05.10.2008, Sonntag
Vormittags:
Als ich morgens frisch aus dem Bett springe, kann ich die Wolkenkratzer in Pudong nicht sehen und es scheint zu regnen. Gegen 8.00 beschließe ich, trotzdem in den Park zu fahren. Natürlich ist von den feinen Herren keiner da, obwohl es nicht mehr regnet. Weicheier. Nachdem ich eine halbe Stunde wie bestellt und nicht abgeholt rumgestanden habe, kehre ich frustriert ins Hotel zurück. Unterwegs kann ich wenigstens noch meine Verkehrsmittel- Karte aufladen, wenigstens etwas. Im Hotel angekommen, schreibe ich erst mal eine frustrierte Mail an den Meister und Xiao Lu, teile ihnen meine Mobilnummer mit und bitte sie, mich doch bitte zukünftig für den Fall, dass sie nicht trainieren, davon in Kenntnis zu setzen. Was jetzt aus dem gestern locker vereinbarten Nachmittagstraining wird, weiß ich natürlich nicht, gehe aber davon aus, dass das denn ja wohl auch nicht stattfinden wird. Mist.
Um den angebrochenen Tag sinnvoll zu nutzen, beschließe ich, endlich mal dem Shanghai Museum einen Besuch abzustatten, da war ich nämlich noch nicht. Na denn.
Nachmittags:
An Kerstins Tür hängt das „Do not disturb“ Zeichen, deswegen lasse ich sie auch in Ruhe. Mit meinen neuen Lieblings- Verkerhrsmittel, dem Bus, fahre ich ins Stadtzentrum. Am Haupteingang des Museums hängt ein Schild, man möge sich wegen freien Eintrittes an den Südeingang begeben. Dort wartet natürlich eine Riesen- Schlange, aber man wird doch sehr zügig eingelassen. Nach der Durchleuchtung meiner Tasche muss ich unter den wachsamen Augen des Sicherheitsschergen einen Schluck aus meiner Wasserflasche nehmen, schließlich könnte da ja was unkoscheres drin sein. Das Museum ist sehr interessant und auch ausgezeichnet beschildert. (Allein die Keramikabteilung hätte Herrn Burland wahrscheinlich zu Entzückensschreien veranlasst.) Ich weiß jetzt endlich, wie eine anständige Ming- Vase auszusehen hat und sehe die langweilige Lektion in unserem Übungsbuch über die Geschichte des Porzellans aus Jingdezhen mit völlig neuen Augen.
Da ich sowieso auf der Ecke bin, bummele ich die Fuzhou Lu runter, um mir für den versauten Tag wenigstens ein paar DVDs zu besorgen. Meinen Lieblingsladen gibt es leider nicht mehr, da kommt gerade ne schicke Boutique rein. Naja, in einer derartig schnellebigen Stadt muß man mit solchen Verlusten halt rechnen. Im Riesen- Buchladen, der natürlich brechend voll ist (schließlich ist Sonntag), finde ich in der Unterhaltungsabteilung ein Frühwerk des Heiligen Stephen, das ich natürlich erwebe. Und im Raffles City um die Ecke werden bei Bearded Pappa auch gleich zwei Windbeutel erstanden. (Ali läuft jetzt wahrscheinlich das Wasser im Mund zusammen.) Es geht doch nichts über eine sinnfreie Hongkong- Klamotte und gutes Gebäck an einem Sonntagnachmittag. Es gelingt mir, die Windbeutel annähernd zerstörungsfrei in den Bus zu befördern (hinter mir knufft mich eine Frau ständig in den Rücken und versucht, sich an mir vorbeizudrängeln, aber da kann ich auf einmal ganz schön breit werden) und den letzten Sitzplatz zu ergattern. Am Stadion lungern jede Menge Verkäufer rum, die unter den Augen der Staatsmacht schwarz Karten verkaufen. Heute spielt nämlich Shanghai Shenhua. Vereinzelt laufen auch Knaben in Fanklamotten rum, Bullen sind kaum zu sehen. Mann, das würde in Deutschland aber ganz anders abgehen. Die Fans von Shenhua heißen „Blue Devils“ und sind –ähnlich wie die Mainzer- dafür bekannt, im Stadion ordentlich Stimmung zu machen. Mal schauen, ob ich was davon mitkriege, das Stadion habe ich ja im Blick und wenn da nur annähernd so viel geht wie in Mainz, dürften hier der Putz von den Wänden fallen.
Dazu noch eine kleine Anmerkung: Gestern Abend waren wir noch mit Kerstins Freunden im Vegetarian Lifestyle essen, Stefan (natürlich heißt der nicht wirklich so), ein glühender Anhänger von Schalke 04, hat mir einen Schal von Shanghai Shenhua geschenkt. (Von mir hat er dafür ein T- Shirt mit Kevin Kuranyi bekommen.) Darüber habe ich mich wahnsinnig gefreut. Leider spielen die in blau, im Mainzer Stadion vielleicht eine nicht wirklich geschickt zu tragende Farbe, aber vielleicht sollte ich den mal zum Parktraining passend zu meinen Hosen anlegen.
Auf dem Sportplatz des Campus wird gerade Fußball gespielt, erfreut nehme ich zur Kenntnis, dass eines der Teams die Trikots der deutschen Nationalmannschaft trägt. Recht so.
Nachtrag 2: Shenhua siegt 2:0. 申华加油! (Vorwärts, Shenhua!)
2 Kommentare:
"des Heiligen Stephen"...mh, doch hoffentlich eines mit ordentlichem Kopfputz, so mit Kakerlaken-Fühlern oder so...mindestens! ;-)
Das verwechselst du mit Andy Lau. Der Heilige Stephen entwürdigt sich nicht derartig.
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