Samstag, Januar 30, 2010

周末 – Wochenende #2

30.01.2010, Samstag

Vormittags:

Wache hundemüde auf. Ein Blick aus dem Fenster zeigt: Zwar trübes Wetter, aber kein Regen. Und es ist auch relativ warm. Also Training. Mache mich gemütlich fertig und habe ein schlechtes Gewissen, weil ich die ganze Woche nicht geübt habe.
Zu meiner Freude habe ich eine Buslinie gefunden, die direkt vor meiner Haustür hält und zum Park fährt. Geil! Bus fahren ist sowieso viel besser als Metro, da sieht man wenigstens was von der Gegend. Bin schon etwas früher da, aber kein Xiao Lu, kein Meister. Warte eine Weile, um Punkt 9.00 fallen ein paar Tropfen vom Himmel. Hatten die Jungs das etwa im Blut? Überlege gerade, ob ich wieder nach Hause fahren und mich aufs Ohr legen soll, als Meister Wu gemächlich angeschlurft kommt. Er hat sein Mobilfon gestern im Volkspark vergessen und es vier Stunden lang gesucht. Deswegen wusste er nicht so genau, wie viel Uhr es ist. Aber irgendjemand hat das Ding wohl gefunden oder für ihn mitgenommen, ist also nicht futsch.
Xiao Xu kommt, was mich freut. Dann werden nämlich viele Grundlagen geübt, auch Anwendungen, was ich sehr interessant und nützlich finde. Auch Xiao Xu hat jetzt einen anständigen Winterfummel. Mit Ying Quan geht es weiter, eine wirklich sehr schöne Form. Habe mir natürlich nichts gemerkt und nehme mir fest vor, mit Videounterstützung kräftig nachzuarbeiten. Plauderei mit dem Meister, wie denn der Job wäre? Viel Stress? Jaaaa, ganz viel Stress! Und für die Wohnung müssen auch noch soooo viele Dinge erledigt und besorgt werden! (Eine willkommene Ausrede fürs Nicht- Üben muss man ja haben).
Der Meister erzählt, dass er gerne im Netz surft und chattet. Natürlich auf QQ. Muss ihn morgen mal nach seiner Nummer fragen.
Bin schön entspannt und das mit dem Fa Jing klappt mittlerweile auch bei vielen Bewegungen. Xiao Xus Anhang gesellt sich zu uns, ich lerne seinen Bruder kennen. Locke darf auch ein bisschen mitmachen, wir schubsen uns durch den Park und haben Spaß. Der Meister spendiert mir eine Tasse Tee und schenkt mir eine Mandarine, also bis morgen dann. Klar, gerne, freue mich schon!

Nachmittags:

Würde am liebsten schlafen, aber ich brauche noch ein paar Sachen und vor allen Dingen Wasser von Carrefour. Außerdem könnte ich mir ja im Vegetarian Lifestyle diese leckeren Instant- Nudeln besorgen, dann hätte ich für unter der Woche was zum Abendessen. Werfe mich in Zivilklamotten und schleppe mich mit meiner Einkaufsliste zu Carrefour. Was mich hier etwas nervt: Sobald man in einer Abteilung vor den Produkten wie z.B. Flüssigseife etwas länger verharrt, stürzt sofort eine Bedienstete herbei, fragt, was man möchte und fängt an, einem alles mögliche Zeug unter die Nase zu halten. Ist ja wohl als Dienst am Kunden gemeint, aber ich schaue lieber in Ruhe. Manchmal diskutiere ich aber auch mit denen, so kann man wenigstens die Sprache üben. Und ein Gefühl für den Shanghaier Dialekt kriegen. Muss in der Abteilung für die Neujahrs- Deko schwer an mich halten, da werde ich nächste Woche erst zuschlagen. Aber das Zeug ist einfach zu geil, so was von kitschig! Brauche unter anderem Müllbeutel und kann nicht widerstehen, welche mit Orangenduft zu kaufen. Was es nicht alles gibt!
Nachdem ich meine Einkäufe verstaut habe, fahre ich in die Stadt. Steige am Volksplatz prompt in die falsche Metro ein und muss wieder zurück. Da ich ja sowieso im Lifestyle einkaufen wollte, konsumiere ich hier auch gleich eine absolut phänomenale scharfe Nudelsuppe und ein anderes leckeres Gericht. Mann, ist diese Suppe gut! Und so raffiniert gewürzt! Mit Nelken, Ingwer, schwarzem Pfeffer und ordentlich Chilli! Vegetarische Tom Yam Gong gibt es auch, die werde ich das nächste Mal probieren. Kaufe zwei Sorten meiner Nudeln, jetzt brauche ich aber doch noch Schalen. Na ja, beim nächsten Carrefour- Besuch dann.
Bummel zurück ins Zentrum, schaue bei meinem Lieblingsklamottenladen von „The Thing“ vorbei. Liegt sowieso auf dem Weg. Gerade Schlussverkauf, kaufe eine Kapuzen- Sweatjacke, die von 268,- auf 156,- Yuan runtergesetzt ist. Und in einer Nebenstraße schieße ich die 6. Staffel von „Desperate Housewifes“. Klasse. Die nächsten Abende sind gerettet. Aber mein Ziel ist eigentlich die Fuzhu Lu, die Buch- und Schreibwarenstraße. Zum einen möchte ich ein seriöses Notizbuch, denn ich habe festgestellt, dass bei Besprechungen jeder eines zückt und wichtig mitschreibt. Ich bin die einzige, die lose A4 Blätter benutzt, das geht natürlich gar nicht. Unprofessionell. Zum anderen möchte ich auch so einen Scannerstift, den Lilo hier letztes Jahr gekauft hat. Mit dem Ding rollt man über einen Text, egal auf welcher Oberfläche und das Ding übersetzt auch noch. Angesichts der zahllosen Bedienungsanleitungen, die sich hier mittlerweile angesammelt haben, erscheint mir so ein Werkzeug nicht unnützlich. Vor allem für meine Waschmaschine, denn ich will ja nicht unfreiwillig meine Lieblingsklamotten ruinieren. Auf dem Weg sehe ich zwei (junge) Chinesinnen, die genauso groß oder sogar noch größer als ich sind. Und hübsche Klamotten anhaben. Ich Depp. Warum spreche ich die nicht einfach mal an, wo die so ihr Zeug kaufen? Daran muss ich bei nächsten Begegnungen dieser Art unbedingt denken.
Im Foreign Languages Bookstore verweist mich eine Dame, die hier Taschenübersetzer verkauft, an das Geschäft gegenüber, was den Scan-/ Übersetzerstift angeht. Das hat aber schon zu, sehr früh für selbst für deutsche Verhältnisse. Die Dame schreibt mir die Bezeichnung des von mir gesuchten Gerätes auf chinesisch auf. Also morgen wieder. Kaufe noch ein englischsprachiges Buch mit chinesischen Rezepten. Muss langsam mal lernen, mit dem hiesigen Material zu arbeiten, westliche Küche kann ich mir jedenfalls größtenteils wegen fehlender oder anders gearteter Zutaten und Zubereitungsmöglichkeiten (Backofen) abschminken.
Auf dem Weg zur Metro finde ich auch ein Notizbuch und kaufe zwei der leckeren Vanilleküchlein zum Kaffe.
Zu Hause intensive Internetrecherche zu der Waschmaschine, finde schließlich das baugleiche deutsche Modell. Die Bedienungsanleitung lässt sich leider nicht öffnen, aber ich habe immerhin einen Überblick. Verifiziere meine Rechercheergebnisse anhand des Wörterbuches. Zwischenzeitlich skype ich mit Ali und Stefanie, die gerade von ihrer Laos/ Kambodscha- Tour ins winterliche Mainz zurückgekehrt ist. Leider stürzt ihr Rechner ständig ab, aber die wichtigsten Informationen können ausgetauscht werden.
Und ganz schnell ist es Mitternacht. Wieder nicht geschlafen, wieder nicht geübt, morgen wieder früh aufstehen. Stress.

Freitag, Januar 29, 2010

压力- Stress

Mittwoch regnet es in Strömen und es ist neblig. Abends muss ich zu der für mich zuständigen Polizeistation, um mich offiziell zu registrieren. Die Polizistin ist sehr nett und entspannt, geht alles problemlos. Dass ich meinen Anmeldungsnachweis des Hotels nicht dabei habe, ist auch nicht so wild. Es gibt eine Bestätigung mit fettem roten Stempel. Jetzt ist es amtlich: Ich bin ordentliche Shanghaierin.
Ein weiteres kleines Problem hat sich ergeben: Die für meine Arbeitserlaubnis zuständig Behörde akzeptiert die von mir in großer Zahl aus Deutschland mitgebrachten Passfotos nicht, da sie nicht den Standartmaßen entsprechen. Also muss ich neue machen lassen. Erinnere mich dunkel, in der Metro 3 Station eine Fotokabine gesehen zu haben und trabe da hin, eine ganz schöne Strecke von der Bullenstation aus. Tatsächlich finde ich dort auch eine. Mittlerweile sehe ich aus wie aus dem Kanal gezogen, die Haare sind strähnig und kleben im Gesicht. Der Automat kann sogar Englisch und wir verbringen fast eine halbe Stunde mit lustiger Konversation, Betrachten der Vorschau der Bilder, Hoch- und Runterschrauben des Stuhles und Prüfung und Abgleich der Bilder auf die chinesische Norm. Dass hier aber auch fast alle Geräte Geräusche machen müssen! Schließlich rückt der Automat die Bilder raus, mit Abstand die schlimmsten meines Lebens. Ob die hier so jemandem eine Arbeitserlaubnis erteilen?
Donnerstag nach der Arbeit mache ich mich zur zweiten Runde bei Ikea auf. Bei meinem ersten Besuch hatte ich ja nur der Nötigste erworben. Am Abend vorher habe ich nach stundenlanger Internetrecherche eine Einkaufsliste zusammengestellt. Mittlerweile gehen mir die hässlichen Sessel gehörig auf den Geist, aber am meisten nervt mich die Beleuchtung meiner Bude. Chinesen haben da etwas andere Konzepte als wir, Hauptsache, schön hell. Und dem wird in meiner Wohnung Genüge getan. Also müssen vor allem Leuchten und Überwürfe her.
Heute ist Ikea angenehm leer und ich kann meine Liste bis auf wenige Gegenstände abarbeiten. Trotzdem muss ich viel hin- und her rennen, bis ich das ganze Zeug gefunden habe. Passend zur Puffbettwäsche kaufe ich lila Überwürfe (alle anderen Farben in dieser Größe waren absolut inakzeptabel), Leuchten und diverses Geraffel wie Geschirrhandtücher und Geschirrabtropfgitter, Fußabstreifer etc. Am Ende meiner Tour in der Deko- Abteilung werfe ich noch völlig erschöpft eine Topfpflanze mit Übertopf (Efeu), eine kleine Vase und ein Dreierpack mit hübschen Teelichtern in den Einkaufswagen. Habe beim Einkauf ein gutes Augenmaß bewiesen: Das ganze Zeug lässt sich in den mitgeschleppten Taschen verstauen und transportieren. Nach Hause mit dem Taxi, der Fahrer will mich in eine Konversation verstricken und möchte wissen, welche Abfahrt er nehmen muss. Kann auf einmal kein Chinesisch mehr. Prompt verfährt sich der Trottel und muss mitten auf der Straße wenden, was mit wütendem Gehupe der anderen Verkehrsteilnehmer quittiert wird. Bin völlig entnervt, schmeiße das Zeug in die Bude und hetzte zu Carrefour, wo ich unter anderem eine Flasche relativ preiswerten französischen Landweines an mich raffe. Muss jetzt unbedingt was trinken. Post habe ich auch, anscheinend ein Kontoauszug oder so was. Scheinbar noch für meinen Vormieter.
Der Wein ist überraschend erträglich und ich beginne mit der Aufhübschung meines Heimes. Die Klimageräte springen zunächst nicht an, drücke verzweifelt auf der Fernbedienung rum, worauf das Gerät jedes Mal piepst, aber nichts tut. Als ich kurz davor bin, die Fernbedienung an die Wand zu knallen und mich heulend und zähneknirschend auf dem Boden zu wälzen, föhnt auf einmal doch warme Luft aus dem Gerät. Aha. Anscheinend muss man ein paar Minuten warten, bevor hier Action angesagt ist. Bin wohl zu ungeduldig. Chinesische Klimaanlagen werden für mich ewig ein Rätsel sein.
Die Dekorationsarbeiten dauern bis spät in die Nacht. Die Teelichter entpuppen sich als Duftkerzen, würg. Geht aber, wenigstens riecht es diskret nach Schokolade, Vanille und Tiramisu. Vielleicht ganz OK für eine Raucherbude. Schließlich bin ich zufrieden. Sieht zwar aus wie in einer Studentenbude, aber doch ein großer Fortschritt. Nur der Karton der Waschmaschine stört noch, aber den werde ich morgen diskret entsorgen. Die Woche ist ja dann fast rum.
Seit neuestem stehen an den Metrostationen Damen im Expo- Outfit, die Schilder in der Hand halten. Kann den Inhalt zwar nicht ganz verstehen, aber die Pendler werden wohl aufgefordert, gesittet ein- und auszusteigen und nicht zu drängeln. Schließlich wollen wir Shanghaier ja bei den Expo- Gästen einen guten Eindruck hinterlassen. Mittlerweile habe ich auch das geschmeidige Schlängeln von einer Seite zur anderen in der Metro ganz gut drauf, muss ja zum Glück nur vier Stationen fahren. Meine Größe ist dabei nicht unvorteilhaft, denn so behalte ich den Überblick. Faszinierend: Man denkt immer, der Zug sei jetzt endgültig voll, trotzdem finden an jeder Station immer noch irgendwie Leute Platz. Und ich habe auch schon gesehen, dass das Aufsichtpersonal nachgeholfen hat, indem es zusteigende Personen einfach in den Zug stopfte. Nicht so diskret wie in Tokio, chinesisch grob halt. Metro 8 ist definitiv der ideale Platz für Schmusebedürftige, aber so lernt man seine neuen Mitbürger wenigstens gleich eng kennen.
Bei der Planung der Linie 8 ist den Zuständigen wohl ein Fehler unterlaufen, man hat das Passagieraufkommen völlig unterschätzt. Deswegen sollen ab Montag zur Hauptverkehrszeit probeweise zusätzlich Busse eingesetzt werden, die die selbe Strecke wie die Metro nehmen. Muss ich mal ausprobieren.
Heute ausnahmsweise kein Gerenne. Der mir zugesagte Couchtisch steht im Eingang. Nicht gerade ein Design- Klassiker, aber wenigstens weiß und mit verchromten horizontalen Lisenen an den Stirnseiten und einer Glasplatte. Passt zufällig halbwegs zu der RUTBO- Leuchte von Ikea. Kann also jetzt vor der Glotze abhängen und die Füße hochlegen. Was ich auch sofort tue. Enigstens piepen Glotze und Reciever beim Umschalten nicht.
Über der Stadt hängt fett der volle Mond, nur noch zwei Wochen bis Neujahr. Oder Fastnacht, je nachdem.
Für morgen ist Regen angesagt, sieht aber im Moment nicht danach aus. Aber wer weiss, hier kann sich das Wetter sehr schnell ändern. Also vielleicht kein Training? Wäre mir auch nicht unrecht, dann könnte ich endlich mal ausschlafen. Und endlich mal meine Mails beantworten. Man wird sehen.

Dienstag, Januar 26, 2010

新房子- Neue Wohnung

Mein Boudoir stinkt, als habe jemand eine Tube Silikon in der Ecke entleert. Das sei die Verpackung der neuen Matratze, meint Frau Chen. Will ihr mal glauben, denn dies scheint einer der wenigen Räume zu sein, in dem kein Silikon eingesetzt wurde.
Als ich Montag morgen aufwache, ist mir speiübel und ich habe infernalische Kopfschmerzen. Ob der Wein irgendwie übel war? Nee, Kater fühlt sich anders an. Meine Schwiegermutter ist (nicht ganz zu Unrecht) in großer Sorge, ich könne hier schlimmen Umweltgiften ausgesetzt sein, vielleicht ist die Matzratze in solches?
In der Dusche gibt es einen kleinen Knopf, den man hochziehen muss, damit die Brause anspringt. Der Knopf bleibt nicht oben. Mist. Also mit der einen Hand den Knopf rausziehen, mit der anderen Duschzeug und Shampoo auf dem Luxuskörper verteilen.
Im Büro klage ich Matthew mein Leid, der der Vermieterin gleich einen devoten Brief schreibt und sie auch anruft. Nee, neue Möbel fürs Wohnzimmer ist nicht, und der alte Schreibtisch sollte doch bitte drin bleiben, sie hätten selber so wenig Platz zuhause und wegschmeißen wollten sie das Zeug auch nicht. Sogar ein alter Fuchs wie Matthew muss sich jetzt geschlagen geben.
Nach der Arbeit Stippvisite im Carrefour, den Ikea- Besuch schiebe ich erstmal auf. Erwerb eines vernünftigen Trockengestells, eines Müll- und eines Putzeimers und zwei Flaschen Colas, zweier weiterer Kopfkissen, eines Aschenbechers sowie Pfeffer und Salzes. Habe noch Muskelkater von der Schlepperei gestern und breche fast zusammen. Auch die reizende Lichterkette wandert in den Einkaufswagen. Als ich das Ding zuhause aus der Verpackung reiße, um mein Heim zu verschönern, zerfällt gleich die Hälfte der Lampignons in seine Einzelteile. Der Stecker lässt sich nur mit Mühe in die Dose pressen und das Ding hat einen Wackelkontakt. Made in China. Selbst für hiesige Qualität tiefste Sohle. Bevor ich hier die Bude abfackele, wandert das Ding in die Mülle. Das Schlafzimmer stinkt immer noch fürchterlich. Ji Junior schaut vorbei, lässt sich das Problem mit der Dusche schildern und wird wegen der Möbel angekeift. Man habe mir neue versprochen und dies sei nur Sperrmüll. Wann denn der alte Schreibtisch abgeholt würde? Und wann könne ich denn endlich den Waschmaschinenkarton wegschmeißen? Und wo bleibt mein Couchtisch? Der junge Ji krümmt sich vor Scham und will mit mir über den Schreibtisch diskutieren. Nichts da! Aber den Karton brauche ich nur eine Woche aufheben. Gut, morgen kommt jemand wegen der Dusche vorbei. Und bei der Gelegenheit darf er mir auch gleich mal die Bedienung der Klimageräte erklären. Obwohl er im Gegensatz zu mir die Zeichen auf der Fernbedienung entziffern kann, scheitert er ebenso grandios wie ich. Nach etwa einer halben Stunde des sinnlosen Rumgedrückes schaffen wir es, dass die Geräte warme Luft produzieren.
Bereite mir Pellkartoffeln zu, chinesisch kochen kann ich ja nicht. Unter dem Gasherd fängt es an zu qualmen und zu stinken. Naja, vielleicht, weil das Ding brandneu ist. Aber lieber mal die Türen des Unterschranks öffnen. Als Gestanksquelle im Schlafzimmer entpuppt sich ein Aufnäher auf der Matratze, der unglücklicherweise auch noch am Kopfende platziert ist und der beim Umdrehen knisternde Geräusche von sich gibt. Stehe mitten in der Nacht auf, um das Bett abzuziehen und die Matratze umzudrehen. Mittlerweile bin ich fix und fertig.
Dienstag morgen werde ich mit einem grandiosen Sonnenaufgang belohnt. Meine Wohnung ist wirklich super ausgerichtet. Pumpe einen halben Liter Cola in mich rein, da stimmt mit meinem Magen was nicht. Normalerweise trinke ich so einen süßen Kram nicht, vor allem nicht zum Frühstück.
Metro Linie 8 ist die Hölle, aber ich muss ja nur vier Stationen fahren. Ein kleines Problem gibt es allerdings: Die Quyang Lu ist eine der wenigen Stationen, an der man rechts ein- und aussteigt. Also muss ich mich bis zur Qufu Lu von rechts nach links drängeln, um nicht unfreiwillig meinen Ausstieg zu verpassen. Was aber auch nicht so schlimm ist, denn der wäre dann der Volksplatz und von da läuft man auch nett zum Büro.
Und wieder nach der Arbeit Besuch des Carrefour, mittlerweile sollten die in Jubelgeschrei ausbrechen, wenn die mich sehen. Kaufe einen kleinen Mülleimer für das Bad. (Dazu muss man sagen, dass man hier Klopapier eigentlich nicht in die Toilette wirft, die Leitungen sind zu schwach. Sondern in einen Mülleimer. Finde ich etwas ekelig. Aber da ich aber hier im 17. Stock doch einiges an Rückstau unter mir habe, kümmert mich das wenig). Außerdem eine Klobürste. Und eine Dreckschipp. Und Öl zum Bratkartoffeln machen. Öl wird hier üblicherweise in 3 Liter Einheiten verkauft, was einen beredten Eindruck zu Shanghaier Kochgewohnheiten vermittelt. Finde dann aber doch eine 1,5 Liter Flasche mit Sonnenblumenöl für den Singlehaushalt.
Das Schlafzimmer stinkt nicht mehr, Ji junior schaut vorbei und erläutert mir die Handhabung der Dusche. Man muss den Knopf hochziehen und dann drehen. Aha. So einfach ist das. Die Bedeutung der Knöpfe auf der Klimaanlage hat er mir auch noch aufgeschrieben. Netter Kerl!
Wo er schon mal da ist, wird gleich fröhlich der alte Schreibtisch gemeinsam rausgeschafft. Und die zwei Koffer, die diskret unter einer Decke getarnt im Wohnzimmer standen auch noch. (Habe nicht nachgeschaut, was drin war, aber ich habe keinen Bock, hier das Sperrmülllager zu spielen).
Nach Ji Juniors Abgang fange ich erstmal an, die Bude zu putzen. Ist zwar durch meine Vermieter schon erledigt worden, aber durch anschließende Aufbau- und Umräumarbeiten wurde doch einiges wieder eingedreckt. Die Weisung, den Laminat- Boden nicht nass zu wischen, ignoriere ich einfach.
Endlich kann ich in Socken durch meine Wohnung laufen. Das Wohnzimmer ist schön übersichtlich, viel Platz zum üben. Die Klimaanlagen föhnen warme Luft, während es draußen heftig stürmt. Gut. Morgen muss ich mich bei der Bullenstation meines Distriktes als ordentliche Anwohnerin melden, dann geht es weiter mit der Beantragung der dauerhaften Arbeits- und der Aufenthaltserlaubnis.

Sonntag, Januar 24, 2010

搬家- Umzug

24.01.2010, Sonntag

Was für ein Tag!
Zunächst tue ich heute morgen das, was schon längst fällig war: Ausschlafen!
Dann schmeiße ich mein Zeug in den Koffer, der sich natürlich nicht mehr schließen lässt. Egal, wird alles auf irgendwelche Tüten verteilt.
In der Wohnung rotiert schon die Familie Chen. Herr Ji, Frau Chens Gatte, schraubt gerade einen Ikea- Kleiderschrank zusammen, das Bett hat er schon gemeistert. Für ihn ist diese Tätigkeit sichtlich ungewohnt und im richtigen Leben ist er Medizinprofessor. Ob ich ihm besser helfen soll? Och, wird schon gehen. Die mittlerweile eingerichtete Wohnung wird mir vorgeführt: Rosa Satinvorhänge. Aha. Ist nicht gerade mein Farbschema. Die Waschmaschine ist uralt und hat kein warmes Wasser, dafür kann sie aber schleudern/ trocknen. Inakzeptabel. OK, es gibt eine neue mit warmem Wasser. Das Wohnzimmer ist mehr oder weniger mit Sperrmüll möbliert, aber es gibt einen schönen, großen Schreibtisch mit einem bequemen Stuhl. Außerdem noch einen uralten, den können die Chens gleich wieder mitnehmen. (Der alte Schreibtisch bleibt zunächst noch da, wird später abgeholt).
Mit der Linie 3, in der ich mir durch harte Bodychecks einen Sitzplatz erkämpfe, fahre ich quer durch die Stadt zu Ikea. Leute, Ikea Wallau am 1. November ist ein Dreck hiergegen! Für die Chinesen hat Ikea anscheinend auch hohen Unterhaltungswert, man fläzt sich auf den Möbeln und fotografiert sich dabei. Da ich ja nur eine gewisse Anzahl an Dingen schleppen kann, beschränke ich mich auf das Wesentliche wie Bettzeugs, Bettwäsche, Handtücher und die so genannte „Starter Box“ an Geschirr. Besteck, Teller, Wein- und Wassergläser für 6 Personen, das Ding allein bringt schon stolze 16,5 Kilo auf die Waage. Da wir ja dem Tiger- Jahr entgegensehen, gibt es lustigen Tiger- Fuppes. Kann der Versuchung nicht widerstehen, Platzdeckchen, Topflappen und –wichtig!- Schluffen in Rot mit gelben Tigerkopf zu erstehen. (Diese erweisen sich später als ungemein bequem, muss unbedingt für meine potentiellen Besucher noch welche erstehen. Denn es ist hier Usus, beim Betreten einer Wohnung sofort die Schuhe auszuziehen. Und als guter Gastgeber hat man Puschen bereitzuhalten).
Auch hier werden an der Kasse diese praktischen blauen Tragetaschen verkauft, nur sind die hier leider nur halb so groß wie bei uns. Versuche, unter der Mithilfe eines freundlichen Chinesen die Starter Box in eine der Taschen zu zwängen- Bu xing, klappt nicht. Egal, dann halt so schleppen. Schäle 3.400 RMB aus der Tasche und habe immerhin schon das Nötigste. Mit dem Taxi wird das Zeug in die Quyang Lu geschafft, wo Herr Ji mittlerweile den Kleiderschrank aufgebaut hat. Und eine nagelneue Waschmaschine steht auch schon bereit.
Die Matratze wuchten wir gemeinsam auf das Bett, Frau Chen meint, sie habe extra eine weiche gekauft und ich muss probeliegen. (Frau Schreiber wäre sicherlich anderer Meinung). „Hen schufu“, sehr bequem, befinde ich.
Weiter zu Carrefour, aber erst stärke ich mich bei MC Donald mit einer Portion Fritten und einer Cola, keine Zeit zu verlieren.
Nächstes Abenteuer, Erwerb eines Wasserkochers (zwei Frauen kreischen auf mich ein), einer Pfanne und eines Topfes. Außerdem noch Messer, Schneidebrett, Waschmittel, Korkenzieher und diverse Säuberungsutensilien. Mit Entzücken nehme ich zur Kenntnis, dass es eine eigene Abteilung für Chinesisch Neujahr gibt. Viel Kitsch, auch mit Tigern, aber das muss warten. Doch diese reizende Lampignon- Lichterkette wird das nächste Mal ganz bestimmt mein! Bin mittlerweile völlig überreizt, schaffe es aber gerade noch, in der Lebensmittelabteilung Kartoffeln (im 700 gr Gebinde), Brot, Eier, Butter und Käse an mich zu raffen. Auch eine 5 Liter Wasserflasche wandert in den Wagen, ein Entschluss, den ich noch bitter bereuen werde, denn das Plastik schneidet beim Tragen böse in die Hand. Gönne mir auch noch eine Flasche Chardonnay, jetzt habe ich ja Weingläser und einen anständigen Öffner.
Unter der Last der von mir erworbenen Waren breche ich fast zusammen und schleppe mich keuchend und schwitzend in mein neues Domizil. Die neue Waschmaschine ist angeschlossen und ich werde in den Gebrauch eingewiesen. Geil, das Ding dudelt muntere Weisen, wenn das Programm anfängt oder abgeschlossen ist. Chen (oder vielmehr Ji) Junior richtet das Netz für mich ein, erstaunlich, wie er sich durch das deutsche Menue meines Rechners hangelt.
Ich werde ermahnt, keine Nägel in die Wände zu hauen (Schade!) und beim Einsatz des Warmwasserboilers sämtliche Fenster zu öffnen. (Lebensgefahr?)
Familie Chen ist jetzt auch fix und fertig und rückt ab, ich beziehe erstmal mein Bett (Passend zu den Vorhängen in Lila, hat was von einem Puff), packe den Koffer aus und säubere das Geschirr. Der schicke Schreibtisch wird ans Fenster gerückt, der Sperrmüll an die Wand geschoben. Immerhin ist einer der Sessel auch als Schlafgelegenheit ausklappbar, also können hier auch mal Leute übernachten. Da wird morgen noch ein Ikea- Besuch fällig sein, um das Zeug mit Überwürfen ein wenig aufzuhübschen. Schade eigentlich, dass die Einrichtung so schrottig ist, das Zimmer hat durchaus Potential. Aber andererseits habe ich auch was gegen übermöblierte Wohnungen und so habe ich wenigstens ordentlich Platz zum Üben.
Die musikalische Waschmaschine wird beladen und mit dem Waschmittel von Carrefour befüllt, stinkt erbärmlich. Also nächstes Mal was anderes. Dafür riecht wenigstens das Geschirrspülmittel lecker.
Zur Wäschetrocknung hat mir Frau Chen einen wackeligen Kleiderständer zur Verfügung gestellt, auch sie meint, dass es nicht klug wäre, Zeug aus dem 17. Stock zu hängen. Sehe ich genauso, zumal es gerade anfängt, zu regnen. Schmeiße also meine nassen Klamotten über den Ständer und platziere diesen unter dem Klimagerät, das im Wohnzimmer ganz gut abföhnt. Das im Schlafzimmer kann ich nicht so leicht bändigen, aber nach hektischem Rumgedrücke auf der Fernbedienung produziert auch das einen warmen Hauch.
Bin jetzt soweit ganz zufrieden mit meinem neuen Heim, wird schon. Einzig der riesige leere Karton, in dem die Waschmaschine geliefert wurde, stört doch ein wenig. Frau Chen meint, wir sollten den mal bis zum Garantieablauf in einem Monat aufheben, falls an der Maschine was sein sollte. Na gut, wenn es sein muss. Wenigstens funktioniert das Netz, mein Koffer ist ausgeräumt und ich kann morgen anständig frühstücken- Was willste mehr! Chat mit Lilo, zum Glück funktioniert alles.
Und jetzt sitze ich mit einem Glas Wein in einem sehr bequemen Stuhl, lasse meinen Blick wohlgefällig von hoch oben über meine Nachbarschaft schweifen, während neben mir meine Wäsche trocknet. Nebenan wartet ein frisch bezogenes Bett, in das ich mich gleich kuscheln werde. Das Leben ist schön.

Samstag, Januar 23, 2010

周末- Wochenende

23.01.2010, Samstag
Vormittags:

Bin leicht verspätet beim Training, was aber nichts macht, da weder Xiao Lu noch der Meister da sind. Dafür aber Xiao Xu, der pummelige Knabe mit den guten Manieren. Es ist so um die null Grad, aber die Sonne scheint wenigstens. Meister Wu kommt eine halbe Stunde zu spät, der arme Mann hat Halsweh. Fürsorglich frage ich, ob er lieber ausruhen will? Nee, nee, geht schon. Wegen Xiao Xu gibt es Anfängerprogramm, das ist mir auch nicht unrecht. Kippenpause mit dem Perückenmann, Locke hatte bei den ungemütlichen Temperaturen wohl keinen Bock. Ich darf des Meisters leckeren Pu´er Tee probieren, den ihm ein sehr wohlhabender Schüler wohl immer schenkt. Das Zeug kostet mehrere hundert RMB pro Hundert Gramm, sozusagen der Mercedes unter den Tees. Früher habe er billiges Zeug getrunken, sagt der Meister, jetzt hat er einen verwöhnten Gaumen und trinkt nichts anderes mehr. Xiao Xu ordert Winterfummel, der Meister hat einen neuen Schneider gefunden. Besser und billiger. Na ja, bin ja zum Glück gut ausgestattet, was Fummel angeht.
An Ying Quan wird weitergearbeitet, gleich mal ganz schön komplizierte Drehungen. Zum Glück habe ich das auf Video, dann kann man zu Hause schön nacharbeiten. Meister Wu weist darauf hin, wie vielseitig unser System doch sei: Es gäbe Einzelbewegungen, Schrittfolgen und Formen, andere Stile hätten das alles nicht. Interessant, so habe ich das noch nie betrachtet.
Teile dem Meister mit, dass ich morgen umzöge und deswegen nicht trainieren käme. Alles klar, dann nächste Woche Samstag wieder.

Nachmittags/ Abends:

Mache das, was jeder vernünftige Chinese mittags tut: Ein kleines Schläfchen. Als ich aufwache, habe ich doch ganz schön Hunger, habe ja nur eine Handvoll kandierter Walnüsse den ganzen Tag gegessen. Ich beschließe, zum Volkspark zu traben und mir da bei „Hello Pizza“ einen Teigfladen zu gönnen. Der Laden ist zwar auch nicht der Bringer, aber Klassen besser als Pizza Hut.
Am Volkspark angekommen, muss ich zu meinem Verdruss feststellen, dass „Hello Pizza“ einem französischem Bistro gewichen ist. Mist, also doch das grässliche Pizza Hut, habe keine Lust, groß durch die Gegend zu traben. Fange an, den Krimi, den mir Ali geschenkt hat, zu lesen. Der spielt in Mainz zur Fastnachtszeit, vor allem in der Altstadt. Sämtliche Kneipen und auch die Grebenstraße werden erwähnt. Kommt mir merkwürdig vor, wo ich hier so aus dem Fenster alle diese blinkenden Hochhäuser sehe, alles so unwirklich. Wenn ich in Mainz Bücher, die in Shanghai spielten, gelesen habe, war das nie so.
Gestärkt mache ich mich auf den Heimweg und fange im Hotel schon mal an, Koffer zu packen. Mein Koffer war ursprünglich mal ein logistisches Meisterwerk, aber nach etwas mehr als einer Woche des ständigen Hin- und Herräumens ist davon nicht mehr viel übrig. Egal, muss ja nur ein paar Kilometer im Shanghaier Stadtgebiet überstehen, keinen Langstreckenflug. Bin gottfroh, endlich hier rauszukommen. Zwar kann ich morgens schön an Suzhou- Kanal entlang zur Arbeit laufen und bin auch relativ schnell im Stadtzentrum, aber die Gegend hier ist öde und langweilig. Kein Geschäft oder Imbiss in der Nähe, total tote Hose. Außerdem möchte ich endlich mein Zeug auspacken und es mir gemütlich machen, jeden Tag den Koffer zu durchwühlen ist einfach nervig mit der Zeit.
Das Fernsehen überträgt das Spiel Bayern München gegen Werder Bremen, die Partie der Mainzer verfolge ich per Live- Ticker und beneide Elli und jb darum, dass sie sich das momentan gerade im Stadion anschauen dürfen. In der vierten Minute schon die Führung, grandios!
Mail von Stefanie aus Kambodscha, hört sich witzig an. Freue mich schon darauf, wieder mit ihr zu reden, wenn sie wieder in Mainz ist.
Morgen erstmal umziehen und einkaufen, das wird stressig. Hoffe, dass das Internet in der Bude auch tatsächlich funktioniert, wenn nicht, dann halt erstmal ein paar Tage Sendepause.

Freitag, Januar 22, 2010

黄泉- Hades

22.01.2010, Freitag

Stressige, aber interessante Woche. Heute erhalte ich meine Visitenkarten (Senior Architect- Das muss ich erstmal sacken lassen) und den Büroschlüssel. Der ziert also als erster den mir von Ali geschenkten Wutzen- Schlüsselanhänger.
Mir wird schlagartig bewusst, dass ich normalerweise heute abend trainiert hätte und anschließend mit den Mädels und gelegentlich auch Jungs in Heiligen Aal einen saufen gegangen wäre.
Training fällt ja wohl flach, denn das gibt es morgen bei Meister Wu. Aber Saufen wäre eine Option.
Habe auf einmal wahnsinnige Lust, auf Einkaufsbummel zu gehen und schon mal Zeug für die Wohnung zu sichten. Ein Kollege hat mir erzählt, im Einkaufszentrum am Zhongshan Park gäbe es einen recht witzigen Laden, also will ich da mal hin.
Komme dann leider doch erst recht spät von der Arbeit weg und steige prompt an der falschen Metrostation um und aus. (Zhongshan Road, nicht Park). Also wieder zurück in die Metro, am Hauptbahnhof muss ich umsteigen. Nun muss man dazu mal sagen, dass man da nicht einfach eine Rolltreppe hochfährt und auf dem nächsten Gleis steht. Nein, an der Shanghai Railway Station muss man beim Umsteigen von Linie 1 auf Linie 3/4 unterirdisch durch ein Labyrinth von Gängen laufen. Da ich dieses Gewirr aber ziemlich gut kenne (bei meinem letzten Aufenthalt bin ich hier täglich umgestiegen), lasse ich mich einfach treiben. Und stehe plötzlich vor einem Gitter. Die Unterwelt wird anscheinend renoviert. Man muss zur Oberfläche hinaufsteigen, um die Züge zu wechseln. Und der Vorplatz der Shanghai Railway Station entspricht in ihren Dimensionen nicht gerade dem des Mainzer Hauptbahnhofes. Hinzu kommt noch, dass seit vorgestern die Zugfahrkarten für das Frühlingsfest im Handel sind und Millionen von Wanderarbeitern zu dieser Zeit in die Heimat zurückwollen. Der erste Schub der Fahrkarten war natürlich im Nu ausverkauft, auf dem Platz blüht der Schwarzhandel. Eine sanfte Frauenstimme gemahnt aus Lautsprechern zur Ruhe, allerdings in ohrenbetäubender Lautstärke. An der Wand des Bahnhofes flimmern großformatig Reklamevideos, wohl um die Massen einzulullen. Blade Runner. Mir wird allerdings kein Ticket angeboten. Sehe ja auch nicht aus wie eine Wanderarbeiterin. Obwohl ich das streng genommen eigentlich bin.
Irre zunächst hilflos umher, finde aber dann doch die Metrostation, schlängele mich geschmeidig hinein und schnappe einem fetten Chinesen den letzten Sitzplatz weg. Der hängt sich missmutig an die Haltegriffe, süffelt seine Sprite und schmeißt die leere Flasche bei der nächsten Station aus dem Zug, kurz bevor sich die Türen schließen. Was für ein Arschloch. Er bemerkt meinen giftigen Blick (Teil unseres Trainings) und schämt sich offensichtlich.
Als ich im Zhongshan Park das Einkaufszentrum erreiche, bin ich zu fertig, um noch entspannt zu bummeln. Und dieses Ding ist riesig. Und wenn ich das sage, meine ich: Selbst für hiesige Verhältnisse riesig. Lediglich die Super Brand Mall in Pudong ist wohl g i g a n t i s c h hiergegen. Also, Shanghai Touristen:
Als Ehegatten erzählt ihr euren Gemahlinnen besser nichts davon. (Obwohl wir Frauen sehr findig im Aufspüren dieser Dinge sind).
Als Ehefrauen plant für diese beiden Malls mal zwei Tage entspannten Shoppens mit gelegentlicher Massage, Nagelpflege und Nahrungsaufnahme ein. Die Kerle können sich ja in der Zwischenzeit die Formel- 1 Strecke oder diverse Elektroläden anschauen.
Schnelle und oberflächliche Bestandsaufnahme der angebotenen Waren, Shoppinghölle. Gebe schließlich auf und trabe in den Carrefour. Freunde, Real in Bretzenheim am Wochenende ist nichts dagegen. Dieser hier ist wie der Rest der Mall gigantisch. Und es gibt eine Abteilung mit importierten exotischen Gütern wie etwa Ritter Sport Schokolade. Raffe verwirrt einheimische Knabbereien wie kandierte Walnüsse, Chipse und Pistazien in meinen Korb und flüchte in die Alkoholika- Abteilung. Zu meinem Verdruss ist bis auf einem völlig überteuerten Riesling kein deutscher Weißwein am Start. Neben mir materalisiert sich eine zierliche Chinesin, die mich berät. Die will einem Meenzer Mädsche was über Woi erzählen?! Weil mir die Konversation Spaß macht, lasse ich mir schließlich zwei Flaschen französischen Chardonnays für ca. 8,- € die Pulle andrehen. Bei Rewe hätte ich für die Brühe nicht mal die Hälfte bezahlt, aber was soll es. Die Maid beglückwünscht mich zu meiner hervorragenden Auswahl und schleust mich zu einer Sonderkasse, ausländische Preziosen müssen anscheinend extra bezahlt werden.
An der Hauptkasse werde ich schon wieder elektrisiert. Es gibt es hübsche Tragetaschen. Recyclebar. Umweltfreundlich. Sehr groß und nur etwa 4,60 das Stück. Zwei Varianten. Ich sehe zunächst nur Variante eins: Knallrot, mit Neujahrswünschen und einem lustigen Tigerlein. Die Tasche wandert aufs Band.
Variante zwei: Sehr geschmackvoll, sehr schöne Farbgebung, eher traditionell. Mit einem hübsch kalligraphiertem Schriftzeichen, das ich allerdings nicht entziffern kann. Den Tiger sehe ich nicht sofort, er ist diskret an der rechten unteren Ecke der Tasche hingetuscht. Auch die Großkatze klassisch, auf der einen Taschenseite einer im Profil, auf der anderen Seite einer, der sich gerade abwendet. (Habe mir vor ein paar Jahren von einem deswegen sehr nervösen Chinesen sagen lassen, dass von oben nach unten herabsteigende Tiger nichts Gutes verheißen und ihm zuliebe an dem Abend alle Bilder umgedreht).
Der Typ vor mir in der Schlange sieht, wie ich beide Taschen an mich raffe und erwirbt spontan Variante eins.
Als ich im Hotel ankomme, ist es mittlerweile 21:30. Beim Entkorken der Weinflasche bricht mein eigens für diesen Zweck mitgenommenes Schweizer Offiziersmesser ab. Scheiße, und mit solchem mangelhaften Material wollen die Schweizer ihr langweiliges Land verteidigen? Das schreit ja geradezu nach Besatzung.
Und noch einem weiteren Bedürfnis wird Genüge getan: Letzte Woche haben mich meine Nachbarn hier kaum schlafen lassen. Ständig wurde gestritten, ständig lief die Glotze auf Maximallautstärke. Also habe ich heute zum Aufwärmen erstmal mit „Orpheus in der Unterwelt“ von Jaques Offenbach dagegen gehalten.
Jetzt ist nebenan Ruhe. Wahrscheinlich vor Entsetzen erstarrt, nachdem sie in den Genuss meiner Lieblingsoper, „Entführung aus dem Serail“ von W.A. Mozart aus scheppernden PC- Lautsprechern gekommen sind. Und natürlich habe ich auch mitgesungen, vor allem meine Lieblingsarien. Gar nicht so leicht, abwechselnd Tenor und Bass zu singen. Vor allem, wenn man in dieser Hinsicht völlig talentfrei ist.
Vivat Bacchus.



Donnerstag, Januar 21, 2010

检查身体- Gesundheitstest

21.01.2010, Donnerstag

Tatsächlich sind über Nacht die Temperaturen locker um 10- 12° gefallen, es ist bewölkt und regnreisch und es weht ein unangenehm frischer Wind. Da wird direkt die gute alte Klimaanlage wieder dröhnend auf die höchste Stufe hochgeleiert.
Und ab heute sind es nur noch exakt 100 Tage bis zur Eröffnung der Expo. Wage mir gar nicht auszumalen, was dann hier los sein wird. Wie gut, dass ich eine Wohnung habe, bestimmt fällt bald das ganze Personal der diversen Nationen ein und treibt die Preise in die Höhe. Die Hotels jedenfalls sollen während der Expo bis zu 20% teurer werden.
Matthew fragt, ob mir denn meine Vermieterin eine Quittung über die Kaution ausgestellt habe? Nein? (Bin halt sehr gutgläubig). Sofort ruft er Frau Chen an und erinnert sie höflich, aber bestimmt, mir doch Sonntag dann eine auszustellen. Erneut wird die Bettenfrage diskutiert. Anscheinend hat Frau Chen Angst, ich könne als groß gewachsene Langnase in das von ihr gewählte Modell nicht reinpassen, erst recht nicht zusammen mit meinem hünenhaften Gatten. Deswegen will sie vorsichtshalber mal ein 2,00x 2,00 m Bett ordern, was mir angesichts der geringen Größe meines Schlafgemaches dann doch etwas üppig erscheint. Die 1,50 m Betten sind allerdings nur 1,90 m lang, das ist wirklich zu kurz. Schließlich einigen wir uns auf 1,80 m Breite und 2,00 m Länge. Und Internet gibt es ab Sonntag auch.
Das mit dem Mietvertrag ab Donnerstag war übrigens kein Versehen von Matthew. Er hat lediglich durchgesetzt, dass ich schon am Sonntag einziehen kann und mir somit vier Tage Hotel gespart. Dieser Fuchs!

Mittags dann der Gesundheitstest, dazu muss ich mit dem Taxi quer durch Shanghai in einen Außenbezirk nahe des Zoos gurken. Also, so weit draußen möchte ich echt nicht leben. Auf dem Weg zum Hospital betrachte ich mir die diversen Wohnblocks und frage mich, ob mir das gefallen könnte. Sicher nicht, jedenfalls nicht am Rand einer Schnellstraße. Einige stehen sehr eng zusammen oder haben keine sonderlich spannende Aussicht, die Balkone sind bei den meisten sowieso zugebaut und zu Wohn- beziehungsweise Stauraum umgewidmet. Na ja, der gemeine Chinese sitzt halt in lauen Sommernächten nicht unbedingt auf seinem Balkon und genießt ein Weinschorle.
Es muss auch mal gesagt werden, dass es in Shanghai Unmengen von wirklich grauenhaften architektonischen Entgleisungen gibt, vor allem, je weiter man sich vom Stadtzentrum entfernt. Hochhäuser mit stilisierten griechischen Säulen und goldenen Dächern, protzige Wohntempel- alles vorhanden. Allerdings macht die schiere Masse dieser Sammelsurien diese Stadt schon wieder einzigartig und faszinierend. Und natürlich gibt es auch gute Architektur und schöne alte Viertel. (Ganz nebenbei:
Hier eine kleine Sightseeing- Anregung für Lilo „Hello Kitty“ A. für ihren Shanghai- Besuch im Mai.
In der Klinik läuft alles ziemlich reibungslos, der gute Matthew hat ja auch für mich schon vorab einen Termin klargemacht. Man bekommt ein Formular mit Fragen zum aktuellen Gesundheitszustand in die Hand gedrückt, das man nach bestem Wissen ausfüllt. Da mir die Verneinung aller Fragen etwas unglaubwürdig scheint, kreuze ich bei „Operation“ und „Hospitalisation“ einfach mal „Ja“ an und schreibe in die Erläuterungszeile „Appendix removed“. Was Schilddrüse auf englisch heißt, fällt mir gerade nicht ein. Dann wird man aufgenommen, zahlt seine Gebühren und begibt sich in den Untersuchungsbereich.
Um gleich mal alle im Internet kursierenden Horrorgeschichten zu entschärfen: Nein, das Hospital ist keineswegs abgewrackt und unhygienisch. Nein, das Personal ist des Englischen durchaus mächtig und recht freundlich. Im Gang an der Blutabnahmestation stehen sogar Wasser, Schokolade und Kekse bereit, deren Qualität ich jedoch nicht beurteilen kann, da ich keine esse. Nein, das Röntgengerät ist kein ausgemusterter sowjetischer Atomreaktor.
Zunächst wird man gemessen und gewogen, anschließend macht man sich in einer Umkleidekabine oben frei, (nein, nicht ganz nackig), legt den ausgehändigten (keineswegs fadenscheinigen) Bademantel an und zieht blaue Plastiksäcke über die Schuhe. Dann wird einem Blut abgenommen (nein, die Krankenschwester findet die Vene sofort und muss nicht dreimal ansetzen, weh tut es auch nicht), ein EKG gemacht, der Brustkorb geröntgt, ein Ultraschall der unteren Bauchregion gemacht, der allgemeine gesundheitliche Zustand mit Blutdruckmessung erhoben und dann muss man noch zum Sehtest (der allerdings wirklich ziemlich albern ist). Die Reihenfolge dieser Untersuchungen hängt vom Patientenaufkommen ab, freundliche junge Schwestern regeln das im Gang, so dass die ganze Prozedur zügig und reibungslos abläuft. An jeder Station setzt der Arzt seinen Stempel in die entsprechende Zeile und schreibt seine Diagnose. Ist man fertig, kleidet man sich wieder um und liefert seine Untersuchungsergebnisse an einem Schalter ab. Gegen geringes Entgelt kann man sich die Ergebnisse zuschicken lassen, so muss man nicht extra wieder in die Klinik fahren.
Mir werden die Papiere ins Büro geliefert, sie sollten Montag ankommen. Da ich davon ausgehe, dass ich gesund bin (schließlich knurrte gerade die ganz strenge Ärztin: „Good. Everything normal.“) geht dann das Abenteuer weiter: Beantragung der Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung bei der Ausländerbehörde in Pudong. Da kenne ich mich ja zum Glück aus. Aber als nächstes steht mir ja noch der Umzug bevor.

Mittwoch, Januar 20, 2010

办东西- Dinge erledigen

20.01.2010, Mittwoch

Vermieterin:

In Shanghai sind es frühlingshafte 18° (soll aber ab morgen wieder massiv kälter werden) und nach zähen Verhandlungen mit meiner Vermieterin hinsichtlich Preis, Ausstattung und Zahlungsmodalitäten für die Wohnung kann ich heute endlich den Vertrag unterschreiben. Besonders bei letzteren hat Matthew brilliant gezockt, denn ich muss nur eine Miete Kaution vorlegen und kann monatlich bezahlen. (Normal sind hier drei Monatsmieten im Voraus). Sonntag Mittag kann ich einziehen, da wird dann erstmal eine große Tour zu Ikea fällig, da ich mir ja den ganzen Hausstand neu zulegen muss. Stelle aus deren Online- Katalog schon mal die Dinge zusammen, die ich brauchen werde und kriege eine erste Vorstellung über die zu erwartenden Ausgaben.
Der Vertrag ist auch der anderen Partei zur Kenntnis zugegangen, da ruft Frau Chen an: Naja, also, mit der Erwähnung des Flachbildschirms im Vertrag sei ihr Gatte irgendwie nicht so einverstanden. Der meine, ein ordinärer Fernseher täte es auch. Sie selber aber habe nichts gegen Flachbildschirme, aber ob wir diese Klausel vielleicht einfach nur auf „Fernseher“ ändern könnten? Dann gäbe es da noch ein klitzekleines Problem, die Möbel würden erst Sonntag Vormittag geliefert, das Bett erst Mittwoch, ich könne also erst am nächsten Donnerstag einziehen. Und den Internetanschluss würde sie dann Sonntag beantragen.
Daraufhin wird Matthew ziemlich ungehalten. Ob er nach einer anderen Wohnung für mich suchen sollte? Nee, auf die paar Tage soll es dann auch nicht mehr ankommen, wenn ich schon vorher Zeug da reinschaffen kann. Wieder Anruf bei der Vermieterin und 20 Minuten lang erbittertes Gekreische. Matthew ereifert sich, das Hotel wäre sauteuer, ich müsse schnell da raus. Und das Internet müsse SOFORT beantragt werden, schließlich würde ich auch wegen der Zeitverschiebung zwischen Deutschland und China spät zu Hause noch arbeiten, Sonntag muss die Leitung stehen. Also gut, Einzug Sonntag Nachmittag. Für die Übergangszeit gibt es halt ein anderes Bett.
Matthew fragt mich augenzwinkernd, ob ich denn die chinesische Art des Schmeichelns beherrschte? So könne ich Frau Chen vielleicht dazu bringen, doch noch mit dem Flachbildschirm rüberzukommen. Ich mache es ihm vor, er lacht und meint, die Glotze habe ich sicher.
Fahre zur Wohnung, um mich mit Frau Chen zu treffen, mittlerweile wird die Bude gerade gesäubert. Die Fronten der Küche erstrahlen in mutig ausgewähltem quietschgrünem Lack, an der Decke des Wohn- und des Schlafzimmers hingegen sind Aufbauleuchten in eher traditionell chinesischem Design angebracht. Oha, bin mal auf die Möbel gespannt. Hoffentlich ist Frau Chen da einigermaßen geschmackssicher. Sie hat ihren Sohn als Übersetzungshilfe mitgebracht, ich leite sofort auf chinesisch das volle Schmeichelprogramm ein, strahle sie an und bedanke mich umfänglich für ihre Mühen. Ich sei ja soooo froh, schnell einziehen zu können!
Während sie und ihr Sohn aufmerksam den Mietvertrag studieren, erkunde ich mein neues Reich. Sieht so geputzt nicht schlecht aus. Erspähe einen Spielplatz, vielleicht kann man da üben. Oder im Hausflur, der ist auch groß genug. Meine neue Nachbarschaft wird noch Spaß an mir haben. Auch für die das Wäschetrocknungsproblem gibt es eine Lösung: Wird auf chinesische Art gemacht. Das heißt, an der Außenwand ist vor dem Wohnzimmerfenster ein Rohrrahmen mit ca. 2,00 m Auslegung abgespannt. An den beiden Enden des Rahmens sind fünf Ösen in regelmäßigen Abständen nebeneinander geschweisst. Die nasse Wäsche fädelt man dann auf Bambusstangen, die man durch diese Ösen auf den Rahmen auflegt. Oha, ich soll im 17. Stock meinen klatschnassen Fummel 2,50 m weit aus dem Fenster balancieren? Und an der miesen Luft hier trocknen und ungeschützt den Elementen aussetzen? Da wird mir was einfallen müssen.
Frau Chen unterschreibt den Vertrag, ohne zu murren. Das Bettproblem wird angesprochen. Ich will wissen, wie groß das sei? Nur für den Fall, dass mein Mann mich ab und an mal besuche. Frau Chen fragt, wie groß der denn sei und erbleicht, als ich ihr Alis Körpergröße nenne. Nein, nein, versichere ich schnell, 1,50 m Breite wäre völlig ausreichend. Der Herr Gemahl käme ja nur ein- bis zweimal im Jahr für ein paar Wochen, das passt schon so. Also dann, Sonntag 12:00 Schlüsselübergabe.
(Abends im Hotel angekommen muss ich feststellen, dass der tüchtige Matthew bei all dem Hickhack aus Versehen als Vertragslaufzeit doch den Donnerstag, 28.01.10 eingesetzt hat. Scheißegal, merkt hoffentlich niemand. Ich jedenfalls werde Sonntag mit meinem Geraffel auf der Matte stehen).

Bankkonto:

Nach dieser Transaktion begleitet mich Jiajia, die quirlige kleine Büroassistentin zur Bank, um die nächste Sache über die Bühne zu bringen. Sie hilft mir, ein Konto bei der Bank of China zu eröffnen. Für eine Architektin muss es natürlich diese Bank sein, wer sich im damals noch britisch besetztem Hongkong eine derartig abgefahrene Zentrale bauen lässt, muss ja was drauf haben.
Die Filiale ist sehr klein, Jiajia füllt die Formulare schön aus, ob ich auch Internet- Banking wolle? Klar will ich. Läuft auch alles ganz glatt, bis der Scherge meinen Pass etwas genauer studiert und hinsichtlich der Namen dann doch Zweifel aufkommen. Warum hinter „Bettina“ noch ein zweiter Name stünde? Und beim Familiennamen auch noch einer? Und was geb. zu bedeuten habe? Jiajia erklärt ihm, dass in Deutschland Frauen bei der Verehelichung oft den Namen ihres Gatten annähmen, der alte Name stünde dann hat noch im Pass. Der Scherge gibt sich zunächst mal damit zufrieden, dann tauchen seine Vorgesetzten auf und die ganze Debatte beginnt von neuem. Wieder minutenlanges Gekreische. Anscheinend geht das in China nicht anders. Ich wedele meine diversen deutschen Bankkarten mit meinem Vor- und Zunamen drauf vor den Nasen des Schergen und seiner Obermotze auf und ab, aber auch das beeindruckt die wenig.
Schließlich einigt man sich, dass als Kontoinhaberin zuerst mein Nach-, dann mein Vorname genannt werden. Wie man das hier in China halt so macht. Jede Menge Dokumente werden abgestempelt, unterzeichnet, gegengezeichnet und über den Tresen geschoben, die selbst gewählte Geheimnummer Dutzend Mal eingegeben. Schließlich bekomme ich ein Sparbuch mit sagenhaften 5 RMB Guthaben, darf ein Los ziehen (leider Niete) und kriege noch einen Taschenkalender sowie meine Bankkarte. Auf Kalender und Karte prangt ein niedlicher Tiger, klasse! Da soll sich die Mainzer Volksbank mal eine Scheibe von abschneiden. Außerdem erhalte ich einen merkwürdigen, etwa USB- Stick großen Gegenstand mit Befestigungsöse, auf dessen Digitalanzeige eine Zahlenfolge blinkt, die sich im Minutentakt ändert. Keine Ahnung, wozu das Ding gut ist, ein schicker Schlüsselanhänger der BoC für Neukunden vielleicht? Aber mit dem Teil zusammen wird mir auch ein Zettel mit ordentlich Stempeln gereicht, auf dem der Schalterscherge eine Ziffernfolge einkringelt und meint, das wäre fürs Internet- Banking.
Zu Hause will ich doch gleich mal sehen, wie so was hier so läuft und rufe die Webseite der BoC auf. Muss zunächst mal irgendwas runterladen, wahrscheinlich wissen die BoC und der Geheimdienst jetzt bestens über mich Bescheid.
Es wird nach dem Benutzernamen, dem PIN (beides achtstellig) und dem e- Token (sechsstellig) gefragt. Probiere zunächst mal alles mögliche aus und bin etwas ratlos. Zum Glück habe ich in meiner Jugend genug Abenteuerspiele am Rechner gezockt und daher eine hohe Frustrationstoleranz in diesen Dingen. Schließlich ahne ich große Zusammenhänge: Sollte das Blinkeding etwa der e- Token sein? Tippe also bei Benutzernamen die Nummer vom Zettel ein, Geheimnummer ist klar und schließlich dann die Nummer, die der heilige Token aktuell zeigt. Schwupps bin ich eingeloggt und muss erstmal Benutzernamen und PIN ändern, bevor ich auf meine Reichtümer zugreifen kann. Voller Erregung melde ich mich ab und mit den neuen Daten und der Nummer des magischen Token wieder an. Klappt. Wie abgefahren ist das denn! Bin ich denn so ein Landei, dass ich noch nie von so etwas gehört habe? Warum gibt es das nicht bei uns, aber in China? Ob das am chinesischen Hang zur Mystizität liegt? Bin jedenfalls schwer beeindruckt und mein Respekt vor der Bank of China steigt
.

Morgen dann Medical Examination, das sollte allerdings nicht ganz so aufregend werden.

Dienstag, Januar 19, 2010

Verpennt

17.01.2010, Sonntag

Vormittags:

Verschlafe natürlich prompt und springe ungeduscht in meine Klamotten. Aber die neue Thermoskanne wird natürlich noch hastig befüllt. Komme eine halbe Stunde zu spät in den Park, wo der Meister mit Xiao Lu schon Schrittfolgen für Fortgeschrittene übt. Die darf ich auch gleich mitturnen. Etwas später erscheinen auch Jeremy und Locke mit einem Kumpel, diese beiden beschränken sich allerdings nur aufs Zuschauen, quatschen und Rauchen. Der Meister und Jeremy machen Tui Shou, mir wird von Xiao Lu die Schrittfolge und ein weiterer Teil von Ying Quan beigebracht. Meine Thermoskanne wird bewundert.
Die Sonne strahlt, es wird wärmer, was für ein wundervoller Tag.
Wir üben fröhlich vor uns hin, als plötzlich auch das Mädel auftaucht, zu dem ich letztes Jahr so zickig war. Das arme Ding steht am Rand, versucht ein wenig mitzumachen und wird von allen weitestgehend ignoriert. Xiao Lu zischt mir zu, er werde sie unter keinen Umständen unterrichten. Mir tut das Mädel ziemlich leid, aber ich bewundere ihre Hartnäckigkeit. Wenn die das seit Oktober jeden Sonntag so macht- Chapeau! Ich hätte von dieser Macho- Bande schon längst die Schnauze voll gehabt.

Nachmittags/ Abends:

Schmeiße mich in Gammelklamotten und falle ein paar Stunden in totenähnlichen Schlaf. Irgendwann musste die Zeitverschiebung mich ja einholen. Trotz des Super- Wetters habe ich keine Lust, vor die Hütte zu gehen, lieber hänge ich ab, denn ich will morgen ja fit sein.
Der Tagespresse entnehme ich, dass der Shanghaier Zoo die größte Tigergruppe auf dem chinesischen Festland hat. Na, dann muss ich da aber unbedingt mal hin! Fehlt noch auf meinem touristischen Programm.
Des weiteren ist zu lesen, dass ab dem 1. November (also pünktlich nach dem Schluss der Expo) hier eine Volkszählung durchgeführt werden soll, in der auch die in Shanghai lebenden Ausländer erfasst werden sollen. Klasse, dann kann ich mich also auf den Besuch eines Volkszählungsgenossen einstellen. Wird bestimmt lustig.
Da ich mich die letzten beiden Tage so gesundheitsbewusst ernährt habe, fresse ich eine Tüte Chipse und gehe früh ins Bett.

Samstag, Januar 16, 2010

Karnevalsverein

Überraschenderweise überträgt CCTV 5 das "Spitzenspiel" zwischen Mainz 05 und Bayer Leverkusen. Mit Entsetzen muss ich mit ansehen, wie unser Fußballteam geschlachtet wird und zur Halbzeit 3:1 zurückliegt. Und bis auf das gelegentliche "piaoliang" bei guten Aktionen und "Meiyinci" kann ich herzlich wenig der chinesischen Kommentare verstehen. Noch nicht mal die Namen unserer Spieler. Und sowas wird auch noch im Ausland gesendet, was soll man denn jetzt von unserer wunderbaren Stadt denken?! Mitunter lachen die Kommentatoren auch noch hämisch.
In der 67. Minute schließt Bungert zum 3:2 an, hier im Fernsehen sah das nach Handspiel aus. Mittlerweile ist es hier Mitternacht, wollte eigentlich früh ins Bett, um morgen im Training fit zu sein, aber jetzt muss ich weiterschauen.
Das wird dann vermutlich die dümmste Ausrede für schlechte Trainingsleistung aller Zeiten: "Ich bin heute unfit, weil ich unbedingt bis in die Puppen meinem Team beim Verlieren zuschauen musste". Ja, das werden die Jungs ganz sicher verstehen. Mittlerweile steht es 4:2 gegen Mainz.

Action, Baby!

16.01.2010, Samstag

Vormittags:

Mein blöder Wecker hat auf dem Flug irgendeine Macke abgekriegt und piepst eine Stunde zu früh. Drecksding!
Heute ist es eher diesig und lausig kalt, hülle mich in dicke Klamotten und begebe mich in den Park, wo Xiao Lu tatsächlich auch schon geschmeidig am Üben ist. Wiedersehensfreude, statt der erhofften tigergleichen deutschen Katze gibt es halt nur Schoklolade. Macht nichts, er hat sowieso jetzt schon die dritte Katze. Das Vieh hat ihm ganz schön die Hände zerkratzt und ich stelle mitleidslos fest, er müsse sie dann wohl geärgert haben. Ich necke ihn ein wenig und sage ihm, dass Meister Wu behauptet habe, er sei sehr selten im Training. (Des Meisters andere Aussagen verschweige ich diskret). Alles Blödsinn, sagt er, es sei der Meister, der eher selten käme. Da ich des Meisters Neigung zu wüsten Geschichten und seinen ausschweifenden Lebenswandel kenne, bin ich geneigt, Xiao Lu zu glauben.
Mein Winterfummel wird bewundert und wir fangen schonmal mit Einzelbewegungen an. Mann, Nummer 11 hat gestern echt ganze Arbeit geleistet, mein Nacken und die Schultern tun höllisch weh, wie ein schlimmer Muskelkater. Heute werde ich mir diese Behandlung ganz bestimmt nicht angedeihen lassen. Als der Meister kommt, wird der Winterfummel erneut bewundert, der Meister ist mit dem Sitz wohl sehr zufrieden. Könnte nur am Hals etwas weiter sein, aber schon ganz hübsch so. Schnapsflasche und Pralinen werden übergeben, so wird der Koffer leichter.
Während des Trainings friere ich ganz schön, ich beneide die beiden Jungs um ihre schicken Edelstahl- Thermoskannen mit heißem Tee. Der fürsorgliche Meister gibt mir eine Tasse seines Tees, tut echt gut. Ich muss mir unbedingt für morgen so eine Kanne besorgen. Angeblich soll man ja keine kalten Extremitäten kriegen, wenn man sein Qi dahin leitet, aber bei mir funktioniert das irgendwie nicht.
Der Jadering- Perückenmann schlurft im winterlichen schwarzen Samtfummel heran und verteilt Kippen.
Klappt soweit alles ganz gut, Mian Zhang stolpere ich dem Meister hinterher und werde vom kritischen Xiao Lu beobachtet. Anschließend meint der, wenigstens habe ich das nicht komplett vergessen. Stück für Stück daran arbeiten, er wird mir helfen. Völlig überraschend meint Meister Wu, ich solle jetzt Ying Quan (Eagle Fist) lernen. Wow, damit habe ich nicht gerechnet. Diese Form ist sehr lang und sehr elegant mit einigen Sprüngen und Tritten. Hätte nicht gedacht, dass er mir das schon zutraut. Zum Glück ist die Eröffnungsbewegung ganz ähnlich wie Dong Bao Quan, Xiao Lu turnt vor und ich mache nach, während der Meister uns kritisch beobachtet. Gleich am Anfang ein Sprung von einem Bein auf das andere, dann ganz tief runter auf den Boden. Das übe ich ein paar Mal, stöhne Xiao Lu nach dem zehnten Aufrappeln aus der Grätsche was vor und sage, ich sei alt geworden. (Das hatte er letztes Jahr ständig von sich behauptet). Der muss darauf tierisch lachen und zeigt mir anhand einer ganz komplizierten Kombination, wie schön er das mal konnte, als er noch jung war. Der Meister muss hastig die Toilette aufsuchen (gestern zu viel gefressen) und Xiao Lu nutzt die Zeit, mir ein paar Partnerübungen beizubringen. Habe morgen bestimmt blaue Flecken, macht aber Spaß. Ich schlage vor, dass wir sowas ja mal öfter zusammen üben könnten. Waas? Nein, er sei ein Mann und ich eine Frau, er könne mich doch nicht verdreschen! Am Ende verletzte er mich noch. Verstehe einer Xiao Lu.
Die Taizu Quan laufen wir gemeinsam langsam, fühle mich wohl und jetzt ist mir schön angenehm warm. Locke und ein Kumpel schauen sich das Ganze an und erzählen auf dem Weg zum Ausgang wüste Geschichten, leider auf Shanghainese. Morgen wieder Training, fein.

Nachmittags:

Komme im Hotel an und auf einmal geht ein ohrenbetäubender Krach los: Ein Feuerwerk wird gezündet. Ein Blick aus dem Fenster zeigt: Im Haus gegenüber wird geheiratet. Gott, ist das laut! Da bekomme ich schonmal einen Vorgeschmack auf das Frühlingsfest.
Die Sonne lugt zaghaft durch den Dunst und ich beschließe, in der Stadt was zu essen und das MoCA zu besuchen. Außerdem brauche ich eine Thermoskanne. Das Dilemma ist, dass ich zwar aus dem Stegreif sämtliche Klamotten-, DVD- und Kampfkunstartikelläden Shanghais nennen könnte, aber keine Ahnung habe, wo man ganz simplen Hausrat herbekommt. Ich nehme daher den Weg durch die schmalen Gässchen mit den alten Häusern, vielleicht habe ich ja Glück. Sowas kann unter Umständen auch nach hinten losgehen, weil in diesen Gässchen oft nur spezielle Waren wie etwa für Autoteile, Abflussrohre oder eben Nagellack und Kosmetik angeboten werden. Ich habe aber Glück, alte Shanghaier Nachbarschaft, hier gibt es alles. Schon im dritten Lädchen finde ich das Gesuchte, ganze 33,- Kuai (ca. 3,30 Euro) für eine schicke Edelstahl- Thermoskanne. Wollte ja keinen Hausrat kaufen, bevor ich keine Wohnung habe, aber das musste sein. Bin ganz stolz auf mich.
Komme an einer Wohnanlage vorbei, vor deren Eingang gerade Kracher in Herzform ausgelegt werden. Scheint heute ein guter Tag zum Heiraten zu sein, ich mache, dass ich wegkomme, bevor gezündet wird.
Im Volkspark bahne ich mir einen Weg durch den Heiratsmarkt und riskiere ein paar Blicke auf die ausgehängten Zettel. Ist nichts Anständiges dabei, aber um mich herum findet zwischen den Eltern und Großeltern der Heiratswilligen ein reger Informationsaustausch statt.
Barbarossa wird gerade renoviert und/ oder umgebaut. So komme ich wenigstens nicht in die Versuchung, mich Happy- Hour Exzessen hinzugeben, aber hoffentlich behält das seinen alten Charme.
Wie immer eine klasse Ausstellung im MoCA, natürlich darf man auch wieder ungeniert fotografieren. Nach dem Besuch des Museums trabe ich ins Gongdeli, das älteste vegetarische Resturant Shanghais. Nicht so gut wie das Lifestyle und auf der Karte gibt es keine Bilder, so dass man nach Gutdünken entscheiden muss. Die Beschreibung der Gerichte ist auch eher vage, die Bestellung eher Glückssache. Ich ordere drei Gerichte, der Bedienscherge meint, das sei zuviel. Waaas? Das wollen wir dochmal sehen! Tatsächlich habe ich bei der Bestellung ein glückliches Händchen bewiesen und ich schaffe es, fast alles zu verspeisen. Laufe zum Hotel zurück und chatte ein wenig.
Die Projektdateien sind mittlerweile angekommen, die werde ich mir jetzt mal reinziehen, damit ich Montag voll durchstarten kann. Mainz 05 spielt heute abend, werde die Daumen drücken.
Morgen wieder Training, soll sonnig werden und ich habe heiße Getränke - was will man mehr!


Freitag, Januar 15, 2010

Alte Freunde, neue Freunde

15.01.2010, Freitag
Schlafe tierisch schlecht und wähne mich morgends viel zu spät. Mache mich hektisch fertig, nur um festzustellen, dass ich mich in der Uhrzeit um eine Stunde vertan habe. Pünktlich um 9.00 stehe ich im Büro auf der Matte, wo ich auch gleich meinen Chef kennen lerne und sofort an einer Besprechung teilnehme. Da ich immer noch sehr an der Zeitverschiebung zu knabbern habe, fällt es mir schwer, mich zu konzentrieren oder mich sinnvoll einzubringen. Wir haben noch zwei neue Mitarbeiter: Zwei kleine Kätzchen, die Markus, mein Chef, vor dem ertränkt werden gerettet hat und die im Büro Mäuse fangen sollen. Hello Kitty!
Werde noch eingewiesen, die Dateien wird man mir schicken, dann kann ich mich übers Wochenende schonmal einarbeiten. Ich bitte Matthew (Herrn Ma), mein Hotel zu verlängern und die Wohnung in der Quyang Lu klarzumachen. Hoffentlich ist die noch frei. Die Wohnung ist zwar klein und man muss etwas länger zur Metro laufen, aber der Ausblick und die nette Vermieterin machen das wett. Von Seiten der Kollegen wird mir versichert, dass nette Vermieter Gold wert sind. Außerdem kann man vielleicht im Garten der Anlage nach der Arbeit nett trainieren und ein Kino und -sehr wichtig- ein Carrefour befinden sich auch noch in der Straße. Hoffentlich wird das was.
Da der Meister Freitags mittags im Volkspark unterrichtet, beschließe ich, da mal vorbeizuschauen, vielleicht ist er ja da. Ansonsten besuche ich halt das MoCA. Er ist, außerdem noch Rose, Judd, Oscar, Xiao Dou, Andy (den ich noch nicht kannte) und ein mir unbekannter chinesischer Schüler, Jeremy kommt später auch noch. Die freuen sich auch alle mächtig, mich zu sehen und dass ich jetzt hier einen Job habe und länger bleibe. Jetzt gehöre ich endlich richtig dazu und bin nicht nur eine Schnalle, die einmal im Jahr hier aufschlägt und ein bisschen mithampelt. Unter der Woche werde ich leider nicht mit denen üben können, vielleicht in den Ferien. Egal, ich freue mich, bekannte Gesichter und vor allem Meister Wu wiederzusehen. Der wird von allen Mainzern (ja, auch von Yürgen) gegrüßt und ist erfreut. Der Meister sieht richtig gut aus, hat abgenommen und ist fröhlich und entspannt. Die Hüfte ist auch wieder in Ordnung, traditionelle Medizin hat es schließlich gerichtet. Und weil ich mich so freue, schaue ich dann auch zwei Stunden zu und rauche und quatsche in den Pausen mit meinen Lieben. Das MoCA kann ich ja auch noch zu einem anderen Zeitpunkt besuchen. Laut Aussage des Meisters ist Wujie immer noch sehr beschäftigt mit seiner Arbeit. (Was genau der macht, haben Stefanie und ich bis heute noch nicht begriffen, irgendwas beaufsichtigt Wujie auf der Goldfischfarm seines Cousins. Natürlich brennen wir darauf, da mal einen Ausflug hin zu machen. Vielleicht klappt das ja im April).
Xiao Lu hat er schon länger nicht mehr gesehen. Da steckt wohl eine mit ihrem Gatten unzufriedene Mrs. Xiao Lu dahinter, wie der Meister mir und Rose augenzwinkert verrät und gleich noch ein paar pikante Details oben drauf legt. Pantoffelheld. Mal sehen, ob der morgen kommt.
Nach dem Training will ich im Vegetarian Lifestyle was essen, Judd beschließt spontan, mich zu begleiten und erweist sich als recht angenehmer Gesprächspartner, der auch gene mal lästert. Na, da kann ich mit ein paar Interna geschmeidig punkten. Außerdem kennt er sich in der Speisekarte sehr gut aus, die ja saisonal verschieden ist. Wichtig, denn einige der Gerichte hätte ich mir sonst nie bestellt, da ich die Winterkarte nicht kenne. Und er spricht fließend chinesisch. Da er auch sehr ernsthaft übt, ist es schön, mit ihm zu quatschen, denn wir teilen da gemeinsame Erfahrungen von Frust und Selbstzweifel. Letztes Jahr hat Meister Wu mir gegenüber erwähnt, dass Judd sich sehr verbessert habe. Das erzähle ich im jetzt und rette seinen Tag.
Nach dem Essen will ich eigentlich nur schauen, ob ich die Nagellackgasse wiederfinde und wiederstehe tapfer der Versuchung, was zu kaufen. Außerdem finde ich auch noch den Laden mit Pekingoperbedarf, den die Mädels letztes Jahr gesichtet haben. Prima, wenn das mit der Wohnung klappt, soll ein prächtiger Kopfputz mit ordentlich Bommeln dran mein neues Heim schmücken. Fastnacht bin ich damit bestimmt die Königin. Vorsichtshalber schaue ich auch noch, ob es das Massagestudio, das Stefanie aufgetan hat, noch gibt. Auch das ist noch da und in einem Anfall von Übermut beschließe ich, angesichts des morgigen Trainings voll aufs Ganze zu gehen und mir eine Körpermassage zu gönnen. Massagen (egal, ob nur Teile des Körpers oder alles) sind hier immer für zwei Dinge gut: Erstens dienen sie der Gesundheit und zweitens sind sie eine 1a Gelegenheit, Chinesisch zu üben. Auch wenn man sich manchmal unangenehme Dinge anhören muss.
Mein Masseur ist blind. Das ist echt interessant, denn daraus, dass ich lange Haare habe und beschissen Chinesisch spreche, schließt er messerscharf, dass da eine ausländische Frau vor ihm liegt. Nachdem er sich tastend einen Überblick über meine Körpergröße verschafft hat und diese exakt schätzt, scheiden Koreanerinnen und Japanerinnen schonmal aus. Ich werde wie ein junger Hund zielsicher im Nacken gepackt und dann brutal eine Stunde lang bearbeitet. Vor allem die Schultern und die Lendenwirbel. Während der Prozedur drückt mir der Masseur irgendwann mal sein Namensschild in die Hand. Masseeure haben hier grundsätzlich keine Namen, sondern Nummern. Er ist Nummer 11. Ist ja wie im Borg- Kollektiv. Schimpfe gibt es auch (Wirbelsäule krumm, zu dürr). Aktive Mithilfe ist gefragt und ich muss ständig sagen, ob und wo es wehtut. Ja, eigentlich fast überall. Ich entschuldige mich für mein mieses Chinesisch, das ginge schon, sagt Nummer 11, ich solle viel Fernsehen, das wäre gut, um die Sprache zu lernen. Stimmt, die Erfahrung habe ich auch schon gemacht. Kopf und die Wirbelsäule werden krachend eingerenkt, schließlich hat Nummer 11 mich ganz gut in der Reihe.
Zufrieden ist er nicht, bin wohl voll der Härtefall. Am besten morgen und übermorgen nochmal kommen, dann wird das was. Mal sehen, nach dem Training könnte das durchaus nötig sein. Ob ich mir seine Nummer gemerkt hätte? Klar und deutlich wiederhole ich: "Shiyi" und Nummer Elf ist zufrieden.
Als ich den Laden verlasse, merke ich erstmal, was die vergangenen drei Monate und das Trainingsdefizit meinem Körper angetan haben. Zum ersten Mal gehe ich wieder aufrecht und gerade und spüre meine Struktur. Da ich sowieso auf der Ecke bin, bummele ich begeistert über mein langsam wiederkehrendes Körpergefühl über die Nanjing Lu und durch ein Luxuskaufhaus. Um diese Jahreszeit sind kaum Touristen in der Stadt und somit auch keine nervenden Fake- Verkäufer unterwegs, sehr angenehm.
Im Hotel übe ich ein bisschen Tongbei, um morgen nicht ganz so krass abzustinken und merke ganz schnell, dass sowohl an dem Körpergefühl als auch an den Kampfkünsten derbe gearbeitet müssen wird. Mian Zhang zum Beispiel klappt garnicht, aber das hatte ich ja noch nie richtig drauf. Aber jetzt habe ich ja Zeit. Und wenigstens einmal in der Woche einen brillianten Lehrer. Was ein Glück!

Donnerstag, Januar 14, 2010

Shanghai one way #2

Habe fast die Klinke in der Hand, als Torsten alias Toaster anruft und mich verabschiedet. War ja nicht im Training am Freitag, also konnten wir keinen letzten Schoppen gemeinsam leeren. Der gute Kerl.
Bevor wir zum Flughafen fahren, will ich noch schnell die Post hochbringen und schaffe es, den Wohnungsschlüssel im Schloß abzubrechen. Trottel. Na, wenigstens steht mein Zeug schon vor der Hütte.
Bei der Fahrt über die Theodor- Heuss- Brücke weide ich mich so lange es geht an der Mainzer Skyline, dann blicke ich nach vorne und die scheebedeckte Landschaft überlagert sich mit dem Stadtbild von Shanghai.
Innige Umarmung am Flughafen, Ali drückt mir noch ein Geschenk in die Hand und haut dann ab, bevor wir beide rührselig werden. Der Koffer wird auf die Waage gewuchtet, die stolze 34 Kilo zeigt. Für diese geringfügige Überschreitung des maximal zulässigen Gewichts muss ich keine Strafe zahlen, aber einen Wisch unterschreiben, dass ich China Eastern nicht verklagen werde, sollte das Gepäckstück seine strukturelle Integrität verlieren. Das Handgepäck wird zum Glück nicht gewogen, aber ich schätze mal, dass das mindestens auch nochmal 15 Kilo sind. Also schleppe ich fast mein Körpergewicht an Gepäck. Naja, muss mich halt den Sitten meines Gastlandes anpassen.
Kippen im Duty Free, auch der Anstecker mit der deutschen und der chinesischen Flagge wird nochmal gekauft. Öffne Alis Geschenke (eine sehr hübsche und geschmackvolle Halskette und ein Schlüsselanhänger mit einer strassbesetzen Wutz) und bewundere die von ihm liebevoll gebastelte Karte. Als wir abheben, fühle ich mich seltsam: Letztes Jahr noch war ich mit einem Mörder- Hass auf mein altes Büro in den Flieger gestiegen und hatte geschworen, eigentlich nicht wiederkommen zu wollen und mir auf Gedeih und Verderb in Shanghai was zu suchen. Jetzt ist das alles geregelt und ich reise zum ersten Mal nicht als Touristin, sondern als Arbeitnehmerin ein.
Der Flug verläuft ruhig, der Sitz neben mir bleibt leer, so dass ich mich hübsch ausbreiten kann.
In Shanghai ist es zwar kalt, aber es scheint die Sonne. Schön, in Deutschland hat es bei meinem Abschied geschneit.
Auf der Fahrt in die Stadt kommen wir am Expo- Gelände vorbei, beeindruckend. Erste Konfrontation mit einem Taxischergen, die Fahrerin weiss nicht so genau, wo sie hinmuss und drückt mir ihr Fon in die Hand. Ich soll mal für sie im Hotel anrufen und eine Wegbeschreibung anfordern. Klasse, solche Nummern habe ich echt vermisst.
Das Hotelzimmer ist schlicht, aber mit Breitband- Internetanschluß. Im englischsprachigen Teil der Hotelangebote wird neben dem Symbol von Messer und Gabel "Snake" offeriert. Und zwar von 19:00 bis 23:00 in der Merrylin Cafeteria. Aha. Klar, die fressen hier ja alles. Ich liebe Chinglish.
Leiere als erstes mal den Rechner hoch und probiere das kleine Programm aus, mit dem man angeblich die Brandmauer überwinden kann. Siehe da: Nicht nur ist das Netz sehr schnell, das Programm funktioniert auch noch ohne großes Gefummel!!! Blogspot, Youtube, geht alles, allerdings nur mit dem Internet Explorer. Mir doch egal, Hauptsache, die Zensur ausgetrickst. Wer weiß, wie lange, wird man sehen. (Das Ding gibt es hier).
Nach einer schnellen Dusche suche ich mein Büro auf und lerne meinen neuen besten Freund, Herrn Ma kennen. Der hat auch schon gleich ein paar Wohnungen am Start, von denen ich mir heute noch zwei anschauen kann. Die Kollegen sind auch sehr nett, Zhen hat Geburtstag und so komme ich gleich in den Genuss eines Mittagessens, dafür wünsche ich ihr aber geschmeidig auf Chinesisch alles Gute zum Geburtstag und darf das ganze auch noch singen. Was tut man nicht alles, um sich bei den Kollegen einzuschleimen und in den Genuss einer kostenlosen Mahlzeit zu kommen. Anschließend werde ich in mein Projekt eingewiesen, bin allerdings nicht sonderlich aufnahmefähig. Verspricht aber anscheinend ganz schön chaotisch zu werden. Egal, wird spannend.
Wohnung Nummer eins befindet sich fast in meinem vertrauten Jagdgebiet. Nämlich in der Quyang Lu, von Carrefour aus nochmal ein paar hundert Meter in nördlicher Richtung. Circa 10 Minuten von der Metro, also fast die Distantz Grebenstraße/ Schillerplatz. Nicht übel. Bin zunächst etwas desorientiert und frage einen Wachschergen nach der Hausnummer. Der wirft einen Blick auf den mir von Herrn Ma ausgedruckten Zettel und behauptet, das Haus Nummer 620 habe kein 17. Stockwerk, ich sei falsch. Blödmann. Also die Wunderwaffe gezückt und die Vermieterin angerufen, die angeblich des Englischen mächtig sein soll. Pustekuchen. Die Dame spricht mit mir rapides Chinesisch, holt mich am Tor ab und scheißt den Wachschergen zusammen. Ich werde mit einem Schwall von Ansagen und Fragen auf Chinesisch überschüttet, auf die ich nach bestem Wissen eingehe. Ob ich an der Tongji- Universität studiert habe? Naja, nicht wirklich, da mal nen Kurs gemacht, habe aber eigentlich in Deutschland gelernt, aber mein Lehrer kommt aus Shanghai. Nein, ist das denn zu glauben? Kein Wunder, dass ich so gut spräche! Was sind Chinesen höflich.
Die Wohnung wird gerade renoviert, die Vermieterin entschuldigt sich für die Baustelle und erörtert wortreich, welche Maßnahmen noch getroffen werden. Kein Balkon (wo soll ich Wäsche trocknen?) und die Wohnung ist sehr klein. Aber ein wirklich bemerkenswerter Ausblick, wenn auch nicht so spektakulär wie in der SISU. Immerhin kann ich den Tomorrow Square sehen, nicht ganz unwichtig für eine Alienexpertin. Frau Chen meint, da die Wohnung sehr weit oben sei, sei die Luft hier auch gut. Außerdem sei es ruhig. Da hat sie wohl recht. Außerdem ist sie sehr mütterlich, wann ich denn angekommen sei? Heute morgen? Bestimmt sehr müde? Ja, aber egal. Die Frau geht mir bis zum Kinn, aber sie schafft es, mich halb in den Arm zu nehmen und fürsorglich auf mich einzuquatschen. (Merke: Mein Chinesisch ist am Besten, wenn ich entweder völlig übermüdet oder vollgesoffen bin).
Die Sanierungs-, Reinigungs- und Einrichtungsarbeiten werden noch ca. 1 1/2 Wochen in Anspruch nehmen, das täte ihr leid. Sie begleitet mich noch nach unten, im Aufzug lerne ich potentielle Nachbarn kennen. Eine alte Dame fragt Frau Chen mit unverholener Neugier über mich aus, ob ich denn verstehen würde? Ich nicke mit dem Kopf und grinse die alte Dame an, die freundlich lächelt. Coole Hood. Und ich wollte schon immer mal eine Wohnung richtig hoch oben in einem Hochhaus haben.
Wohnung Nummer zwei ist gleich um die Ecke an der Dalian Xi Lu in einem älteren Wohnblock, das Gebäude liegt in zweiter Reihe, also nicht direkt an der Hauptverkehrsstraße. Definitiv mein Jagdgebiet, denn das ist gleich neben der SISU. Habe noch Zeit bis zum Termin und setze mich rauchend auf eine Bank in einer kleinen Grünfläche, die von den Anwohnern genutzt wird, um ihre Köter zu lüften. Um mir ein wenig Kurzweil zu bereiten, schreibe ich eine SMS an den Meister, in der ich mich für Samstag zum Training ankündige. Antwort kommt umgehend: OK. Wie gut, dass ich mir vorletztes Jahr Winterfummel habe schneidern lassen, allein der hat mein Koffergewicht ordentlich hochgetrieben, da er aus sehr dickem Tuch ist. Ich fürchte Schlimmes, denn in Deutschland habe ich wegen des ganzen Stresses so gut wie nicht geübt.
Drehe noch eine Runde durch die Freßgasse und entdecke den Luxusfladenstand, nicht aber die korpulente Crepe- Dame. Vielleicht zu kalt für sie. Überlege kurz, ob ich mir einen Fladen gönnen soll, aber mir ist vom Mittagessen und grässlichem Kaffee noch leicht blümerant.
Zu meinem Entsetzen wird der Hausmannskost- Laden gerade renoviert, hoffentlich behalten die den Koch! Diese Kaschemme war für mich eine der Hauptattraktionen dieser Hood, da wusste ich wenigstens, dass das Zeug, was ich ordere, tatsächlich vegetarisch ist und auch noch schmeckt.
Immer noch Zeit, egal, rufe die Frau des Vermieters an, die tatsächlich englisch spricht. Werde erstmal angekeift, weil ich am falschen Eingang warte. Auch diese Wohnung wird gerade renoviert und ist genauso klein, wenn auch etwas günstiger geschnitten als die erste. Sie liegt im dritten Stock eines alten viergeschossigen Gebäudes, den Balkon hat man leider zugemauert, um Wohnfläche zu gewinnen. Aber dieser Raum bringt nicht wirklich was. Mittlerweile ist es dunkel, beim Blick aus dem Fenster erahne ich einen kleinen Parkplatz und eine Wasserfläche. Die Frau des Vermieters weist prahlerisch auf den "See" hin. Doch wohl eher ein Bach oder Kanal, korrigiere ich höflich. Ja, haha, ihr Englisch sei halt nicht so gut, hahaha. Der Vermieter , Herr Zhang, baut sich hinter seiner fetten Gemahlin auf und erklärt wichtigtuerisch, da die Wohnung gleich eben der SISU läge, sei sie sehr begehrt. Es gäbe mehrere Anwärter. Und da sehr gründlich und aufwendig renoviert würde (haha), sei die Wohnung nicht vor Februar zu beziehen. Wenn überhaupt schon so schnell. Die Frau Gemahlin fragt mich, ob ich denn Hausstand habe? Nein? Wieso denn nicht? Weil ich gerade vor ein paar Stunden hier angekommen bin, du blöde Schnepfe. (Letzteren Halbsatz schenke ich mir dann doch). Naja, die Wohnung hat was und ist günstig gelegen, aber die Vermieter verheißen Ärger. Und ich fürchte, dass sich die Wasserfläche im Sommer in eine stinkende Moskitobrutstätte verwandeln wird.
Na gut, sieht also so aus, als müsse ich erstmal weiter im schicken Motel 186 wohnen bleiben. Was jetzt? Weitersuchen? Eigentlich ist die Dalian Lu fast raus, also in die Quyang Lu mit geilem Ausblick und cooler Hood und von da weitersuchen? Schwierig.
Fahre mit der Metro in Richtung Hotel, eine Haltestelle vor dem Volksplatz muss ich aussteigen. Sehe die mir so vertrauten Wolkenkratzer, deren prächtige Beleuchtung gerade anspringt und fühle mich sehr seltsam, irgendwie zwischen allen Welten. War hier jetzt keine drei Monate weg, alles ist so vertraut und doch so anders.
Trabe durch die Straßen auf der Suche nach einem Minimarkt, finde schließlich einen Kedi. Überall prangt noch Weihnachtsdeko, aber auch für das kommende Jahr des Tigers wird fleißig dekoriert. Mein Lieblingstier, kann ja nur noch aufwärts gehen. Schokomuffins für das Frühstück (gibt es hier im Motel auch, aber chinesische Frühstücke sind nicht so meines), Chipse und mein Freund, das Sherrygetränk werden erworben. Chat mit Stefan 04, der mich willkommen heißt, skypen mit Ali, der einen Termin mit dem Schlüsseldienst hat. Im Zimmer neben mir tut es unerklärliche Schläge, die Klimaanlage in meinem föhnt warme Luft, friere trotzdem und irgendwie fühle ich mich merkwürdig. Naja, Samstag treffe ich ja hoffentlich Meister Wu, wird schon.

Dienstag, Januar 12, 2010

Abschied ist ein scharfes Schwert

Bin Freitag zu erledigt, um ein Abschiedstraining zu absolvieren. Deshalb schaut Elli Montags in ihrer Mittagspause vorbei und schenkt mir einen bronzefarbenen Anstecker mit dem Dom, dem Stadtwappen und dem Schriftzug "Mainz". Das Ganze hat sie liebevoll verpackt. Wie lieb von ihr, den werde ich in der Ferne bestimmt oft tragen. Abends kommt Lilo, letzte Gespräche und Klärung von Vereinsangelegenheiten. Sie freut sich schon auf ihren Wudang- Aufenthalt im Mai, dann werden wir uns wiedersehen. Den Flug hat sie jedenfalls schon gebucht. Zum Glück sind wir so ein internationaler Haufen.
Dienstag Morgen wird der mir von Stefanie zu Weihnachten geschenkte Gutschein für eine Schulter-/ Rückenmassage beim Thai eingelöst (war bitter nötig) und ich lasse mein güldenes Haar vom Friseur bearbeiten. Wer weiß schon, was Chinesen damit anstellen! Die Bestätigung der Auslands- Krankenversicherung trifft auch auf den letzten Drücker ein, da hatte ich schon ein wenig Sorge. Prima, jetzt kann ich mich bedenkenlos in Shanghai vor ein Auto werfen. Mein neuer bester Freund, Herr Ma fragt an, wann ich denn am liebsten die Medical Examination machen würde? Er würde dann nämlich schon mal einen Termin für mich klarmachen. Was für ein umsichtiger Mann.
Dann kommt das Schlimmste: Koffer packen! Bin in totalem Streß, die bewegendste Frage ist natürlich, welche und wieviele Schuhe ich mitnehme. Bei meiner Größe dürfte es in China schwierig werden, welche zu kaufen und als Dame von Welt will man ja anständig gewandet sein. Schließlich platzt der Koffer aus allen Nähten und wiegt 32 Kilo, das wird morgen unschön. Tonnenweise Bücher nehme ich im Handgepäck mit, die leckeren Haferkekse müssen zugunsten eines Reiseführers zurückbleiben. Den restlichen Kram kann Stefanie mir ja dann vielleicht im April mitbringen.
Als Henkersmahlzeit gibt es Käsefondue, mir kracht die Schwarte. Grüner Silvaner des Weinguts Wittmann wird entkorkt, den hatten uns die Nachbarn zu Weihnachten geschenkt. Witzigerweise habe ich in meinem alten Büro mann + schneberger (Gute Jungs, nicht der, der mich gefeuert hat) den Umbau und die Erweiterung zweier Kelterhallen für dieses Weingut betreut, da mundet der Wein natürlich doppelt so gut. Nochmal ab in die Badewanne, wer weiß, was ich in Shanghai für eine Klitsche bewohnen werde. Mit Sicherheit eine ohne Badewanne.
Zum letzten Mal für lange Zeit genieße ich bei einem hervorragenden Glas Weisswein ein schnelles und vor allem unzensiertes Internet. Als ich mein geliebtes Mainz Daily Photo aufrufe, bin ich vom Donner gerührt: Herr Burland widmet mir seinen heutigen Post! Selten zuvor in meinem Leben habe ich mich derartig geehrt gefühlt und bin unendlich bewegt. Vielen Dank, jb. MDP allein ist schon Motivation genug, in China einen Weg über die Grosse Brandmauer zu finden. Und vielleicht schaffen wir es bei einem Heimurlaub auch endlich mal, uns am TSOW zu einem Kaffee einzuladen.

Montag, Januar 11, 2010

Abschied ist ein schweres Schaf

Am Mittwoch, dem 06.01.2010 habe ich meine letzte Chinesisch- Stunde bei meinem lieben Lehrer Zhu Yabo. Sechs Jahre lang hat der gute Mann versucht, mir die Feinheiten der chinesischen Sprache beizubringen, sechs Jahre des gemeinsamen Leidens mit Lilo und Stefanie. Ein letztes Mal durch die Übung quälen, schon auf dem Weg zum Untericht stehen mir die Tränen in den Augen.
Aber zum Glück sind Chinesen ja herrlich unsentimental bei Verabschiedungen, er sackt sein Geschenk ("Meenzer Wörterbuch") ein, wünscht mir alles Gute und meint, wir würden uns ja dann im August in Shanghai sehen, wenn er käme.
Ein letztes Mal gemeinsames Rotweinsaufen und Tratschen mit Lilo und Stefanie auf der Treppe, wird mir außerordentlich fehlen! Aber Stefanie kommt ja im April und Lilo im Mai, wird schon gehen.
Am Donnerstag verzehren Stefanie, Ali und ich die aufgetauten Reste unseres opulenten Heiligabendschmauses, Stefanie bricht am nächsten Tag nach Laos und Kambodscha auf. Kann noch garnicht glauben, dass wir uns so lange nicht sehen werden.
Mit Yabos Hilfe hatte ich eine mail an Meister Wu geschrieben und ihm mein Kommen angekündigt. Wusste er schon, Rose hat es ihm erzählt. Shanghai ist ein Dorf! Aber er freut sich auf mich und grüßt explizit Ali, Stefanie, Lilo und Elli. (Den Oster hat er wohl vergessen). Ich soll mich mal erst einarbeiten und ins Training kommen, wenn ich Zeit habe. Der gute Mann!
Xiao Lu erwische ich im Chat, auch der freut sich und erzählt mir das gleiche wie der Meister. Wir hätten ja jetzt viel Zeit. Leider hat er nicht vergessen, dass ich ihm aus Deutschland eine unserer riesigen Katzen mitbringen sollte. "Koffer voll und sehr kompliziert" sage ich, "Na denn, vergiss es" sagt er. Also doch nur Schokolade, aber zu seinem Geburtstag im Februar gibt es ein cooles hellblaues Ahoi Brause Shirt. Sieht an ihm bestimmt geil aus. Soll mal nicht meckern. Außerdem kriegt er mit mir mehr Biestigkeit, als ihm eine unserer Katzen beschert hätte.
Und auch mit Tori verabrede ich, dass ich sie anrufe, wenn ich da und einigermaßen eingewöhnt bin.
Na denn...