Donnerstag, Oktober 26, 2006

Kulturschock

26.10.2006, Donnerstag

Lily verteilt Kopien des Gedichtes „Nachtgedanken“ von Li Bai aus der Tang- Dynastie. Ich bin begeistert, denn ich habe viele seiner Gedichte in Deutsch und Englisch übersetzt gelesen und war einfach gespannt, wie die im Original klingen. Was mir Li Bai besonders sympathisch macht, ist die Tatsache, dass er gerne mal gesoffen und dann in diesem Zustand wunderschöne Gedichte verfasst hat, manche handeln auch von den leider unschönen Folgen des Saufens. Der Überlieferung nach soll er ertrunken sein, als er in berauschtem Zustand versucht hat, das Spiegelbild des Mondes auf einem Fluss zu umarmen. Na, wenn das mal kein schöner Tod für einen Dichter ist. Den kulturell ambitionierteren unter euch sei Gustav Mahlers Liederzyklus „Das Lied von der Erde“ ans Herz gelegt, in der er einige dieser von Heinz Bethge sehr frei übersetzten Gedichte vertont hat. Da ich das Gedicht schon kannte, habe ich mit dem Begreifen des Sinns keine Schwierigkeiten, Lily lässt uns das jedoch ca. zehnmal laut vorlesen, damit wir uns am Klang der Worte berauschen können. Li Bai dürfte immer noch in seinem Grab rotieren. Wir finden zwar das Gedicht als solches und den Umgang mit der Sprache ganz toll, können es aber anscheinend nicht voll würdigen. Das ist mir aber herzlich egal, denn ich bin stolz, ein Gedicht, dass vor über tausend Jahren geschrieben wurde, endlich mal im Original gelesen und auch verstanden zu haben. Für mich war das eigentlich fast ein Schlüsselerlebniss: Mit Bediensteten rumkreischen oder feilschen kann nach ein paar Chinesischstunden jeder Depp, aber eine Übersetzung nach dem Original beurteilen ist schon was anderes, wenn man nicht gerade Sinologie studiert.

Anschließend lässt sie uns einen Test machen, in dem wir alle mehr oder weniger gleich gut (oder mies) abschneiden, dann dürfen wir noch auf chinesisch über unsere Reise nach Putuo Shan berichten. Leider hat das bei uns das Niveau des Berichtes eines Erstklässlers über seine Sommerferien (Ich war bei Oma auf dem Bauernhof. Dort war es toll. Wir haben viele interessante Dinge gesehen…. usw.), da ich nicht weiss, was „skurril“ und „abrippen“ auf chinesisch heisst, beschränke ich mich auch nur auf die Schilderung der Schönheit der Tempel und dergleichen. Lily erzählt uns, dass sie dort zum ersten Mal in ihrem Leben einen Strand gesehen hat. Meine Güte, was sind wir verwöhnt. Dann erklärt sie uns noch die romantischen Gepflogenheiten chinesischer Mädchen ihrer Generation. Sie würde einen Typen nie wissen lassen, dass sie ihn gut findet und fragt dann ausgerechnet mich, was ich denn tun würde. Mangels Kenntnis der chinesischen Vokabeln für „anbrummen“, „flirten“ und „ins Bett zerren“ führe ich das (bis auf den letzten Teil natürlich) pantomimisch vor, was bei Lily Lachkrämpfe auslöst. Ich verschweige lieber diskret, wie ich Ali kennengelernt habe.

Wu Ji hat leider keine Zeit für Stefanie, weswegen sie mich zum Training mit Wu Mao Gui begleitet. Mittlerweile gibt es in Shanghai mehrere neue Metro-Linien und Stationen. Gestern waren wir irgendwie zu weit gefahren und mussten ein Taxi zum Haupteingang des Parks nehmen. Nach dem Training haben wir den Park am anderen Ende über den noch einzig offenen Nebeneingang verlassen. Unser Meister stoppte ein Taxi und erklärte dem Fahrer, er solle uns hier in die Hongqiao Lu bringen, wir jedoch erklärten, das sei nicht nötig, wir wollten nur zur nächsten Metro-Station. Darauf folgte eine ca. zwanzigminütige, erbitterte, im Shanghaier Dialekt geführte Diskussion, der sich auch natürlich sofort mehrere Passanten anschlossen. An einem Punkt dachte ich wirklich, wir würden gleich in eine Schlägerei verwickelt werden, aber die Dame wollte uns nur sagen, dass die nächste Station zu Fuß etwa zehn Minuten entfernt sei. Das Ende vom Lied: Wir wurden in ein Taxi verfrachtet, dem der Meister noch ein paar Instruktionen hinterherbrüllte. Tatsächlich war die Haltestelle nicht weit weg vom Park. Jedenfalls zückte Stefanie im Verlauf der Diskussion ihren geliebten, mittlerweile ziemlich zerfledderten chinesischen Stadtplan, um sich den Weg erklären zu lassen. Das brachte ihr ungläubige , wenn nicht mitleidige Blicke ein.

Heute laufen wir und finden den Weg anstandslos. Im Hongkou- Distrikt lebt unter Wolkenkratzern noch das alte Shanghai, Leute kochen auf der Strasse, zocken, entspannen sich, an jedem zweiten Haus klebt das Zeichen für „Waschen“. Ob das bedeutet, dass es dort Badezimmer gibt oder ob man dort seine Wäsche oder sich selbst waschen lassen kann, wissen wir nicht und wollen es auch nicht probieren. Als wir im Park aufschlagen, zerrt Wu Mao Gui als erstes einen englischsprachigen Stadtplan aus seiner Tasche, der deutliche Gebrauchsspuren aufweist. Dieses Ding kriegt man in jedem besseren Hotel hier und wir sind, was Stadtpläne angeht, wesentlich besser ausgestatett, ich bin jedoch gerührt, dass er offensichtlich derartig um unser Wohlergehen besorgt ist. Wir wollen garnicht wissen, wie er an das Ding gekommen ist., vielleicht hat er es irgendeinem Touristen abgenommen. Beim Training konzentriert er sich dann auch darauf, uns wenige Sachen richtig beizubringen. Wir fragen ihm Löcher in den Bauch, warum bei dieser Bewegung diese Hand soundso und die andere das und das macht und bitten ihn, das unendlich oft mit ihm zu üben. Überraschenderweise freut er sich über unsere Fragerei, für ihn heißt das, dass wir wirklich mit dem Herzen dabei sind und verstehen wollen, was wir da machen.

Da dies mein letzter Abend in diesem Loch hier und morgen unsere letzte gemeinsame Unterrichtstunde ist, hat Alessandra beschlossen, was Nettes für uns aufzutischen. Sie ist bei Carrefour Amok gelaufen, so erwartet uns nach dem Training ein Buffet, das auch in Europa seinesgleichen suchen müsste. Was für Leckereien! Verschiedene Käse, Bruschcetta mit echtem Olivenöl, köstliche Tomaten mit viel Knoblauch, grandioser Wein, exotische Süßspeisen, Früchte und das alles liebevoll angerichtet! Freunde, wenn ihr in der Fremde weilt, dann sucht die Bekanntschaft zu Italienern! Wir verbringen einen wundervollen Abend und stellen fest, dass wir mittlerweile deratig assimiliert sind, das wir unsere Konversationen jetzt auch mit mindestens 120 db führen.

So, da ich morgen in ein hübsches Hotel umziehe und Stefanies Laptop mir dann nicht mehr zur Verfügung stehen wird, müsst ihr euch leider bis zu unserer Heimkehr am 05.11. gedulden, um den Rest unserer Erlebnisse zu lesen. Jedenfalls danke ich allen, die Kommentare und Mails geschrieben haben, denn so wusste ich, das dies alles hier nicht völlig sinnlos war. Bis bald in Deutschland, Zai jian .

Mittwoch, Oktober 25, 2006

Wiedersehen mit Meister Wu Mao Gui

25.10.2006, Mittwoch

Da wir die ausgefallene Stunde nachholen, indem wir früher anfangen, hat sich unsere Lily für uns was ganz besonderes ausgedacht. Sie lockt uns in das Lehrerzimmer, drückt uns einen Liedtext auf chinesisch und in Pinyin- Umschrift in die Hand und erklärt uns den Text. Anscheinend findet sie ihn sehr poetisch, frei übersetzt heißt der Titel wohl „Der Mond steht für mein Herz“. Anschließend plärrt das ziemlich schmalzige Lied ca. fünfmal hintereinander aus dem Lautsprecher, was bei mir ähnliche Reflexe wie auf der Fähre von Putuo Shan auslöst. Die nach und nach eintreffenden Lehrer erlösen uns schließlich. Für den morgigen Tag kündigt sie uns an, ein Gedicht aus der Tang- Dynastie zu besprechen. Das könnte ganz interessant werden, wenigstens ist das nicht vertont worden.

Nachmittags treffen wir endlich mal pünktlich im Heping- Park ein, allerdings ist Meister Wu Mao Gui noch nicht da. Also machen wir uns erstmal geschmeidig, worauf sich natürlich wieder sofort ein Fanclub versammelt. Einen der Typen habe ich letztes Jahr schonmal gesehen, das spricht für eine gewisse Konstanz der Parkbesucher.

Während Wu Jis Park wunderschön ruhig und verwunschen ist und wir dort kaum Publikum haben, brennt im Heping- Park die Luft. Ausserdem scheinen sich hier wirklich die skurrilsten Gestalten Shanghais zu versammeln. Ich muss unter den kritischen Blicken von Michael und einem anderen Schüler des Meisters die Form laufen und die Menschentraube wird größer. Training im Heping- Park ist wirklich nichts für schüchterne Gemüter. Schließlich trifft der Meister ein, er hatte wohl einen etwas ausgedehnten Mittagsschlaf gehalten und macht die verlorene Zeit dadurch wett, dass er uns einem Trommelfeuer an Informationen und Übungen aussetzt. Auch die einsetzende Dunkelheit hält ihn nicht davon ab, uns am Ufer eines Sees hin und her zu scheuchen, im Gegenteil, er kommt richtig in Fahrt. Nach 21/2 Stunden Training ohne Pause platzt mir fast der Schädel und wir bremsen ihn mühsam. Morgen gibt es dann nochmal das gleiche Programm, dann geht es mangels Übersetzer erst nächsten Mittwoch wieder weiter.

Mit müden Beinen und knurrenden Mägen schleppen wir uns erst zu Pizza- Hut und dann nach Hause, um vor dem Fernseher zu kollabieren.

Endlich Training

24.10.2006, Dienstag

Lily ist wieder vollständig regeneriert und schwärmt von unserem Ausflug. Sie kann es gar nicht erwarten, die vielen Photos zu sehen, aber leider hat Stefanie das Kabel ihrer Kamera zu Hause vergessen, so dass sie sie nicht auf den Laptop übertragen kann. Schade, ich hätte hier gerne ein paar veröffentlicht, werde das aber nachholen.

Nach dem Unterricht treffen wir uns mit Wu Ji, verlaufen uns nur ein wenig und sind fast pünktlich. Er ist diesmal mit unserer Trainingsleistung auch nicht ganz unzufrieden. Nachdem die letzten Wochen irgendwie keiner Zeit hatte, mit uns zu üben, geht es jetzt auf einmal fast jeden Tag. Zu meiner großen Freude hat sich Wu Mao Gui hinreichend erholt und morgen Zeit für mich.

Anschließend klappern wir noch ein paar Hotels ab, denn auch Stefanie erwägt einen Umzug. Ich bin jedesmal froh, in die Stadtmitte mit dieser unglaublichen Architektur zu kommen, des Nachts ist Shanghai noch ein paar Etagen geiler. Das ist so, als lege eine schöne Frau Abendrobe und funkelnde Juwelen an, das Leben scheint auch noch mehr zu pulsieren. Ich kann es kaum erwarten, mein Quartier zu verlegen. Nach dem stressigen Training und dem Herumgerenne belohnen wir uns mit einem üppigen Mahl und einem Cocktail bei Barbarossa.

Zurück von der Insel der Seligen

23.10.2006, Montag

Um 6:00 wachen wir durch lautes Gekreische auf den Flur auf. Mittlerweile haben wir herausgefunden, dass dies offensichtlich der normale Umgangston ist und nicht etwa ein deftiger Ehekrach oder sowas. Als ich um 7:40 in der „Lobby“ unserer Absteige meine Morgenzigarette und meinen Kaffee genieße, taucht unser Reiseleiter mit den Tickets auf und sieht irgendwie nicht glücklich aus. Die nervöse Dame an der „Rezeption“ scheucht mich zurück ins Zimmer und ich werde Zeugin, wie der Reiseleiter Lily irgendwas erklärt, woraufhin erstmal die Hölle losbricht. Sie zerrt ihn in ein Zimmer gegenüber und wir hören die nächsten zehn Minuten nur Gekeife in einer wirklich unglaublichen Lautstärke, offensichtlich läuft hier wirklich was schief. Schließlich verlässt der Reiseleiter wie ein geprügelter Hund das Zimmer und Lily taucht süß lächelnd mit den Tickets und Kohle in der Hand auf. Unser Schnellboot kann angeblich wegen rauher See nicht fahren, weswegen auch wir mit einer Fähre auf die nächtse Insel und dann mit dem Bus fahren müssen. Sie hat ihm dann auch noch 120,- Yuan für diese Unbill abgetrotzt. Kurz bevor wir das Hotel verlassen, taucht die nervöse Dame mit einer zerbrochenen Teetasse in der Hand auf und behauptet, Stefanie hätte die kaputt gemacht. Wir sollten bitteschön dafür bezahlen. Die eilends herbeigerufene Lily baut sich vor der Dame auf, sagt, sie sei Anwältin und wo denn bitte der Beweis sei, das wir das gewesen wären? Warum habe die Dame das Corpus Delicti denn vom Tatort entfernt? Unter diesen Umständen sei die Rechtslage eindeutig, wir würden uns weigern, zu zahlen. Lily und schüchtern, von wegen!

Tatsächlich ist die See ziemlich rauh und das Boot sehr klein, es schwankt schon im Hafen wie verrückt, was mich sehr schnell eine Pille gegen Seekrankheit einwerfen lässt. Da das Boot sehr tief im Wasser liegt, gleicht die Überfahrt eher einem Tauchgang und das Boot krängt heftig von Seite zu Seite. Als erstes sehen wir wieder kurz das Video mit der glatzköpfigen Nonne, dann wankt ein Matrose durch den Gang und bietet es zum Kauf an. Als nächstes zeigt man einen Ausschnitt aus einem Video, das die religiösen Stätten Putuo Shans preist, wieder der wankende Matrose. So geht das im Minutentakt, aber angesichts der rauhen See ist die Kauflust der Mitreisenden eher gedämpft.

Auf der nächsten Insel, die wir ohne größere Verluste von Mageninhalten erreichen, will uns der Taxifahrer zu einer Inselrundfahrt überreden, was wir jedoch höflich ablehnen. Unser Bus entpuppt sich als sehr komfortabel mit Ledersitzen ausgestattet, fährt überpünklich ab und uns wird sogar noch ein Hefebrötchen und eine Zeitung in die Hand gedrückt. Eine Servicekraft, überwacht das Anlegen der Sicherheitsgurte, bedient das Bordvideosystem und säuselt mit süßer Stimme über ein halliges Mikrofon Anweisungen, die wir sowieso nicht verstehen. Bis zur Autofähre gibt es erstmal Karaoke und wir stellen fest, dass man durch das Mitlesen der Texte seine Vokabelkenntnisse enorm trainieren kann. Nach der Fähre zeigt man „The Abyss“ auf chinesisch, als wir im Stau um Hangzhou stehen zu meiner Freude „King of Beggars“ mit Stephen Chow. In der Gegend von Hangzhou fallen mir mal wieder die lustigen, quadratischen, dreigeschossigen Flachdachbauten auf, die von einem kleinen, in verschiedenfarbigem Plexiglas verkleideten Türmchen geschmückt werden, auf. Das Türmchen wird meistens noch von einem üppigen Blitzableiter in Form des Eiffelturms oder von großen Silberkugeln gekrönt. Letztes Jahr haben wir uns schon über diese doch eher bizarre Formensprache amüsiert, vielleicht hat ja ein Kollege in Hangzhou sich diesen Gebäudetyp patentieren lassen und verkauft diese Häuser jetzt von der Stange.

Während der Busfahrt machen wir per Handy unsere nächsten Trainingseinheiten aus, als wir um 18:00 Shanghai erreichen, ist Lily so durch den Wind, dass sie darum bittet, mit dem Unterricht am nächsten Tag eine Stunde später zu beginnen.

Stefanie und ich fahren zu Sashas, da wir dort ja schließlich das Projekt Putuo Shan auf Kurs gebracht haben und feiern den erfolgreichen Abschluss mit einer Pizza und einigen Gläsern Weißwein.

Putuo Shan, Teil 2

22.10.2006, Sonntag

Um 8:00 sammelt man uns ein und karrt uns zu zwei weiteren Tempeln sowie einer 35m hohen Statue der Guanyin (Noch mehr Stempel auf den Pilgertaschen). Ich traue mich endlich, die mürrische Dame auf ihre schicke Deutschlandtasche anzusprechen und ernte ein freundliches Nicken. Dass auf ihrer Tasche die deutsche Flagge prangt, wusste sie, dass ich Deutsche bin, findet sie interessant. Unsere Reisegruppe verlässt Putuo Shan am Nachmittag, da die Boote offensichtlich überbucht sind oder irgendwas anderes dazwischen gekommen ist, muss ein Teil zu einer anderen Insel und von dort aus mit dem Bus zurück nach Shanghai. Das löst natürlich wieder heftige Unmutsäußerungen bei der Gruppe aus, uns ist das zunächst mal egal, da wir ja noch eine Nacht länger bleiben.

Wir bummeln also erstmal durch den Hauptort und wie das bei Mädels halt so ist, entdeckt eine von uns glitzernden Tand, worauf wir natürlich alle diese Dinge kaufen. Stefanie hält mich mit Mühe davon ab, in einem Fachgeschäft für religiösen Fummel für 5,- € eines dieser coolen Büßergewänder zu erstehen. Lily hält uns jetzt wahrscheinlich endgültig für verrückt.

Wir schleifen Lily am Strand entlang quer über die Insel zu diversen anderen Tempeln und machen dort alles mit, was die Pilger auch tun, z.B. 100,- Yuan- Scheine über heilige Stelen zu rubbeln oder Münzen auf Weihrauchgefäße oder in irgendwelche Löcher zu schleudern. (Soll angeblich ewigen Reichtum, Gesundheit oder die Erfüllung sämtlicher Wünsche bringen, wenn man trifft.) Letztes Jahr haben wir die taoistischen Spielhöllen kennengelernt, interessant zu sehen, dass auch die buddhistische Fraktion über so etwas verfügt.

Lily ist schließlich so fertig, dass Alessandra sie in einen Bus verfrachtet und mit ihr ins Hotel zurückfährt, während Stefanie und ich kernig 11/2 Stunden zurück laufen. Bei unserer Rückkehr hat sich Lily wieder hinreichend regeneriert und aufgehübscht, so dass wir in das selbe Restaurant wie am Abend zuvor einkehren können. Der Laoban erkennt uns auch wieder und zerrt seine entzückende sechsjährige Tochter an unseren Tisch, damit wir mit ihr Englisch üben. Am Ende wird das eher für uns eine Listening Comprehension, denn der süße Fratz spricht auf einem Niveau, auf dem wir mit unserem Chinesisch gerade noch mithalten können.

Zurück im Hotel empfängt uns eine sichtlich nervöse Dame, die uns anweist, unsere Zimmertür bitte nicht zu öffnen, sollte es klopfen, da dieses Hotel eigentlich nicht für Ausländer zugelassen sei.

Montag, Oktober 23, 2006

Putuo Shan, Teil 1

21.10.2006, Samstag

Um 6:30 giesst es in Shanghai in Strömen und endlich wird es kühler und die Luft frischer. Wir treffen Lily an der Metro und fahren zu einem riesigen Busbahnhof unter einer monströsen Brücke, wo man uns zügig in einen Bus verfrachtet und erstmal 11/2 Stunden aus der Stadt ans Meer karrt, wo schon ein wenig vertrauenserweckendes Boot auf uns wartet. Kaum dass wir unsere Sitzplätze eingenommen haben, läuft im Bordkino ein Video mit einer glatzköpfigen Nonne, die fromme Weisen anstimmt, während sie über ätherische Landschaften schwebt. Wir wären nicht in China, wenn nicht innerhalb von 20 Minuten noch vor dem Ablegen das ganze Schiff nach Essen riechen und Abfälle über den Boden verteilt wären. Lily bekommt eine Tablette gegen Seekrankheit und los geht es. Schon kurz nach dem Ablegen fangen die Ersten an, sich diskret zu übergeben, während die glatzköpfige Nonne immer noch singt. Dann folgt ein bizarrer Film mit deftigen Sex- Szenen, den ich jedoch verschlafe. (Mein Gott, ich werde assimiliert!) Nach einer sonst sehr ruhigen Fahrt kracht kurz vor Putuo Shan das Boot über exakt drei Brecher, was mit Aaaahh und Ooooh quittiert wird, danach übergeben sich ca. 70% aller Mitreisenden in die vor dem Ablegen grosszügig ausgehändigten Plastiktüten.

In Putuo Shan angekommen sammelt uns ein recht hübscher junger Mann ein, der von Lily heftig bebalzt wird und man karrt uns zu dem ersten Tempel, wo wir unsere restliche Reisegruppe treffen. Die gucken natürlich nicht schlecht, als auf einmal drei blonde Schnallen auftauchen und den Worten des Reiseführers ergriffen lauschen (Listening Comprehension) , obwohl wir natürlich kaum was verstehen. Stefanie und ich erstehen als erstes jede einer dieser orangenen Pilgertaschen, die man sich in jedem Tempel gegen eine geringe Spende abstempeln lassen kann, schließlich müssen wir ja beweisen, dass wir unser lange gehegtes Projekt endlich in die Tat umgesetzt haben. Wir besichtigen den sehr schönen Fayu Si, lassen unsere Taschen bestempeln und treffen uns mit der Gruppe. Eine mürrisch dreinblickende Dame hat eine Tasche mit der deutschen Flagge drauf, aber ich traue mich nicht, sie darauf anzusprechen. Dann steht der nächste Tempel auf dem Programm: Ob wir dahin laufen wollten (ca. 2 Stunden), mit der Seilbahn fahren oder einen Bus chartern wollten? Wir wollen eigentlich laufen, aber das dauert angeblich zu lange und für die Seilbahn ist es angeblich auch schon zu spät, also müssen wir mit dem Bus fahren, wofür man uns pro Nase 50 Yuan (ca. 5,00 €) abknöpft. Ich hatte erst 15 verstanden, was mir angemessen schien, als wir dann zahlen müssen und ich realisiere, dass das ein Betrag ist, für den ich quer durch Shanghai mit dem Taxi gondeln könnte, werde ich dann doch etwas ungehalten. Während unsere chinesischen Mitreisenden anstandslos bezahlen, keife ich den hübschen jungen Mann an und schenke ihm beim Einstieg in den Bus einen Blick, der besagt, dass ich ihm am liebsten die Eingeweide herausreissen würde. Der zweite Tempel ist dann auch vor allem wegen der Pilger interessant, die spezielle Gewänder tragen und sich alle drei Schritte niederwerfen. Was mich etwas erschüttert, sind die grossen „Nicht Rauchen“ Schilder in den heiligen Bezirken. Ich selber käme nie auf die Idee, mir im Mainzer Dom eine Kippe anzustecken. Was mich noch mehr erschüttert ist die Tatsache, dass die Schilder von der einheimischen Bevölkerung weitgehend ignoriert werden.

Lily bringt uns bei, wie man angemessen betet und so finden wir uns plötzlich mit unseren hübschen orangenen Taschen vor Guanyin knieend und Wünsche äußernd wieder.

Auf der Fahrt ins Hotel preist ein Mitreisender Stefanies Schönheit und fragt, aus welchem Land wir denn kämen. Er findet, sie sähe aus wie ein Filmstar. Lily weist diskret darauf hin, dass wir Chinesisch lernen würden und ein wenig verständen, was ihn aber nicht davon abhält, trotz seiner neben ihm sitzenden, makellos zurechtgemachter Gattin Lily schamlos weiter über uns auszufragen.

Das Hotel entpuppt sich als miese Absteige, aber das kennen wir ja schon von unserer letzten Rundreise aus Wudang Shan. Im Park hinter dem Hotel sind liebevoll gepflegte Panzer und Flakgeschütze montiert, was dem Ganzen eine pikante Note verleiht. Etwas unangenehm ist die Tatsache, dass es keine Handtücher oder ähnliches gibt, nach einigem Gekeife händigt man uns taschentuchgrosse verschossene Lappen aus. Nachdem wir uns etwas aufgehübscht haben, gehen wir erstmal in eines der zahlreichen Seafood- Lokale essen (weiteres Gekreische über die Anzahl und den Preis der Speisen sowie über den Sitzplatz), werden Zeuge einer munteren Schnaps saufenden Herrenrunde, dürfen uns anschliesend über einem mit Fischeingeweiden bedeckten Waschbecken die Hände säubern, nachdem ich für Stefanie Krustentiere nackig gemacht habe, weil sie sich vor denen zu sehr geekelt hat. Lily hingegen steckt das ganze Vieh in ihren Mund, gibt einige saugende und schlürfende Geräusche von sich, um anschließend die Schale säuberlich auf den Tisch zu rotzen. Gott, manchmal wünsche ich mir, kein Vegetarier zu sein.

Lily geht ab wie eine Rakete und zerrt uns zum nahegelegenen Strand, wo wir stundenlang abwechselnd Karaoke- Darbietungen oder Polonaisen von betrunkenen Chinesen über uns ergehen lassen. Wow, ich bin erstaunt über die wirklich sehr unterschiedlichen Konzepte von Freizeitvergnügen in Westen und im Osten. Zwischen Lilys Karaoke- Darbietungen führen wir noch ein paar Gespräche unter Mädels über Typen und erfahren ein paar sehr interressante Dinge. Sie schafft es auch, sämtliche am Strand aufschlagenden Ausländer an unseren Tisch zu locken, wie sich herausstellt, alles Deutsche, am Ende hat sich Lily jedem als Chinesisch- Lehrerin angeboten, jede Menge Visitenkarten ausgeteilt und eingesackt und das alles ohne einen einzigen Tropfen Alkohol. Und irgendwie scheinen ihre Hautunreinheiten schon viel besser geworden zu sein. Vielleicht der Einfluss der Göttin?

Freitag, Oktober 20, 2006

Angewandtes Chinesisch, Teil 2

20.10.2006, Freitag

Stefanie geht es zum Glück wieder besser und Lily ist wegen unserer morgigen Pilgerreise schon total aufgeregt. Die Tickets sind geliefert worden und natürlich zeigt sie uns die und erklärt genau, wie der Ablauf sein wird. Außerdem erklärt sie uns die Leistungen der Reiseversicherung. (Die hatten wir sowieso nur abgeschlossen, um sie zu beruhigen.) Man könnte meinen, wir bereiteten uns auf eine Arktisexpedition vor. Wir finden es süß, wie ernst sie ihren Job nimmt. Natürlich werden unserer aller Handynummern ausgetauscht, falls wir uns irgendwie verpassen, schließlich weist sie uns nochmal eindringlich darauf hin, dass die Nummer der Polizei 110 ist. Als ob wir Heuler nach einem Raubüberfall den Bullen am Telefon erklären könnten, was passiert ist.

Beim Mittagessen höre ich ein Lied, das mir gefällt und frage die Bedienstete des Lokals nach dem Titel. Irgendein Typ kennt es und schreibt ihn mir auf. Wow, endlich mal eine erfolgreich ausserhalb unseres Klassenzimmers auf Chinesisch geführte Transaktion. (Essen bestellen zählt nicht, denn da zeigen wir auf bunte Bildchen und sagen nur "Zhe ge") Lily kann mir dann auch den Namen des Interpreten sagen und aufschreiben, also werde ich mich mal nach der CD umsehen oder sie aus dem Netz saugen. Also Freunde, jetzt gefällt mir chinesische Musik schon und in der Metro drängele ich mich auch erfolgreich zum einzigen freien Sitzplatz. Wenn ich demnächst auch noch meine Fähigkeit, Karten zu lesen verliere oder Karaoke geil finde, dann holt mich hier raus.

Angewandtes Chinesisch, Teil 1

19.10.2006, Donnerstag

Nach dem gestrigen Genuß von ein paar Bieren (aber wirklich nur ein paar!) mit unseren französischen bzw. irischen Mitbewohnern hat die arme Stefanie leider das Pech, einige der Vokabeln der letzten Lektion (Besuch beim Doktor) am eigenen Leib erleben zu müssen. Sie leidet unter „la duzi“. (Durchfall)

Mich machen die verdammten Hörtests fast wahnsinnig, da ich nur Bahnhof verstehe und mich wundere, dass die anderen beiden Mädels scheinbar ganz geschmeidig mitkommen. Wie sich herausstellt, lesen die beiden im Lösungsteil des Übungsbuches die gesprochenen Texte mit, was die Sache natürlich einfacher macht. Ich Depp hingegen höre dem Band zu und sehe nur die Antworten. Lily bemerkt meinen Fehler zwar, das kleine Luder lässt mich aber weitermachen, weil sie mal schauen möchte, wie ich so zurechtkomme. (Natürlich stinke ich ab.)

Nach dem Unterricht lernen wir mal wieder fleißig und machen Hausaufgaben. Ich brauche allein fast eine Stunde, die mir unbekannten Wörter nachzuschlagen, was sehr frustrierend ist. Nach dem Essen können wir die Wachschergen unseres Komplexes beim Exerzieren beobachten. Meine Güte, diese Luschen sollen uns beschützen?

Abends schauen wir uns gemütlich „Oceans 12“ auf DVD an. Anschließend im Fernsehen noch ein ganz besonderes Highlight: „Men in Black“ auf Chinesisch.

Mittwoch, Oktober 18, 2006

Projekt Putou Shan

18.10.2006, Mittwoch

Wir bringen Lily dazu, bei der Reiseagentur anzurufen und sich den genauen Ablauf und die Reiseleistungen erklären zu lassen. Ihr zuzuhören ist sowieso interessanter als die albernen Listening Comprehensions. Wir haben sie fast soweit, dass sie mitkommt. Wu Ji sagt unser Training leider ab (was angesichts unseres gestrigen Weinkonsums auch nicht allzu bedauernswert ist), also fahren wir nach dem Unterricht mit der aufgekratzen Lily zur Agentur, die sich als vollgestopftes Büro im vierten Stock eines schäbigen Gebäudes entpuppt. Nach etwa eineinhalb Stunden heftiger Diskussionen und intensiver Prüfung des Vertrages und der Lizenz des Büros durch Lily schälen wir schließlich ca. 300 Euro für uns vier Hübschen auf den Tisch. Natürlich kommt sie mit, auch wenn sie dann einen Tag Arbeitsausfall hat, da wir wegen der ungünstigen Abfahrzeiten des Schnellbootes zwei Nächte bleiben werden. Im Vertrag wird diskret verschwiegen, dass Lilys Mitreisende Ausländer sind, da das unter Umständen Ärger geben könnte. Geil! Wir in einer chinesischen Reisegruppe, das hört sich nach einer Menge Spaß an!

Kerstin kommt

17.10.2006, Dienstag

Ich berichte Lily stolz auf chinesisch, dass wir gestern Abend einen chinesischen Film geschaut haben und es gelingt mir sogar, den chinesischen Namen meines Lieblingsschauspielers fehlerfrei auszusprechen (Zumindestens erkennt Lily, von wem die Rede ist.) Sie findet Stephen Chow auch klasse, was ihr natürlich etliche Sympathiepunkte einbringt.

Lily war gestern nicht untätig: Sie ist wohl im Internet gesurft und hat ein paar Reiseagenturen gefunden, die diesen Ausflug als Pauschaltour anbieten. Da sie so begeistert bei der Sache ist, beschließen wir, sie einzuladen. Als wohlerzogene Chinesin lehnt sie natürlich ab, wird aber fast ohnmächtig. Im Laufe des Tages wiederholen wir mehrere Male unsere Einladung, die sie zwar immer wieder ablehnt, aber auch immer öfter mal „wir“ statt „ihr“ sagt, wenn die Rede auf den Ausflug kommt.

Nach dem Unterricht surfen wir erstmal im Internet, um uns über die Hotelpreise zu orientieren. In einem meiner Reiseführer wird eines empfohlen, dass auch online zu finden ist. Also begeben wir uns da hin, ich bin begeistert! Das Hotel liegt mitten in der Stadt, hat kleine, aber sehr hübsche Zimmer, die uns ein freudlicher, ausgezeichnet Englisch sprechender Bediensteter auch gerne zeigt.

Nach dieser Aktion treffen wir rechtzeitig zur Happy Hour bei Barbarossa im Renmin Gongyuan ein, wo wir die Zeit bis zu unserem Treffen mit Kerstin, mit der wir schon im Stundentakt telefoniert haben, überbrücken. Endlich wieder guter Weisswein! Und coole Musik, gediegenes Ambiente, wir lieben diesen Ort. Der nette Kellner schätztund macht uns diskret auf das nahe Ende der Happy Hour aufmerksam. Ob wir schnell noch ein Glas bestellen wollten? Natürlich wollen wir und stellen mit Schrecken fest, dass wir zum Essen zu spät kommen. Also wieder telefonieren. Schließlich hetzten wir ins „Vegetarian Lifestyle“, wo wir endlich Kerstin, Jörg , Wesley, James und Stefan treffen. Dieser hat sich der Situation völlig angemessen in das Trikot der deutschen Nationalmannschaft gehüllt. Als das Restaurant schließt, setzen wir uns noch in den Park und plaudern, da das Barbarossa jetzt natürlich brechend voll ist.

Zuhause angekommen fahre ich den Laptop hoch und buche mit zitternden Fingern über Expedia das hübsche Hotel, was wesentlich günstiger ist, als direkt dort zu buchen. In einem Anfall von Spendierfreudigkeit gönne ich uns sogar eines mit Balkon, was nur unwesentlich teurer ist. Schließlich will ich meinen 40. Geburtstag in angemessener Umgebung begehen. Anschließend berausche ich mich noch lange im Netz an den Bildern unseres neuen Domizils.

Erstes Training

16.10.2006, Montag

Als ich aufstehe, kriege ich fast einen Koller. Am liebsten würde ich sofort im Marriot oder Hilton anfufen und mich dort einbuchen. Die Vorstellung, hier noch weitere drei Wochen zu verbringen und dann in der letzten Woche auch noch mit Ali macht mich fast wahnsinnig. Ich wollte Ali doch zeigen, wie klasse Shanghai ist, statt dessen befinden wir uns an einem von Shanghais uncoolsten Orten. Zwar ist die Metro um die Ecke, aber das dauert halt immer seine Zeit, von A nach B zu kommen. Stefanie und ich beschließen darauf, uns für die letzte Woche eine andere Unterkunft zu suchen, da der Unterricht dann sowieso vorbei ist.

Wir erzählen Lily von unserem Projekt „Putuo Shan“, ihre Augen leuchten auf und sie zerrt sofort ein Amulett aus dem Ausschnitt, dass ihr ihre Tante von dort mitgebracht hat. Sie wollte da schon immer hin, hat aber kein Geld. Anscheinend ist sie eine freie Mitarbeiterin der Schule, ansonsten verdient sie nichts und lebt daher enorm sparsam. Sie verspricht uns, nachzuhören, wo wir die Tickets kaufen können.

Nach dem Unterricht (wo wir mal wieder kläglich bei der „Listening Comprehension“ scheitern) hetzten wir nach Pudong, um uns von Wu Ji foltern zu lassen. Aus irgendeinem Grund fährt die U- Bahn ab einer Station einfach wieder zurück, weswegen wir an der nächsten Station hastig dieses Transportmittel verlassen und uns ein Taxi schnappen. Natürlich kommen wir eine halbe Stunde zu spät, Klasse! Während ich bei schwüler Hitze, beobachtet von amüsierten Chinesen und einem sehr kritischen Meister stoisch im tiefen Stand meine Übungen mache, stelle ich fest, dass es wohl doch keine sehr brilliante Idee war, sich am Abend vorher sechs Gläser Wein hinter die Binde zu kippen. Wu Ji stellt nüchtern fest, dass wir wohl zu Hause nicht sonderlich viel geübt haben, was wir auch beschämt zugeben. Naja, geübt haben wir ja schon, nur irgendwie nicht ganz richtig.

Nach dem Training sind wir so erschlagen, dass wir bei einer Fertigsuppe zusammen mit Alessandra „God of Cookery“ mit Steven Chow gucken. Wenigstens hellt das meine Laune beträchtlich auf.

Ruhetag

15.10.2006, Sonntag

Eigentlich war für heute heftiges Lernen angesagt, aber als ich um 8:00 in diesem fiesen, dunklen Loch erwache, habe ich keine Lust, aufzustehen. Um 9:30 schließlich quäle ich mich aus dem Bett und versuche halbherzig, ein wenig die Grammatik durchzuarbeiten. Schließlich halte ich es nicht mehr aus, stopfe die Bücher in die Tasche und suche draussen nach einem netten Ort, finde aber keinen. Nun ist die Hungqiao Lu ja nicht gerade der Nabel Shanghais, leider gibt es in der Nähe nicht mal einen Park oder irgendwas anderes Nettes. Also scharre ich verzweifelt an Stefanies Tür, sie hat ebenfalls Lust auf Frischluft (sofern man hier von sowas reden kann), wir tigern ins Einkaufszentrum, laben uns an Nudelsuppe und bummeln durch die Geschäfte. Dabei entdecken wir einen genialen Laden, der total abgefahrene Computermonitore verkauft, so zum Beispiel für den Fast- Food Freund in Form einer roten Frittentüte oder für den Fussballfan in Form eines Fußballfeldes. (Das wäre was für dich, Elli). Mein absoluter Liebling ist natürlich ein riesiger Batman, in dessen einer Schwinge der Monitor untergebracht ist. Als wir entzückt versuchen, diese Sachen zu fotografieren, schießt gleich ein Bediensteter herbei, der uns das untersagt. Naja, im Land der Produktpiraterie sind die wohl etwas dünnhäutig mit sowas.

Nach diesem kleinen Ausflug klappt das Mittags dann auch mit dem Lernen, weswegen wir uns Abends mit einen kleinen Spaziergang (3/4 Stunde) zu Sascha´s belohnen, wo wir auch noch rechtzeitig zur Happy Hour eintreffen. Sascha´s hat einen wunderschönen, ruhigen Garten, der einen die Hektik der Großstadt vergessen lässt und wir sind im 7. Himmel. Nach dem Genuss einer hervorragenden Pizza und mehreren Gläsen anständigen Weines beschließen wir, unser Projekt „Diesmal schaffen wir es nach Putuo Shan“ mal wieder anzugehen. Putuo Shan ist eines von Chinas vier budhistischen Hauptheiligtümern und befindet sich auf einer winzigen Insel. Uns wurde das als der Himmel auf Erden beschrieben. Da wir das letztes Jahr schon nicht geschafft haben und Stefanie das Jahr davor auch nicht, wollen wir es diesmal unbedingt auf die Reihe kriegen. Beschwingt vom Wein machen wir uns auf den Heimweg, verlaufen uns promt und brauchen fast eine Stunde.

First Contact

14.10.2006, Samstag

Heute treffen wir uns mit Wu Ji, Michael und Xiaonan, um mal die Trainingspläne für die nächsten Wochen klarzumachen. Nach guter chinesischer Sitte geschieht das natürlich im Rahmen eines zünftigen Mittagessens. Wu Mao Gui ist von seinem Trip nach Deutschland noch so ausgelaugt, dass er erstmal entspannen (= saufen und mit Kumpels labern bis spät in die Nacht) muss und leider nicht mitkommt. Wu Ji ist auch sehr erfreut, uns zu sehen, aber bevor irgendetwas in Richtung Training besprochen wird, müssen wir erstmal eine Gesinnungsprüfung ablegen. Warum wir denn Lan Shou lernen wollten? Ob wir denn zu Hause auch fleißig üben würden? Stefanie begeht den Fehler, zu sagen, dass sie gerne kämpfe. Bevor Wu Ji denkt, wir würden uns regelmäßig prügeln, beeile ich mich, dies richtig zu stellen. Nachdem wir eine halbe Stunde lang unsere moralische Integrität unter Beweis gestellt haben, lässt er sich schließlich herab, mit uns Termine abzumachen. Für uns ist das eine große Ehre, denn wir sind die zweiten bzw. dritten Ausländer überhaupt, die er unterrichtet.

Abends treffen wir uns dann mit Rose, einer Engländerin, die die hiesige Taijiszene ein wenig aufmischt, natürlich wieder zum Essen. Eigentlich wollte sie uns gleich zu irgendeiner Push- Hands Gruppe schleifen, aber wir möchten lieber erstmal gemütlich lästern. Nach dem Essen lassen wir uns dann noch in einem Friseursalon eine kleine Rückenmassage verpassen, ein echter Weiberabend also. Die Masseurin versucht, mit mir Smalltalk zu betreiben und natürlich scheitere ich nach mehreren Phrasen kläglich. Immerhin raffe ich, dass sie meine Arme für sehr lang hält.

Freitag, Oktober 13, 2006

Wochenende!

13.10.2006, Freitag

Während die beiden anderen Mädels sich gestern abend lecker Pizza einverleibt haben, habe ich in einem Anfall von Strebsamkeit die heutige Lektion perfekt vorbereitet, indem ich jedes mir unbekannte Wort nachgeschlagen und notiert habe. Außerdem habe ich die Grammatik sehr ausgiebig studiert. Irgendwie fühlte ich mich unserer Lehrerin gegenüber schuldig, die sich wirklich sehr intensive Gedanken darüber macht, wie sie uns Pfeifen Chinesisch beibringen soll.

Wir haben ihr unser deutsches Lehrbuch ausgeliehen, um ihr zu vermitteln, was wir eigentlich können sollten und so fragt sie uns, (auf deutsch!), was für chinesische Volkslieder wir kennen. Mir fällt als erstes „Mo Li Hua“ (Jasminblüten) ein, da wir die Melodie nicht kennen, bitten wir sie, es für uns zu singen. Lily wird abwechselnd rot und blass, nimmt ihre Brille ab und singt dann wunderschön dieses Lied für uns, während sie auf ihrem Schenkel leise den Takt klopft. Wir sind gerührt und applaudieren herzlich.

Während der letzten Tage haben sich unsere Defizite gnadenlos offenbart: Meine Aussprache ist zwar einigermassen, aber ich spreche zu wenig und habe deswegen Schwierigkeiten mit der Anwendung. Stefanie ist mutig und labert einfach los, aber ihre Aussprache und ihr Satzbau sind fürchterlich. Dafür prägt sie sich ziemlich schnell Vokabeln bzw. Zeichen ein. Alessandra hat einen riesigen Wortschatz, kann aber auch die Anwendungen nicht richtig gut und hat extreme Schwierigkeiten mit der Aussprache. Das liegt einfach daran, dass es im Italienischen manche Laute wie „ch“ einfach nicht gibt. Trotzdem hält sie das nicht davon ab, so lange in allen möglichen Varianten auf die Einheimischen einzuquatschen, bis die gewünschte Reaktion erfolgt.

Auf dem Gelände unserer Schule entdecken wir eine „ Ka Fei Ba“ und begehen den Fehler, uns einen italienischen Kaffee zu bestellen. Eine Jungfrau mahlt erst die Bohnen, füllt sie in ein reagenzglasartiges Gefäß, befeuert einen Bunsenbrenner darunter und schaut dann erstmal mindestens 5 Minuten zu, wie das heiße Wasser erst in einen Teil des Kolbens läuft, um dann auf wundersame Weise rückständefrei in einen anderen Teil dieses Versuchsaufbaus gesaugt zu werden. Nach ca. 14 Minuten halten wir beide einen perfekten vierfachen Expresso in den Händen. Ich brauche wohl nicht erwähnen, dass wir den Nachmittagsunterricht hellwach verfolgt haben.

Während wir in „Vegetarian Lifestyle“ mit vier Personen acht Gerichte verdrücken, klingelt mein Handy . Da ich es nicht gewöhnt bin, in China angerufen zu werden, merke ich das garnicht. Als ich an der Kasse stehe, um für meine eingekauften vegetarischen Fertiggerichte zu zahlen, klingelt es ein drittes Mal- Kerstin! Hungrig, genervt und mit einem bösen Jetlag. Am liebsten möchte ich sie durch die Telefonmuschel umarmen und trösten, aber da ich gerade auf einer Hauptstrasse stehe und in etwa 5 Sekunden mindestens zweihundert Fahrzeuge auf mich zurasen werden, fällt mein Trost etwas kurz aus. Armes Ding, werde ihr gleich mal ne SMS schreiben.

Während ich hier sitze, spielt Mainz 05 gegen Aachen und offensichtlich führen die Aachener 2:1. Mist. Hier ist es mitten in der Nacht, aber da ich natürlich unbedingt wissen will, wie es ausgeht, werde ich mich noch weiter wachhalten müssen. Hier im Fernsehen wird das Spiel leider nicht übertragen, also bin ich auf das Netz angewiesen.

Donnerstag, Oktober 12, 2006

Schlaflos in Shanghai

12.10.2006, Donnerstag

Gestern Abend haben wir noch eine äußerst interessante Entdeckung gemacht: Neben unserem Wohnheim befindet sich offensichtlich eine illegale Majang- Spielhölle. Jedenfalls sitzen da in diversen kleinen Räumen wild rauchende Leute, saufen Schnaps und zocken. Man konnte sehen, wie etliche Einhundert- Yuan Scheine den Besitzer wechselten. Alessandra beschliesst daraufhin, ein Majang- Spiel zu erwerben, vielleicht können wir ja so etwas Kohle machen, um unseren doch recht ausgiebigen Rotweinkonsum zu finanzieren.

Irgendwie haben wir alle Schwierigkeiten, einzuschlafen bzw. die ganze Nacht durchzuschlafen. Wir haben schon von Saufen-und-Spät-ins-Bett gehen über Nichts-saufen-und-spät-ins-Bett-gehen bis Nichts-saufen-und-früh-ins-Bett-gehen alles Mögliche durchprobiert , aber irgendwie hilft nichts. Gestern war dann mal wieder die erste Variante angesagt, was dann dazu führte, dass ich heute morgen den Wecker überhört habe und um 10:00 ungeduscht und ohne Frühstück und –schlimmer- Kaffee in den Klassenraum rennen musste.

Nach dem Unterricht war ich dann viel zu platt, um mit den beiden anderen Mädels auf Tour zu gehen, weswegen ich mich jetzt in meinem Zimmer vor die Glotze gesetzt habe. Unfassbar: Über 30 Kanäle, einer davon in Englisch und auf allen läuft nur Mist. Zu meiner großen Freude berichtet CCTV 5 über die Europa- Cup Qualifikation und ich sehe eine Zusammenfassung des Spiels Deutschland gegen ein offensichtlich osteuropäisches Land. Vielleicht die Slowakei? Egal, jedenfalls gewinnen wir 4:1 und ich lache mich schlapp über die chinesische Aussprache der Namen von Ballack, Schweinsteiger und Podolski.

Mittwoch, Oktober 11, 2006

Meuterei

11.10.2006, Mittwoch

Als ich um 10.00 den Klassenraum betrete, sitzt da eine pickelige kleine Chinesin, die mich gleich anstrahlt und sich als Lily, unsere neue Lehrerin vorstellt. Ich frage mich, ob die in unserem Zimmer Wanzen installiert haben. Wie sich herraustellt, ist Stefanie nach einer schlaflosen Nacht zu dem Entschluss gekommen, ohne Umschweife nach einer neuen Lehrerin zu fragen, also sind sie und Alessandra gleich ins Büro getrabt und haben nach einer neuen Lehrerin verlangt. Lily legt sich auch sofort voll ins Zeug, erkennt zügig unsere Schwächen (die Aussprache) und fordert uns kräftig. Ich finde es interessant, Alessandra zuzuhören, denn bis jetzt kannte ich Chinesisch von Ausländern nur mit einem grauenhaften deutschen Dialekt (uns), jetzt höre ich mal die italienische Variante.

Etwas unschön an der Situation ist, dass unsere alte Lehrerin hospitiert, richtig peinlich wird es, als Lily uns den Satz: “Du hättest erst mit deinem Lehrer reden sollen, bevor du dich beschwerst“ übersetzen lässt. Aber wir krümmen uns erst richtig vor Scham, als die beiden Mädels nach der Mittagspause vor uns stehen und fragen, welche von beiden uns denn nun weiter unterrichten soll. Eigentlich hätten wir denen im Büro Bescheid sagen sollen, haben das aber irgendwie verpennt. Da Stefanie uns die Suppe eingebrockt hat, starren Alessandra und ich unbeteiligt an die Decke und überlassen es ihr, der alten Lehrerin mitzuteilen, dass wir dann doch lieber mit Lily weitermachen wollen. Selten war ich in einer peinlicheren Situation.

Da das Wetter hier in Shanghai immer noch sehr warm ist, wir aber alle nur festes Schuhwerk dabei haben, beschliessen Alessandra und ich, uns im nahegelegenen Einkaufszentrum nach etwas leichteren Schuhen umzuschauen. Freunde, ich sage euch: Solltet ihr Nachhilfe in modischen Fragen brauchen, dann geht mal mit einer Mailänderin einkaufen. Alessandra findet mit sicherem Griff aus einem Berg von Pullovern auf einem Grabbeltisch den schicksten mit dem höchsten Kaschmiranteil und keift dann noch mit dem Händler auf Chinesisch und ich traue mich kaum noch, einen Schuh überhaupt nur in die Hand zu nehmen aus Angst vor ihrem kritischen Urteil. Am Ende erstehen wir dann beide ein Paar schicke Converse- Segeltuchschuhe und kehren erschöpft in der Food- Plaza des Einkaufszentrums ein. Nach der Schuhaktion sind wir dann leider zu platt, um noch groß zu lernen und quatschen lieber noch auf der Terrasse.

Zweifel

10.10.2006, Dienstag

Unsere Lehrerin trägt heute Glitzer und labert uns die erste Stunde wieder nur voll. So hatten wir uns den Unterricht eigentlich nicht vorgestellt. In der Pause beratschlagen wir Mädels und kommen zu dem Schluss, dass wir, sollte das so weitergehen, nach einer anderen Lehrerin fragen werden. Einerseits fürchten wir, unsere Leherin könnte ihren Job verlieren, anderseits sind wir ja schließlich hergekommen, um etwas zu lernen. Der Unterricht verbessert sich unwesentlich und so sind wir in einem echten Konflikt: Sollen wir erst mit der Lehrerin reden oder gleich nach einer anderen fragen? Eine chinesische Freundin rät uns, uns gleich zu beschweren, aber so ganz wohl ist uns dabei nicht.

Dienstag, Oktober 10, 2006

Blamage

09.10.2006, Montag

Natürlich waren unsere gestrigen Exzesse nicht ganz folgenlos. Im Registrierungsbüro teilt man uns mit, man würde gleich einen Test mit uns machen, um unsere sprachlichen Fähigkeiten einschätzen zu können. Die verbleibende Zeit nutzen wir, indem wir hektisch in unseren Büchern blättern und verzweifelt versuchen, alles zu wiederholen, was wir je gelernt haben. Ziemlich schnell wird uns klar, dass wir wahrscheinlich ziemlich abstinken werden. Die restlichen Studenten scheinen alle so um die zwanzig zu sein, umso erleichteter sind wir, als man uns in einen Raum führt, in dem eine nette Italienerin unseres Alters sitzt. Der Test wird natürlich ein ziemliches Debakel, da wir über die Hälfte der Zeichen nicht kennen und überhaupt nicht raffen, was genau von uns verlangt wird. Zum Glück geht es Alessandra ähnlich. Also beschließt man, dass wir drei eine Klasse bilden sollen und stellt uns unsere Lehrerin vor, eine dickliche, bebrillte Chinesin so um die dreissig in einem äußerst gewagtem Rüschenfummel. Was den chinesischen Sinn für Mode angeht, sind wir ja Einiges gewohnt, aber dies hier ist ein echter Härtefall. Sie textet uns dann die nächsten paar Stunden auch kräftig zu, lediglich die am Rande ihrer Leistungsfähigkeit laufende Klimaanlage, die den Raum in einen Kühlschrank verwandelt, hält und davon ab, einzuschlafen. Falls jemand gedacht hatte, wenigstens beim Mittagessen der chinesischen Sprache entkommen zu können, wird aller Hoffnung beraubt: Li Laoshi geht mit und bringt uns bei, wie wir auf chinesisch bestellen und macht Konversation mit uns. Anschließend weitere zwei Stunden zuhören und ein kurzer Blick in das Buch. Mann, sind wir froh, dass der Unterricht endlich vorbei ist!

Alessandra hat man ebenfalls in eine fensterlose Zelle gesteckt, also machen wir das erstmal klar und norden sie anschließend auf Shanghai ein, indem wir ihr helfen, eine chinesische SIM- Karte für ihr Handy und das wiederaufladbare Metro- Ticket zu besorgen. Dann schleppen wir sie in die Stadt und gehen lecker essen. Zu unserer Freude entdecken wir bei dieser Gelegenheit haufenweise DVD- Stände und decken uns erstmal anständig ein.

Abhängen

08.10.2006, Sonntag

Nachdem wir ausgeschlafen haben, beschweren wir uns erstmal kräftig über das fensterlose Zimmer und bekommen ein neues zugewiesen. Dann begeben wir uns in die Stadt und besuchen im Museum für moderne Kunst eine sehr interessante Ausstellung, anschließend bummeln wir durch diverse Buchläden. Wir müssen mit Entsetzten feststellen, dass nahezu alle Stände mit raubkopierten DVDs aus dem Stadtbild verschwunden sind. Mist, dabei hatten wir doch eine ellenlange Wunschliste! Immerhin erstehe ich zwei Hongkong- Prügel Filme und auch Stefanie kann sich den letzten Harry Potter sichern. Auf der in allen Farben des Universums erleuchteten Nanjing Lu bummeln wir zu einem vegetarischen Restaurant, das wir noch von unserem letzten Aufenthalt hier kennen, beweisen aber bei der Wahl der Speisen kein sehr glückliches Händchen. Leider ist die Speisekarte nicht bebildert, so dass wir auf gut Glück bestellen müssen. Aber immerhin werden wir satt.

Anschließend begeben wir uns in eine sehr nette, arabisch aufgemachte Bar im Volkspark, wo man auf einer lauschigen Terasse an See Chill- out Musik hören, Wasserpfeife rauchen und endlich mal vernünftige (weil importierte) Alkoholika zu sich nehmen kann. Erfreulicherweisr herrscht gerade Happy Hour, das heißt, die Getränke kosten nur die Hälfte, was angesichts der Preise durchaus lohnenswert ist. Natürlich machen wir von diesem Angebot ausgiebig Gebrauch, verpassen die letzte Metro und kehren beschwingt in unser Wohnheim zurück, wo wir betäubt ins Bett fallen.

Schlimmer geht nimmer

07.10.2006, Samstag

Etwa zwei Stunden vor der Landung fängt mein linkes Auge an, wie verrückt zu brennen. Wir mussten wegen SARS ein Formular mit Angaben zu unserer Gesundheit ausfüllen und natürlich habe ich bei der Frage, ob ich unter Husten, Schnupfen und dergleichen leide, kein Häkchen gemacht, da ich keine Lust habe, in einem chinesischen Hospital in Quarantäne gesteckt zu werden. Der Typ an der Kontrolle aber würdigt uns keines Blickes und sackt wortlos die Formulare ein, obwohl ich mich offensichlich schwer erkältet an ihm vorbeischleppe. Tja, Willkommen in China!

Wir fahren mit dem Bus in unser Studentenwohnheim, als der Bus die Huangpu- Brücke überquert und ich die grandiose Skyline wiedersehe, geht mir das Herz auf. Mittlerweile läuft aus meinem Auge gelber Sabber und ich höre fast nichts mehr. Na toll, jetzt habe ich auch noch eine Bindehautentzündung. Im Studentenwohnheim die nächste unangenehme Überraschung: Eines unserer Zimmer ist zwar hübsch groß, hat aber kein Fenster. Da wegen der Feierlichkeiten zur Gründung der Nation niemand Kompetentes da ist, können wir das auch erstmal nicht ändern.

Stefanie schleppt mich in das nächste Einkaufszentrum, wo wir tatsächlich eine Apotheke finden und Mittel gegen Erkältung und Bindehautentzündung erstehen. Nach ein paar Stunden Schlaf wird es tatsächlich dann etwas besser und wir erkunden die Umgebung und versorgen uns erstmal mit ein paar Grundnahrungsmitteln wie Rotwein und Kaffee. Dem Rotwein sprechen wir dann auch auf der kleinen Terrasse vor unserer kakerlakenverseuchten Küche kräftig zu.

Auf nach China!

06.10.2006, Freitag

Da ich immer noch eine fette Erkältung habe, sehe ich dem Langstreckenflug mit gemischten Gefühlen entgegen. Außerdem frage ich mich, wie ich so blöd sein konnte, meinen wohlverdienten Urlaub nicht unter Palmen, sondern in einer stressigen Großstadt mit einem stressigen Sprachkurs zu verbringen.

Mittwoch, Oktober 04, 2006

Reisevorbereitungen

04.10.2006, Mittwoch

Nach einen sehr anstrengenden aber auch sehr schönen verlängerten Wochenende mit unserem Meister sitze ich jetzt auf fast gepackten Koffern. Übermorgen geht es für Stefanie und mich vier Wochen ab nach Shanghai zum Sprachkurs und hoffentlich bieten sich auch wieder reichlich Trainingsmöglichkeiten. Nach dem ganzen Stress der vergangenen Tage bin ich im Kopf noch gar nicht auf Urlaub eingerichtet und kann mir nicht vorstellen, dass ich mich bald schon wieder in irgendeinem Park von irgendwelchen Meistern demütigen lasse, während 20 Leute drum herumstehen und Maulaffen feilhalten. Ich hoffe sehr stark, dass ich in China auf dieses blog hier draufkomme und von unseren Erlebnissen berichten kann. Noch scheint das zu klappen, aber wer weiss, was der Regierung noch so einfällt. Da Stefanie ihren Laptop mitnimmt, könnte es sogar sein, dass wir Bilder hochladen können. Falls wir nicht wieder -wie letztes Jahr- so blöd sind, uns unser Zeug klauen lassen. Eigentlich wollte ich auch mit einem Chat- Kumpel unserer Freundin Kerstin (die am 17.10 auch nach Shanghai kommt) auf ein Spiel von Shenhua gehen und den Chinesen ein paar deutsche Fangesänge beibringen, aber irgendwie habe ich das nicht mehr auf die Reihe bekommen. Schade, ich hätte gerne Karsten Janckers dummes Gesicht gesehen, wenn das halbe Stadion " Karsten Janker, Fussballdepp" gröhlt, aber das wird jetzt wohl nix mehr.

Besuch vom Meister

03.10.2006, Dienstag

Freitag früh um 5:00 haben Lilo und ich unseren Shanghaier Meister Wu Mao Gui und seinen Übersetzer Michael vom Flughafen abgeholt. Wir hatten das Glück, die beiden letztes Jahr in Shanghai kennen zu lernen und mit ihnen trainieren zu dürfen, anschließend hat der Meister uns und einen anderen Verein hier besucht. Letztes Jahr war er noch völlig aufgekratzt, da das seine erste Reise außerhalb Chinas war, dieses Jahr war er dann schon ganz cool und auch mit dem Essen wesentlich experimentierfreudiger und im Umgang mit Messer und Gabel deutlich geübter.

Ich hatte mich ein ganzes Jahr lang darauf gefreut, ihn wieder zu sehen und von ihm zu lernen, als er dann grinsend aus dem Flieger fiel, habe ich mich fast nicht mehr eingekriegt. Bei diesem Besuch hatten wir auch endlich mal die Möglichkeit, ihm Mainz zu zeigen und waren überrascht, dass er so auf die römischen Dinge abgefahren ist.

Die Seminare waren klasse, außerdem haben wir unendlich viel gequatscht und hatten echt eine große Zeit. Schade, dass es hier nicht solche Typen gibt, was für ein Privileg für unseren Verein, dass sich so ein Mann Zeit nimmt, uns Luschen vernünftiges Taiji beizubringen. Jetzt haben wir die beiden Jungs an unsere Bensheimer Freunde weitergereicht, da bleiben sie noch eine Woche. Da ich ja Freitag nach China fliege, kann ich die beiden also theoretisch zwei mal vom Flughafen abholen.