Sonntag, Oktober 26, 2008

Warrior Woman #5

26.10.08, Sonntag


Vormittags:

Wieder leichter Regen, ich nehme den Bus zum Park. Irgendwie hat meine neue Wunderwaffe es geschafft, den Meister anzurufen, als ich in meiner Tasche Gegenstände oben drauf gestopft habe, peinlich. Ich entdecke einen Sperrknopf. Herr Si ist schon da, der Meister trifft schließlich auch gut gelaunt ein. Gestern hat er wohl zu viele Wollhandkrabben gefressen, deswegen hat er kleine Magenprobleme, ist aber ansonsten gut drauf, ich entschuldige mich für mein kleines Mobilphonproblem. Chinesen haben manchmal etwas eigenwillige Vorstellung, was die körperliche Ertüchtigung im Freien bei feuchtem Wetter angeht, deswegen ist Xiao Lu wohl nicht da. Weichei.
Wir haben viel Spaß beim Üben, Herr Si ist überrascht, wie schnell ich die Line mit dem Armgewickel gelernt habe. Gut, ich hatte ja auch Nachhilfe. Nebenan unterrichtet ein alter Herr eine junge Frau und einen Herren im Yang- Stil. Meister Wu befindet die für „bu hao“ (nicht gut), das kann sogar ich sehen. Warum das so sei? Er meint, Taiji wäre Kunst, das, was die da machen, sei es nicht. Das Aroma (schwer zu übersetzen) stimme nicht, außerdem führten die bloß Bewegungen aus, ohne den Sinn zu kennen oder zu verstehen. Also Leute, lehrt und lernt die Anwendungen! Sonst ist es nur Gymnastik.
Die Form laufen wir unter besonderer Berücksichtigung der Gewichtsverlagerungen, auch sehr wichtig. Dong Bao Quan muss ich auch noch vormachen, der Meister korrigiert völlig andere Dinge als Xiao Lu und führt einige Bewegungen ganz anders aus. Kompliziert.
Da der feine Herr Lu nicht zum Training erschienen ist, weiß ich natürlich nicht, was jetzt Nachmittags angesagt ist. Ich möchte ja nicht, dass Xiao Lu wieder vergebens anreist. Meister Wu gibt mir die Mobilnummer von Xiao Lus Gattin (Xiao Lu selber hat keines), da anzurufen habe ich allerdings eher mäßig Bock, da die Shanghaier Schnallen für ihre Eifersucht bekannt sind. „Kein Problem“ sagt Meister Wu und hängt gleich noch eine Geschichte dran, dass Xiao Lus Frau ihrem Gatten schon mal den Umgang mit einer anderen Frau verboten habe, die er ganz nett fand und bei ihm (Meister Wu) Kontrollanrufe gemacht habe, ob ihr Gemahl auch wirklich im Training sei. (Jedenfalls ist das in den Grundzügen das, was ich verstanden habe). Jetzt habe ich natürlich noch weniger Bock, da anzurufen, schicke aber mit der Wunderwaffe eine SMS.
Zu Hause mache ich mir eine Nudelsuppe, Stefanie dürfte in diesen Minuten in Deutschland einschweben. Das Netz ist wahnsinnig lahm, wahrscheinlich ist halb China online. Der Meister ruft an und fragt nach, wie viele Fummel in welcher Farbe wir denn noch mal wollten, er sei gerade beim Stoffkauf. Dass er dabei ständig lautstark in den Hörer hustet, ist für das Verständnis nicht wirklich hilfreich. Ich brabbele irgendwas und sage ja, mal schauen, wie viele Fummel wir jetzt kriegen.
Xiao Lu geht online, heute Mittag Unterricht, sehr gut.

Nachmittags/ Abends:

Als wir uns aufwärmen, kommt ein wie ein Schnapsladen stinkender Typ in schäbiger Kleidung angetrabt und verwickelt Xiao Lu in ein Gespräch, leider auf Shanghainese. Nach ein paar Minuten Konversation verabschiedet er sich freundlich und zieht von dannen. Irgendein Penner, denke ich, Xiao Lu erklärt mir, der Typ sei ein sehr berühmter Dokumentarfilmer, der schon Filme über Wu Shu gedreht habe und selber auch ein nicht übler Kampfkünstler sei. Tja, so kann man sich täuschen. Vielleicht kam er ja gerade von einer wüsten Premierenfeier und hatte keine Zeit zum Duschen und Umziehen.
Heute hat sich mein großer Bruder was ganz Feines ausgedacht: Wir laufen alle Lines hintereinander, ohne abzusetzen. Im tiefen Stand ist das ganz schön anstrengend und da ich nicht damit gerechnet hatte, stehe ich natürlich besonders tief. Aua. Auch an den Formen wird ordentlich rumgeschraubt, mit Dong Bao Chuan bin ich nicht wirklich zufrieden, das lief schon mal besser. Trotzdem bringt Xiao Lu mit jetzt noch die Sprünge bei, die bei der langsamen Ausführung nur angetäuscht werden, cool. Ich bin immer noch nicht mit mir zufrieden, aber er tröstet mich und meint, ich sei ein wenig besser als Oskar, der das ja immerhin schon zwei Jahre macht. Er verstehe nicht, warum Oskar so von sich überzeugt sei, immer wieder mache er die selben Fehler. Na, sooo schlecht ist der ja auch wieder nicht, zu seiner Ehrenrettung schlage ich vor, dass ihm das vielleicht einfach mal jemand sagen solle? Das nütze nichts, sagt Xiao Lu, er höre einfach nicht. Na dann.
Das mit der Schnalle will ich natürlich auch etwas genauer wissen, schließlich habe ich keine Lust auf eifersüchtige Shanghaier Ehefrauen. Er lacht und sagt, er ließe sich von seiner Gattin nichts sagen. Ein Irrglaube, dem weltweit alle Ehemänner verfallen sind.
Heute wieder mit dem Elektroroller zum Bus, in der Fressgasse lasse ich Gerechtigkeit walten und bestelle zur Abwechslung mal ein Crepe. Die Mädels erkundigen sich ganz angelegentlich nach Stefanie und fragen, ob sie denn schon angekommen sei?
Von dem Crepe werde ich nicht satt und belege mir daher eine Scheibe labberigen Vollkorntoast dick mit Scheibelettenkäse, was anderes gibt es nicht. Das Internet geht nicht, sehr ärgerlich.
Das Hongkou Stadion ist hell erleuchtet, gerade wird die Nationalhymne gespielt. Shenhua kickt wohl gegen Guangzhou, diesmal kann ich die Blauen Teufel auch lauthals brüllen hören. Das erinnert mich daran, dass heute auch die Mainzer spielen, wünsche beiden Mannschaften Erfolg. Zumindestens das Shenhua- Spiel kann ich mir im Fernsehen anschauen.

Nachtrag:

Shenhua liegt zur Halbzeit 2:0 zurück, sichert sich aber nach furioser Aufholjagd einen 3:2 Sieg. Im Fernsehen läuft das ganze zeitversetzt, ich kann das Jubelgeheul aus dem Stadion schon hören, bevor die Tore im Fernsehen gezeigt werden. Die Fans grölen nach dem Abpfiff noch fröhliche Schlachtgesänge, erinnert mich irgendwie an Mainz. Hoffentlich haben die auch soviel Glück.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

die Fußballergebnissinteressieren mich naturgemäß wenig, was ichg aber nicht verstehe, ist, wie du Fortuna Imperatrix Mundi - O Fortuna auf lastfm hören konntest. Bei mir taucht zwar der Titel auch auf, zeigt mir aber nur eine merkwürdige Playlist mit völlig anderen Stücken.

Bat hat gesagt…

Meine Playlist zeigt meistens das, was ich kürzlich auf meinem iPod abgedudelt habe, desdewege...