Dienstag, April 27, 2010

斯蒂芬妮 –Stefanie

Bin am Mittwoch auf der Arbeit dermaßen aufgeregt, dass ich mich kaum konzentrieren kann. Um 12.00 verlasse ich endlich das Büro und schieße mit dem Meisterwerk deutscher Ingenieurkunst an den Flughafen in Pudong. Komme auch pünktlich an, blöd nur, dass es auf einmal noch ein zweites Terminal hier gibt. Aber nach ein wenig Gerenne schließen Stefanie und ich uns endlich glücklich an der Bushaltestelle in die Arme.
Zu Hause zaubert sie dann auch erstmal die Geschenke und Nahrungsmittelzuwendungen meiner Lieben aus dem Koffer, bin total gerührt. Belgische Pralinen und Ferrero- Küßchen, lecker! Meine Schwiegermutter hat mir einen Brief geschrieben (ihr erster seit dreißig Jahren) und Ali hat mir sehr li
ebevolle Osterkarten mit Tigern und Häschen gebastelt. Süüüüüß! Gespiesen wird im Lifestyle und das Wetter erlaubt auch noch einen Absacker im wieder eröffneten Barbarossas. Muss einfach sein. Donnerstags mildes Arbeiten, eine der Bürokatzen wird gebadet. Freitag habe ich frei und kann mit im Volkspark trainieren. Danach Essen mit Jud und Andy, abends ein Konzert in einer Galerie in der Moganshan Lu. Traditionelle chinesische Weisen arrangiert von einem Jazzpianisten, kostenloser Wein. Schöner Abend. Andy und Jud laufen wir auch noch über den Weg.
Das Osterwochenende fällt mit dem chinesischen Qingming Jie (
Ahnen- Verehrungsfest, wie bei uns Allerheiligen) zusammen, deswegen habe ich Montags frei. Merkwürdigerweise ist Ostern das einzige Fest, dass die Chinesen uns noch nicht geklaut noch nicht für sich entdeckt haben. Schade eigentlich. Dafür hängt vereinzelt noch Weihnachtsdeko. Bizarr.
Der Wettergott ist uns wohl gesonnen, morgens Training mit dem Meister, mittags Feinschliff mit Xiao Lu. Da Xiao Lu nach dem chinesischen Horoskop Hase ist, er gerne dunkle Schokolade mag und gerade Ostern ist, opfere ich meinen leckeren Lindt- Zartbitter- Schoko- Hasen und schenke ihm das Tier. Schließlich gibt er sich mit uns beiden ja sehr viel Mühe. Xiao Lu freut sich auch ordentlich, lässt fröhlich grinsend das Glöckchen des Hasen bimmeln und verstaut ihn sehr sorgfältig in seinem Wunderrucksack. Die Schrittfolgen müssen wir trotzdem sehr tief laufen. Irgendwie hat die Maid mitbekommen, dass wir uns Nachmittags treffen und schlägt auch auf. Darüber ist keiner wirklich glücklich, am allerwenigsten Xiao Lu, der sie hartnäckig ignoriert und auf den oberen Teil des Trainingsgeländes verbannt.
Stefanie muss unter den kritischen Blicken vo
n Xiao Lu und mir Dong Bao Quan vorturnen. Xiao Lu hat ihr dies Form beigebracht und ich habe sie mit ihr in Deutschland geübt, so dass sie jetzt quasi von zwei Lehrern beobachtet wird. Bin ein bisschen aufgeregt und hoffe, dass sie alles richtig macht. So müssen sich Eltern fühlen, wenn sie ihre Kinder bei einer Schulaufführung beobachten. Stefanie kriegt aber alles ganz gut hin und Xiao Lu und ich grinsen uns stolz an. Gemeinschaftsarbeit. Ich lerne eine sehr komplizierte Drehung, die die Maid natürlich auch zu üben versucht und grandios vermasselt. Schadenfreude.
Ostermontag reinigt der Meister die Gräber seiner Ahnen, also kein Training vormittags. Macht nichts, es regnet sowieso. Wir pennen lange, üben nachmittags mit Xiao Lu, kochen uns abends was und schauen schnulzige DVDs.
Ich arbeite und Stefanie trainiert, putzt meine Bude, kauft ein und nimmt die Dienste meiner Chinesisch- Lehrerin in Anspruch. Akupunktur und Tuina lässt sie sich auch angedeihen, man ist ja schließlich im Urlaub. Abends erforschen wir die Nahrungsquellen in der Stadt oder in der Nähe meiner Behausung und entdecken ein nicht übles Restaurant direkt gegenüber. Zwischendurch gibt es mal kein Wasser, was mich zu panischer Internetrecherche veranlasst. Fülle ein Kontaktformular auf der Seite der Shanghaier Wasserversorgungsbetriebe aus und keine zwei Minuten nach dem Absenden bimmelt die Wunderwaffe. Eine Dame erkundigt sich in gutem Englisch nach dem Problem, schreibt mir auch noch eine mail und ruft abends noch mal an um zu fragen, ob jetzt alles OK wäre. Leute, DAS ist Service! Dabei hätten wir Trottel einfach nur die Ankündigungen am Aufzug sorgfältiger studieren sollen. Da stand nämlich ganz eindeutig, dass am soundsovielten von bis das Wasser leider wegen Wartungsarbeiten abgestellt würde. Für was lernen wir eigentlich chinesisch.
Mittlerweile wird auch Stefanie von meinem Freund, dem Elektriker mit einen herzlichen OK freudig begrüßt, weswegen er jetzt nur noch der „OK- Man“ ist. Meine ausländischen Kollegen berichten von Passkontrollen in ihren Compounds, hier schert das allerdings keinen. Was soll man auch wegen zwei Ausländerinnen extra ein Kontrollkommando herschicken. Was ein Glück, denn Stefanie und ich waren zu faul, sie ordnungsgemäß bei den Bullen anzumelden.
Endlich wieder Wochenende und Training, Freitag abend Taikang Lu, Shopping und nette Kneipen. Jud hat Liebeskummer und schleift uns Samstags in seinen Lieblingsclub. Rhythm and Blues, gute Live- Mucke, wir lernen Greg und Matt, die Besitzer/ Musiker kennen. Matt hat auch Bock auf Tongbei, wäre lustig. Da für Sonntag die Wetterprognose nicht ganz so prickelnd ist, sagt der Meister lieber gleich ab, aber wir verabreden uns mit Xiao Lu und sagen Jud auch Bescheid. Da der sowieso nach Ablenkung sucht und Xiao Lu auch schon ewig nicht mehr gesehen hat, kommt er auch gerne. Wird ein sehr schönes Üben, man sieht richtig, wie Jud aufblüht. Leider fängt es nach zwei Stunden an, zu regnen, weswegen wir abbrechen müssen. Nach einem gemeinsamen Essen mit Jud erforschen Stefanie und ich den Stoffmarkt und treten in intensive Verhandlungen für die Anfertigung eines Bauchtanzkostüms für Stefanie ein. Allerdings sind wir dann doch skeptisch, ob die Chinesen das so hinkriegen, ist ja nicht gerade die typische Tracht für hier. Und die Zeit ist etwas knapp, schließlich fliegt sie ja schon nächsten Sonntag früh. Aber immerhin erstehet Stefanie einen hübschen Klimper- Arschfummel fürs Bauchtanzen und ich einen Samtanzug zum Rumgammeln. Durchnässt aber glücklich leiern wir zu Hause die Klimaanlage auf Hochtouren, machen uns was zu essen und lassen das Wochenende mit seichten Komödien ausklingen.
Xiao Lu zieht sich eine Nierenbecken- Entzündung zu und kann Stefanie nicht weiter Mian Zhang beibringen. Der arme Kerl! Aber immerhin hat sie genug gelernt, um zu Hause ordentlich zu üben. Wehe, das sitzt beim nächsten Besuch nicht!

Mittlerweile sind wir perfekt aufeinander eingeschwungen und haben wieder jede Menge guter Einkaufs-/ Ess-/ Abhängmöglichkeiten aufgetan. Eigentlich fast mehr als in all den Jahren davor. Echt schade, dass Stefanie Sonntag wieder abreist, sie wird mir echt fehlen. Dass ich in meiner eigenen Bude nicht rauchen durfte, wie ich wollte, war zwar etwas lästig, aber derartig kleine Unannehmlichkeiten nimmt man für lieben Besuch doch gerne in Kauf. Freitag auf der Arbeit ist mir dann auch echt ein wenig weh ums Herz. Stefanie am Sonntag weg und Xiao Lu krank, echt traurig.

Keine Kommentare: