Montag, November 03, 2008

Am Wasser gebaut

01.11.08, Samstag

Vormittags:

Kein Regen, trotz nur knapp vier Stunden Schlaf bin ich erstaunlich fit. Bus wie immer, heute zum letzten Mal. Stelle fest, dass ich die Ansagen immer noch nicht ganz auswendig kann.
Wie immer stelle ich mich vor Xiao Lu und mache das, was er auch macht, heute legt er noch eine Schippe drauf und ist besonders kritisch. Wir reden kein Wort, wenn ich was nicht richtig mache, wird geknurrt. Meister Wu hatte schon angekündigt, etwas später zu kommen, denn er wird beim Schneider unsere Fummel abholen. Irgendwie gab es da ein Missverständnis, der Schneider hat was durcheinander gebracht (wahrscheinlich hat er das aus den Maßen von Stefanies Brustumfang geschlossen), er dachte, er sollte Klamotten für Meister Wu anfertigen. Tja, da war wohl gestern eine Nachtschicht fällig. Es ist diesig, im Gästehaus ist die Klimaanlage auf Heizung umgestellt worden und auch der Meister trägt lange Unterhosen. Mir werden die Fummel für Stefanie und mich, die wirklich wunderschön ausgefallen sind sowie zwei Dosen Tees in die Arme gedrückt. (Perlen vor die Säue). Das Üben der Einzelbewegungen geht ziemlich schnell in eine Push- Hands Lektion für uns beide über, der junge Mann kommt dann auch noch und zu viert schubsen wir uns gegenseitig, haben viel Spaß und lästern mal wieder über die Wu Stil Schnallen, die mit uns mitzuhalten versuchen. Ich grüße den Meister von Yürgen , er freut sich und bestellt herzliche Grüße zurück. Ende der heutigen Lektion, eigentlich hatte ich mir eine kleine Dankesrede zurechtgelegt, komme aber über „xiexie“ nicht hinaus und zerre mir schnell den Fummel über den Kopf, um meine Tränen zu verbergen. Wie immer bummeln wir zum Tor, unterwegs erkundigt sich der Meister noch mal, wann denn genau meine Maschine ginge? Und wirklich zwölf Stunden unterwegs? Lihai! Gewohnheitsmäßig sage ich „Bis Morgen“, hochgezogene Augenbrauen, ich korrigiere schnell: „Bis nächstes Jahr“, Flosse schütteln, lächeln, „Yilupingan“, winken, umdrehen, heulen.

Nachmittags:

Kerstins Gepäck steht vor meiner Tür, da sie es nicht rechtzeitig
angemeldet hatte, musste sie schon um 12.00 ihr Zimmer verlassen. Gut, da darf sie mir beim Packen und Heulen zuschauen. Ihre Halloween Party war wohl etwas –äh- lihai. Bin froh, dass ich die Modellarbeitertasche gekauft habe; denn da geht alles mögliche rein, vor allem die restlichen Nudelsuppen und zerbrechliche Gegenstände sowie Klamotten, könnte ja sein, dass man in FRA schockgefrostet wird. Der Koffer erweist sich als störrisch, geht dann aber doch zu. Traditionelle Henkersmahlzeit im Vegetarian Lifestyle, neue Gerichte auf der Karte, die wir gleich ausprobieren. Köstlich.

Abends:

Keine Zeit mehr für Fußmassage, herzlicher Abschied von Alessandra. Mann, was bin ich froh, die wieder getroffen zu haben! Getreu des Mottos unseres Freundes Steffen, dass nichts zurückgelassen wird, verpacke ich die mir gestern geschenkten Blumen. Eigentlich rechne ich damit, dass die mir schon hier abgenommen werden, aber egal, der Wille zählt.
Während wir die glitzernden Lichter der Stadt zurücklassen, vibriert die Wunderwaffe: Meister Wu steht mit versammelter Mannschaft im SISU, die Jungs wollten mich überraschen und an den Flughafen bringen. Da es im Taxi aufgrund herunter gekurbelter Scheiben sehr laut ist, ducke ich mich auf dem Boden und muss mehrere Male nachfragen, bis ich den Sachverhalt raffe. Tai Yihanle (sehr schade), Gute Reise, bis nächstes Jahr. Meines Wissens nach ist die Ehre der Begleitung zum Flughafen bis jetzt nur Michael zuteil geworden, und der ist ja so was wie der Adoptivsohn. Bin ja eher unmusikalisch veranlagt und Halloween war gestern, jetzt liege ich vor dem Rücksitz eines Shanghaier Taxis auf den Knien und stimme Klagelaute an, die einer Banshee würdig gewesen wären.
Kerstin und ich kaufen noch schnell Scheiße (Panda- Plüschtier, Tiger- Kühlschrankmagnet) , dann ab in den Flieger. Während wir zur Startbahn rollen, laufen mir dicke Tränen über die Wangen, als wir abheben, brennt mein Herz. Mit den Idioten in der Reihe hinter uns lege ich mich zügig an, von den 12 Stunden Flug schlafe ich ca. 8, beschwere mich darüber, dass es zu wenig zu essen gibt (als Kettenraucher muss man seine Gelüste kompensieren, natürlich hat China Eastern einen hervorragenden Service). Wir kriegen vegetarische Sandwiches, da Kerstin zu schlafen scheint, fresse ich ihres auch.

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