Samstag, März 06, 2010

小闯祸 – Kleine Missgeschicke

Metro:
Beschließe, es am ersten Arbeitstag nach den Ferien mal ruhig angehen zu lassen und erst um 9:00 zur Arbeit zu erscheinen. Anscheinend sind wir sowieso die Einzigen, die sich an die offizielle Regelung halten, alle unsere Partner fangen erst Montag oder gar Dienstag wieder an.
In der Mittagspause fragt mich mein Kollege Xianqi, ob ich denn heute morgen auch dumm aus der Wäsche geguckt hätte? Werde hellhörig. Wieso das denn? Na, weil die Betreiber der Metro zeitweise unsere Station in der Quyang Lu dicht gemacht hätten und das auch weiter zu tun gedächten. Wie bitte? Er schickt mir einen Link zu einer chinesischen Nachrichten- Seite. Auf einem Bild sind aufgebrachte Leute vor meiner Metrostation zu sehen. Da die Metro 8 chronisch überlastet ist und die Quyang Lu ein großes Einzugsgebiet hat, wird diese Station ab sofort an Werktagen von 7:20 bis 8:30 dicht gemacht. Wusste keiner. Und ich hatte mich schon über die über Neujahr errichteten massiven Gatter gewundert. Der Volkszorn kocht hoch und über die nächsten paar Tage werden online erbitterte Diskussionen geführt. Die Situation wird heikel, als die ersten Mieter von ihren Vermietern Mietminderungen verlangen. Ich wittere eine Chance auf neue Möbel. Die Stadtverwaltung und die Metrobetreiber lenken schließlich ein: Das sei doch nicht für immer, sondern nur, bis man das Überlastungsproblem in Griff habe. Ja, ja. Wahrscheinlich mal wieder ne Expo- Maßnahme, schließlich fährt die 8 direkt dort hin.
Für mich heißt das, möglichst vor 7:20 in die Station zu hechten. Bin dann zwar schon saufrüh auf der Arbeit, aber egal. Was willste machen. Habe sowieso viel zu tun momentan.

Online- Banking:
Am 01.03. erreicht mich auf dem Weg zu einer Besprechung eine SMS meiner Vermieterin, das Geld sei noch nicht eingegangen. Peinlich, hatte ich doch letzte Woche überwiesen. Zu Hause stellt sich heraus, dass das Geld wieder zurück überwiesen wurde. SMS an Frau Chen, ich bräuchte mehr Details zu ihrem Konto. Das versteht die nicht und die SMS gehen hin und her. Sage ihr schließlich, ich würde morgen jemanden um Hilfe bitten. Dann möchte ich mich aber doch nicht so schnell geschlagen geben. Andere Ausländer können ja hier auch überleben und die sprechen noch nicht mal Chinesisch! Schließlich rufe ich bei der Hotline der BOC an, die mir erklärt, ich müsse die Filiale von Frau Chen angeben. Weitere SMS, schließlich finde ich unter den vielen hundert Filialen der China Agricultural Bank auch die von Frau Chen und überweise das Geld. SMS an Frau Chen mit Vollzugmeldung, ich bitte sie, mir mitzuteilen, ob es geklappt habe? SMS am nächsten Tag, das Geld sei eingegangen. Bin erleichtert und entschuldige mich unterwürfig. Nächstes Mal dann pünktlich.

Zahn/ Klo:
Eine unserer Projektpartnerinnen hat uns aus ihrer Heimat lecker geröstete Haselnüsse mitgebracht. Noch in Schale, die aber mit einer Sollbruchstelle versehen ist. Wenn ich einem nicht widerstehen kann, so sind das geröstete Haselnüsse. Und für Ferrero Küsschen würde ich fast alles tun.
Feierabends fragen mich meine Kollegen, ob ich mit zu Ikea kommen wolle, da sei Schlussverkauf. Ach nee, lieber noch was fertig machen. So verlockend der Gedanke auch ist.
Kaum haben meine Kollegen das Büro verlassen, beiße ich herzhaft auf eine Nuss. Eine Erschütterung geht durch meinen Oberkiefer und zusammen mit der Schale fliegt mein halber Schneidezahn weg. Bin so geschockt, dass mir der Kreislauf wegbricht. Das hier ist das absolute worst- case Szenario, dass ich mir ausmalen kann. Zahnarztbesuch in China! Matthew fragt ganz besorgt, ob ich zur Notaufnahme wolle? Aber da würde man mir den Zahn wahrscheinlich gleich ziehen. Jetzt bin ich wirklich fast vorm Durchdrehen. Nichts da, hatte vorsichtshalber für solche Fälle schon mal eine Privatklinik ausgespäht. Dass ich die so schnell in Anspruch würde nehmen müssen, hatte ich allerdings nicht vermutet. Jetzt um 19.00 ist natürlich keiner mehr da und Matthew versucht mich galant zu trösten: Die meisten Chinesen hätten schlechte Zähne, da würde mein kleiner Makel nicht weiter auffallen. Und im übrigen seien Mädels mit Zahnlücken doch niedlich. Mag sein. Aber Mädels ohne Vorderzahn nicht. Torkele nach Hause und werde in der Metro fast ohnmächtig.
Matthew macht am nächsten Tag für mich einen schnellen Termin in der Zahnklinik klar. Kann kaum reden, vor allem nicht auf englisch, weil meine Zunge beim „th“ durch die Zahnlücke gleitet. Keine Ahnung, was mich dieser Spaß kosten wird, meine Versicherung wird das wohl auch nicht bezahlen, da die für zahnärtzliche Leistungen eine Wartezeit haben. Alles egal. Kriege den Tag rum und eile nach Hause, möchte mich einfach nur auf dem Sofa einrollen und abhängen.
Decke mich bei Carrefour mit den Grundbestandteilen der chinesischen Küche ein und ordere bei Abendbrot fürs Wochenende leckere Happen, spüle ab und möchte ins Bett- Klo verstopft. Hatte so was schon befürchtet und immer mal wieder nach einem Pümpel Ausschau gehalten- Gibt es hier nicht. Jetzt habe ich die Bescherung. Klar ist: Mit einem Pümpel erzeugt man ein Vakuum, muss doch mit einer Plastikflasche auch gehen. Grabbele aus meinem Müll eine leere Saftflasche. Einfach nur Druckluft aus der Flasche in den Abfluss blasen hilft nichts, säge schließlich den Flaschenboden ab, um eine größere Oberfläche zu haben und pumpe munter drauf los. Bald rülpst der Abfluss träge. Pumpe wie eine Verrückte, die Flasche faltet sich schnell ziehharmonikaartig zusammen und ich hänge bis zu den Unterarmen in der Brühe. Schließlich ein heftiges Gurgeln und der Abfluss ist frei. Die versaute Flasche wird entsorgt. Unser Müll hier wird regelmäßig von mittellosen Leuten nach recycelbaren Materialien durchwühlt, habe wegen der Flasche ein leicht schlechtes Gewissen. Egal, wegen der Müllsammler werde ich sie ganz sicher nicht desinfizieren.

Strom:
Schmeiße Freitag Morgen den Föhn an und auf einmal geht in der gesamten Bude das Licht aus. Mist. Mache mir aber nicht weiter Gedanken, muss auch zur Arbeit und zum Zahnarzt.
Dr. Wang leistet hervorragende Arbeit und ich bezahle für diesen kleinen Spaß umgerechnet 140,- €. Auch egal, dann gibt es halt erstmal keine neuen Klamotten. Und gut zu wissen, dass es hier kompetente Zahnärzte gibt.
Komme abends nach Hause und habe immer noch keinen Strom. Anruf beim jungen Ji, der mir Anweisungen gibt. Ich will wissen, wo die Hauptsicherung ist, irgendwie reden wir aneinander vorbei. Kreische schließlich völlig entnervt ins Telefon, es würde nichts funktionieren, woraufhin Ji sich schleunigst herbemüht. Entschuldige mich für den Ärger, den ich verursache und für den verspäteten Mieteingang. Auch Ji kriegt keinen Saft in die Hütte, das Elektrizitätswerk wird angerufen. Ziemlich schnell erscheint auch ein freundlicher Herr im Overall, der die Hauptsicherung ausbaut, von einer Drahtrolle ein Stück abknipst, dieses in die Sicherung fummelt und sie anschließend wieder einsetzt. Der Hauptschalter wird umgelegt und siehe da: Ich habe wieder Strom! Bin glücklich, denn ich habe mich schon das Wochenende in einem Hotel verbringen sehen. Ji schreibt mir für alle Fälle mal die Notfallnummer der Elektrizitätswerke und ein paar Phrasen auf, meint aber, so ein Fall sei äußerst selten. Na, hoffen wir das mal!
Als ich mir Samstag Morgen die Haare föhnen will, passiert genau das gleiche. Gibt es doch gar nicht! Rufe also die angegebene Nummer an und schaffe es immerhin, meine Adresse, Stockwerk und Appartementnummer fehlerfrei durchzugeben und die aufgeschriebenen Phrasen anzubringen. Die Dame am anderen Ende der Leitung hat noch Detailfragen, die ich allerdings nicht verstehe und somit nicht beantworten kann. Schließlich stellt sie fest, ich sei Ausländer, richtig? Wie hat sie das nur gemerkt! Bin in großer Sorge, dass mein Anliegen vielleicht nicht verstanden wurde, aber nach knapp 20 Minuten klopft ein Fachmann an meine Tür und tauscht wieder die Drähte aus. Verrückt. Ob das am Föhn liegt? Werde morgen für alle Fälle mal einen neuen kaufen.

3 Kommentare:

Xiaomo hat gesagt…

Klingt nach einem Wochenende, dass man besser aus dem Kalender streicht...

Anonym hat gesagt…

also auch in Shanghai ist das Leben das Leben.

Flüge hat gesagt…

Oh, da ist wohl alles schiefgelaufen was nur schieflaufen kann. Aber manchmal ist es so. Auf schlechte Zeiten folgen zum Glück auch wieder gute Zeiten.