Mittwoch, Oktober 11, 2006

Meuterei

11.10.2006, Mittwoch

Als ich um 10.00 den Klassenraum betrete, sitzt da eine pickelige kleine Chinesin, die mich gleich anstrahlt und sich als Lily, unsere neue Lehrerin vorstellt. Ich frage mich, ob die in unserem Zimmer Wanzen installiert haben. Wie sich herraustellt, ist Stefanie nach einer schlaflosen Nacht zu dem Entschluss gekommen, ohne Umschweife nach einer neuen Lehrerin zu fragen, also sind sie und Alessandra gleich ins Büro getrabt und haben nach einer neuen Lehrerin verlangt. Lily legt sich auch sofort voll ins Zeug, erkennt zügig unsere Schwächen (die Aussprache) und fordert uns kräftig. Ich finde es interessant, Alessandra zuzuhören, denn bis jetzt kannte ich Chinesisch von Ausländern nur mit einem grauenhaften deutschen Dialekt (uns), jetzt höre ich mal die italienische Variante.

Etwas unschön an der Situation ist, dass unsere alte Lehrerin hospitiert, richtig peinlich wird es, als Lily uns den Satz: “Du hättest erst mit deinem Lehrer reden sollen, bevor du dich beschwerst“ übersetzen lässt. Aber wir krümmen uns erst richtig vor Scham, als die beiden Mädels nach der Mittagspause vor uns stehen und fragen, welche von beiden uns denn nun weiter unterrichten soll. Eigentlich hätten wir denen im Büro Bescheid sagen sollen, haben das aber irgendwie verpennt. Da Stefanie uns die Suppe eingebrockt hat, starren Alessandra und ich unbeteiligt an die Decke und überlassen es ihr, der alten Lehrerin mitzuteilen, dass wir dann doch lieber mit Lily weitermachen wollen. Selten war ich in einer peinlicheren Situation.

Da das Wetter hier in Shanghai immer noch sehr warm ist, wir aber alle nur festes Schuhwerk dabei haben, beschliessen Alessandra und ich, uns im nahegelegenen Einkaufszentrum nach etwas leichteren Schuhen umzuschauen. Freunde, ich sage euch: Solltet ihr Nachhilfe in modischen Fragen brauchen, dann geht mal mit einer Mailänderin einkaufen. Alessandra findet mit sicherem Griff aus einem Berg von Pullovern auf einem Grabbeltisch den schicksten mit dem höchsten Kaschmiranteil und keift dann noch mit dem Händler auf Chinesisch und ich traue mich kaum noch, einen Schuh überhaupt nur in die Hand zu nehmen aus Angst vor ihrem kritischen Urteil. Am Ende erstehen wir dann beide ein Paar schicke Converse- Segeltuchschuhe und kehren erschöpft in der Food- Plaza des Einkaufszentrums ein. Nach der Schuhaktion sind wir dann leider zu platt, um noch groß zu lernen und quatschen lieber noch auf der Terrasse.

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