Dienstag, September 29, 2009

Scheiß- Tag

29.09.2009, Dienstag

Vormittags:

Wache auf und fühle mich, als hätte ich die vergangene Nacht durchgesoffen. Dabei habe ich doch nur brav Tee und O- Saft getrunken. Mein Kopf ist wie mit Watte ausgestopft, mir ist schwindelig und mein rechtes Auge geht auch nicht auf. Scheiße, dieses Programm hatte ich doch schon letztes Jahr! Das darf ja wohl nicht wahr sein. Um 8:00 schleppe ich mich nach unten, nur um festzustellen, dass es leicht regnet. Na klasse, dann ist Xiao Lu sowieso nicht im Park. Also wieder zurück ins Zimmer, vielleicht sagt Meister Wu ja auch ab. Zwischenzeitlich kühle ich das Auge mit Getränkedosen. Als ich bis 8:30 nichts von Meister Wu gehört habe, torkele ich zum Bus und fahre in den Park. Immerhin habe ich es geschafft, eine Kontaktlinse in das Auge zu zwängen, öffnen kann ich es aber immer noch nicht. Gar nicht so leicht, einäugig durch die Gegend zu rennen, vor allem bei dem hiesigen Verkehr. Natürlich ist keiner da, setzte mich auf eine Bank und warte auf den Meister, der dann auch bald kommt. Klar gibt es besorgte Bekundungen wegen des Auges, anhand meines Langenscheid- Sprachführers erkläre ich, das Auge sei nicht entzündet, nur das Lid geschwollen. Ist das gleiche, meint der Meister und ich muss mich hinsetzten, er klatscht mir einen Lappen auf das Auge und fängt an, die Schwellung wegzumassieren. Dann reibt er noch ein paar Mal die Handflächen aneinander und presst sie auf das Auge. Komisch, dachte immer, Schwellungen solle man kühlen. Bei der Aktion schafft er es, mir meine Kontaktlinse rauszurubbeln, ich kann die gerade noch so wieder reinquetschen. Aber erstaunlich, wie sanft die riesigen Pfoten des Meisters sein können.
Einzelstunde, ich lerne drei weitere Einzelbewegungen und darf dann alles bisher Gelernte auf Video aufzeichnen. Klasse! Ansonsten bin ich nicht sonderlich aufnahmefähig, der Meister muss um 11:00 weg, da er noch anderswo unterrichtet. Am Nationalfeiertag kein Unterricht, da er da den Boden in seinem neuen Haus richten will. Auch gut, dann kann ich mich ein wenig unter die feiernde Menge mischen. Es ist unklar, ob der Nachmittagsunterricht stattfindet, der Meister wird das klären.

Nachmittags:

Sauge meine mails aus dem Netz und muss über des Osters Bericht, den mir Georg freundlicherweise täglich zumailt, schmunzeln. Tja, das mit dem An- und vor allem Runterkommen ist so eine Sache und dauert seine Zeit. Auch mir kam es so vor, als sei ich nie hier weggewesen, aber so richtig im vollen Tongbei- Modus bin ich auch noch nicht. Ist auch schwierig, wenn man wie ich fast ein ganzes Jahr ohne Korrektur vor sich hinübt (Yürgen und Lilo waren ja immerhin in kürzeren Abständen bei ihrem Lehrer), da kommt man sich manchmal schon vor wie im freien Fall. Zu diesem Thema hatte Oskar einen überraschend klugen Vergleich: Er meinte, das sei wie ein Haarschnitt, mit der Zeit würde alles wild durcheinander wachsen, dann müsse man halt zum Friseur und das richten lassen.
Falle auf das Bett und versinke zwei Stunden in komatösen Schlaf.
Als ich aufwache, ist das Auge wieder etwas mehr zugeschwollen und ich bin immer noch total bedröhnt. Keine Nachricht von Meister Wu, fahre in den Park und warte. Modischen Firlefanz schenke ich mir, muss ja mit diesem Auge nicht noch zusätzlich auf mich aufmerksam machen. Mein Mobilfon bimmelt und der Meister brüllt mir irgendwas ins Ohr, ich brülle zurück, ich sei im Park und Xiao Lu nicht da. Der Meister wird bei ihm zu Hause anrufen (Xiao Lu ist der einzige Chinese, den ich kenne, der kein Mobilphon hat), aber da kommt er schon des Weges. Das Auge wird wieder mit Ausdrücken der Anteilnahme bedacht. Hatte eigentlich vorgehabt, Xiao Lu im Scherz zu erzählen, ich habe bei den Anwendungen ein paar in die Fresse gekriegt, lasse das aber lieber bleiben. Als erstes darf ich mal hübsch alle Schrittkombinationen in einem Stück und natürlich schön tief laufen, stelle mich nicht sehr geschickt an. Bei der Form klappt es dann besser, hoffentlich kann ich mir das auch merken. Dong Bao Quan muss ich auch noch vorturnen, Xiao Lu ist eigentlich ganz zufrieden und freut sich, dass ich nichts vergessen habe. Aber selbstverständlich ist hier an vielen Stellen Detailarbeit zu leisten. Es fängt zu regnen an, ich habe Kopfweh und wir machen noch ein wenig Push- Hands. Xiao Lu muss sich „Keine wie du" von Laith al Deen anhören und findet das auch sehr schön, anschließend schenkt er mir ein Einweg- Regencape. Süß.
Nach Ausgehen ist mir nicht zumute, also Käsecräcker im Hotelzimmer. Bin müde und schlapp, besser mal früh ins Bett gehen.

Montag, September 28, 2009

Business as usual

28.09.2009, Montag

Vormittags:

Erstmal ganz herzlichen Dank an Georg für die Übermittlung der Wahlergebnisse (Schwarz- Gelb? Araagh!) und des Posts von Yürgen. (Kann mich Lilo nur anschließen: Typisch. Ich frage mich, wann der Tag kommt, an dem der Oster seinen Kopf nicht mehr findet). Stefanie schreibt mir, dass es noch ein Kranich- Shirt in L für Xiao Lu gibt und sie das schon bei Lilo abgeholt hat und mitbringen wird. Bestens, danke, Mädels!
Entgegen der Vorhersage herrscht gutes Wetter und Xiao Lu ist auch schon früher im Park zum Aufwärmen. Der Prügelknaben- Knülch von vorgestern gesellt sich dazu und macht ein bisschen mit, beschränkt sich dann aber darauf, schmauchend am Rande zu sitzen und zuzuschauen. Für einen Chinesen ungewöhnlich hat der viele Locken, aber auch eine ordentliche Pläte, was ihn ein wenig wie Krusty der Clown aussehen lässt. Gestern kam Xiao Lu natürlich nachmittags in den Park, der Meister hat ihn zu spät angerufen, das tut mir leid. Ich erzähle ihm freudestrahlend die Sache mit dem Shirt, er bedankt sich artig.
David, der Australier und Oskar erscheinen auch zum Training. Mist, dann wird natürlich ganz anders geübt, nämlich super viele Einzelbewegungen und Kombinationen, ebenso Schrittfolgen. Und das in sehr schneller Abfolge, kann ich mir natürlich nicht merken. Egal, ich mache halt einfach mit. Oskar bemerkt meine Verwirrung, reißt seine Videokamera aus dem Rucksack und bedeutet Meister Wu wort- und gestenreich (Chinesisch spricht er immer noch nicht), er möge das doch bitte wiederholen, damit er es für mich filmen könne. Ist mir zwar etwas peinlich, aber das finde ich sehr nett von Oskar. In einer Pause erzählt mir Xiao Lu, er habe einen Fernsehbericht über unsere Wahlen gesehen (er kennt sogar den Namen unserer Kanzlerin), außerdem den mit den Terrordrohungen. Darüber war er ziemlich besorgt. Keine Ahnung, was die hier im Staatsfernsehen erzählt haben, aber die Bilder waren ziemlich bedrohlich. Lockenköpfchen bringt sich ein und meint, er würde gerne mal nach Haidebao in Deutschland, da sei es so schön. Häh? Dann fällt bei mir der Groschen: Ach ja, Heidelberg. Die Schönheit deutscher Landschaften wird von mir schamlos gepriesen. Oskar und David sind der Meinung, man solle außer Gongfu noch einen Ausgleichsport machen, so spielt Oskar Basketball und David schwimmt, wie er Xiao Lu und dem Lockenkopf auf chinesisch erklärt. Ob Xiao Lu denn schwimmen könne? Nein, nie gelernt. Krass. Um auch etwas zu diesem Gespräch beizutragen, erzähle ich Xiao Lu, dass Stefanie gerade mit dem Bauchtanzen angefangen habe. Ah, interessant, er schlängelt sich ein wenig vor mir hin und her um zu zeigen, dass er das kennt. Übermütig schlage ich vor, ich könne sie ja fragen, ob sie mal für ihn tanzt, woraufhin er rot wird und schamhaft kichernd die Hand vor den Mund hält. Anscheinend dann doch zu erotikgeladen für die hiesigen Verhältnisse. Der Meister hat seinen Tee vergessen (vorgestern waren es die Trainingshosen), vielleicht kann er ja mit dem Oster eine Selbsthilfegruppe gründen.
An der Form wird dann auch noch gearbeitet und Xiao Lu muss irgendeine sehr komplizierte Schrittfolge aus entweder einer anderen Form oder irgendeiner Kombination vorturnen. Für mich sieht das irre elegant und zackig aus, aber der Meister findet das schlecht ausgeführt. Warum das so ist, kapiere ich zwar nicht ganz, aber es ist interessant zuzusehen, wie so eine Granate wie Xiao Lu korrigiert wird. Oskar wird mir die Videos Mittwoch mitbringen, heute Nachmittag treffe ich mich wieder mit Xiao Lu. Sehr fein.

Nachmittags:

Heute Mittag ist das Panda- Shirt an der Reihe, kann es gar nicht erwarten, das Xiao Lu vorzuführen. Der schüttet sich dann auch vor Lachen aus, liest den Text und kriegt noch mal Lachanfälle. Mist, ich glaube, ich muss das mal übersetzen, bevor ich hier weiter damit rumlaufe.
Habe ihm die letztes Jahr aufgenommenen Videoclipse auf USB- Stick mitgebracht, er hat einen MP 3- Spieler dabei und zeigt mir seine. Cool.
Ich bitte ihn, mit mir die gestern erlernten Schrittfolgen zu wiederholen und darf die auch auf Video aufnehmen. Anschließend wird an der Form weitergearbeitet, meine Güte, was habe ich mir denn da für Kompliziertes ausgesucht! Ich habe diese Form schon ein paar Mal gesehen und fand die ganz hübsch, diese ganzen Details hatte ich gar nicht mehr so in Erinnerung. Aber schön viele Tritte, fiese Schläge und tiefe Stände, cool. Jedenfalls schenke ich mir nichts und arbeite verbissen, während sich Xiao Lu mit einer alten Dame unterhält, die zu dieser Zeit neben uns immer eine Stunde Qigong übt. Als kleinen Appetithappen zeigt er mir dann noch das Programm für morgen, da gibt es denn Armgewickel und noch mehr Tritte. Geil! Zum Glück ist diese Form nicht so lang (deswegen wollte ich sie ja auch lernen), dann kann man noch Feinarbeit leisten. Xiao Lu meint, ich könnte sie ja dann Lilo und Stefanie vorführen, wenn die kämen. Ja, so hat dann jeder was zum Vorführen.
Beim Umziehen patscht er sich wieder auf seinen Bauch, meint, er sei zu fett und nicht schön anzuschauen und hält sich kichernd seinen Fummel vor die Plautze. (Bloß gut, dass ich ihm aus Deutschland pfundweise Schokolade mitgebracht habe.) Außerdem weist er auf die fehlende Körperbehaarung chinesischer Männer hin. (Heute morgen hatte David beim Umziehen einen üppigen Pelz auf Brust und Rücken sowie eine farbenfrohe Tätowierung am Oberarm offenbart. Die fanden der Meister und er wohl nicht so geil, aber das Fell wurde mit Gekreische kommentiert). Ich versichere ihm, dass ich seinen Körper schon sehr sexy fände und auf Behaarung nicht so stünde, das macht ihn anscheinend stolz. Seinen Lieblingstitel ( eine koreanische Sängerin) dudelt er mir dann auch noch vor, den finde ich sogar überraschend schön. Dachte ja, wir würden uns nie annähern, was Musik angeht. Morgen werde ich ihm mal was vorspielen, was ihm gefallen könnte, vielleicht Laith al Deen oder so.
Auf dem Campus ist vor dem Auditorium die Hölle los, vielleicht üben die ja für den Nationalfeiertag. An allen öffentlichen Gebäuden prangen rote Transparente, die die Errungenschaften der Kommunistischen Partei preisen und die Straßen sind mit Fähnchen geschmückt. Im Fernsehen werden die tapferen Soldaten der Volksbefreiungsarmee gezeigt, die für die Böllerschüsse (natürlich 60) und die Paraden üben. Hatte mir das schlimmer vorgestellt, aber hier in Shanghai wird die komplette Innenstadt gesperrt, der Bund sowieso. Feuerwerk wird es natürlich auch geben, aber ich glaube, ich werde es mir schenken, das in der Stadt anzuschauen. Von hier habe ich ja einen Logenplatz.
Im Zimmer wird erst mal bis zum Abwinken die Form wiederholt, während der dreckstarrende Fummel einweicht. Hatte eigentlich vor, zu Pizza- Hut zu tigern und mir ein Bier und Pizza einzuverleiben, chatte aber dann doch lange mit Ali, der mir Auszüge aus Zeitungsartikeln sendet und fresse dabei eine Tüte Chipse. Bin jetzt doch zu faul, noch mal vor die Hütte zu gehen, lieber hier noch ein wenig rumgammeln.

Sonntag, September 27, 2009

Neue Bekanntschaften

27.09.2009, Sonntag

Vormittags:

Bin wieder früher im Park, leider kein Xiao Lu da. Na gut, dann schaue ich halt den anderen Übenden zu, schon interessant, wie viele Schwertformen es gibt.
Ich bin die einzige, die heute zum Training erschienen ist, also eine Einzelstunde beim Meister. Unbezahlbar. Er will mir pro Tag zwei Einzelbewegungen und die dazugehörigen Schrittfolgen beibringen, das ist eine sehr vernünftige Idee, finde ich. So hatte ich mir das auch vorgestellt. Natürlich wird mir das auch alles systematisch aufgeschrieben. (Werde mir bald ein neues Heft kaufen müssen). Für mich sehr wichtig, dann kann ich mir das wesentlich besser merken. Als wir den ersten Teil der Form üben, schaut uns eine Dame zu und kreischt anschließend irgendwas in Shanghainese: Der Meister übersetzt, die fand mich wohl ziemlich gut. Ich winke ab und sage, er sei halt ein sehr guter Lehrer. Die Dame zeigt ungeniert mit dem Finger auf mich und stellt Meister Wu Fragen beziehungsweise äußert weitere Kommentare, aber das wird mir leider nicht übersetzt. Von Mian Zhang ist er erwartungsgemäß nicht sonderlich angetan, die Anfangsbewegung ist auch sauschwer, da werde ich ordentlich dran arbeiten müssen. Xiao Lu wird er ausrichten, dass ich heute Nachmittag was vorhabe, dann kann der arme Kerl mal entspannen.

Nachmittags/ Abends:

Statt mich aufs Ohr zu legen, mache ich mir es mit einer Nudelsuppe vor dem Rechner bequem und versuche, des Meisters Kritzeleien entziffern und zu systematisieren. Mir wird dabei einiges klar, aber da kommt noch viel Arbeit auf mich zu. Schnell gehen drei Stunden vorbei, wird bald Zeit, in die Stadt zu fahren. Ich sehe, dass der Oster seinen ersten Post veröffentlicht hat, aber mittlerweile wird mir im Google Reader nicht mal mehr die Vorschau angezeigt. Falls vielleicht irgendjemand so nett seien könnte, mir das zu mailen, wäre ich nicht undankbar.
Fahre mit dem Bus in die Stadt, im Fernsehen läuft ein Beitrag über die Wahlen in Deutschland und irgendwas über Terrordrohungen, schwer bewaffnete Bullen vor dem Oktoberfest sind zu sehen. Gott, ist das alles weit weg.
Auf die Nanjing Lu und Buchläden habe ich nicht so Lust, also laufe ich durch den Volkspark in Richtung Lifestyle. Im Park ist ja wie jedes Wochenende Heiratsmarkt, immer sehr interessant. Tatsächlich labert mich ein kleiner krötiger Typ an, behauptet, er sei Englischlehrer und will mich auf einen Drink einladen. Ach nee, vielen Dank. So offensiv kannte ich das bis jetzt noch nicht.
Den Klamottenladen finde ich auf Anhieb und laufe fast Amok. Hätte mich dumm und dusselig kaufen können, bescheide mich dann aber mit drei Shirts (unter anderem das im „China rockt #3" Post abgebildete mit dem Panda, das mit der Schnalle, die abgeknallt wird, war mir dann doch zu hart) und eine im Preis reduzierte coole Tasche. Dieses Panda- Shirt passt farblich exakt zu meinen Übungshosen, kann es gar nicht erwarten, es Xiao Lu vorzuführen. Dem fallen bestimmt die Augen aus dem Kopf. Angesichts solcher Großeinkäufe gibt es gratis noch einen Schlüsselanhänger und eine flotte Sacktasche für die erworbenen Waren. Das wird nicht mein letzter Besuch gewesen sein.
Da ich ungewohnt entschlussfreudig war, bin ich viel zu früh dran und tigere befriedigt über meine Einkäufe noch ein wenig durch die Gegend. Ach ja, Frauen sind ja so leicht zu beglücken.
Tori kommt eine halbe Stunde zu spät, da sie im Stau steckt, setze ich mich schon mal ins Lokal. Erfreut sehe ich, dass meine Lieblingsnudelsuppen wieder zu haben sind, also kann ich meine Lebensmittelvorräte aufstocken.
Als Tori dann kommt, verstehen wir uns auf Anhieb gut und sie hat interessante Dinge zu erzählen. (Hatte nach Lilos Schilderungen auch nichts anderes erwartet). Wird bestimmt lustig, wenn die mit Kind und Kegel in Wudang aufschlägt und Lilo und Yürgen besucht.
Das Bestellen überlässt sie dann mir. Die Speisen munden ihr auch, was mich sehr erleichtert. Freundlicherweise lädt sie mich auch noch ein, wäre doch nicht nötig gewesen! Anschließend hamstere ich acht der Nudelsuppen, die restlichen vier sackt Tori als Proviant für die Reise nach Wudang ein und kauft noch weitere Lebensmittel, da sie auf ökologisch korrekte Speisen Wert legt. Finde ich Klasse. Die Wushu- Schule, in der sie trainiert, ist fast um die Ecke, jetzt weiß sie, wo sie sich vor oder nach dem Training eindecken kann. Wenn sie aus Wudang zurück ist, schleife ich sie mal mit zu Meister Wu, das wird bestimmt lustig. Leider wohnt sie ziemlich weit weg, dafür aber schön im Grünen, ein langer Weg.
Fahre mit der Metro nach Hause, unterwegs besorge ich mir den leckeren Sherryartigen Fusel, da ich nach meinem ersten gehaltvollem Essen seit meiner Ankunft das Bedürfnis nach einem Verdauungsgetränk habe.
Wie die Wahlen in Deutschland laufen, interessiert mich ja doch, aber Spiegel online lädt saulangsam, muss dann halt morgen früh mal schauen.

Samstag, September 26, 2009

Nachtrag

Beim Nachmittagstraining hat Xiao Lu ganz interessiert nach Lilo und ihrem bevorzugtem Stil gefragt, ob das denn schön (piaoliang) anzuschauen wäre? Wusste jetzt nicht, ob er den Stil oder Lilos Ausführung desselben meinte, jedenfalls wurde dies von mir selbstverständlich vehement bejaht.
Ob ich denn auch Wudang Taiji üben würde? Nee, natürlich nur Heyi Tongbei und ein wenig Schwert und Fächer. Schade, er hätte das noch nie gesehen und sei sehr neugierig. Auf die Gefahr hin, dass Lilo mir jetzt die Freundschaft kündigt, habe ich entgegnet, dass sie sicherlich sehr gerne bereit wäre, bei ihrem Besuch eine kleine Probe ihres Könnens abzulegen und er das ganz bestimmt hen piaoliang finden würde: Xiao Lu war begeistert.

Chinesische Verhältnisse

26.09.2009, Samstag

Vormittags:

Kaum geschlafen, aber egal. Bin schon um wieder früh im Park, damit ich mich mit Xiao Lu aufwärmen kann. Um ihm meine Versöhnungsbereitschaft zu demonstrieren, habe ich extra die blauen Hosen angelegt und das Gesamtbild mit einem Catwoman- Shirt abgerundet. Sein Geschenk habe ich natürlich auch dabei. (Erwartungsgemäß kommt Catwoman auch granatenstark an).
Um 9:00 trifft der Meister und zu meiner großen Freude auch Herr Si ein, der gute Mann! Ist ganz schön grau geworden seit letztem Jahr, aber immer noch gut drauf. Außerdem kommt noch ein etwas pummeliger junger Mann, der mir als Xiao Xu vorgestellt wird. Heute ist der zum vierten Mal dabei, Meister Wu hatte ihn schon angekündigt. Xiao Xu schüttelt mir freudig die Hand und sagt: „Pleased to meet you", sehr nett. Das heißt also Anfängerprogramm, wofür ich eigentlich sehr dankbar bin, denn so kann ich von der Pike auf lernen. Und gegen Xiao Xu sehe ich natürlich nicht schlecht aus. Xiao Lu übt im Hintergrund seinen Kram beziehungsweise korrigiert einen anderen Knülch, der mittlerweile auch dazugestoßen ist. Aber mir unter die Nase zu reiben, wie Scheiße mein Chinesisch sei, kann er sich dann doch nicht verkneifen. Unverschämtheit! Aber er hat ja leider nicht unrecht.
Mein Buch füllt sich mit Begriffen zu Einzelbewegungen und Trainingsanleitungen, auch der neue Schüler schreibt eifrig mit und hilft dem Meister bei der Pinyin- Umschrift. Ich bin begeistert, so wollte ich schon immer lernen! Dieses Notizbuch wird ein Füllhorn des Tongbei- Wissens.
Für die Päuschen hat Xiao Xu schon Kippen für den Meister bereit gelegt, ich kriege natürlich auch eine. Wie aufmerksam! Irgendwann kommt auch mal ein süßes aufgestyltes Girlie vorbei (bei den Girlies hier sind Hotpants im Moment der letzte Schrei) und schaut zu, geht dann aber wieder weg. Xiao Xu erzählt mir freudestrahlend, das sei seine Freundin und ich sage, die sei aber sehr hübsch. Für dieses Kompliment bedankt er sich freudestrahlend. Nebenan dehnt sich ein Knabe, auf dessen Hemd auf dem Rücken der deutsche Adler prangt und auf dem vorne „Deutschland" geschrieben steht, ich bin entzückt. Das Girlie kommt mit einer Tüte voller Wasserflaschen für die ganze Truppe wieder und verteilt diese. Das ist ja unglaublich. Hier hat man wenigstens noch RESPEKT vor älteren Leuten und Höflichkeit und Anstand im Leib! Davon könnten sich die vorlauten Blagen bei uns mal ne Scheibe abschneiden.
Mittlerweile sind wir zu den Schrittfolgen übergegangen, da fange ich leider wieder an, zu schwächeln. Xiao Lu schießt aus dem Hintergrund auf mich zu und befiehlt mir, mich hinzusetzten, das fällt aber zum Glück nicht weiter auf, da der Meister damit beschäftigt ist, alle 24 Schrittfolgen des Tongbei- Systems in mein Buch zu schreiben und dabei von Xiao Xu und dem Girlie tatkräftig unterstützt wird. Der andere Knülch darf zwischenzeitlich immer mal als Negativbeispiel (nicht locker genug) und Prügelknabe herhalten. Und schon trifft die nächste Gruppe junger Leute ein, zwei Mädels und zwei Typen, die aber gleich auf Xiao Lu losstürmen. Eines der Mädels ist ziemlich groß und sieht ihm ähnlich, wahrscheinlich seine Tochter. Bei dieser Gruppe ist Push- Hands angesagt, erst mal darf einer der Typen ran, während der andere angeberisch sein kurzbehostes Bein auf einen Stein stellt, damit man auch ja seine fette Tätowierung an der Wade gut sieht. Der Typ zieht natürlich den kürzeren, danach ist die Tochter dran und macht echt ne gute Figur. Klar, bei dem Vater...
Und dann muss Xiao Lu alle 24 Schrittfolgen vorturnen, damit wir mal einen Eindruck davon bekommen. Dann fangen wir mit den ersten Bewegungen der Form an, Xiao Xu guckt zu und wir turnen unter den kritischen Blicken des Meisters vor. Ich werde gelobt, dann korrigiert der Meister noch mein Dong Bao Chuan, mit Xiao Xu übe ich die Anfangsbewegungen, kann ja nicht schaden.
Xiao Xu und das Girlie ziehen ab, Xiao Xu winkt mir zu und ruft „Bettina, see you". Na so was, hat der sich doch tatsächlich meinen Namen gemerkt! Was für ein aufmerksamer junger Mann.
Beim Umziehen patscht Xiao Lu auf seinen Bauch und meint, er sei fett geworden, was ich boshaft bejahe und frage, ob er in letzter Zeit zu viel gegessen habe. Nein, das käme vom Üben sagt er und macht es mir vor. Dann darf ich noch seine tollen Unterarmmuskeln anpacken und mir anhören, ich sollte mal zusehen, dass das bei mir bald auch so aussähe. Herr Si brüllt aus dem Hintergrund, ich wäre sowieso zu dünn, was von dem Meister mit meiner fleischlosen Diät erklärt wird. Das befinden alle anwesenden Herren für „Bu hao" (Nicht gut). Tja Freunde, das habe ich mir leider nicht so ausgesucht. Dafür spanne ich mal meinen Bizeps, was dann doch Anerkennung auslöst.

Nachmittags:

Ich öffne die dubiose Suppe, es liegt ein Beutel mit einer scharf riechenden Paste bei. Nachdem ich das Zeug aufgebrüht habe, dreht sich mir fast der Magen rum und der Becherinhalt landet unverkostet in der Kloschüssel. Wenigstens habe ich ein Gefäß für meine vegetarischen Nudeln, die dann auch köstlich schmecken. Mein völlig verschwitzter Fummel wird gewaschen, war auch echt nötig. Außerdem hat mir im Park einer der Rotkot- Vögel einen sauberen Blattschuss verpasst, das muss sofort ausgewaschen werden. Statt zu schlafen, versuche ich das Gekrakel des Meisters zu entziffern und sauber abzutippen. Mein Lieblingswörterbuch lädt hier leider nicht, also müssen große Teile der Transkribierung bis zu meiner Rückkehr warten. Bin mit Xiao Lu um 15:00 im Park verabredet, der verpennt aber und lässt mich 20 Minuten schmoren.
Dafür lerne ich jetzt aber eine neue Form (Mian Zhang, Baumwoll- Hand). Das macht viel Spaß, wenn es auch anstrengend ist. Aber Klasse für Hintern und Beine. Ich bin nicht wirklich zufrieden mit mir, aber Xiao Lu wird mir das hoffentlich schon beibiegen.
Das von mir mitgebrachte Kranich- Shirt ist ihm leider trotz Hüftgold zu groß. Mist. Hoffentlich haben wir noch eines in einer kleineren Größe und eines der Mädels kann das mitbringen.
Natürlich bin ich auch neugierig, was seine familiären Verhältnisse angeht und frage mal, was denn das Fräulein Tochter so macht, die ist ja schon 20 Jahre? Und ob sie denn jetzt einen Freund habe, das dürfe sie nach chinesischer Tradition ja mittlerweile wohl? Ob sie denn arbeite? (Dazu muss man sagen, dass Xiao Lu absolut vernarrt in seine Tochter ist).
Nein, einen Freund hat sie nicht, noch zu jung und unreif seiner Meinung nach. Ein potentieller Kandidat hat von ihm beim spielerischen Gerangel ordentlich was abgekriegt und daraufhin seine Ambitionen aufgegeben. Ich kriege mal wieder zu hören, dass chinesische und westliche Jugendliche völlig verschieden seien. Ach ja? Und was ist mit Xiao Xu? Der ist doch auch erst 19 und hat eine Freundin. Naja, also nicht völlig verschieden. Ich sage scherzhaft, vielleicht sei Xiao Lu ja eifersüchtig? Vielleicht habe die Tochter einen Freund, von dem er nichts wisse? Ausgeschlossen, sagt er. Jaja, mein Lieber, träume weiter, Eltern werden in dieser Hinsicht auf der ganzen Welt von ihren Kindern betrogen. Arbeiten tut die feine junge Dame nicht. Seit ihrem Schulabschluss vor zwei Jahren sitzt sie zu Hause und hängt den ganzen Tag vor dem Computer oder geht aus. Ich weiß, dass es im Hause Lu zwei Rechner gibt, also keine Entschuldigung, nicht mit mir zu chatten oder wenigstens meine mails zu beantworten. Ja, einer ist kaputt (aber den wird er reparieren lassen), den anderen benutzt die Tochter und hat ihn mit Passwort gesperrt. Unfassbar. Ich wäre von meinen Eltern zügig durch Taschengeld- und Internetentzug hinreichend zur Arbeitssuche motiviert worden und würde meinen Kindern solche Flausen ebenso austreiben. Sieht man mal, was die Einkind- Politik hier ausrichtet. Letztes Jahr wollte sie wohl nach Japan zum studieren, aber damit war Xiao Lu nicht einverstanden, weil Japaner Scheiße sind. Dann lieber Deutschland, aber das wollte das Gör nicht.
Den Namen der Tochter kriege ich auch noch raus, man weiß ja nie, wozu das noch gut sein wird.

Nach dem Training zerre ich mein verschwitztes Zeug aus der Tasche und wiederhole das Erlernte, soll ja nicht flöten gehen. Dann hole ich mir –diesmal am richtigen Stand- den geliebten Fladen. Schade, der Luxusfladen wird nicht mehr produziert, überhaupt scheint mir in der Fressgasse im Vergleich zu letztem Jahr wenig los zu sein. Außerdem versorge mich noch mit ordentlich Fruchtsäften und mache es mir dann auf dem Bett gemütlich. Morgen treffe ich mich ja mit Tori, dann kann ich den Nachmittag zum Hand- Augen Koordinationstraining benutzen, praktischerweise befindet sich der Laden mit den abgefahrenen Shirts in unmittelbarer Nähe des Lifestyle.

Freitag, September 25, 2009

Antrainieren

Vorneweg gleich mal was zu diesen Berichten: Ich veröffentliche von hier aus per e- mail und habe auf die Gestaltung etc. keinen Einfluss. Grafische Entgleisungen oder merkwürdige Steuerzeichen bitte ich zu entschuldigen, das liegt nicht in meiner Hand. Auf blogspot komme ich nicht drauf, kann also nichts lesen, allenfalls kriege ich über den Google Reader eine vage Ahnung davon. Bilder sehe ich da aber leider auch nicht. (Blöd, Mainz Daily Photo hat mich hier immer gut bei Laune gehalten). Kommentare kriege ich sowieso als mail, kann aber selber nichts kommentieren, weder bei mir noch bei anderen. Also bitte nicht böse sein, wenn ich nicht reagiere, ich kann nichts dafür.

25.09.2009, Freitag

Vormittags:

Es ist diesig, aber es regnet nicht. Also Training, wie schön. Da ich nicht mit Xiao Lu rechne, nehme ich nur das Geschenk für den Meister mit, als Zeichen eines leisen Protestes lege ich schwarze statt der mir von ihm geschenkten fiesen blauen Hosen an, falls Xiao Lu doch da sein sollte. Ich bin nämlich etwas verschnupft, weil er schon sehr lange nicht mehr mit mir gechattet und mich über die Dinge hier auf dem Laufenden gehalten hat. Mit dem weißen Kranich T- Shirt macht dieses Outfit sogar halbwegs was her. Ich komme schon um 8:25 am Park an und erhasche vom Bus aus einen Blick auf unser Trainingsgelände, auf dem Xiao Lu sich warm macht, ich traue meinen Augen nicht und mein Herz schlägt Purzelbäume. Also renne ich, so schnell ich kann in den Park, nehme dann aber einen Gang raus und schlendere so locker über die Wiese, als sei ich erst gestern das letzte Mal da gewesen. Xiao Lu ist anscheinend hoch erfreut, mich zu sehen und entschuldigt seine Chat- Abwesendheit mit einem kaputten Rechner. Ich reibe ihm erst mal etwas zickig unter die Nase, dass deswegen mein Chinesisch nicht besser geworden sei, weil ich ja keine Chance zum Üben gehabt hätte und ich außerdem sein Geschenk im Hotel liegen gelassen habe, weil ich nicht mit ihm gerechnet hätte. Nein, nein, wir können jeden Tag üben, kein Problem, heute Nachmittag auch schon, wenn ich will. Ich strahle ihn an und klimpere mit den Augen, klar will ich. Aber wir fangen dann erst mal mit Einzelbewegungen an, schön langsam und sorgfältig. Wie habe ich das vermisst! Es ist unglaublich schwül und uns beiden läuft die Brühe, obwohl wir uns nur langsam bewegen. Ich bin müde und Xiao Lu erkältet, sind ja nicht gerade optimale Voraussetzungen. Das Herannahen des Meisters bemerken wir fast gar nicht, natürlich gibt es erst mal ne Kippe und Geschichten. Gestern war er nicht da, weil er am Umziehen ist. Da das Treppenhaus nicht beleuchtet war, ist er die Treppe runtergeknallt und hat sich die Hüfte angeschlagen, der arme Kerl. Ich grüße ihn ordnungsgemäß von Yürgen und Lilo und erzähle ihm, dass Yürgen heute nach Wudang fliegt. Meister Wu freut sich schon sehr auf Lilos Besuch und hat die Daten sogar genau im Kopf. Ob Yürgen denn auch mal vorbeikäme? Nee, leider nicht.
Die Einzelbewegungen, die Xiao Lu und ich gemacht haben, werden wiederholt und korrigiert, er schreibt mir die Bezeichnungen und einige Prinzipien auf Chinesisch auf, sehr wichtig und für mich unendlich wertvoll! Leider ist er nicht wirklich firm, was die Pinyin- Umschrift angeht, aber da wird sich schon was finden. Und auf einmal bricht mir der Kreislauf komplett weg. Naja, wenn man völlig unterernährt und abgearbeitet nach einen langen Flug in drückender Hitze gleich mal alles gibt, braucht man sich eigentlich über so was nicht wundern. Und ein doppelter Espresso mit einem halben Keks zum Frühstück sind da auch nicht wirklich hilfreich.
Ich sacke käsebleich auf einen Stein und die Jungs sind ganz besorgt. Es gibt erst mal Medizin und Akupressur vom Meister, nach 10 Minuten geht es dann schon wieder. Dumm nur, dass mir das Wort für „niedriger Blutdruck" spontan nicht einfällt, dabei hatten wir das schon. Aber da kommen die Jungs auch so drauf. Auch dumm, dass mir für solche Zwecke der fürsorgliche Ali mir extra Traubenzucker mitgegeben, der liegt natürlich im Hotelzimmer. Noch mehr Prinzipienarbeit, dann ist die Form dran. Läuft sogar gar nicht schlecht, da ich die Abläufe ja so grob draufhabe, wird sehr intensiv an Details gearbeitet. Der Meister hat eine brilliante Idee: Wenn ich bei den Einzelbewegungen und in der Form etwas besonders gut hinkriege, schießt er davon ein Foto, damit ich weiß, wie das richtig auszusehen hat. Wie nett! Das tut er dann auch ausgiebig, leider auch von den Sachen, die ich vermassele. Naja, dann habe ich halt Vorher/ Nachher Bilder.
Er muß dann um 11:00 abhauen, weil er noch im Renmin Gongyuan Oskar, Judd und ein paar andere Typen unterrichtet. Xiao Lu und ich quatschen am Parkeingang noch ein wenig und beschließen, am Nachmittag nicht zu trainieren, ich soll mich gefälligst ausruhen. Ja, besser wird das sein, er sah ja auch nicht gerade fit aus. Ich schleppe mich gleich in mein Zimmer, bin sogar für den Fladenstand zu platt. Heute Mittag fahre ich vielleicht mal in die Stadt, um Karten und Nudelsuppen zu holen, erst mal ausruhen. Offline- Nachricht von Tori, Sonntag 18:00 Vegetarian Lifestyle. Grandios!

Nachmittags:

Nach ein wenig Dämmerschlaf bringe ich Lilo im Chat erst mal auf den neuesten Stand und schwinge dann zur guten alten Linie 18, um in die Stadt zu fahren. Für mich ist das hier mittlerweile so, als führe ich mit der Bahn nach Gonsenheim oder bummelte über die Ludwigstraße. Nur dass sich das hier besser anfühlt. Wie oft habe ich in Deutschland von dieser Stadt geträumt und jetzt bin ich endlich wieder hier und lebe auf.
Erstmal in der Fuzhou Lu neue Stadtpläne in Chinesisch und Englisch geholt, dann renne ich über die Nanjing Lu und suche das vegetarische Restaurant mit Shop, in dem ich letztes Jahr mit Kerstin war. Das gibt es natürlich nicht mehr, dachte ich mir schon, sie hatte mal so was geschrieben. Die Straßenverkäufer nerven wie eh und je, und Hand-Augenkoordinationsübungen bei Li Ning spare ich mir für später auf. Eine Station mit der U- Bahn zum Lifestyle. An der U- Bahn Station am Volksplatz muss man seine Taschen durch ein Durchleuchtungsgerät wuppen, die sind wegen der Republiksgründungsfeierlichkeiten hier voll am durchdrehen. Bei Vegetarian Lifestyle sind die Nudelsuppen leider ausverkauft, dafür gibt es aber vegetarische Instant- Nudeln, die allerdings in einer Schale zubereitet werden müssen und nicht im praktischen Pappbecher verpackt sind. Mist. Habe jetzt keine Lust, auch noch ein Haushaltswarengeschäft zu suchen, nehme die Nudeln aber trotzdem mit. Da wird mir schon was einfallen. Habe langsam Hunger (hatte ja nur den Haferkeks heute morgen) und fahre mit der U- Bahn nach Hause, hier hat es anscheinend geregnet.
In einem Geschäft besorge ich mir lecker Trinkyoghurt und eine Packung Instant- Glasnudeln. Bin mir über den Inhalt nicht ganz im Klaren, jedenfalls sind auf der Packung Chilis und etwas Wurstartiges abgebildet (zu Hause angekommen entziffere ich irgendwas von „Süßkartoffeln"), das kann man bestimmt gut rauspflücken, anderenfalls wird der komplette Inhalt in die Tonne gekloppt. Jedenfalls habe ich jetzt ein provisorisches Gefäß zur Zubereitung der vegetarischen Nudeln. (Mein Vorgänger hier im Gästehaus hatte dazu den Wasserkocher benutzt, dieses Ferkel. Den musste ich dann erst mal mühsam reinigen.)
In der Fressgasse entdecke ich meine Fladen- Stammzubereiterinnen nicht und gehe fremd, als ich gerade herzhaft in den Fladen beiße, komme ich an ihrem Stand vorbei, hinter dem sie kauern. (Deswegen hatte ich sie auch nicht gesehen). Peinlich, hoffe, die haben mich nicht wiedererkannt, aber für die meisten Chinesen sehen wir fremden Teufel ja sowieso alle gleich aus. Jedenfalls wird dieser Fehltritt morgen gleich korrigiert werden müssen.
Gesättigt nach dem köstlichen Fladen quatsche ich mit Ali über Skype, wenigstens etwas, was hier funktioniert. Wollte eigentlich noch das vom Meister heute aufgeschriebene zu entziffern versuchen und abtippen, bin aber doch zu müde. Hoffentlich kein Regen morgen, obwohl der Wetterbericht was anderes sagt. Abwarten.

Donnerstag, September 24, 2009

Angekommen!

24.09.2009, Donnerstag

Wir landen pünktlich in Shanghai, leider ist es sehr diesig. Wegen der Schweinepest werden wir zwar nicht mehr von Leuten in weißen Anzügen besprüht, müssen aber einen albernen Fragebogen ausfüllen. Das kenne ich ja noch von 2006, aber auch da hat das keinen interessiert.
Da ich keinen Bock habe, meinen schweren Koffer vom Stadion ins Sisu zu zerren, gönne ich mir ein Taxi. Mittlerweile fängt es zu regnen an, Mist, dann sind die Jungs wohl nicht im Park. Man will mich in eines der billigeren Zimmer verfrachten, das hatte ich ja auch so gebucht. Ich frage trotzdem mal nach, was denn die schicken Zimmer so kosten und bekomme den offiziellen Preis von 388,- Yuangenannt. Letztes Jahr hätte ich aber 288,- dafür bezahlt, entgegne ich. „Oh, wollen Sie lieber ein schickes Zimmer? Dann können sie das für 288,- Yuan haben.“ Na bitte, geht doch! Dann wird erst mal über meinem Pass gerätselt, die Mädels raffen den Unterschied zwischen Familiennamen und Mädchennamen nicht, außerdem haben sie Schwierigkeiten mit den Umlauten. Sollte ich jemals wieder heiraten, behalte ich meinen Nachnamen, das erleichtert doch einiges.
Mein schickes Zimmer hat auch grandiose Aussicht auf Pudong, was will man mehr! Ich reiße zuerst frischen Fummel aus meinem Koffer, stöpsele den Rechner ans Netz und mache mich hastig frisch. Mit Geschenken beladen schleppe ich mich zur Bushaltestelle, es ist, als sei ich nie weg gewesen. Erfreut stelle ich fest, dass sich auf meiner Verkehrsmittelkarte noch 66,- Yuan befinden, damit komme ich ordentlich weit. Leider ist im Park keiner meiner Leute. Darüber bin ich etwas betrübt, aber die hatten ja auch nicht mit einem Überraschungsbesuch gerechnet.
Also wieder zurück, durch den Lu Xun Park trabe ich zum Handyladen meines Vertrauens, um meine Karte aufzuladen. Da ich mir nicht sicher bin, ob das Ding noch gilt, lasse ich das lieber von geschultem Fachpersonal prüfen. In dem Laden lungern zwei Knülche (einer davon mit katastrophal blondierten Haaren) und ein schwarzer Pudel rum, der naturbelassene Knülch fummelt mit meinem Handy, die Karte gilt tatsächlich noch und wird mit 100,- Yuan betankt. Geht doch nichts über ordentlichen Service. Und ich schwitze wie ein Schwein, mein Gott, ist das schwül hier! Eigentlich wollte ich mir im Sisu Geld aus dem Automaten leiern und Lebensmittel einkaufen, unglücklicherweise ist aber gerade Mittagspause, weswegen es vor Studenten wimmelt. Also lasse ich das erst mal bleiben und schaffe mein zugemülltes Zimmer in die Reihe. Mittlerweile ist auch die Wunderwaffe wieder zu neuem Leben erwacht, so wird gleich mal an den Meister eine SMS geschrieben, ob denn morgen trainiert würde? Während ich aufräume, kommt die Antwort: Ja, entweder morgens um 9:00 im Heping Park oder von 12:00 bis 14:00 im Volkspark. Ob das OK wäre? Ich schreibe zurück, ich sei sehr froh und dann morgen früh im Heping Park. Er schreibt zurück: Gut, dann treffen wir uns morgen Vormittag. Der gute Mann! Hoffentlich regnet es nicht, sonst muss ich mich im Trainingsfummel in die Stadt schleifen. Außerdem kenne ich ja auch die Typen nicht, mit denen er da übt. Andererseits könnte ich mich dann bei der Gelegenheit mit vegetarischen Suppen und Stadtplänen versorgen, auch nicht übel.
Ich vergnüge mich ein wenig im Internet (saulahm und die guten Seiten natürlich gesperrt), chatte mit Lilo und schleppe mich schließlich zum Kohleabsaugautomaten und dann in den Laden, wo ich Grundnahrungsmittel (Wasser, Bier, O- Saft und Chipse) erwebe. Noch mal vor die Hütte zu gehen habe ich keine Lust. Als ich fast wegdämmere, geht Lilos und Yürgens Freundin Tori online, wir verabreden uns Sonntag Abend zum Essen im Vegetarian Lifestyle.Veröffentlichen per mail klappt auch- Bestens! Während sich die Abenddämmerung über Shanghai senkt, fangen die Wolkenkratzer an zu funkeln- Das Leben ist schön! Werde mir gleich ein Bier und ne Tüte Chipse aufmachen und für morgen auf gutes Wetter hoffen, alles wird gut werden.

Schussel #2

23.09.2009, Mittwoch

Ali bringt mich zum Flughafen, nachdem ich meinen Koffer mit viel Mühe zugepresst habe. Zum Glück darf man bei China Eastern 30 kg mitnehmen, die habe ich auch voll ausgeschöpft. Beschämt nehme ich zur Kenntnis, dass an meinem Koffer ein orangenes Schild mit dem Aufdruck „Heavy“ befestigt wird. Der Sitzplatz neben mir bleibt leer, so kann ich wenigstens einigermaßen bequem schlafen. Im Flieger fällt mir ein, dass ich meine sämtlichen Stadtpläne nicht eingepackt habe. Klasse, irgendwas musste ja vergessen werden. Egal, dann werden halt neue angeschafft. Verlaufen werde ich mich schon nicht.

Dienstag, September 22, 2009

Hinter die grosse Brandmauer #3

Koffer sind gepackt (jetzt schon berstend voll, wie soll das erst auf dem Rückflug werden!), nicht mehr lange, bis das Wachkoma ein Ende hat. Kann es kaum mehr erwarten, endlich wieder die nachts in allen Farben funkelnden Wolkenkratzer und vor allem Meister Wu und meine Freunde wiederzusehen. Die ganzen letzten Tage habe ich mir schon ausgemalt, was ich als erstes erledigen möchte und was für mir bislang unbekannte Ecken dieser Wahnsinnsstadt ich zu erforschen gedenke. Ich dachte an meinen Abschied letztes Jahr und meine tiefe Verzweifelung und jetzt kann ich mein Glück kaum fassen. Tatsächlich liefen mir heute während der Arbeit die Tränen der Vorfreude aus den Augen. Ärgerlich, dass blogspot in China immer noch gesperrt ist. Zwar haben mir ein paar freundliche Menschen nützliche Tips zur Überwindung des "Goldenen Schildes" gegeben, aber ob das alles so funktioniert, wird sich vor Ort zeigen. Falls auch das Veröffentlichen per e- mail nicht klappt, gibt es auf jeden Fall nach meiner Rückkehr das ganze in kompakter Form.
Und spannend dürfte es werden, denn es scheint sich seit meinem letzten Besuch einiges verändert zu haben, wenn ich den spärlich sickernden Informationen Glauben schenken darf. Außerdem kommen dann ja auch Stefanie und später auch Lilo, das garantiert ja förmlich bizarre Situationen und Erlebnisse. Vor allem, weil Lilo in den paar Tagen ihres Besuches ebenfalls eine Nuttenperücke zu erwerben gedenkt.
Jetzt noch schnell den letzten vernünftigen Weißwein für die nächsten vier Wochen hinter die Binde kippen und dann ab in das Bettchen und von Shanghai träumen. Bis denne.

Samstag, September 19, 2009

Post vom Meister #4

Da erfahrungsgemäß Chinesen das Langzeitgedächtnis nicht gerade erfunden haben, formuliere ich eine mail an den Meister, in der ich ihm genau meine, Stefanies und Lilos Ankunftsdaten mitteile. Und ziemlich unverschämte Forderungen bezüglich dessen, was ich dieses Jahr bei wem zu lernen wünsche geschickt einflechte. Und noch ein paar andere Sachen. Lehrer Zhu verbessert dies und so schicke ich sie ab.
Heute, Shanghaier Zeit 6:00 kommt:

你好!
见到来信非常高兴。我的房子好了,刚住进去。等待你们上海见面。
Thomas m wu 2009-09-19

Hallo, habe mich über deine mail gefreut. Meine Bude ist fertig, bin gerade umgezogen.Warte ab, bis ich euch in Shanghai treffe.

Hmm, Spannend. Dachte ich mir schon.


Freitag, September 11, 2009

Mainz rockt

Herr Burland hat sich endlich entschieden, seinen Mainz Daily Photo blog fortzusetzen.
Grandios, bin außerordentlich erfreut. Weiter so!