01.10.2009, Donnerstag
Um ausschlafen zu können, habe ich zum ersten Mal seit meiner Ankunft die Vorhänge zugezogen, werde aber trotzdem um 8:00 von Böllerschüssen geweckt. Draußen regnet es in Strömen, die Wolkenkratzer in Pudong sind nicht zu sehen. Schlafe noch mal ein und schaue mir dann im Fernsehen die Parade an, um morgen mitreden zu können. Zum Frühstück gibt es die restlichen Vanillepuddingküchlein. Da ich den Anblick im Gleichschritt marschierender Soldaten eher langweilig finde, nicke ich immer wieder ein, auch wenn einige in ihren Uniformen ganz niedlich aussehen. Die zivile Parade ist da schon interessanter, hat wirklich was von Fastnacht an sich. Hier draußen in Hongkou sind die Straßen wie ausgestorben, entweder sind die alle im Zentrum oder schauen fern. Da ich den hiesigen Medien entnommen habe, dass zu den Festivitäten annähernd 5,6 Millionen Besucher in Shanghai erwartet werden, sehe ich von einem Besuch des Stadtzentrums ab, der Dauerregen lädt auch nicht gerade dazu ein.
Intensive Körperpflege wird betrieben und die Trainingshosen gewaschen, hoffentlich trocknen die bis morgen. Das Klo ist verstopft, kein schöner Anblick. Egal, wenigstens fließt das Wasser, wenn auch langsam, ab, heute wird das sowieso keiner richten.
Eine chinesische Reisegruppe wird auf meinem Stockwerk einquartiert und begrüßt sich erst mal lärmend. Obwohl ich ja weiß, dass Chinesen gerne mal laut reden, habe ich doch jedes Mal die Befürchtung, es könne was Schlimmes passiert sein, wenn ich das Gekreische höre. Dabei sind die einfach nur gut drauf. Die Reisegruppe zieht Kamerabehängt vermutlich ins Stadtzentrum ab und ich habe wieder meine Ruhe. Im Fernsehen wird ständig die Parade wiederholt und ich vergnüge mich mit dem gestern erworbenen Architekturbuch, recherchiere einige Büros im Internet und schreibe e- mails an diverse Freunde. Die Zimmeraufräumbrigade lässt mich auch tatsächlich in Ruhe, habe schon die Erfahrung gemacht, dass „Do not disturb" Schilder grundsätzlich als dekoratives Türelement betrachtet und ignoriert werden. Ich versuche, in den westlichen Medien nachzuschauen, wie die Feierlichkeiten dort aufgenommen wurden, aber das ist hoffnungslos, da nichts lädt. Abends hört es endlich auf zu regnen und über Shanghai krachen die ersten Feuerwerke, die ich jedoch nicht sehen kann, da es zu bewölkt ist. Lilo dürfte jetzt nach China unterwegs sein, denke an sie. Im Fernsehen beginnt die große Feier in Beijing, die ich halb mitverfolge, während ich mich mit den Aufzeichnungen des Meisters beschäftige. Mein Gott, der Mann hat aber auch eine Sauklaue! Die Geburtstagsfeier endet damit, dass der Staatspräsident unter einem prächtigen Feuerwerk mit ethnischen Minderheiten tanzt. Sehr hübsch, werde morgen Xiao Lu sagen, ich sei sehr bewegt gewesen.
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