Dienstag, Juli 10, 2012

事势第七 – Stand der Dinge #7



Anmerkung: Habe gehofft, die Entwicklungen bis jetzt in einem Post abfrühstücken zu können. Dank meines Hanges zur Geschwätzigkeit ist das jedoch eher schwierig, will meinen Leser ja nicht zu Tode langweilen. Vielleicht kriege ich den Rest noch hin, bevor ich bald wieder aus dem Goldischen Meenz hinter die GFoC verschwinde.


Job:

wird immer chaotischer, irgendwie kriegt es unser sogenanntes Projektmanagement nicht auf die Reihe. Streckenweise sitze ich völlig unterbeschäftigt dumm in Büro rum, während meine chinesischen Kollegen in Arbeit schier ertrinken. Mache einige Wettbewerbe, dann ist mal wieder Stress angesagt. Und auf Präsentationen darf ich natürlich auch gerne mitfahren, Vorzeige- Langnase. Geilste Präse überhaupt: Stelle in Suzhou ein Projekt bei einer Veranstaltung vor, die potentielle Käufer anlocken soll. Habe das Ding noch nie gesehen, Kurzeinweisung Freitagabend. Samstagmorgen, fast verpennt, Haare ungewaschen, aber wenigstens coole Klamotten. Am Veranstaltungsort Sponsoren wie Harley Davidson, Nobelschampus und dergleichen. Und die Presse, das Fernsehen und der Bürgermeister sind auch da. Schäme mich. Von der perfekt gestylten Moderatorin werde ich als „Bettina, DIE deutsche Architektin“ angekündigt. Als ich die Bühne betrete, explodieren Feuerwerke um das riesige Modell unseres Projektes und es erklingt rockige Musik. Spule meinen Text ab, donnernder Applaus. Fühle mich wie ein Rockstar. Hätte ich das gewusst, hätte ich darauf bestanden, mit einer der Harleys durch einen brennenden Reifen auf die Bühne zu springen


Fahre über die Ferien zum Chinesischen Neuen Jahr kurz entschlossen nach Hongkong, meinen kleinen Bruder Felix besuchen. (Dass Elli zur selben Zeit da ist, erfahre ich erst später. Mist. ) Kann mir die Generalprobe zu der traditionellen Festparade auf der Ehrentribüne ansehen, Felix´Kungfu Schule macht da mit. Wir treten in das Jahr des Wasserdrachen ein, das verheißt viele Veränderungen. Hergeflogen bin ich mit Dragon Air, auf den Flieger war ein hübscher Drache gemalt. Sozusagen auf dem Rücken eines Drachens geflogen. Und das mit den
schönsten Stewardessen, die ich je gesehen habe. Beobachte die Drachentänzer und den sich auf der Anzeigentafel munter windenden Drachen und komme zu dem Schluß, dass sich bei mir jetzt auch was bewegen muss. Gehe nach der Generalprobe mit Felix, seinen Gungfu- Brüdern und –Schwestern und seinem Meister lecker essen und feiere mit denen Neujahr. Supernette Leute, es gibt Whiskey- Soda aus Pitchern. Merkwürdig, völlig anders als auf dem Festland. Da explodiert jetzt alles und jeder feiert mit seiner Familie. Denke mir, dass das vielleicht für längere Zeit mein letztes CNY in Asien sein wird. Mein erstes habe ich mit meiner Gongfu- Familie verbracht, mein letztes jetzt mit der von Felix. Fühlt sich komisch an.
Fahre mit dem Bus kreuz und quer über die Insel, verbrate einen Teil meines üppigen Neujahrs- Bonus bei Armani (muss ja anständige Klamotten für die nächsten Präsentationen haben), harre bei strömendem Regen im Hafen von Kowloon dem prächtigen Feuerwerk und mache in den Bars und Garküchen um mein schickes Boutique- Hotel herum interessante und nette einheimische Bekanntschaften. Speise göttlich und löse mein Konto bei der HSBC auf. OK, kein Grund mehr, demnächst mal wieder nach Hongkong zu kommen. Und erster Schritt in Richtung Heimat.
In Shanghai komme ich dann pünktlich zur Rückkehr des guten, alten Küchengottes an. Schweres Bombardement, ich komme endlich auf meine Kosten. Wir Festländer mögen es zwar manchmal etwas an guten Manieren gebrechen lassrn, aber dafür können wir ordentlich feiern und haben Eier in der Hose.
Denke lange, lange darüber nach, was ich denn mittelfristig so mit meinem Leben abfangen will und schaue mir die Dinge im Büro noch eine Weile an. Anfang März kündige ich fristgerecht zum Monatsende. Zu meiner Überraschung ist Evil Ji (der Projektmanger) anscheinend ehrlich betroffen, ebenso die meisten meiner Kollegen und vor allem meine Sekretärin. 

Best team ever
Letzter Arbeitstag, Präsentation eines Projektes, an dem ich auch tatsächlich teilgenommen habe. Schmeiße mich voll in Schale und gebe alles. Ehre des Büros hochhalten bis zuletzt. Die waren ja nicht böse, nur nicht so gut für Ausländer. Dem Kollegen, der verantwortlich ist, fällt die Kinnlade runter. Auf der Rückfahrt kuschelt sich Jenny, meine Sekretärin an mich und meint, sie müsse jeden verbleibenden Augenblick mit mir genießen. Hält mich anscheinend für eine coole Schnalle, fühle mich zugleich geschmeichelt und irgendwie gerührt. Während man sonst an irgendeiner Metro- Station rausgeschmissen wurde, bringt unser Fahrer mich heute bis an die Haustür und schüttelt mir beim Abschied heftig die Hand. Auch ein ganz lieber und freundlicher Kerl, was war der immer nett zu mir. Und wir haben uns auch immer prächtig unterhalten, sofern das meine miesen Chinesisch- Kenntnisse zuließen. Bin jedenfalls voll durch den Wind, dass ich anscheinend doch derartig geschätzt wurde und wohl nicht nur die Alibi- Ausländerin war.
(Anmerkung: Einen Monat nach meinem Ausscheiden kündigen nach und nach alle meine Teammitglieder. Haben keinen Bock mehr ohne mich. Bin von den Klötzen.)

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