Donnerstag, Februar 17, 2011

无业 – Arbeitslos

Gehe meine Arbeitssuche erst mal gemütlich an und schicke am zweiten Arbeitstag nach den Ferien ein paar Bewerbungen raus. Zwei Stunden später habe ich drei Bewerbungsgespräche für diese und die nächste Woche klargemacht.
Freue mich, mit Meister Wu trainieren zu können, leider machen mir das Wetter oder des Meisters Vorliebe zu nächtlichen Sauf- und Zockgelagen öfters mal einen Strich durch die Rechnung. (Zu des Meisters Ehrenrettung muss man sagen, dass er nur zweimal wegen vorhergehenden Ausschweifungen das Training absagt).
Habe Glück und bin Samstag die einzige Schülerin. Meister Wu mag mich ja gerne, aber mit mir kann er nicht so viel labern wie mit seinen anderen Schülern, weswegen er am Einzeltraining mit mir wohl nicht so wahnsinnig viel Spaß hat. Später kommt dann noch für eine Stunde ein Typ Ende fünfzig in Zivilklamotten an, der in die Grundlagen unseres Stils eingewiesen wird und sich als sehr begeisterungsfähiger Schüler erweist. Meister Wu hat jemanden zum Quatschen und ich profitiere auch. Grundlagen sind ja nie verkehrt und der Typ ist ganz witzig. Mich bezeichnet er fröhlich als seine „shijie“, ältere Lehrschwester, wir lachen beide. Wenigstens weiß der Typ, was sich in Kampfkunstkreisen gehört.
Sonntags voller Auflauf, Jud hat noch zwei Interessenten mitgeschleppt. Auch meine Intimfeindin ist am Start. Einzig Xiao Lu bleibt verschollen. Mache mir langsam Sorgen um ihn. Stelle fest, dass Sonntag echt der uninteressanteste Trainingstag ist, aber was will man machen.
Meister Wu willigt ein, auch Montag in den Park zu kommen, sehr schön. Eiseskälte, obwohl die Sonne kräftig scheint. Ich nutze die Gunst der Stunde, um ihn ausgiebig zu einer bestimmten Einzelbewegung zu befragen, die ich noch nicht so richtig begriffen habe. Der Meister ist erfreut und erklärt mir die Anwendungen dieser Bewegung sehr ausführlich. Und er bringt mir ein paar Kombinationen bei, die er sonst nur in den eigenen vier Wänden übt. Soll ja keiner sehen, was wir so drauf haben. Bin sehr beglückt, aber es wird noch besser. Rose kommt mit zwei Säbeln. Jetzt ist Meister Wu natürlich nicht mehr zu halten. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit lehrt er uns Theorie und Praxis und erzählt unterhaltsame Geschichten, die sogar ich begreife. Die Säbelform üben wir dann auch, wobei hauptsächlich Rose korrigiert wird. Ich bin etwas nervös, denn schließlich habe ich diese Form ausschließlich von Xiao Lu gelernt und führe sie nun zum ersten Mal dem Meister vor. Stelle mich dann anscheinend nicht so blöd wie befürchtet an, Mittwoch wird vertieft. Leider schneit es am Mittwoch dann, was ich sehr betrüblich finde.

Erledige Dinge, zu denen ich wegen Arbeitsüberlastung bis jetzt nicht gekommen bin, stelle mich bei diversen Büros vor und lerne Chinesisch. Kaufe bei Ikea Hasenjahr- Fuppes, das hatten sich die Zimmers gewünscht. Nun, Christine, habe Topflappen und Puschen. Und Platzdeckchen, die finde ich allerdings selber sehr geschmackvoll. Entdecke auf dem Gelände der Tongji- Universität das Institut für Materialprüfung und bin begeistert: Etliche Wolkenkratzer im Maßstab 1/20 oder kleiner in ihrer Struktur nachgebaut und getestet. Die Modelle stehen vor dem Institut oder den umgebenden Parkanlagen, in denen ich mich auch gleich noch mit den Universitätskatzen anfreunde. Fotografiere wie verrückt.

Treffe unsere Frankfurter Freundin Weiwei, die Neujahr bei ihren Eltern in Südchina verbracht hat und jetzt in Shanghai ihren Sohn besucht. Ich freue mich sehr, sie wiederzusehen, wir lachen und haben Spaß. Weiwei ist überwältigt von den rapiden Veränderungen in Shanghai und entsetzt über die Probleme, mit denen sich die jungen Leute hier heutzutage herumschlagen müssen. So hat die Freundin ihres Sohnes neulich auf Geheiß ihrer Eltern mit ihm Schluß gemacht, weil er keine eigene Wohnung aufweisen kann. Finden wir beide empörend. Aber wie soll sich denn ein junger Mann im heiratsfähigen Alter von ca. 5.000 RMB Monatsgehalt in einer Stadt wie Shanghai eine Wohnung kaufen können? Mir tun die jungen Leute hier echt leid, Neujahr hatten sich Rose und ich schon mit des Meisters Sohn sehr ausgiebig darüber unterhalten.
Lotse Weiwei durch die Shanghaier Metro und freue mich, dass ich mich hier als Ausländerin besser auskenne als sie. Naja, Weiwei lebt hier ja auch schon seit fast zwanzig Jahren nicht mehr.

Die Elektrik in meiner Bude gibt langsam den Geist auf, traue mich kaum noch, irgendein Gerät in Betrieb zu nehmen oder das Licht einzuschalten. Die Klimaanlage im Schlafzimmer lässt regelmäßig die Sicherung durchbrennen, also kein warmes Schlafzimmer. Bin mal gespannt, ob mein Vermieter die tatsächlich reparieren lässt, nachdem ich die Mieterhöhung verweigert habe. Egal, meine letzte Stromrechnung war sowieso exorbitant. Die Notfallnummer der Elektrizitätswerke ist auf einmal ungültig, zum Glück kann mir mein netter Pförtner helfen. Der OK- Man wird mein allerbester Freund, wir rauchen oft gemeinsam eine, während er die Hauptsicherung meiner Bude repariert.
Trotz des Endes der staatlichen Ferien wurde immer des Nachts noch fröhlich gefeuert, der heutige Tag (Donnerstag, 17.02.2011) markiert jedoch das endgültige Ende der Neujahrsfeierlichkeiten. Heute ist der fünfzehnte Tag, Vollmond und somit 元宵节,Laternenfest. Habe schon einige Kinder mit Laternen auf der Straße gesehen und fühlte mich seltsam an Sankt Martin erinnert. Momentan mal wieder heftiges Feuerwerk, genieße die funkelnden Lichter. Sozusagen das große Finale. Morgen werden wohl dann die hübschen Laternen, die in den vergangenen Wochen zahllose Gebäude schmückten, entfernt werden, schade. Hadere mit mir, ob ich die von mir an meinem Erkerfenster angebrachte auch abnehmen soll. Ach nee, das Ding ist zu hübsch, und wenn die Chinesen das ganze Jahr über Weihnachtsdeko hängen lassen, werde ich als unwissende Ausländerin doch wohl meine Laterne solange nicht abnehmen, bis sie auseinanderfällt und von der Sonne unansehnlich geworden ist.

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