28.09.2009, Montag
Vormittags:
Erstmal ganz herzlichen Dank an Georg für die Übermittlung der Wahlergebnisse (Schwarz- Gelb? Araagh!) und des Posts von Yürgen. (Kann mich Lilo nur anschließen: Typisch. Ich frage mich, wann der Tag kommt, an dem der Oster seinen Kopf nicht mehr findet). Stefanie schreibt mir, dass es noch ein Kranich- Shirt in L für Xiao Lu gibt und sie das schon bei Lilo abgeholt hat und mitbringen wird. Bestens, danke, Mädels!
Entgegen der Vorhersage herrscht gutes Wetter und Xiao Lu ist auch schon früher im Park zum Aufwärmen. Der Prügelknaben- Knülch von vorgestern gesellt sich dazu und macht ein bisschen mit, beschränkt sich dann aber darauf, schmauchend am Rande zu sitzen und zuzuschauen. Für einen Chinesen ungewöhnlich hat der viele Locken, aber auch eine ordentliche Pläte, was ihn ein wenig wie Krusty der Clown aussehen lässt. Gestern kam Xiao Lu natürlich nachmittags in den Park, der Meister hat ihn zu spät angerufen, das tut mir leid. Ich erzähle ihm freudestrahlend die Sache mit dem Shirt, er bedankt sich artig.
David, der Australier und Oskar erscheinen auch zum Training. Mist, dann wird natürlich ganz anders geübt, nämlich super viele Einzelbewegungen und Kombinationen, ebenso Schrittfolgen. Und das in sehr schneller Abfolge, kann ich mir natürlich nicht merken. Egal, ich mache halt einfach mit. Oskar bemerkt meine Verwirrung, reißt seine Videokamera aus dem Rucksack und bedeutet Meister Wu wort- und gestenreich (Chinesisch spricht er immer noch nicht), er möge das doch bitte wiederholen, damit er es für mich filmen könne. Ist mir zwar etwas peinlich, aber das finde ich sehr nett von Oskar. In einer Pause erzählt mir Xiao Lu, er habe einen Fernsehbericht über unsere Wahlen gesehen (er kennt sogar den Namen unserer Kanzlerin), außerdem den mit den Terrordrohungen. Darüber war er ziemlich besorgt. Keine Ahnung, was die hier im Staatsfernsehen erzählt haben, aber die Bilder waren ziemlich bedrohlich. Lockenköpfchen bringt sich ein und meint, er würde gerne mal nach Haidebao in Deutschland, da sei es so schön. Häh? Dann fällt bei mir der Groschen: Ach ja, Heidelberg. Die Schönheit deutscher Landschaften wird von mir schamlos gepriesen. Oskar und David sind der Meinung, man solle außer Gongfu noch einen Ausgleichsport machen, so spielt Oskar Basketball und David schwimmt, wie er Xiao Lu und dem Lockenkopf auf chinesisch erklärt. Ob Xiao Lu denn schwimmen könne? Nein, nie gelernt. Krass. Um auch etwas zu diesem Gespräch beizutragen, erzähle ich Xiao Lu, dass Stefanie gerade mit dem Bauchtanzen angefangen habe. Ah, interessant, er schlängelt sich ein wenig vor mir hin und her um zu zeigen, dass er das kennt. Übermütig schlage ich vor, ich könne sie ja fragen, ob sie mal für ihn tanzt, woraufhin er rot wird und schamhaft kichernd die Hand vor den Mund hält. Anscheinend dann doch zu erotikgeladen für die hiesigen Verhältnisse. Der Meister hat seinen Tee vergessen (vorgestern waren es die Trainingshosen), vielleicht kann er ja mit dem Oster eine Selbsthilfegruppe gründen.
An der Form wird dann auch noch gearbeitet und Xiao Lu muss irgendeine sehr komplizierte Schrittfolge aus entweder einer anderen Form oder irgendeiner Kombination vorturnen. Für mich sieht das irre elegant und zackig aus, aber der Meister findet das schlecht ausgeführt. Warum das so ist, kapiere ich zwar nicht ganz, aber es ist interessant zuzusehen, wie so eine Granate wie Xiao Lu korrigiert wird. Oskar wird mir die Videos Mittwoch mitbringen, heute Nachmittag treffe ich mich wieder mit Xiao Lu. Sehr fein.
Nachmittags:
Heute Mittag ist das Panda- Shirt an der Reihe, kann es gar nicht erwarten, das Xiao Lu vorzuführen. Der schüttet sich dann auch vor Lachen aus, liest den Text und kriegt noch mal Lachanfälle. Mist, ich glaube, ich muss das mal übersetzen, bevor ich hier weiter damit rumlaufe.
Habe ihm die letztes Jahr aufgenommenen Videoclipse auf USB- Stick mitgebracht, er hat einen MP 3- Spieler dabei und zeigt mir seine. Cool.
Ich bitte ihn, mit mir die gestern erlernten Schrittfolgen zu wiederholen und darf die auch auf Video aufnehmen. Anschließend wird an der Form weitergearbeitet, meine Güte, was habe ich mir denn da für Kompliziertes ausgesucht! Ich habe diese Form schon ein paar Mal gesehen und fand die ganz hübsch, diese ganzen Details hatte ich gar nicht mehr so in Erinnerung. Aber schön viele Tritte, fiese Schläge und tiefe Stände, cool. Jedenfalls schenke ich mir nichts und arbeite verbissen, während sich Xiao Lu mit einer alten Dame unterhält, die zu dieser Zeit neben uns immer eine Stunde Qigong übt. Als kleinen Appetithappen zeigt er mir dann noch das Programm für morgen, da gibt es denn Armgewickel und noch mehr Tritte. Geil! Zum Glück ist diese Form nicht so lang (deswegen wollte ich sie ja auch lernen), dann kann man noch Feinarbeit leisten. Xiao Lu meint, ich könnte sie ja dann Lilo und Stefanie vorführen, wenn die kämen. Ja, so hat dann jeder was zum Vorführen.
Beim Umziehen patscht er sich wieder auf seinen Bauch, meint, er sei zu fett und nicht schön anzuschauen und hält sich kichernd seinen Fummel vor die Plautze. (Bloß gut, dass ich ihm aus Deutschland pfundweise Schokolade mitgebracht habe.) Außerdem weist er auf die fehlende Körperbehaarung chinesischer Männer hin. (Heute morgen hatte David beim Umziehen einen üppigen Pelz auf Brust und Rücken sowie eine farbenfrohe Tätowierung am Oberarm offenbart. Die fanden der Meister und er wohl nicht so geil, aber das Fell wurde mit Gekreische kommentiert). Ich versichere ihm, dass ich seinen Körper schon sehr sexy fände und auf Behaarung nicht so stünde, das macht ihn anscheinend stolz. Seinen Lieblingstitel ( eine koreanische Sängerin) dudelt er mir dann auch noch vor, den finde ich sogar überraschend schön. Dachte ja, wir würden uns nie annähern, was Musik angeht. Morgen werde ich ihm mal was vorspielen, was ihm gefallen könnte, vielleicht Laith al Deen oder so.
Auf dem Campus ist vor dem Auditorium die Hölle los, vielleicht üben die ja für den Nationalfeiertag. An allen öffentlichen Gebäuden prangen rote Transparente, die die Errungenschaften der Kommunistischen Partei preisen und die Straßen sind mit Fähnchen geschmückt. Im Fernsehen werden die tapferen Soldaten der Volksbefreiungsarmee gezeigt, die für die Böllerschüsse (natürlich 60) und die Paraden üben. Hatte mir das schlimmer vorgestellt, aber hier in Shanghai wird die komplette Innenstadt gesperrt, der Bund sowieso. Feuerwerk wird es natürlich auch geben, aber ich glaube, ich werde es mir schenken, das in der Stadt anzuschauen. Von hier habe ich ja einen Logenplatz.
Im Zimmer wird erst mal bis zum Abwinken die Form wiederholt, während der dreckstarrende Fummel einweicht. Hatte eigentlich vor, zu Pizza- Hut zu tigern und mir ein Bier und Pizza einzuverleiben, chatte aber dann doch lange mit Ali, der mir Auszüge aus Zeitungsartikeln sendet und fresse dabei eine Tüte Chipse. Bin jetzt doch zu faul, noch mal vor die Hütte zu gehen, lieber hier noch ein wenig rumgammeln.
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