zeug ins Ohr zu drücken, was ihm ordentlich auf den Zeiger geht. Bestimmt käme der auch heute Abend, um ihm was vorzujammern. Xiao Lu meint, Hackfresse wäre wohl eher schlichten Gemütes und habe was an der Klatsche. Was der denn arbeiten würde? Na, nichts. Das sei aber für chinesische Jugendliche ohne Hochschulabschluss nicht ungewöhnlich. Wenigstens ist Xiao Lu´s Göre unter, die verkauft jetzt Kosmetika in einem Kaufhaus.
Nach dem Geläster bin ich gut drauf und freue mich. Diesmal vertiefen wir eine Schrittfolge namens „Lü“, die eigentlich nicht sehr kompliziert aussieht, aber ganz schnelle Gewichtswechsel und Schläge enthält. Also doch sehr kompliziert ist. Xiao Lu will natürlich, dass ich die ganz schnell und mit Fajing laufe, steht hinter mir und zählt mit, ich komme ganz schön ins Schwitzen. Er meint immer, ich soll mir das wie Walzer oder so vorstellen. Hier treffen traditionelle chinesische Trainingstechniken und deutscher Perfektionsdrang aufeinander, von keinem anderen Mann der Welt würde ich es mir gefallen lassen, mit einem Stock gehauen zu werden.
Zwischendurch kommen wir mal auf das Eheleben in unseren jeweiligen Ländern zu sprechen, wurde heute Nachmittag Zeugin eines heftigen Streites, Dinge gingen in der Wohnung über mir zu Bruch und flogen aus dem Fenster. Na ja, im Westen sei es doch üblich, dass die Typen mit ihren Kumpels söffen und anschließend ihre Weiber vertrimmten, meint Xiao Lu. Gott, was zeigen die hier denn im Fernsehen?! Im China sei das nicht so. (Halte ich für ein Gerücht. Vielleicht denkt er, ich sei wegen meines saufenden und prügelnden Ehemannes nach Shanghai geflüchtet?) Todernst sage ich, das sei keineswegs so. In Deutschland würden vielmehr die Weiber ihre Gatten verdreschen und zwar, ohne zu saufen. Das habe ich in Shanghai auch schon öfters beobachtet und sei ganz froh über diese kulturelle Gemeinsamkeit. Xiao Lu wird blass. Nein, nein, nein, stimmt so nicht! (Dazu muss man mal sagen, dass in China die Shanghaier Männer den Ruf haben, unter dem Pantoffel zu stehen). Natürlich sind die Shanghaier Männer jederzeit Herr der Lage. Ja, klar.
Nach der intensiven Korrektur durch Meister Wu heute morgen ist er denn mit Ying Quan auch recht zufrieden und meint, das sei meine beste Form, besser als Taizu. Sehe ich zwar nicht so, aber ich denke, diese Form ist auf dem Weg, meine beste zu werden.
Bald wird hier in Shanghai der Pflaumenregen einsetzen, ein Monat Hitze und ununterbrochen Regen, also kein Training. Bin deswegen etwas traurig, nicht so schlimm, meint Xiao Lu. Dann kommt er halt mal wieder vorbei und wir können Tuishou üben. Auf einmal scheint der Pflaumenregen nicht mehr so unerfreulich. Nächste Woche mal wieder Samstag und Sonntag arbeiten, dafür haben wir dann wegen des Drachenbootfestes drei Tage hintereinander frei. Hoffentlich fängt die Regenzeit nicht gerade dann an.

Zu Hause versuche ich das Jiachang Doufu zu basteln, aber statt hübsch knusprig zu werden schrumpft das Zeug nur. Esse trotzdem auf und habe anschließend Magenschmerzen. Wische meine Bude auf und habe immer noch schwarze Krümel unter den Füßen. Wegen des guten Wetters habe ich Tag und Nacht die Fenster geöffnet und meine Wohnung dreckt schneller ein, als man „Spundekäs“ sagen kann. Habe die Schnauze voll, eines ist klar: Eine Ayi muss her!

Montag, Mai 31, 2010

有的人有什么问题。。。 - Mache Leute haben echt Probleme...

Bei der Google- Suche von „Deutschlandfahne“ und „Shanghai“ stolpere ich über folgenden Beitrag im Shanghai- Forum. Leute, ich kann euch versichern, dass meine beiden deutschen Kollegen und ich uns vor Lachen schreiend auf dem Boden rumgewälzt haben. Der heutige Arbeitstag war gerettet.

Samstag, März 06, 2010

小闯祸 – Kleine Missgeschicke

Metro:
Beschließe, es am ersten Arbeitstag nach den Ferien mal ruhig angehen zu lassen und erst um 9:00 zur Arbeit zu erscheinen. Anscheinend sind wir sowieso die Einzigen, die sich an die offizielle Regelung halten, alle unsere Partner fangen erst Montag oder gar Dienstag wieder an.
In der Mittagspause fragt mich mein Kollege Xianqi, ob ich denn heute morgen auch dumm aus der Wäsche geguckt hätte? Werde hellhörig. Wieso das denn? Na, weil die Betreiber der Metro zeitweise unsere Station in der Quyang Lu dicht gemacht hätten und das auch weiter zu tun gedächten. Wie bitte? Er schickt mir einen Link zu einer chinesischen Nachrichten- Seite. Auf einem Bild sind aufgebrachte Leute vor meiner Metrostation zu sehen. Da die Metro 8 chronisch überlastet ist und die Quyang Lu ein großes Einzugsgebiet hat, wird diese Station ab sofort an Werktagen von 7:20 bis 8:30 dicht gemacht. Wusste keiner. Und ich hatte mich schon über die über Neujahr errichteten massiven Gatter gewundert. Der Volkszorn kocht hoch und über die nächsten paar Tage werden online erbitterte Diskussionen geführt. Die Situation wird heikel, als die ersten Mieter von ihren Vermietern Mietminderungen verlangen. Ich wittere eine Chance auf neue Möbel. Die Stadtverwaltung und die Metrobetreiber lenken schließlich ein: Das sei doch nicht für immer, sondern nur, bis man das Überlastungsproblem in Griff habe. Ja, ja. Wahrscheinlich mal wieder ne Expo- Maßnahme, schließlich fährt die 8 direkt dort hin.
Für mich heißt das, möglichst vor 7:20 in die Station zu hechten. Bin dann zwar schon saufrüh auf der Arbeit, aber egal. Was willste machen. Habe sowieso viel zu tun momentan.

Online- Banking:
Am 01.03. erreicht mich auf dem Weg zu einer Besprechung eine SMS meiner Vermieterin, das Geld sei noch nicht eingegangen. Peinlich, hatte ich doch letzte Woche überwiesen. Zu Hause stellt sich heraus, dass das Geld wieder zurück überwiesen wurde. SMS an Frau Chen, ich bräuchte mehr Details zu ihrem Konto. Das versteht die nicht und die SMS gehen hin und her. Sage ihr schließlich, ich würde morgen jemanden um Hilfe bitten. Dann möchte ich mich aber doch nicht so schnell geschlagen geben. Andere Ausländer können ja hier auch überleben und die sprechen noch nicht mal Chinesisch! Schließlich rufe ich bei der Hotline der BOC an, die mir erklärt, ich müsse die Filiale von Frau Chen angeben. Weitere SMS, schließlich finde ich unter den vielen hundert Filialen der China Agricultural Bank auch die von Frau Chen und überweise das Geld. SMS an Frau Chen mit Vollzugmeldung, ich bitte sie, mir mitzuteilen, ob es geklappt habe? SMS am nächsten Tag, das Geld sei eingegangen. Bin erleichtert und entschuldige mich unterwürfig. Nächstes Mal dann pünktlich.

Zahn/ Klo:
Eine unserer Projektpartnerinnen hat uns aus ihrer Heimat lecker geröstete Haselnüsse mitgebracht. Noch in Schale, die aber mit einer Sollbruchstelle versehen ist. Wenn ich einem nicht widerstehen kann, so sind das geröstete Haselnüsse. Und für Ferrero Küsschen würde ich fast alles tun.
Feierabends fragen mich meine Kollegen, ob ich mit zu Ikea kommen wolle, da sei Schlussverkauf. Ach nee, lieber noch was fertig machen. So verlockend der Gedanke auch ist.
Kaum haben meine Kollegen das Büro verlassen, beiße ich herzhaft auf eine Nuss. Eine Erschütterung geht durch meinen Oberkiefer und zusammen mit der Schale fliegt mein halber Schneidezahn weg. Bin so geschockt, dass mir der Kreislauf wegbricht. Das hier ist das absolute worst- case Szenario, dass ich mir ausmalen kann. Zahnarztbesuch in China! Matthew fragt ganz besorgt, ob ich zur Notaufnahme wolle? Aber da würde man mir den Zahn wahrscheinlich gleich ziehen. Jetzt bin ich wirklich fast vorm Durchdrehen. Nichts da, hatte vorsichtshalber für solche Fälle schon mal eine Privatklinik ausgespäht. Dass ich die so schnell in Anspruch würde nehmen müssen, hatte ich allerdings nicht vermutet. Jetzt um 19.00 ist natürlich keiner mehr da und Matthew versucht mich galant zu trösten: Die meisten Chinesen hätten schlechte Zähne, da würde mein kleiner Makel nicht weiter auffallen. Und im übrigen seien Mädels mit Zahnlücken doch niedlich. Mag sein. Aber Mädels ohne Vorderzahn nicht. Torkele nach Hause und werde in der Metro fast ohnmächtig.
Matthew macht am nächsten Tag für mich einen schnellen Termin in der Zahnklinik klar. Kann kaum reden, vor allem nicht auf englisch, weil meine Zunge beim „th“ durch die Zahnlücke gleitet. Keine Ahnung, was mich dieser Spaß kosten wird, meine Versicherung wird das wohl auch nicht bezahlen, da die für zahnärtzliche Leistungen eine Wartezeit haben. Alles egal. Kriege den Tag rum und eile nach Hause, möchte mich einfach nur auf dem Sofa einrollen und abhängen.
Decke mich bei Carrefour mit den Grundbestandteilen der chinesischen Küche ein und ordere bei Abendbrot fürs Wochenende leckere Happen, spüle ab und möchte ins Bett- Klo verstopft. Hatte so was schon befürchtet und immer mal wieder nach einem Pümpel Ausschau gehalten- Gibt es hier nicht. Jetzt habe ich die Bescherung. Klar ist: Mit einem Pümpel erzeugt man ein Vakuum, muss doch mit einer Plastikflasche auch gehen. Grabbele aus meinem Müll eine leere Saftflasche. Einfach nur Druckluft aus der Flasche in den Abfluss blasen hilft nichts, säge schließlich den Flaschenboden ab, um eine größere Oberfläche zu haben und pumpe munter drauf los. Bald rülpst der Abfluss träge. Pumpe wie eine Verrückte, die Flasche faltet sich schnell ziehharmonikaartig zusammen und ich hänge bis zu den Unterarmen in der Brühe. Schließlich ein heftiges Gurgeln und der Abfluss ist frei. Die versaute Flasche wird entsorgt. Unser Müll hier wird regelmäßig von mittellosen Leuten nach recycelbaren Materialien durchwühlt, habe wegen der Flasche ein leicht schlechtes Gewissen. Egal, wegen der Müllsammler werde ich sie ganz sicher nicht desinfizieren.

Strom:
Schmeiße Freitag Morgen den Föhn an und auf einmal geht in der gesamten Bude das Licht aus. Mist. Mache mir aber nicht weiter Gedanken, muss auch zur Arbeit und zum Zahnarzt.
Dr. Wang leistet hervorragende Arbeit und ich bezahle für diesen kleinen Spaß umgerechnet 140,- €. Auch egal, dann gibt es halt erstmal keine neuen Klamotten. Und gut zu wissen, dass es hier kompetente Zahnärzte gibt.
Komme abends nach Hause und habe immer noch keinen Strom. Anruf beim jungen Ji, der mir Anweisungen gibt. Ich will wissen, wo die Hauptsicherung ist, irgendwie reden wir aneinander vorbei. Kreische schließlich völlig entnervt ins Telefon, es würde nichts funktionieren, woraufhin Ji sich schleunigst herbemüht. Entschuldige mich für den Ärger, den ich verursache und für den verspäteten Mieteingang. Auch Ji kriegt keinen Saft in die Hütte, das Elektrizitätswerk wird angerufen. Ziemlich schnell erscheint auch ein freundlicher Herr im Overall, der die Hauptsicherung ausbaut, von einer Drahtrolle ein Stück abknipst, dieses in die Sicherung fummelt und sie anschließend wieder einsetzt. Der Hauptschalter wird umgelegt und siehe da: Ich habe wieder Strom! Bin glücklich, denn ich habe mich schon das Wochenende in einem Hotel verbringen sehen. Ji schreibt mir für alle Fälle mal die Notfallnummer der Elektrizitätswerke und ein paar Phrasen auf, meint aber, so ein Fall sei äußerst selten. Na, hoffen wir das mal!
Als ich mir Samstag Morgen die Haare föhnen will, passiert genau das gleiche. Gibt es doch gar nicht! Rufe also die angegebene Nummer an und schaffe es immerhin, meine Adresse, Stockwerk und Appartementnummer fehlerfrei durchzugeben und die aufgeschriebenen Phrasen anzubringen. Die Dame am anderen Ende der Leitung hat noch Detailfragen, die ich allerdings nicht verstehe und somit nicht beantworten kann. Schließlich stellt sie fest, ich sei Ausländer, richtig? Wie hat sie das nur gemerkt! Bin in großer Sorge, dass mein Anliegen vielleicht nicht verstanden wurde, aber nach knapp 20 Minuten klopft ein Fachmann an meine Tür und tauscht wieder die Drähte aus. Verrückt. Ob das am Föhn liegt? Werde morgen für alle Fälle mal einen neuen kaufen.

Dienstag, Januar 19, 2010

Verpennt

17.01.2010, Sonntag

Vormittags:

Verschlafe natürlich prompt und springe ungeduscht in meine Klamotten. Aber die neue Thermoskanne wird natürlich noch hastig befüllt. Komme eine halbe Stunde zu spät in den Park, wo der Meister mit Xiao Lu schon Schrittfolgen für Fortgeschrittene übt. Die darf ich auch gleich mitturnen. Etwas später erscheinen auch Jeremy und Locke mit einem Kumpel, diese beiden beschränken sich allerdings nur aufs Zuschauen, quatschen und Rauchen. Der Meister und Jeremy machen Tui Shou, mir wird von Xiao Lu die Schrittfolge und ein weiterer Teil von Ying Quan beigebracht. Meine Thermoskanne wird bewundert.
Die Sonne strahlt, es wird wärmer, was für ein wundervoller Tag.
Wir üben fröhlich vor uns hin, als plötzlich auch das Mädel auftaucht, zu dem ich letztes Jahr so zickig war. Das arme Ding steht am Rand, versucht ein wenig mitzumachen und wird von allen weitestgehend ignoriert. Xiao Lu zischt mir zu, er werde sie unter keinen Umständen unterrichten. Mir tut das Mädel ziemlich leid, aber ich bewundere ihre Hartnäckigkeit. Wenn die das seit Oktober jeden Sonntag so macht- Chapeau! Ich hätte von dieser Macho- Bande schon längst die Schnauze voll gehabt.

Nachmittags/ Abends:

Schmeiße mich in Gammelklamotten und falle ein paar Stunden in totenähnlichen Schlaf. Irgendwann musste die Zeitverschiebung mich ja einholen. Trotz des Super- Wetters habe ich keine Lust, vor die Hütte zu gehen, lieber hänge ich ab, denn ich will morgen ja fit sein.
Der Tagespresse entnehme ich, dass der Shanghaier Zoo die größte Tigergruppe auf dem chinesischen Festland hat. Na, dann muss ich da aber unbedingt mal hin! Fehlt noch auf meinem touristischen Programm.
Des weiteren ist zu lesen, dass ab dem 1. November (also pünktlich nach dem Schluss der Expo) hier eine Volkszählung durchgeführt werden soll, in der auch die in Shanghai lebenden Ausländer erfasst werden sollen. Klasse, dann kann ich mich also auf den Besuch eines Volkszählungsgenossen einstellen. Wird bestimmt lustig.
Da ich mich die letzten beiden Tage so gesundheitsbewusst ernährt habe, fresse ich eine Tüte Chipse und gehe früh ins Bett.

Samstag, Januar 16, 2010

Karnevalsverein

Überraschenderweise überträgt CCTV 5 das "Spitzenspiel" zwischen Mainz 05 und Bayer Leverkusen. Mit Entsetzen muss ich mit ansehen, wie unser Fußballteam geschlachtet wird und zur Halbzeit 3:1 zurückliegt. Und bis auf das gelegentliche "piaoliang" bei guten Aktionen und "Meiyinci" kann ich herzlich wenig der chinesischen Kommentare verstehen. Noch nicht mal die Namen unserer Spieler. Und sowas wird auch noch im Ausland gesendet, was soll man denn jetzt von unserer wunderbaren Stadt denken?! Mitunter lachen die Kommentatoren auch noch hämisch.
In der 67. Minute schließt Bungert zum 3:2 an, hier im Fernsehen sah das nach Handspiel aus. Mittlerweile ist es hier Mitternacht, wollte eigentlich früh ins Bett, um morgen im Training fit zu sein, aber jetzt muss ich weiterschauen.
Das wird dann vermutlich die dümmste Ausrede für schlechte Trainingsleistung aller Zeiten: "Ich bin heute unfit, weil ich unbedingt bis in die Puppen meinem Team beim Verlieren zuschauen musste". Ja, das werden die Jungs ganz sicher verstehen. Mittlerweile steht es 4:2 gegen Mainz.

Freitag, Februar 20, 2009

Fußball ist ein Spiel mit 22 Spielen und Mainz 05 gewinnt an Fastnacht nie

Leibhaftige Zeugin dieser traurigen Wahrheit wurde ich am Samstag, dem 25.02.2006, als ich karnevalistisch gewandet von der VIP- Tribüne aus fassungslos das grandiose 2:0 Scheitern unserer Mannschaft gegen den 1. FC Kaiserslautern ansehen musste. Naja, die Karten waren geschenkt und wenigstens konnten wir uns ordentlich im VIP- Bereich sattfressen und -saufen. Ich erinnere mich immer noch voller Rührung an den vor mir sitzenden älteren Herren im vornehmen Mantel mit Pelzkragen und Narrenkappe, der so hemmungslos seinen Gefühlen nach jedem Tor freien Lauf ließ.
Am heutigen Fastnachtsfreitag deklassiert mein Verein Hansa Rostock zu Hause 3:1. In der Stadt brennt die Luft.
Helau!

Samstag, Januar 31, 2009

Alte Kamellen

Da Xiaomo momentan in einem Anfall von sentimentaler Nostalgie Schoten aus dem Netz- Mittelalter veröffentlicht, möchte ich auf einen Dialog verweisen, den selbst ich noch nicht kannte , gefunden auf dem "Mainz Daily Photo" an Wortwitz in nichts nachstehendem "You must be from far away" blog: Danke, JB!
Meine tiefen Gefühle nach jahrelanger Arbeit mit denselben gegenüber Apple- Rechnern hingegen bringt dieser Klassiker trefflich zum Ausdruck:


Dienstag, Dezember 09, 2008

Verkacken #5

Meinen schalkhaften Chinesisch- Mitschülern (und anderen schadenfrohen Zeitgenossen) sei folgendes blog empfohlen: Hanzi Smatter.

Es ist dem Missbrauch chinesischer Schriftzeichen in der westlichen Kultur gewidmet. Neben völlig sinnfreien Aufdrucken auf Textilien, Dekorationsartikeln etc. sind vor allem schauerlich missglückte Tätowierungen zu bewundern, deren bedauernswerte Träger für alle Ewigkeiten durch diese Entstellung Hohn und Spott preisgegeben sind. Merke: Finger weg von fremden Sprachen, vor allem, wenn man ihrer nicht mächtig ist.
Die Schriftzeichen in nebenstehendem Bild bedeuten übrigends "Süß- saures Fleisch".

Montag, Oktober 13, 2008

Auszeit

13.10.08, Montags

Vormittags:

Hechtrolle aus dem Bett, Stefanie dürfte in diese Minuten landen, bin schon ganz aufgeregt. Trabe in den Park, unterwegs entdecke ich einen Laden für Architektur- Fachbücher, habe allerdings keine Zeit, mir den genauer anzuschauen, eine Aufgabe für die nächsten Tage. Xiao Lu ist nicht da, dafür aber Rose und der Ami, Judd, scheint ganz in Ordnung zu sein. Oskar hat seine Festplatte mitgebracht und leiert mir ein paar Videos auf den Rechner, wie nett. Die Gelegenheit, dass jemand da ist, der hinreichend Chinesisch spricht und übersetzen kann, wird von Meister Wu zu einer ausgiebigen Theoriestunde genutzt, der auch mindestens 15 Chinesen ergriffen lauschen, natürlich auch unser Shaolin- Freund, der Geheimnisse zu erhaschen hofft. Ich nutze die Gelegenheit, mich noch mal für mein gestriges Versagen zu entschuldigen. Wie ich herausbekomme, hat sich Xiao Lu das mindestens genauso zu Herzen genommen wie ich. In ein paar Jahren soll er selber unterrichten, ich bin jetzt sozusagen der Testballon und deswegen setzt er viel Ehrgeiz und Hoffnungen in mich, um sich zu beweisen. Gestern gab es wohl schon eine etwas längere Besänftigungsnummer zwischen dem Meister und ihm, heute werde ich dann beruhigt. Meister Wu sagt, als er angefangen habe, zu unterrichten, sei er genauso gewesen und könne uns beide verstehen, das sei halt ein Prozess, den sowohl Xiao Lu als auch ich jetzt durchlaufen müssten und Xiao Lu solle mich auf jeden Fall weiter unterrichten. Und er sehe durchaus die Fortschritte, die ich gemacht habe. (Was die hinter meinem Rücken so erzählen, weiß ich allerdings nicht). Ich fühle mich geehrt, für würdig genug befunden worden zu sein, Xiao Lus allererste Schülerin zu sein und gedenke, mich jetzt noch mehr anzustrengen. Schon lustig irgendwie: Ich war die erste westliche Frau, mit der er jemals ein Wort gewechselt hat, der er zugeprostet hat, das ist drei Jahre her , jetzt sind wir trotz mangelnder Sprachkenntnisse Freunde und ich seine Schülerin. Das habe ich mir damals auch nicht ausgemalt, als ich ihn bei unserer ersten Begegnung auf dem alten Trainingsgelände durch den Park geschubst habe. In der Regel ist hier die Bindung zwischen Meister und Schüler lebenslang, auch wenn ich mich nicht den üblichen Ritualen unterworfen habe und Xiao Lu noch kein Meister ist, bin ich mal gespannt, denn er wird für immer einen Platz in meinem Herzen haben.
Der Meister hat extra eine Pratze mitgebracht, da macht Schläge üben mehr Spaß. (Ja, Lilo, wir werden fragen, wo es die gibt und welche mitbringen, wenn wir noch Platz im Koffer haben). Bei den Lines stehe ich supertief, die Line, die ich nicht kenne nimmt Oskar extra auf Video auf, damit ich in Deutschland eine Gedächtnisstütze habe, das finde ich sehr rücksichtsvoll von ihm und bedanke mich herzlich. Mittlerweile hat Stefanie auch ihren Kram geregelt und mich angerufen, beschwingt eile ich ins Gästehaus zurück.

Nachmittags/ Abends:

Xiao Lu habe ich zwar schon vorgestern wegen Stefanies Ankunft das Training abgesagt, trotzdem Anruf und Gebrüll ins Mobilfon bei mieser Verbindung, während wir im Aufzug stehen. Stefanie wird erst mal mit der Buslinie 18 vertraut gemacht und ist erwartungsgemäß begeistert. Wir speisen nach alter Sitte im Vegetarian Lifestyle und auf dem Weg zurück ins Zentrum erwerbe ich netten Modeschmuck und eine kitschige kleine Porzellankatze, die ich noch herunterhandele, nach einer Woche Intensivtraining habe ich erhöhten Shoppingbedarf. Und natürlich statten wir auch dem Museum for Contemporary Art (MOCA) einen Besuch ab, beschränken uns allerdings nur auf einen Besuch des Shops, die Ausstellung werden wir uns zu einem anderen Zeitpunkt zu Gemüte führen. Kauf eines T- Shirts der Marke „In Shanghai“, auch das hat einfach Tradition. Brillanterweise schaffe ich es, meine Bankkarte durch dreimalige Eingabe der falschen PIN zu sperren, jetzt muss ich wohl zu der Filiale der Deutschen Bank nach Pudong, um das wieder zu richten. Klasse, ich Trottel. In der Fuzhou Lu versorgen wir uns noch mit aktuellen Stadtplänen (in einer derartig schnelllebigen Stadt braucht man jedes Jahr einen neuen) und treffen uns anschließend mit Kerstin im Barbarossas zum traditionellen Happy Hour Willkommensgetränk. Vor Barbarossas macht eine nette Schweizerin Erinnerungsfotos von uns, eigentlich völlig albern. Bus zurück ins Gästehaus, Absacker, morgen um 8.20 Treffen in der Lobby wegen Fahrt zum Park zwecks Training, Schlafenszeit. Meine Hosen fangen schon wieder an, um meine Beine zu flattern, muss mehr essen.