10.10.2009, Samstag
Habe mich entschieden, noch zwei Wochen länger hier zu bleiben. Das heißt, der Flug muss umgebucht und das Visum verlängert werden. Hier im Guesthouse gibt es einen Ticketservice, allerdings kommen die erst um 9:00. Angeblich. Wurde mir jedenfalls gestern an der Rezeption ausgerichtet. Um 9:00 kommt keiner, die Maus an der Rezeption sagt, es sei unklar, ob jemand erschiene. Warte ne halbe Stunde, versuche selber, bei China Eastern anzurufen, spricht natürlich keiner Englisch, übers Internet geht die Umbuchung auch nicht. Muss im Park unbedingt Oskar treffen, haue also dahin ab. Der Meister ist prächtig drauf, ich überbringe ihm die frohe Kunde, dass ich zwar länger bliebe, aber ab nächste Woche nur am Wochenende kommen könnte. Der gefürchtete Rotkotvogel erwischt sowohl Oskar als auch mich, ich habe nur einen Klecks auf der Schulter, Oskar hat allerdings die volle Breitseite abbekommen.
Nach dem Training fahren Oskar und ich ein Stück mit dem Bus, dann gurken wir mit seinem Motorroller durch Pudong zum Amt für öffentliche Sicherheit. Pudong finde ich langweilig, Riesen- Avenuen, kaum Verkehr, voll die Retortenstadt. Da lobe ich mir doch diese Seite des Huangpu, viel netter und gewachsene Architektur. Oskar ist ein sehr risikofreudiger Fahrer und quatscht die ganze Zeit. Von Zeit zu Zeit brüllt er andere Verkehrsteilnehmer mit seinem breiten amerikanischen Akzent an („get out off me way, motherfucker! This is the bike lane, you goddamned basterd!"), was aber keinen weiter stört.
In der Ausländerbehörde ziehe ich die Nummer 216, momentan ist gerade 148 dran und nur zwei Schalter sind geöffnet. Oha, ob ich das bis 15:00 zurück in den Park schaffe? Neben mir sitzt eine nervige Deutsche, die wichtig mit ihren Unterlagen raschelt und ständig belangloses Zeug in ihr Mobilfon quatscht. Nach zwei Stunden des Wartens werde ich etwas nervös und schicke dem Meister eine SMS, er möge doch bitte Xiao Lu sagen, ich käme später. Dann geht auf einmal alles rasend schnell, ein weiterer Schalter wird geöffnet und die Nummern springen rasant vor. Anscheinend waren einige des Wartens müde und sind abgehauen. Ich gebe meinen Pass und den Antrag zusammen mit meiner polizeilichen Meldung ab, muss in eine Webcam lächeln- alles klar, Freitag kann ich den Pass abholen. Wichtigste Hürde geschafft.
Zum Park fahre ich mit dem Taxi, schicke unterwegs eine SMS, das alles klar wäre und ich doch pünktlich käme und bin um 14:45 im Park.
Zu meinem Entsetzen hat sich der grauenhafte Saxophonspieler wieder auf unserem Trainingsgelände breit gemacht, also lauere ich auf einer Bank. Der Saxophonspieler trollt sich zum Glück, als Xiao Lu kommt, dafür wird aber der Zaun des Parks gerade gestrichen, was grauenhaft stinkt. Möchte nicht wissen, was für Umweltgifte wir da jetzt noch zusätzlich inhalieren. Die Hosen sind fertig, sehr hübsch. Als Xiao Lu hört, dass ich den ganzen Tag unterwegs war und noch nichts gegessen habe, zaubert er aus seinem Rucksack einen leckeren Keks hervor. Lilo und er werden sich sicher prächtig verstehen, denn dieser Rucksack ist ein Füllhorn der nützlichen Dinge wie Nahrung, klappbaren Kleiderbügeln und dergleichen. Xiao Lu hat sich in den Kopf gesetzt, dass ich bei einer bestimmten Einzelbewegung endlich mal Fa Jing produzieren soll, schließlich knallen meine Arme auch leise. Xiao Lu sagt, das er darüber sehr glücklich sei. Ein Riesenschritt, meint er und ich bin sehr stolz. Die Form klappt auch so einigermaßen, muss das einfach noch öfter wiederholen.
Mittlerweile bin ich ziemlich matt und hungrig, mit Buch zu Pizza- Hut, das Zeug stopft wenigstens ordentlich. Muss ständig niesen und die Gräten tun mir auch weh, das hat mir jetzt gerade noch gefehlt. Fühle mich einsam und krank, deswegen wird im Zimmer erst mal die Glotze eingeschaltet, wenigstens hat man dann Ansprache. Keine Lust auf das lahme Internet, lieber schön ins warme Bett und noch ein wenig lesen.
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