Dienstag, Februar 01, 2011

事势第三 – Stand der Dinge #3

Job:

Einen Tag vor Alis Ankunft platzt unser Hauptprojekt und meinem Chef fällt auf, dass mein Vertrag ja im Januar ausläuft. Der wird dann also nicht verlängert. Toll, schönes Weihnachtsgeschenk. Was willste machen, ist nicht das erste Mal, dass mir betriebsbedingt gekündigt wird. Fairerweise hilft mir mein Büro aber, meine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zu verlängern, da muss ich mir also keine Sorgen machen. Habe ja auch einiges auf die Seite gelegt, so dass ich entspannt suchen kann, ohne mir über Kohle Gedanken machen zu müssen. Blöd nur, dass es momentan in Shanghai schweinekalt ist, sonst hätte ich wenigstens wie verrückt trainieren können. Und das Frühlingsfest steht vor der Tür, da geht hier sowieso nichts. Naja, also Lebenslauf aktualisieren, raussschicken und abwarten. Aber die festliche Stimmung ist natürlich gedämpft.

Ali:

Hole Ali vom Flughafen ab und freue mich. In Shanghai hat es geschneit, ist also nicht besser als zu Hause. Meine Wohnung findet Ali überraschend gemütlich. Sieder flüchtet beim Anblick des anderen Mannes in meinem Leben erst mal ins Bad, wo er sich empört heulend auf das Waschbecken kauert. Nach ein wenig gutem Zureden siegt seine Neugier und er beschnüffelt das Gepäck und beginnt, sich mit Ali anzufreunden. Schon am nächsten Tag finde ich die beiden friedlich zusammengekuschelt im Bett wieder, als ich vom Einkaufen nach Hause komme. Bin gerührt. Meine beiden Männer! Schlaues Tier, so schnell hat er noch nie zu jemandem Vertrauen gefasst.
Mache Ali mit meinen Lieblingsorten bekannt, die Taikang Lu findet er natürlich auch Klasse. Meinen Geburtstag feiern wir bei Glühwein und Käsefondue nach. Meine Freunde haben ihm Geschenke mitgegeben, danke an alle! Stefanie hat Katzenspielzeug geschickt, auf das Sieder natürlich voll abfährt. Sein Liebling ist sofort eine fette rotzhässliche Naturfellmaus, die klingelt und quietscht und an einer langen Gummischnur hängt. (Von Ali und mir das „Rattenmausi“ genannt). Und von Ali kriegt er einen Mainz 05 Fressnapf. Bin happy, endlich kann mein Kater von anständigem Geschirr speisen und hat schönes Spielzeug.
Weihnachten verbringen wir auf Hainan in einem richtig geilen Resort. Wir beide sind total urlaubsreif, Entspannung pur. Heiligabend stellt man uns ein riesiges, von innen beleuchtetes Lebkuchenhaus in die Bude. Wir tauschen traditionell zu den Klängen des Weihnachtsoratoriums unsere Geschenke aus. Phantastisches Essen in sommerlicher Kleidung unter Palmen, während Bing Crosby diskret von einer Weissen Weihnacht träumt. Verrückt. War Weihnachten noch nie weg von zu Hause und ich wollte dieses Fest schon immer mal mit einen fetten Cocktail am Hals im Warmen feiern.
Muss wieder arbeiten und Ali erkundet die Stadt auf eigene Faust. Er hat Spaß, lässt sich die Haare scheren und schleppt jede Mange Nahrungsmittel an. War klar, dass mein Gemahl in der Lebensmittelabteilung von Carrefour Stunden verbringen kann. W- LAN richtet er mir auch noch ein und auch ein DVD- Spieler sowie ein Heizlüfter werden erworben. Leider lässt das Ding mehrere Male die Hauptsicherung meiner Wohnung rausfliegen, weswegen die netten Herren von den Elektrizitätswerken mittlerweile meine besten Freunde sind.
Sylvester verbringen wir in einem tollen Hotel in der Innenstadt. Wegen des Hochhausbrandes im November leider keine Feuerwerke, aber am Neujahrstag genießen wir ein hervorragendes Früh-stück mit grandioser Aussicht auf die Stadt, besuchen die Biennale im Kunstmuseum und gehen shoppen. Schade, dass Ali zum chinesischen Neujahr nicht hier sein kann.
Am ersten Sonntag des neuen Jahres gehe ich trainieren und Ali kommt später, um uns zuzuschauen. Fröhliches Wiedersehen mit dem Meister, die beiden haben sich jetzt knapp vier Jahre nicht getroffen. Das letzte Mal, als ich hier 2006 meinen Geburtstag gefeiert habe. Da muss man natürlich gemeinsam essen gehen. Keine Zappelmaid, aber der nette Teeknülch ist dabei. Xiao Lu wird auch noch schnell herbeitelefoniert. Leckeres Essen, Ali ist begeistert. Photos werden auch noch geschossen, ich freue mich.
Nach drei schönen Wochen muss mein Gatte dann leider wieder nach Hause. Setze ihn in ein Taxi und instruiere den Schergen, an welchem Terminal er ihn abzusetzen hat. Trabe zur Arbeit und bin traurig. Als ich abends nach Hause komme, erwartet mich Sieder an der Tür, kreischt vorwurfsvoll und wischt zwischen meinen Beinen durch nach draußen. Mir gefriert das Herz, das hat er noch nie gemacht. Vielleicht ist er enttäuscht, dass das nette große Menschenmännchen jetzt auf einmal weg ist und sucht es. Klare Sache: Das Vieh kommt mit nach Deutschland, egal was ich dafür tun muss.

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