Freitag, Januar 15, 2010

Alte Freunde, neue Freunde

15.01.2010, Freitag
Schlafe tierisch schlecht und wähne mich morgends viel zu spät. Mache mich hektisch fertig, nur um festzustellen, dass ich mich in der Uhrzeit um eine Stunde vertan habe. Pünktlich um 9.00 stehe ich im Büro auf der Matte, wo ich auch gleich meinen Chef kennen lerne und sofort an einer Besprechung teilnehme. Da ich immer noch sehr an der Zeitverschiebung zu knabbern habe, fällt es mir schwer, mich zu konzentrieren oder mich sinnvoll einzubringen. Wir haben noch zwei neue Mitarbeiter: Zwei kleine Kätzchen, die Markus, mein Chef, vor dem ertränkt werden gerettet hat und die im Büro Mäuse fangen sollen. Hello Kitty!
Werde noch eingewiesen, die Dateien wird man mir schicken, dann kann ich mich übers Wochenende schonmal einarbeiten. Ich bitte Matthew (Herrn Ma), mein Hotel zu verlängern und die Wohnung in der Quyang Lu klarzumachen. Hoffentlich ist die noch frei. Die Wohnung ist zwar klein und man muss etwas länger zur Metro laufen, aber der Ausblick und die nette Vermieterin machen das wett. Von Seiten der Kollegen wird mir versichert, dass nette Vermieter Gold wert sind. Außerdem kann man vielleicht im Garten der Anlage nach der Arbeit nett trainieren und ein Kino und -sehr wichtig- ein Carrefour befinden sich auch noch in der Straße. Hoffentlich wird das was.
Da der Meister Freitags mittags im Volkspark unterrichtet, beschließe ich, da mal vorbeizuschauen, vielleicht ist er ja da. Ansonsten besuche ich halt das MoCA. Er ist, außerdem noch Rose, Judd, Oscar, Xiao Dou, Andy (den ich noch nicht kannte) und ein mir unbekannter chinesischer Schüler, Jeremy kommt später auch noch. Die freuen sich auch alle mächtig, mich zu sehen und dass ich jetzt hier einen Job habe und länger bleibe. Jetzt gehöre ich endlich richtig dazu und bin nicht nur eine Schnalle, die einmal im Jahr hier aufschlägt und ein bisschen mithampelt. Unter der Woche werde ich leider nicht mit denen üben können, vielleicht in den Ferien. Egal, ich freue mich, bekannte Gesichter und vor allem Meister Wu wiederzusehen. Der wird von allen Mainzern (ja, auch von Yürgen) gegrüßt und ist erfreut. Der Meister sieht richtig gut aus, hat abgenommen und ist fröhlich und entspannt. Die Hüfte ist auch wieder in Ordnung, traditionelle Medizin hat es schließlich gerichtet. Und weil ich mich so freue, schaue ich dann auch zwei Stunden zu und rauche und quatsche in den Pausen mit meinen Lieben. Das MoCA kann ich ja auch noch zu einem anderen Zeitpunkt besuchen. Laut Aussage des Meisters ist Wujie immer noch sehr beschäftigt mit seiner Arbeit. (Was genau der macht, haben Stefanie und ich bis heute noch nicht begriffen, irgendwas beaufsichtigt Wujie auf der Goldfischfarm seines Cousins. Natürlich brennen wir darauf, da mal einen Ausflug hin zu machen. Vielleicht klappt das ja im April).
Xiao Lu hat er schon länger nicht mehr gesehen. Da steckt wohl eine mit ihrem Gatten unzufriedene Mrs. Xiao Lu dahinter, wie der Meister mir und Rose augenzwinkert verrät und gleich noch ein paar pikante Details oben drauf legt. Pantoffelheld. Mal sehen, ob der morgen kommt.
Nach dem Training will ich im Vegetarian Lifestyle was essen, Judd beschließt spontan, mich zu begleiten und erweist sich als recht angenehmer Gesprächspartner, der auch gene mal lästert. Na, da kann ich mit ein paar Interna geschmeidig punkten. Außerdem kennt er sich in der Speisekarte sehr gut aus, die ja saisonal verschieden ist. Wichtig, denn einige der Gerichte hätte ich mir sonst nie bestellt, da ich die Winterkarte nicht kenne. Und er spricht fließend chinesisch. Da er auch sehr ernsthaft übt, ist es schön, mit ihm zu quatschen, denn wir teilen da gemeinsame Erfahrungen von Frust und Selbstzweifel. Letztes Jahr hat Meister Wu mir gegenüber erwähnt, dass Judd sich sehr verbessert habe. Das erzähle ich im jetzt und rette seinen Tag.
Nach dem Essen will ich eigentlich nur schauen, ob ich die Nagellackgasse wiederfinde und wiederstehe tapfer der Versuchung, was zu kaufen. Außerdem finde ich auch noch den Laden mit Pekingoperbedarf, den die Mädels letztes Jahr gesichtet haben. Prima, wenn das mit der Wohnung klappt, soll ein prächtiger Kopfputz mit ordentlich Bommeln dran mein neues Heim schmücken. Fastnacht bin ich damit bestimmt die Königin. Vorsichtshalber schaue ich auch noch, ob es das Massagestudio, das Stefanie aufgetan hat, noch gibt. Auch das ist noch da und in einem Anfall von Übermut beschließe ich, angesichts des morgigen Trainings voll aufs Ganze zu gehen und mir eine Körpermassage zu gönnen. Massagen (egal, ob nur Teile des Körpers oder alles) sind hier immer für zwei Dinge gut: Erstens dienen sie der Gesundheit und zweitens sind sie eine 1a Gelegenheit, Chinesisch zu üben. Auch wenn man sich manchmal unangenehme Dinge anhören muss.
Mein Masseur ist blind. Das ist echt interessant, denn daraus, dass ich lange Haare habe und beschissen Chinesisch spreche, schließt er messerscharf, dass da eine ausländische Frau vor ihm liegt. Nachdem er sich tastend einen Überblick über meine Körpergröße verschafft hat und diese exakt schätzt, scheiden Koreanerinnen und Japanerinnen schonmal aus. Ich werde wie ein junger Hund zielsicher im Nacken gepackt und dann brutal eine Stunde lang bearbeitet. Vor allem die Schultern und die Lendenwirbel. Während der Prozedur drückt mir der Masseur irgendwann mal sein Namensschild in die Hand. Masseeure haben hier grundsätzlich keine Namen, sondern Nummern. Er ist Nummer 11. Ist ja wie im Borg- Kollektiv. Schimpfe gibt es auch (Wirbelsäule krumm, zu dürr). Aktive Mithilfe ist gefragt und ich muss ständig sagen, ob und wo es wehtut. Ja, eigentlich fast überall. Ich entschuldige mich für mein mieses Chinesisch, das ginge schon, sagt Nummer 11, ich solle viel Fernsehen, das wäre gut, um die Sprache zu lernen. Stimmt, die Erfahrung habe ich auch schon gemacht. Kopf und die Wirbelsäule werden krachend eingerenkt, schließlich hat Nummer 11 mich ganz gut in der Reihe.
Zufrieden ist er nicht, bin wohl voll der Härtefall. Am besten morgen und übermorgen nochmal kommen, dann wird das was. Mal sehen, nach dem Training könnte das durchaus nötig sein. Ob ich mir seine Nummer gemerkt hätte? Klar und deutlich wiederhole ich: "Shiyi" und Nummer Elf ist zufrieden.
Als ich den Laden verlasse, merke ich erstmal, was die vergangenen drei Monate und das Trainingsdefizit meinem Körper angetan haben. Zum ersten Mal gehe ich wieder aufrecht und gerade und spüre meine Struktur. Da ich sowieso auf der Ecke bin, bummele ich begeistert über mein langsam wiederkehrendes Körpergefühl über die Nanjing Lu und durch ein Luxuskaufhaus. Um diese Jahreszeit sind kaum Touristen in der Stadt und somit auch keine nervenden Fake- Verkäufer unterwegs, sehr angenehm.
Im Hotel übe ich ein bisschen Tongbei, um morgen nicht ganz so krass abzustinken und merke ganz schnell, dass sowohl an dem Körpergefühl als auch an den Kampfkünsten derbe gearbeitet müssen wird. Mian Zhang zum Beispiel klappt garnicht, aber das hatte ich ja noch nie richtig drauf. Aber jetzt habe ich ja Zeit. Und wenigstens einmal in der Woche einen brillianten Lehrer. Was ein Glück!

3 Kommentare:

jb hat gesagt…

Erfrischend!

Georg hat gesagt…

Alles Gute, liebe Bat. Das wird schon alles werden... Pack den Tiger!

Bat hat gesagt…

Danke,Jungs!