Vormittags:
Hechtrolle aus dem Bett, Stefanie dürfte in diese Minuten landen, bin schon ganz aufgeregt. Trabe in den Park, unterwegs entdecke ich einen Laden für Architektur- Fachbücher, habe allerdings keine Zeit, mir den genauer anzuschauen, eine Aufgabe für die nächsten Tage. Xiao Lu ist nicht da, dafür aber Rose und der Ami, Judd, scheint ganz in Ordnung zu sein. Oskar hat seine Festplatte mitgebracht und leiert mir ein paar Videos auf den Rechner, wie nett. Die Gelegenheit, dass jemand da ist, der hinreichend Chinesisch spricht und übersetzen kann, wird von Meister Wu zu einer ausgiebigen Theoriestunde genutzt, der auch mindestens 15 Chinesen ergriffen lauschen, natürlich auch unser Shaolin- Freund, der Geheimnisse zu erhaschen hofft. Ich nutze die Gelegenheit, mich noch mal für mein gestriges Versagen zu entschuldigen. Wie ich herausbekomme, hat sich Xiao Lu das mindestens genauso zu Herzen genommen wie ich. In ein paar Jahren soll er selber unterrichten, ich bin jetzt sozusagen der Testballon und deswegen setzt er viel Ehrgeiz und Hoffnungen in mich, um sich zu beweisen. Gestern gab es wohl schon eine etwas längere Besänftigungsnummer zwischen dem Meister und ihm, heute werde ich dann beruhigt. Meister Wu sagt, als er angefangen habe, zu unterrichten, sei er genauso gewesen und könne uns beide verstehen, das sei halt ein Prozess, den sowohl Xiao Lu als auch ich jetzt durchlaufen müssten und Xiao Lu solle mich auf jeden Fall weiter unterrichten. Und er sehe durchaus die Fortschritte, die ich gemacht habe. (Was die hinter meinem Rücken so erzählen, weiß ich allerdings nicht). Ich fühle mich geehrt, für würdig genug befunden worden zu sein, Xiao Lus allererste Schülerin zu sein und gedenke, mich jetzt noch mehr anzustrengen. Schon lustig irgendwie: Ich war die erste westliche Frau, mit der er jemals ein Wort gewechselt hat, der er zugeprostet hat, das ist drei Jahre her , jetzt sind wir trotz mangelnder Sprachkenntnisse Freunde und ich seine Schülerin. Das habe ich mir damals auch nicht ausgemalt, als ich ihn bei unserer ersten Begegnung auf dem alten Trainingsgelände durch den Park geschubst habe. In der Regel ist hier die Bindung zwischen Meister und Schüler lebenslang, auch wenn ich mich nicht den üblichen Ritualen unterworfen habe und Xiao Lu noch kein Meister ist, bin ich mal gespannt, denn er wird für immer einen Platz in meinem Herzen haben.
Der Meister hat extra eine Pratze mitgebracht, da macht Schläge üben mehr Spaß. (Ja, Lilo, wir werden fragen, wo es die gibt und welche mitbringen, wenn wir noch Platz im Koffer haben). Bei den Lines stehe ich supertief, die Line, die ich nicht kenne nimmt Oskar extra auf Video auf, damit ich in Deutschland eine Gedächtnisstütze habe, das finde ich sehr rücksichtsvoll von ihm und bedanke mich herzlich. Mittlerweile hat Stefanie auch ihren Kram geregelt und mich angerufen, beschwingt eile ich ins Gästehaus zurück.
Xiao Lu habe ich zwar schon vorgestern wegen Stefanies Ankunft das Training abgesagt, trotzdem Anruf und Gebrüll ins Mobilfon bei mieser Verbindung, während wir im Aufzug stehen. Stefanie wird erst mal mit der Buslinie 18 vertraut gemacht und ist erwartungsgemäß begeistert. Wir speisen nach alter Sitte im Vegetarian Lifestyle und auf dem Weg zurück ins Zentrum erwerbe ich netten Modeschmuck und eine kitschige kleine Porzellankatze, die ich noch herunterhandele, nach einer Woche Intensivtraining habe ich erhöhten Shoppingbedarf. Und natürlich statten wir auch dem Museum for Contemporary Art (MOCA) einen Besuch ab, beschränken uns allerdings nur auf einen Besuch des Shops, die Ausstellung werden wir uns zu einem anderen Zeitpunkt zu Gemüte führen. Kauf eines T- Shirts der Marke „In Shanghai“, auch das hat einfach Tradition. Brillanterweise schaffe ich es, meine Bankkarte durch dreimalige Eingabe der falschen PIN zu sperren, jetzt muss ich wohl zu der Filiale der Deutschen Bank nach Pudong, um das wieder zu richten. Klasse, ich Trottel. In der Fuzhou Lu versorgen wir uns noch mit aktuellen Stadtplänen (in einer derartig schnelllebigen Stadt braucht man jedes Jahr einen neuen) und treffen uns anschließend mit Kerstin im Barbarossas zum traditionellen Happy Hour Willkommensgetränk. Vor Barbarossas macht eine nette Schweizerin Erinnerungsfotos von uns, eigentlich völlig albern. Bus zurück ins Gästehaus, Absacker, morgen um 8.20 Treffen in der Lobby wegen Fahrt zum Park zwecks Training, Schlafenszeit. Meine Hosen fangen schon wieder an, um meine Beine zu flattern, muss mehr essen.
2 Kommentare:
lass die Pratzen doch per Post schicken - was kostet die Welt?! Meine Schwerter sind für wohlfeile 300 Kuai unbeschadet nach 2 Wochen angekommen! So 5 Stück von den Dingern wären geil!
hatten heute auch Pratzentraining. Allmählich werd ich zu alt für so'n Scheiß.
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