Dienstag, Oktober 14, 2008

Huge ufo hovers over Shanghai China stir crowds must see





14.10.2008, Dienstag

Vormittags:

Da das Netz hier frühmorgens am besten funktioniert, nutze ich diese Zeit, um zu schauen, was in Rest der Welt denn so pas
siert ist. Auf Spiegel- Online stoße ich auf diesen interessanten Artikel, eine Wahrsagerin hat für heute den Erstkontakt mit Außerirdischen vorhergesagt. (Völliger Blödsinn, weiß doch jeder, dass das erst am 5. April 2063 passieren wird, wenn Zephram Cochrane das erste warpfähige Schiff gebaut haben wird). Mich wundert nicht im geringsten, dass die Außerirdischen sich Shanghai dazu ausgesucht haben, wenn überhaupt, dann nur hier. Allerdings hätte ich eher vermutet, dass sie sich den Tomorrow Square dazu wählen, der Wolkenkratzer dort scheint mir eigens für diesen Zweck konstruiert.
Stefanie und
ich fahren mit dem Bus zum Park, da der Meister wieder Ausländer unterrichten muss, kommt er eine halbe Stunde später und verschwindet auch wieder früher. Die obligatorische Schnapsflasche wird übergeben, wir machen mildes Training und ordentlich Anwendungen, Meister Wu haut mich auf das rechte Handgelenk, das wird wieder ordentlich blaue Flecke geben. Stefanie schlägt sich dafür, dass sie erst gestern angekommen ist, ganz wacker. Natürlich werden wir wieder von der Wu- Stil Gang kritisch beäugt. Xiao Lu schaut sich meine Tongbei Form an und schraubt ordentlich an mir rum, anschließend darf ich noch ganz viel Push Hands mit ihm machen und er freut sich diebisch, wenn ich durch den Park fliege. Eigentlich hätte ich ja ganz gerne mal gesehen, wie Stefanie mit dem zurechtkommt, denn die ist da deutlich besser als ich. Vielleicht ein anderes Mal.
Stefanie leidet noch unter den Nachwirkungen einer Blasenentzündung und möchte Medizin besorgen, Xiao Lu begleitet uns zur Apotheke und wartet diskret draußen. Die Damen denken zunächst, Stefanie habe Durchfall, Blasenentzündung lässt sich halt sehr schlecht pantomimisch darstellen. Dann wollen sie ihr ein Antibiotikum aufdrehen, was sie aber nicht möchte. Toll, mein Phrasenbuch mit den entsprechenden Ausdrücken für alle Krankheiten und Beschwerden liegt natürlich im Hotel, da nutzt es uns wenig. Trotz größter Bemühungen auf beiden Seiten können wir unser Anliegen nicht vermitteln, also sagen wir, wir würden dann doch lieber noch mal mit einem Chinesisch sprechenden Freund wiederkommen und ziehen uns höflich aus der Affäre. Stefanie wird bei den Fladendamen in der Fressgasse eingeführt, heute Abend werden wir mal eines der vielen Restaurants dort ausprobieren und anschließend in der Studentenbeize einen Absacker nehmen.

Nachmittags:

Keine Zeit für ein Nickerchen mehr, erscheine leicht angeschlagen im Park. Xiao Lu verspätet sich, da sein Moped kaputt gegangen ist und er mit dem ordinären Fahrrad fahren musste. Darüber ist er anscheinend nicht glücklic
h, in seiner Jugend hatte er wohl mal einen richtig heißen Ofen, mit dem er ordentlich Gummi gegeben hat, jetzt halt nur ein klapperiges Fahrrad. Dass ich die Tongbei Form nicht ganz kann, empfindet er als offensichtlich als Schande, also wird mir die jetzt eingebimst. Vor allem legt er Wert darauf, dass das ganze auch „Piaoliang“ (hübsch) aussieht, das heißt für ihn sehr tiefe Stände, ordentlich eingesunkene Hüften und knackige Bewegungen. Ja, mache ich doch gerne, auch wenn die Oberschenkel ziehen. Wenn ich es wage, mich nur etwas aufzurichten, gibt es sofort heftiges Geknurre von hinten, ist aber ganz gut, einen derartig strengen Lehrer zu haben. Mittlerweile bin ich auch wieder so gelenkig, dass ich das ganz gut hinbekomme, mit dem Gesamtergebnis und auch der Dong Bao Fist Form scheint er zufrieden. Xiao Lu hat noch einen viel schlimmeren blauen Fleck am Arm als ich, da hatte ich ja Glück. Wir jammern uns gegenseitig was vor, wie gesagt, geteiltes Leid ist halbes Leid.
Als wir uns nach dem Training umziehen, tänzelt er mit nacktem Oberkörper vor mir herum und erzählt mir, dass er es gut fände, dass ich mich nicht so schamlos entblößen würde. Die andere deutsche Schnalle, die hier mal bei denen trainiert hat, hat sich wohl immer bis auf die Unterwäsche entblättert, das fanden die alle ganz schlimm. Um den Schlimmheitsgrad zu demonstrieren, hält er sich schamhaft seinen Fummel als Sichtschutz vor das Gesicht und kreischt. Das würde mir gerade einfallen, vor meinen Fans im Park die Hosen fallen zu lassen! Naja, manche Leute haben halt kein Feingefühl, hoffentlich können Stefanie und ich den Ruf der deutschen Weiber hier wieder einigermaßen gerade biegen. Wir jedenfalls bemühen uns um Keuschheit.
Zur Bushaltestelle werde ich im Damensitz auf dem Gepäckträger des Fahrrades bugsiert, Ritter.

Abends:

Erster Restaurantversuch in der Fressgasse, absoluter Höhepunkt: Auberginen und Kartoffeln in dicker süß- saurer Soße mit ordentlich Knoblauch und Ingwer. Lecker! Momentan ist hier Saison für Wollhandkrabben, Stefanie freundet sich schon mal mit diesen Kreaturen an, die verzweifelt dem Aquarium zu entkommen versuchen. Studentenkneipe rockt noch immer, auch wenn die Mangafraktion ordentlich rumkreischt. Naja, Kinder halt. Und die Außerirdischen sind auch nicht gekommen.


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