Freitag, Februar 12, 2010

第一客人 - Erster Gast

Schock auf dem Weg zur Metro: Da hockt ein Typ und hat auf einer Decke etwas ausgebreitet, was eindeutig illegal aussieht. Nämlich die Unterarme einer Großkatze, komplett mit Knochen, Sehnen, Krallen. Für Tiger fast zu schmächtig, aber irgendeine vom Aussterben bedrohte Großkatze hat dafür ihr Leben gelassen. Zunächst nehme ich das nur aus den Augenwinkeln war, die volle Erkenntnis bricht erst im Zug auf mich ein. Scheiße, ich Depp!
Normalerweise mische ich mich ja hier als Ausländerin nicht ein, aber diesen Typen hätte ich ver-prügeln sollen! Oder hätte die Bullen rufen sollen, habe durchaus schon gesehen, wie die illegale Straßenhändler haben hochgehen lassen. Aber was kann ich schon machen mit meinem bescheidenen Chinesisch. Trotzdem oder gerade deshalb verfolgt mich der Anblick bis tief in die Nacht.
In Mainz ist Fastnacht, stehe rauchend im Gang mit meinem Konstanzer Kollegen und wir erzählen uns gegenseitig Fastnachtsgeschichten. Stefanie geht heute mit meiner Nuttenperücke auf die Rolle, hoffentlich macht sie Fotos. Gutenberg steht wieder auf seinem Sockel. Alles so weit weg!
Die Abgabe heute schaffen wir locker, obwohl mein einer Teamkollege früher als erwartet aufbrechen muss. Er hat eine Fahrgemeinschaft in seine Heimatstadt Qufu (auch die Heimatstadt Kongzis, den wir als Konfuzius kennen) gefunden. Da es in Nordchina aber gerade heftig schneit, will der Fahrer sofort aufbrechen, um bei Tageslicht zu fahren. Die Entscheidung, ob er früher gehen darf wird mir überlassen: Selbstverständlich kein Problem.
Das Fotostudio nebenan wird gerade renoviert, letzte Woche waren wir alle völlig bedröhnt von den Farbdämpfen. Heute wird der Fußboden versiegelt. Das schlägt alles, was für ein grauenhafter Ge-stank! Zunächst versuchen wir, bei weit aufgerissenen Fenstern zu arbeiten. Alles hockt dick einge-packt da, schließlich schickt man uns nach Hause. Prima, mit der Abgabe machen wir eine Punkt-landung.
Ist mir auch ganz recht, denn ich habe fahrlässigerweise meinen besten chinesischen Kumpel Xiao Lu heute Abend eingeladen, sich meine Hütte anzuschauen. Und der hat auch noch zugesagt. (Chinesen sind halt neugierig). Will ja nicht als schlechte Gastgeberin dastehen und kaufe hektisch bei Carre-four noch Knabbereien, echt guten grünen Tee und Ingwer. (Zusammen mit Tee aufgegossen schmeckt das echt lecker). Und ein paar Schälchen, um die Knabbereien hübsch anzurichten. Bei dieser Gelegenheit fällt mir zufällig die gute alte Nivea- Creme in die Hände, ohne Hautaufheller. Wie das Leben manchmal so spielt...
Xiao Lu meckert erstmal, dass ich keine Gast- Schluffen habe. Habe ich doch, die flotten von Ikea. Muss mich erst noch an chinesische Gebräuche gewöhnen, das nächste Mal stelle ich die sofort be-reit. Falls mehr Gäste kommen sollten, habe ich noch eine Auswahl an vorsorglich eingesackten Hotel- Puschen.
Ihm wird sein Geburtstagsgeschenk überreicht (Ahoi- Brause Shirt von P& C) und er flippt fast aus. Dachte ich mir. In dieser Hinsicht schwingen wir auf einer Länge. Muss bei meinem nächsten Deutschland- Besuch unbedingt dieses Zeug mitbringen.
Die Bude findet er ganz OK, allerdings überteuert für diese Gegend angesichts der Sperrmüllmöbel und der Tatsache, dass die Nebenkosten nicht inbegriffen sind. Na ja, mit uns Ausländern kann man es ja machen. Aber die Ausrichtung der Wohnung findet Anerkennung. Gutes Feng Shui. Das Bett mit dem Kopf nach Norden, den Füßen nach Süden- so soll das sein.
Den Knabberkram rührt er nicht an, der Tee geht anscheinend gerade so durch. Und Ingwer schnibbelt man da nur rein, wenn man erkältet ist. Dann aber besser roten.
Um mich vollends als beschissene Gastgeberin darzustellen, zeige ich ihm mein Kochbuch und versu-che zu erklären, dass ich ja ganz gut westlich kochen könne, nicht aber chinesisch. Das Kochbuch wird durchgeblättert. 110,- Kuai dafür bezahlt? Taugt nix. Das ist Restaurantküche, keine Shanghai-er Hausmannskost. Ob er denn kochen könne? Xiao Lu verdreht die Augen: Natürlich könne er das! (In dieser Hinsicht rocken Shanghaier Männer). Na, dann kann er mir das ja beibringen. Da wird wohl morgen oder übermorgen noch ein kleiner Besuch bei Carrefour zwecks Erwerb der Kochgeräte und Zutaten nötig sein.
Da mein Netz hier ziemlich schnell ist, verbringen wir unsere Zeit damit, auf Baidu Tongbei Videos zu schauen und heftig abzulästern. Michaels Seite lädt leider im Schneckentempo, schade. Dabei hätten wir doch so gerne unseren kleinen Tongbei- Bruder bei der Arbeit gesehen.
Ying Quan üben wir auch, für mich werden da einige Dinge klarer. Zum Glück fotografiert das keiner, wir beide üben in Zivilklamotten und mit roten Tigerpuschen an den Füßen- ein Bild für die Götter! Meine Güte, was macht das für einen Spaß! Und da man als ordentliche Schülerin chinesischer Kampfkünste das Gesamtbild beherrschen muss, lerne ich, den ersten der vier Pulse zu fühlen. Mei-ne Fingernägel werden begutachtet: Keine rosa Halbmonde an der Nagelbasis vom Zeige- bis zum kleinen Finger? Schlecht, da stimmt was ab dem Magen abwärts nicht. Bin überrascht. Stimmt genau, zu wenig gegessen, zu wenig geschlafen.
Lerne noch einen fiesen Schlag aus der Hüfte. Kann man gut beim Fernsehen üben, meint Xiao Lu. Sehr nützlich im Freikampf, kurz und schnell. Wenn man diesen Schlag konventionell ausführt, ver-liert man zu viel Zeit. Mein großer Bruder hat es echt drauf.
Nach drei Stunden des Quatschens und Übens verabschiedet er sich. Muss noch viel lernen. Bin glücklich.

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