Montag, Oktober 04, 2010

异客在异乡 – Fremde in einem fremden Land #2

Zwei Wochen in Deutschland und es ist, als sei ich nie fortgewesen. Wache zwar jeden Morgen völlig desorientiert auf und habe Angst, zu spät zur Arbeit zu kommen und bin ansonsten ziemlich unentspannt, aber endlich kann ich meine Leute wiedersehen. Training und anschließendes Apres- Qi mit Lilo und Elli im Heiligen Aal. Noch viele Sachen zu regeln, aber schließlich komme ich endlich dazu, stressfrei Klamotten und Schuhe kaufen und auch zum Friseur. War nach acht Monaten Shanghai auch mal nötig.
Herrn Burland und seine charmante Gemahlin lerne ich dann auch endlich kennen, er schafft es sogar, ein einigermaßen anständiges Foto von mir zu schießen. (Habe mich langsam schon gefragt, ob ich wirklich so schlimm aussehe oder einfach nur unfotogen bin).
Am Ende meines Urlaubs dann doch noch Mega- Stress: Der Lüfter meines Rechners macht die Hufen hoch und das, nachdem wir das Teil gerade neu aufgesetzt hatten. An meinem letzten Abend in Mainz also hektisches grob-auf-die-Reihe-bringen des Rechners, nichts mit entspanntem Abschieds- Training mit den Mädels und lecker Essen mit dem Herrn Gemahl.
Reise mit einem halbwegs eingerichteten Rechner zurück nach Shanghai, hoffentlich schaffe ich es, ins Netz zu kommen. Alles andere wäre eine Katastrophe.
Netz funktioniert, aber auf einmal fühle ich mich hier sehr einsam. Alle anderen Leute haben schwarze Haare und ich knalle mit meiner Größe und meiner Haarfarbe mal wieder voll raus. Und Sachen, die in Deutschland reibungslos liefen, sind auf einmal wieder kompliziert. Oder Sachen, die in Deutschland kompliziert sind, sind hier auf einmal kein Problem. Man hört ja immer wieder, Shanghai sei eine so stressige und laute Stadt. Stimmt nicht, meine Wohnung in der Mainzer Altstadt ist lauter als die hier in Shanghai und die Shanghaier sind ganz schön entspannt. Jedenfalls, wenn sie flanieren. Das tun sie nämlich sehr gemächlich und unter voller Ausnutzung der Bürgersteigbreite, gerne auch mit den besten Freundinnen/ Freunden untergehakt. Und telefoniert oder mit dem Mobilfon sonstiges getrieben wird dabei auch. Kann mich als zielorientierte Deutsche manchmal zur Weißglut treiben, vor allem, wenn ich mit schweren Einkaufstaschen beladen bin. Das einzig wirklich stressige in Shanghai sind für mich die Menschenmassen und die weiten Entfernungen, obwohl ich es sowohl zum Park als auch zur Arbeit echt nicht weit habe.
Bin dann in meiner ersten Arbeitswoche gleich auch mal zwei Tage krank. Frage mich, ob es das alles hier wirklich wert ist.
Bauschäden in meiner Bude, Tauwasserbildung an einer Erkerwand. Chinesen haben halt keine Ahnung von Bauphysik, leider weiß ich nicht, was „diffusionsoffener Anstrich“ auf Chinesisch heißt, sonst würde ich meiner Vermieterin mal was erzählen. Aber wahrscheinlich ist das Zeug hier sowieso sauteuer. Klimaanlage im Schlafzimmer tropft auch, zum Glück sind die Temperaturen wieder so erträglich, dass man sie nicht unbedingt einsetzen muss.
Komme von der Arbeit nach Hause und entdecke, während ich mir die Schuhe ausziehe, im Bade-zimmer eine träge krabbelnde Kakerlake. Bin wie gelähmt. Dass es das Viehzeug hier gibt, wusste ich natürlich, aber da ich neun Monate keine zu Gesicht bekommen hatte, wähnte ich mich sicher. Also Schuhe wieder an und ab zum E- Mart, wo Giftköder und Spray erworben werden. Das Biest soll verrecken, bevor es seinen Kumpels Bescheid sagen kann.
Die Giftköder werden in Bad und Küche verteilt, der Spray griffbereit unter der Spüle deponiert. Jetzt wird auch Shen Ayi wissen, was Sache ist und auf der Hut sein.
Kaufe mir die neue Staffel von Dr. House und ein paar Filme als Trostpflaster. Bin angenehm über-rascht, es gibt sogar Untertitel und die brauche ich bei Dr. House trotz guter Englischkenntnisse allein wegen der ganzen Fachausdrücke. Kann mich auch bei Vegetarian Lifestile mit meinen geliebten Nudelsuppen eindecken, es geht aufwärts.
Training mit Xiao Lu, wir arbeiten sehr systematisch an den Einzelbewegungen und den dazugehörigen Schrittfolgen. Bin glücklich, denn als Deutsche und als Ingenieurin finde ich Systematik natürlich klasse. Es gibt eine bestimmt Reihenfolge für diese Übungen und die klappern wir jetzt ab. Nehme mein Projekt „Dokumentiere Heyi Tongbei“ wieder auf.
Fortsetzung des Chinesisch- Unterrichts, danach geht Ying pinkeln und schließt natürlich die Schie-betür meines Badezimmers. (Ich mache das nie, bin ja schließlich alleine). Nach dem Öffnen der Tür starren wir beide auf eine auf der Schwelle liegende Kakerlake, die offensichtlich ihrem Schöpfer gegenüber getreten ist. Wir beide kreischen, dann fege ich das leblose Insekt auf, Ying nimmt die Tüte mit runter. Anscheinend hat das Vieh den Köder gefressen und ist unter der Tür verendet. Gut, soll den anderen eine Warnung sein. Fühle mich mal wieder gestresst.

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