Dienstag, Februar 01, 2011

事势第四 – Stand der Dinge #4

Job:
Mache mit meinem letzten Projekt eine Punktlandung, feuchter Händedruck und das war es fast. Würde mich dann doch interessieren, wie mein Entwurf beim Kunden angekommen ist, vielleicht bekomme ich ja Rückmeldung. Sonntag (vor dem Neujahrsfest ein Arbeitstag) muss ich mir noch meine Allowance abholen. Auf das Neujahrsessen mit meinem Büro habe ich natürlich keinen Bock. Frage mich, was ich aus dem vergangenen Jahr so mitnehme. OK, Einblick darin, wie Dinge hier so laufen, aber mein größter Gewinn hat vier Beine und rotes Fell. Ist ja auch was.
Erfahre, dass andere Kollegen freiwillig gekündigt haben, aha. Schade eigentlich, dass die Dinge so auseinanderfallen, hätte echt gut laufen können. Egal, abhaken, weitermachen.
Treffe auf einer Party einen Boss, bei dem ich mich beworben hatte. Der will sofort ein Interview mit mir. Bin zwar etwas zögerlich, da ich gerade meinen dritten Long Island Ice Tea am Hals habe, aber was soll es. Läuft gut, aber vor Neujahr geht hier sowieso nichts. Mal sehen.

Guanxi:
Zu beschreiben, was hier zu dieser Zeit abgeht, ist echt schwierig. Chinesisches Neujahr wirft schon mindestens drei Wochen vor den eigentlichen Festlichkeiten seinen Schatten. Seit zwei Wochen verlassen täglich eine Millionen Menschen Shanghai in Richtung Heimat, was sich in der Metro deutlich bemerkbar macht. Restaurants sind immer ausgebucht, da man Essen geht. In den Supermärkten ist jeden Tag die Hölle los, nahtloser Übergang von Weihnachten zu dem richtigen Fest. Man sollte sich mal unser Weihnachten vorstellen und das mit 10 potentzieren. Und das trifft es nicht annähernd.
Zheng Rui (Teeknülch) organisiert ein Essen mit Meister Wus Schülern. Sitze zwischen Rose und der Zappelmaid und blicke auf das vergangene Jahr zurück. Ein Jahr in Shanghai, keinen Job, keine Freunde und meine Trainingsleistung auch nicht verbessert. Während alle um mich herum fröhlich sind, kullern mir Tränen aus den Augen. Schäme mich, Rose redet auf mich ein wie auf ein krankes Pferd.
Die Zappelmaid flirtet mit ihren westlichen Tongbei- Brüdern, würde dem Luder am liebsten den Hals umdrehen. Ihr westlicher Name ist „Phoebe“. Alberner könnte es kaum sein, Rose und ich verdrehen unsere Augen. Aber wir weiblichen Schülerinnen prosten unserem Meister zu, auch wenn ich dem Miststück am liebsten ein Messer in den Rücken gerammt hätte. China halt. Sie weiss, dass ich sie hasse, ich weiss, dass sie gegen mich kämpfen wird wo sie nur kann, trotzdem sitzen wir hier und umarmen uns. China kann manchmal ganz schön kompliziert sein.
Die Wus und ich fahren mit derselben Metro heim, Wu Junior fragt mich beiläufig, ob ich denn zum Frühlingsfest hier sei? Klar, das verbringen ich und meine kleine Katze gemeinsam. Nee, nee, die Wus laden mich ein. Und das zum Jahreswechsel. Letztes Jahr war ich quasi am ersten Weihnachtsfeiertag eingeladen. Dieses Jahr Heiligabend. Mit Rose zusammen, das ist eine wirklich sehr große Ehre und ich bin sehr bewegt.
Einen Tag später klingelt nachts mein Telefon, der Teeknülch oder vielmehr Zheng Rui oder Richard. Hey, mein ehemaliger Mitschüler hat ne Baufirma und sucht Architekten. Schick dem doch mal deine Mappe, hast du während der Feiertage Zeit? Bin total gerührt. Könnte spannend werden, für ein Local Design Institute zu arbeiten.
Finde es jedenfalls total nett von Zheng Rui, dass er sich für mich so ins Zeug legt. Ein paar Tage später erfahre ich von Xiao Lu, dass der Meister für mich alle Beziehungen, die er hat, ausgespielt hat. Und allen anderen den Befehl erteilt hat, mich aufzuheitern, da ich doch neulich offensichtlich so traurig war. Und eine billigere Wohnung sollte ich auch haben, die werden sie suchen.
China ist sowas von geil.

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