Freitag, Oktober 16, 2009

Mit der Strömung schwimmen

16.10.2009, Freitag

Kein Training die letzte Woche, da ich hier kurzfristig einen Praktikantenplatz bekommen habe. Und zwar in einem meiner Meinung nach der besten Büros Shanghais. (Was anderes hätte ich auch nicht gewollt).
Jeden Tag mit der hart arbeitenden Masse der Shanghaier lemminghaft in die Metro gespült, mittlerweile schlängele ich mich geschmeidig in den Zug und weiss mir einen der begehrten Plätze am Haltegriff oder manchmal sogar einen Sitzplatz zu erhaschen. Egal, ob ich mit der Metro Nr.8 oder mit der 3 fahre, alles gleich. Dou keyi. (Geht alles). Ich will hier nicht mehr weg, jedenfalls nicht so schnell. Shanghai ist geil, aufregend, voller Leben und vor allem ist hier Meister Wu, bei dem ich am Wochenende üben kann. Bin zwar relativ alt für solche Späße, aber in Deutschland kann ich immer noch in zehn Jahren Sessel warmpupen.
Und so sehe ich mich als Architektin mit ordentlich Berufserfahrung zurückgestuft auf Anfängerstatus, da ich zwar grob allen Gesprächen folgen, aber mich kaum selbst einbringen kann. Meine Kollegen sind alle so 20 Jahre jünger als ich, gerade mit der Uni fertig und machen diesen Job als Zwischenstadium, bevor sie zu Masterstudiengängen ins Ausland abhauen. Aber hier kommt der Spaßfaktor: Die jungen Leute spinnen, was das Zeug hält und ich alte Schnalle denke mir aus, wie wir das umsetzen. Und das macht echt Spaß, kann ich kaum beschreiben. Mein Englisch ist zwar nicht schlecht, aber „Kragarm" oder „biegesteife Verbindung" kriegt man ja in der Schule nicht unbedingt beigebracht, auf chinesisch schon gar nicht. Da wird halt viel skizziert und mittlerweile kann ich das statische System besser auf chinesisch als auf englisch erklären.
Und ich liebe meine Kollegen. So nette junge Leute, wie alle Chinesen, mit denen man enger zu tun hat, sind die hilfsbereit, höflich und gastfreundlich. Zum Beispiel haben wir Mittags eine Ayi (Tante), die für uns kocht. Normalerweise gibt es Reis und ein Fleisch- und ein Gemüsegericht. Seit die Ayi rausgefunden hat, dass ich Vegetarierin bin, gibt es nur noch Gemüse. Ist mir peinlich. Und meine Kollegen drücken mir ständig Knabbereien in die Hand. Mmmmh. Lecker geröstete Knoblaucherbsen. Oder in Chili eingelegte Bohnen. Zum Frühstück. Da will man ja auch nicht unbedingt Spielverderber sein.
Habe heute lecker deutsche Schokolade mitgeschleppt, hatte aber wegen Streß und Besprechungen keine Chance, die loszuwerden. Vielleicht nächste Woche.
Morgen ist Samstag, freue mich aufs Training...

2 Kommentare:

jb hat gesagt…

Und so sehe ich mich als Architektin mit ordentlich Berufserfahrung zurückgestuft auf Anfängerstatus, da ich zwar grob allen Gesprächen folgen, aber mich kaum selbst einbringen kann

Vor ca 35 Jahre ginge es mir genauso...
Durchhalten!

Anonym hat gesagt…

eines der letzten Abenteuer, die in dieser Welt noch zu haben sind. Bat aka Lederstrumpf. go go go