Mittwoch, Oktober 25, 2006

Zurück von der Insel der Seligen

23.10.2006, Montag

Um 6:00 wachen wir durch lautes Gekreische auf den Flur auf. Mittlerweile haben wir herausgefunden, dass dies offensichtlich der normale Umgangston ist und nicht etwa ein deftiger Ehekrach oder sowas. Als ich um 7:40 in der „Lobby“ unserer Absteige meine Morgenzigarette und meinen Kaffee genieße, taucht unser Reiseleiter mit den Tickets auf und sieht irgendwie nicht glücklich aus. Die nervöse Dame an der „Rezeption“ scheucht mich zurück ins Zimmer und ich werde Zeugin, wie der Reiseleiter Lily irgendwas erklärt, woraufhin erstmal die Hölle losbricht. Sie zerrt ihn in ein Zimmer gegenüber und wir hören die nächsten zehn Minuten nur Gekeife in einer wirklich unglaublichen Lautstärke, offensichtlich läuft hier wirklich was schief. Schließlich verlässt der Reiseleiter wie ein geprügelter Hund das Zimmer und Lily taucht süß lächelnd mit den Tickets und Kohle in der Hand auf. Unser Schnellboot kann angeblich wegen rauher See nicht fahren, weswegen auch wir mit einer Fähre auf die nächtse Insel und dann mit dem Bus fahren müssen. Sie hat ihm dann auch noch 120,- Yuan für diese Unbill abgetrotzt. Kurz bevor wir das Hotel verlassen, taucht die nervöse Dame mit einer zerbrochenen Teetasse in der Hand auf und behauptet, Stefanie hätte die kaputt gemacht. Wir sollten bitteschön dafür bezahlen. Die eilends herbeigerufene Lily baut sich vor der Dame auf, sagt, sie sei Anwältin und wo denn bitte der Beweis sei, das wir das gewesen wären? Warum habe die Dame das Corpus Delicti denn vom Tatort entfernt? Unter diesen Umständen sei die Rechtslage eindeutig, wir würden uns weigern, zu zahlen. Lily und schüchtern, von wegen!

Tatsächlich ist die See ziemlich rauh und das Boot sehr klein, es schwankt schon im Hafen wie verrückt, was mich sehr schnell eine Pille gegen Seekrankheit einwerfen lässt. Da das Boot sehr tief im Wasser liegt, gleicht die Überfahrt eher einem Tauchgang und das Boot krängt heftig von Seite zu Seite. Als erstes sehen wir wieder kurz das Video mit der glatzköpfigen Nonne, dann wankt ein Matrose durch den Gang und bietet es zum Kauf an. Als nächstes zeigt man einen Ausschnitt aus einem Video, das die religiösen Stätten Putuo Shans preist, wieder der wankende Matrose. So geht das im Minutentakt, aber angesichts der rauhen See ist die Kauflust der Mitreisenden eher gedämpft.

Auf der nächsten Insel, die wir ohne größere Verluste von Mageninhalten erreichen, will uns der Taxifahrer zu einer Inselrundfahrt überreden, was wir jedoch höflich ablehnen. Unser Bus entpuppt sich als sehr komfortabel mit Ledersitzen ausgestattet, fährt überpünklich ab und uns wird sogar noch ein Hefebrötchen und eine Zeitung in die Hand gedrückt. Eine Servicekraft, überwacht das Anlegen der Sicherheitsgurte, bedient das Bordvideosystem und säuselt mit süßer Stimme über ein halliges Mikrofon Anweisungen, die wir sowieso nicht verstehen. Bis zur Autofähre gibt es erstmal Karaoke und wir stellen fest, dass man durch das Mitlesen der Texte seine Vokabelkenntnisse enorm trainieren kann. Nach der Fähre zeigt man „The Abyss“ auf chinesisch, als wir im Stau um Hangzhou stehen zu meiner Freude „King of Beggars“ mit Stephen Chow. In der Gegend von Hangzhou fallen mir mal wieder die lustigen, quadratischen, dreigeschossigen Flachdachbauten auf, die von einem kleinen, in verschiedenfarbigem Plexiglas verkleideten Türmchen geschmückt werden, auf. Das Türmchen wird meistens noch von einem üppigen Blitzableiter in Form des Eiffelturms oder von großen Silberkugeln gekrönt. Letztes Jahr haben wir uns schon über diese doch eher bizarre Formensprache amüsiert, vielleicht hat ja ein Kollege in Hangzhou sich diesen Gebäudetyp patentieren lassen und verkauft diese Häuser jetzt von der Stange.

Während der Busfahrt machen wir per Handy unsere nächsten Trainingseinheiten aus, als wir um 18:00 Shanghai erreichen, ist Lily so durch den Wind, dass sie darum bittet, mit dem Unterricht am nächsten Tag eine Stunde später zu beginnen.

Stefanie und ich fahren zu Sashas, da wir dort ja schließlich das Projekt Putuo Shan auf Kurs gebracht haben und feiern den erfolgreichen Abschluss mit einer Pizza und einigen Gläsern Weißwein.

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